1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter der
Söhne T und H. Der geschiedene Ehemann der Klägerin und
Vater der beiden Kinder starb im Jahr 2007. Daraufhin erhielt die
Klägerin im Streitjahr 2008 eine Erziehungsrente
gemäß § 47 des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB
VI) in Höhe von 7.920 EUR.
|
|
|
2
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erfasste 56 % der Rente abzüglich des
Werbungskostenpauschbetrags in Höhe von 102 EUR (4.333 EUR)
als sonstige Einkünfte gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa des Einkommensteuergesetzes in der im
Streitjahr geltenden Fassung (EStG). Die Klägerin ist
demgegenüber der Auffassung, es handele sich bei der Rente um
den Ersatz wegfallender Unterhaltsleistungen des verstorbenen
Vaters ihrer Söhne, der - ebenso wie die Unterhaltsleistungen
selbst - steuerfrei bleiben müsse. Die Rente ende mit
Erreichen des 18. Lebensjahres der Kinder und sei mit einer
Altersrente nicht vergleichbar.
|
|
|
3
|
Ihr Einspruch hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) hat die Klage mit dem in EFG 2012, 625 = SIS 11 35 13 (nur Leitsatz) veröffentlichten Urteil
abgewiesen.
|
|
|
4
|
Ihre Revision begründet die
Klägerin damit, dass die Erziehungsrente als
Unterhaltsersatzleistung lediglich aus praktischen Erwägungen
im Sozialgesetzbuch geregelt und die Rentenversicherung als
auszahlende Institution bestimmt worden sei. Damit habe der
Gesetzgeber keineswegs die Leistungen als Rente qualifizieren
wollen.
|
|
|
5
|
Sie, die Klägerin, habe die
Beiträge in die Rentenkasse ausschließlich für ihre
eigene Altersvorsorge, nicht aber für den Erhalt dieses
Unterhaltsersatzes geleistet. Die Erziehungsrente habe nichts mit
der Altersvorsorge bzw. zusätzlichen Renteneinkünften zu
tun, sie diene vielmehr lediglich dazu, den wirtschaftlichen
Schaden, der aufgrund des Todes des geschiedenen Ehemannes durch
den Wegfall der nicht steuerbaren Unterhaltsleistungen eingetreten
sei, auszugleichen. Sie stelle kein zusätzliches Einkommen
dar.
|
|
|
6
|
Die Erziehungsrente werde vom Staat aus
sozialen Gründen gezahlt, um den vorherigen Lebensstandard zu
wahren. Eine Unterhaltsersatzrente sei daher mit einer
Schadensersatzrente vergleichbar. Schadensersatzrenten
unterlägen sowohl nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.11.2008
X R 31/07, BFHE 223, 471, BStBl II 2009, 651 = SIS 09 03 34) als
auch nach der Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 15.7.2009, BStBl I 2009, 836 =
SIS 09 22 34) nur in den Fällen der Einkommensteuer, in denen
Ersatz für andere ihrerseits steuerbare Einkünfte
geleistet werde. Die vor dem Tode des Unterhaltsverpflichteten
erhaltenen Unterhaltszahlungen seien demgegenüber nicht
steuerbar gewesen.
|
|
|
7
|
Die Besteuerung mit dem Besteuerungsanteil
von 56 % habe erdrosselnde Wirkung und stelle für sie eine
erhebliche Härte dar.
|
|
|
8
|
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2008 vom 8.5.2009 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 28.10.2009 so zu ändern, dass die
Erziehungsrente insgesamt nicht steuerlich erfasst wird.
|
|
|
9
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
Die Rechtsprechung des BFH zu den
Schadensersatz- und Unterhaltsrenten gemäß § 844
Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) könne auf die
Erziehungsrenten gemäß § 47 SGB VI nicht
übertragen werden. Die Nichtsteuerbarkeit der
Schadensersatzleistungen beruhe darauf, dass solche Leistungen
nicht durch Beiträge erwirtschaftet würden. Die
Erziehungsrente sei demgegenüber aus der gesetzlichen
Rentenversicherung der Klägerin und nicht aus der ihres
verstorbenen früheren Ehemannes gezahlt worden. Die
Erziehungsrente finde ihre Grundlage damit in den
Beitragsleistungen der Klägerin und sei zu Recht der
Besteuerung unterworfen worden.
