1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Alleinerbe seines im August 2009 verstorbenen
Onkels. Zum Nachlass gehört u.a. ein mit einem Einfamilienhaus
bebautes Grundstück.
|
|
|
2
|
Im Zusammenhang mit der vom Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) angeforderten
Erbschaftsteuererklärung ließ der Kläger ein
Sachverständigengutachten zum Nachweis des gemeinen Werts des
Grundstücks erstellen. Die Kosten hierfür beliefen sich
laut Rechnung vom 24.2.2011 auf 2.593,47 EUR. Das für die
Bedarfswertfeststellung zuständige Lagefinanzamt stellte den
Grundbesitzwert entsprechend dem im Gutachten ermittelten
Verkehrswert auf 270.000 EUR fest.
|
|
|
3
|
Das FA setzte unter Zugrundelegung des
festgestellten Grundbesitzwerts mit Bescheid vom 18.7.2011
Erbschaftsteuer in Höhe von 264.960 EUR gegen den Kläger
fest. Dabei zog es Erbfallkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1
des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für
das Jahr 2009 geltenden Fassung (ErbStG) in Höhe von insgesamt
12.036 EUR ab, ohne jedoch die geltend gemachten
Sachverständigenkosten für die Ermittlung des
Grundstückswerts zu berücksichtigen. Mit Bescheid vom
19.10.2011 wurde die Erbschaftsteuer aus hier nicht streitigen
Gründen auf 264.120 EUR herabgesetzt.
|
|
|
4
|
Hinsichtlich der
Sachverständigenkosten blieb der Einspruch ohne Erfolg. In der
Teileinspruchsentscheidung vom 11.11.2011 ist bestimmt, dass im
Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige
Verfahren II R 9/11 = SIS 11 37 18 über die Anwendung des
§ 19 Abs. 1 ErbStG nicht entschieden werde und insoweit auch
keine Bestandskraft eintrete.
|
|
|
5
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
der Begründung ab, die Kosten für ein
Sachverständigengutachten zum Nachweis eines niedrigeren
gemeinen Werts seien Kosten der Rechtsverfolgung zur Minderung der
Erbschaftsteuer und damit nicht nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1
ErbStG abzugsfähig. Soweit das Verkehrswertgutachten auch der
Bestimmung der Preisuntergrenze im Zusammenhang mit einem geplanten
Verkauf des Anwesens gedient habe, lägen Kosten der Verwertung
des Nachlasses vor, die ebenfalls nicht abzugsfähig seien. Das
Urteil des FG ist veröffentlicht in DStRE 2013, 151.
|
|
|
6
|
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.
|
|
|
7
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den
Erbschaftsteuerbescheid vom 19.10.2011 in Gestalt der
Teileinspruchsentscheidung vom 11.11.2011 dahingehend zu
ändern, dass die Gutachterkosten in Höhe von 2.593,47 EUR
als zusätzliche Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt
werden.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Änderung
des Erbschaftsteuerbescheids vom 19.10.2011 in Gestalt der
Teileinspruchsentscheidung vom 11.11.2011 (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die im Zusammenhang mit
der Erbschaftsteuererklärung angefallenen Kosten für