|
|
|
11
|
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
12
|
Das FG hat zu Recht die Entscheidung des FA
nicht beanstandet, die Erziehungsrente der Klägerin
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
EStG der Besteuerung zu unterwerfen.
|
|
|
13
|
Erziehungsrenten der gesetzlichen
Rentenversicherung gehören zu den Leibrenten und sonstigen
Leistungen, die gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a
Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind (unten 1.). Sie sind keine
nicht steuerbaren Schadensersatz- oder Unterhaltsrenten
gemäß § 844 Abs. 2 BGB (unten 2.). Bedenken gegen
die Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der
Erziehungsrenten in die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bestehen nicht (unten 3.).
|
|
|
14
|
1. Zu den sonstigen Einkünften des §
22 EStG gehören Leibrenten und andere Leistungen, die aus den
gesetzlichen Rentenversicherungen, den landwirtschaftlichen
Alterskassen, den berufsständischen Versorgungseinrichtungen
und aus Rentenversicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. b EStG erbracht werden, soweit sie jeweils der Besteuerung
unterliegen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz
1 EStG). Bemessungsgrundlage ist der Besteuerungsanteil, der nach
den Vorgaben des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
Sätze 2 bis 8 EStG errechnet wird.
|
|
|
15
|
a) Sozialversicherungsrenten, die auf eine
bestimmte Zeit beschränkt sind oder zu einem früheren
Zeitpunkt mit dem Tod des Versicherten enden, sind abgekürzte
Leibrenten (Senatsurteile vom 4.10.1990 X R 60/90, BFHE 162, 298,
BStBl II 1991, 89 = SIS 91 02 04, und vom 10.7.2002 X R 46/01, BFHE
199, 541, BStBl II 2003, 391 = SIS 03 05 84) und unterliegen damit
ebenfalls der Besteuerung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (Senatsurteil vom 13.4.2011 X R
54/09, BFHE 233, 487, BStBl II 2011, 910 = SIS 11 24 23, unter
II.1.b).
|
|
|
16
|
b) Zu den Leibrenten aus den gesetzlichen
Rentenversicherungen gehören alle in § 33 SGB VI
aufgezählten Rentenarten, die durch die gesetzliche
Rentenversicherung gewährt werden (Senatsurteile vom 13.4.2011
X R 19/09, BFH/NV 2011, 1489 = SIS 11 26 08, unter B.I.1.b, sowie X
R 33/09, BFH/NV 2011, 1496 = SIS 11 26 09, unter B.I.1.a, und in
BFHE 233, 487, BStBl II 2011, 910 = SIS 11 24 23, unter II.1.b).
Das sind neben den Renten wegen Alters (§ 33 Abs. 2,
§§ 35 ff. SGB VI), wegen verminderter
Erwerbsfähigkeit (§ 33 Abs. 3, §§ 43 ff. SGB
VI) auch die wegen Todes (§ 33 Abs. 4, §§ 46 ff. SGB
VI). Zu diesen zählen gemäß § 47 SGB VI auch
die Erziehungsrenten (ebenso FG Baden-Württemberg, Urteil vom
18.9.2007 10 K 244/06, nicht veröffentlicht - n.v.; Fischer in
Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 22 Rz 38; Killat-Risthaus in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 22 EStG Rz 279; Lüsch in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 22
Rz 80; Lindberg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 22 Rz
50).
|
|
|
17
|
aa) Bereits in der Begründung des
Gesetzentwurfs zum Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom
5.7.2004 (BGBl I 2004, 1427) wurde ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass der Regelungsgehalt des § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG sämtliche Rentenarten,
insbesondere auch Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
und Hinterbliebenenrenten umfasse, die bisher als abgekürzte
Leibrenten nach der Ertragsanteilstabelle in § 55 Abs. 2 der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) besteuert
worden seien. Begründet wird diese Entscheidung mit der
steuerlichen Entlastung der zugrunde liegenden Beiträge (vgl.
den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der
einkommensteuerrechtlichen Behandlung von
Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, BTDrucks
15/2150, S. 40).
|
|
|
18
|
bb) Die grundsätzliche Entscheidung des
Gesetzgebers, nicht nach den einzelnen Rentenarten zu
differenzieren, entspricht dem Sinn und Zweck der durch das
AltEinkG eingeführten nachgelagerten Besteuerung der
Leistungen der Basisversorgung durch die gesetzliche
Rentenversicherung, die landwirtschaftlichen Alterskassen, die
berufsständischen Versorgungseinrichtungen sowie die
kapitalgedeckte Altersversorgung, die sog. Rürup-Rente. Nach
dem Konzept der nachgelagerten Besteuerung sind die Leistungen der
Basisversorgung als solche steuerbar; zu berücksichtigen sind
- wenn auch zeitlich versetzt - die Aufwendungen und Erträge,
die sich aus den Beiträgen und den Rentenzahlungen ergeben
(vgl. Senatsurteil vom 26.11.2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl
II 2009, 710 = SIS 08 44 40, unter II.2.a bb (1)). Dies gilt nicht
nur für die Besteuerung von Alters- und
Erwerbsminderungsrenten (so auch bereits Senatsurteil in BFHE 233,
487, BStBl II 2011, 910 = SIS 11 24 23, unter II.1.d aa), sondern
auch für die Erziehungsrenten. Diese beruhen ebenfalls auf den
Beiträgen, die der Steuerpflichtige in die gesetzliche
Rentenversicherung eingezahlt hat und - soweit sie nicht bereits
nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfrei waren - von ihm zumindest
teilweise steuermindernd geltend gemacht werden konnten und
können.
|
|
|
19
|
cc) Bei der Erziehungsrente handelt es sich
trotz ihrer Einordnung unter die Renten wegen Todes nicht um eine
Rente aus abgeleitetem Recht (der Versicherung des geschiedenen
Ehegatten), sondern um eine Rente aus eigener Versicherung (siehe
auch Lindberg in Frotscher, a.a.O., § 22 Rz 50; Löns in
Kreikebohm, SGB VI, Kommentar, 3. Aufl., § 47 Rz 3; Bohlken
in: Schlegel/Voelzke, SGB VI, § 47 Rz 9). Dies ergibt sich
bereits aus § 47 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, in dem der Bezug einer
Erziehungsrente davon abhängig gemacht wird, dass die
Wartezeiten durch den Berechtigten selbst erfüllt sein
müssen (vgl. Löns in Kreikebohm, a.a.O., § 47 Rz 7;
Bohlken in: Schlegel/ Voelzke, a.a.O., § 47 Rz 30). Auch sind
Grundlage für die Ermittlung der - für die Höhe des
individuellen Rentenbetrags entscheidenden - persönlichen
Entgeltpunkte die Entgeltpunkte des Versicherten selbst (vgl.
§ 66 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI), während bei Witwen- und
Witwerrenten die Entgeltpunkte des verstorbenen Versicherten
maßgebend sind (§ 66 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI). Zudem wird in
§ 89 SGB VI die Erziehungsrente als „Rente aus
eigener Versicherung“ bezeichnet (§ 89 Abs. 1 Satz 1
und Satz 2 Nr. 9 SGB VI), die Witwen- und Waisenrente ist in der
gesetzlichen Auflistung dagegen nicht enthalten.
|
|
|
20
|
dd) Die Erziehungsrente der Klägerin
beruht auf den Beiträgen, die sie in die gesetzliche
Rentenversicherung eingezahlt hat. Ihr Vorbringen, sie habe die
Beiträge ausschließlich für ihre spätere
Altersversorgung geleistet, steht nicht nur im Gegensatz zu den
Regelungen des SGB VI, sondern widerspricht auch den
tatsächlichen Gegebenheiten.
|
|
|
21
|
(1) Die Klägerin ist gemäß
§ 1 Nr. 1 SGB VI in der gesetzlichen Rentenversicherung
versicherungspflichtig. Der Beitrag wurde durch Multiplikation des
Beitragssatzes mit der Bemessungsgrundlage, den beitragspflichtigen
Einnahmen, ermittelt (§ 157 ff. SGB VI). Der Beitrag ist damit
unabhängig von dem persönlichen Risiko und den
individuellen Merkmalen eines Versicherten (vgl. Breitbarth in:
Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 157 Rz 18; Schmidt in Kreikebohm,
a.a.O., § 158 Rz 4). Es ist keine gesetzliche Regelung
erkennbar, nach der die Beiträge gezielt nur für
bestimmte Leistungen erbracht werden können.
|
|
|
22
|
(2) Mit ihrer Mitgliedschaft in der
gesetzlichen Rentenversicherung hatte und hat die Klägerin
Anspruch auf alle Leistungen, die von der gesetzlichen
Rentenversicherung nach Maßgabe des Zweiten Kapitels des SGB
VI gewährt werden, also auch auf die Erziehungsrente. Sie hat
diese tatsächlich bezogen, obwohl sie ihre Beiträge
ausschließlich für ihre spätere Altersversorgung
geleistet haben will. Insoweit widerspricht ihr tatsächliches
Verhalten dem eigenen Vorbringen.
|
|
|
23
|
2. Die Erziehungsrente der gesetzlichen
Rentenversicherung hat zwar eine Unterhaltsersatzfunktion, es
handelt sich jedoch nicht um eine Schadensersatz- oder
Unterhaltsrente gemäß § 844 Abs. 2 BGB. Diese sind
nicht steuerbar, wenn sie lediglich den durch das schädigende
Ereignis entfallenden, nicht steuerbaren Unterhaltsanspruch
ausgleichen und nicht Ersatz für entgangene oder entgehende
Einnahmen i.S. der in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 7 EStG
genannten Einkunftsarten gewähren (vgl. § 24 Nr. 1
Buchst. a EStG).
|
|
|
24
|
a) Nach der Rechtsprechung des BFH ist der
Besteuerungstatbestand des § 22 Nr. 1 EStG
regelmäßig nur dann erfüllt, wenn die Leistungen
andere steuerbare Einnahmen ersetzen, einen Zinsanteil erhalten
oder einen Transfer wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
bewirken (vgl. Urteil in BFHE 223, 471, BStBl II 2009, 651 = SIS 09 03 34, ebenso der Sache nach bereits Urteil vom 25.10.1994 VIII R
79/91, BFHE 175, 439, BStBl II 1995, 121 = SIS 95 01 01).
|
|
|
25
|
b) Die Erziehungsrente soll ebenfalls einen
Ausgleich für den durch den Tod des geschiedenen Ehegatten
weggefallenen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB
gewähren. Nach § 1570 Abs. 1 BGB in der im Streitjahr
gültigen Fassung kann ein geschiedener Ehegatte von dem
anderen wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen
Kindes für mindestens drei Jahre nach der Geburt Unterhalt
verlangen. Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich,
solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die
Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der
Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Aufgrund von § 1570
Abs. 2 BGB verlängert sich die Dauer des Unterhaltsanspruchs
darüber hinaus, wenn dies unter Berücksichtigung der
Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe
sowie der Dauer der Ehe der Billigkeit entspricht.
|
|
|
26
|
Durch die Gewährung der Erziehungsrente
soll vermieden werden, dass der geschiedene Ehegatte zur Aufnahme
einer Erwerbstätigkeit gezwungen wird, die nicht im Interesse
seiner Kinder liegt (Bohlken in: Schlegel/Voelzke, a.a.O., §
47 Rz 12 f.). Der Rentenanspruch nach § 47 SGB VI setzt
tatbestandlich trotz dieser Zielsetzung weder voraus, dass der
Versicherte gegen seinen geschiedenen Ehegatten vor dessen Tod
einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB hatte, noch dass er
wegen der Kindererziehung tatsächlich keiner
Erwerbstätigkeit nachgeht (Bohlken in: Schlegel/Voelzke,
a.a.O., § 47 Rz 14).
|
|
|
27
|
c) Im Gegensatz zu den Schadensersatz- und
Unterhaltsrenten gemäß § 844 Abs. 2 BGB beruht der
Anspruch auf Zahlung der Erziehungsrente nicht auf einem
schädigenden Ereignis, das zu einer Ersatzpflicht des
dafür Verantwortlichen führt, sondern auf der
Mitgliedschaft des Berechtigten, hier der Klägerin, in der
gesetzlichen Rentenversicherung.
|
|
|
28
|
d) Die Besteuerung der Erziehungsrenten der
gesetzlichen Rentenversicherung hat ihren Rechtsgrund in § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Durch diesen
eigenständigen Steuertatbestand hat der Gesetzgeber - wie
bereits erläutert - ausdrücklich sämtliche
Leibrenten und andere Leistungen aus der gesetzlichen
Rentenversicherung der Besteuerung unterworfen.
|
|
|
29
|
aa) Obwohl die Renten wegen Todes,
insbesondere die Witwen-, Witwer- und Waisenrenten, dazu bestimmt
sind, Ersatz für den durch den Tod des Versicherten
fortfallenden Unterhalt zu leisten, war die grundsätzliche
Steuerbarkeit und Steuerpflicht auch vor dem Inkrafttreten des
AltEinkG aufgrund des Wortlauts des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst.
a EStG a.F. und nach dem Willen des (historischen) Gesetzgebers
unstreitig, auch wenn die systematische Einordnung der sog.
beitragslosen Renten kontrovers diskutiert wurde (vgl. Senatsurteil
vom 8.3.1989 X R 16/85, BFHE 156, 432, BStBl II 1989, 551 = SIS 89 13 03, unter 2.c). Die Steuerbarkeit von Unterhaltsersatzrenten ist
damit dem deutschen Steuerrecht nicht unbekannt, zumal wenn die
Unterhaltsersatzleistungen - wie im Streitfall - auf eigenen
Beiträgen des Berechtigten beruhen.
|
|
|
30
|
bb) Durch das AltEinkG ist die
grundsätzliche Steuerbarkeit der Sozialversicherungsrenten,
die wegen Todes geleistet werden, nicht begründet worden.
Lediglich das Ausmaß der Besteuerung ist durch die
Neuregelung verändert worden. Während bislang die
Erziehungsrenten als abgekürzte Leibrenten mit dem
Ertragsanteil nach § 55 Abs. 2 EStDV zu versteuern waren, sind
die Rentenzahlungen seit 2005 mit dem Besteuerungsanteil des §
22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG zu
besteuern.
|
|
|
31
|
e) Hätte der Gesetzgeber die
Hinterbliebenen- und die Erziehungsrenten trotz ihrer
Unterhaltsersatzfunktion von der Steuerpflicht verschonen wollen,
hätte er sie wie andere Leistungen der gesetzlichen
Rentenversicherung in den Katalog der steuerfreien Einnahmen in
§ 3 EStG aufnehmen können, wie z.B. die Sachleistungen
und Kinderzuschüsse nach § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG. Das
ist jedoch nicht geschehen.
|
|
|
32
|
3. Die gesetzliche Neuregelung der Besteuerung
der Alterseinkünfte ist - auch soweit sie die Besteuerung der
Erziehungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung betrifft -
verfassungsgemäß.
|
|
|
33
|
a) Der erkennende Senat hat in ständiger
Rechtsprechung bei der Besteuerung der Altersrenten den
Übergang zur nachgelagerten Besteuerung grundsätzlich als
verfassungskonform angesehen, sofern nicht gegen das Verbot der
Doppelbesteuerung verstoßen wird (Senatsurteile in BFHE 223,
445, BStBl II 2009, 710 = SIS 08 44 40; vom 19.1.2010 X R 53/08,
BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567 = SIS 10 06 46; vom 4.2.2010 X R
58/08, BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579 = SIS 10 11 55, und X R
52/08, BFH/NV 2010, 1253 = SIS 10 18 16; vom 18.5.2010 X R 1/09,
BFH/NV 2010, 1803 = SIS 10 27 25, und X R 29/09, BFHE 229, 309,
BStBl II 2011, 591 = SIS 10 22 01). Er hat die
Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung auch insoweit
bejaht, als Renten ab 2005 mit dem Besteuerungsanteil
gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa
Satz 3 EStG anstatt mit dem Ertragsanteil gemäß §
55 Abs. 2 EStDV besteuert werden (vgl. Senatsurteile in BFH/NV
2011, 1489 = SIS 11 26 08; in BFH/NV 2011, 1496 = SIS 11 26 09, und
in BFHE 233, 487, BStBl II 2011, 910 = SIS 11 24 23). Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird auf diese Entscheidungen
verwiesen.
|
|
|
34
|
b) Gegen die Besteuerung der Erziehungsrenten
der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 22 Nr.
1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG bestehen keine
verfassungsrechtlichen Bedenken (ebenso FG Baden-Württemberg,
Urteil vom 18.9.2007 10 K 244/06, n.v.).
|
|
|
35
|
aa) Die Besteuerung der Erziehungsrenten mit
dem Besteuerungsanteil verstößt nicht gegen das Prinzip
der Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit.
|
|
|
36
|
Das Argument der Klägerin, die
Erziehungsrente ersetze nur die weggefallenen nicht steuerbaren
Unterhaltsleistungen ihres geschiedenen Ehemannes und begründe
damit keine Leistungsfähigkeit, kann einen Verstoß gegen
das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht begründen. Bei der
Einkommensteuer zeigt sich die Leistungsfähigkeit in der
individuellen Zahlungsfähigkeit des Steuerpflichtigen
(Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 21.6.2006 2
BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 = SIS 06 33 60, unter C.II.1.b aa (1)).
Diese Zahlungsfähigkeit beruht auf den vom Steuerpflichtigen
erzielten Einkünften, unabhängig von deren Herkunft. So
hat der erkennende Senat Zahlungen, die dem Steuerpflichtigen als -
an sich steuerfreies - Krankengeld zugeflossen waren, als steuerbar
angesehen, nachdem dem Steuerpflichtigen rückwirkend eine
Erwerbsunfähigkeitsrente bewilligt worden war und der Anspruch
auf diese Rente aufgrund der Fiktion des § 107 Abs. 1 des
Sozialgesetzbuchs Zehntes Buch durch die Krankengeldzahlungen als
erfüllt galt (Senatsurteil in BFHE 199, 541, BStBl II 2003,
391 = SIS 03 05 84).
|
|
|
37
|
bb) Es verstößt nicht gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz, dass zwar Erziehungsrenten, nicht aber
Schadensersatzrenten besteuert werden, obwohl beide dem Ersatz von
ansonsten steuerfrei vereinnahmten Unterhaltszahlungen dienen.
|
|
|
38
|
Aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG)
ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und
Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den
Gesetzgeber. Für die Anforderungen an
Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen
kommt es wesentlich darauf an, in welchem Maß sich die
Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich
geschützter Freiheiten auswirken kann. Genauere
Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen
Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletzt,
lassen sich nur in Bezug auf die jeweils betroffenen
unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen
(ständige Rechtsprechung des BVerfG, siehe z.B. den Beschluss
vom 26.7.2010 2 BvR 2227, 2228/08, BFH/NV 2010, 1983, m.w.N.).
|
|
|
39
|
Die Erziehungsrenten werden deshalb in die
Besteuerung einbezogen, weil sie - ebenso wie die anderen
Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung - auf Beiträgen
beruhen, die ihrerseits steuerlich abziehbar waren und sind (vgl.
oben unter II.1.b bb).
|
|
|
40
|
cc) Ein Verstoß gegen Art. 14 GG ist
nicht erkennbar. Die Besteuerung der Erziehungsrente der
Klägerin mit dem Besteuerungsanteil gemäß § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG wirkt - im
Gegensatz zur Auffassung der Klägerin - nicht erdrosselnd.
|
|
|
41
|
In seinem Beschluss vom 18.1.2006 2 BvR
2194/99 (BVerfGE 115, 97 = SIS 06 16 42) hat das BVerfG darauf
hingewiesen, es sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, hohe
Einkommen auch hoch zu belasten, soweit beim betroffenen
Steuerpflichtigen nach Abzug der Steuerbelastung ein - absolut und
im Vergleich zu anderen Einkommensgruppen betrachtet - hohes, frei
verfügbares Einkommen bleibe, das die Privatnützigkeit
des Einkommens sichtbar mache. Sei Letzteres gewährleistet,
liege es weitgehend im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, die
Angemessenheit im Sinne vertikaler Steuergerechtigkeit selbst zu
bestimmen. Auch wenn dem Übermaßverbot keine
zahlenmäßig zu konkretisierende allgemeine Obergrenze
der Besteuerung entnommen werden könne, dürfe allerdings
die steuerliche Belastung auch höherer Einkommen für den
Regelfall nicht so weit gehen, dass der wirtschaftliche Erfolg
grundlegend beeinträchtigt werde und damit nicht mehr
angemessen zum Ausdruck komme (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 115, 97
= SIS 06 16 42, unter C.II.2.b, m.w.N.).
|
|
|
42
|
Nach diesen Grundsätzen kann bei der
Klägerin im Streitjahr eine Übermaßbesteuerung
nicht festgestellt werden. Sie erzielte im Streitjahr ein zu
versteuerndes Einkommen in Höhe von 30.629 EUR und zahlte
Steuern in Höhe von insgesamt 5.752,49 EUR. Der prozentualen
Steuerbelastung von 18,78 % kommt keine erdrosselnde Wirkung
zu.
|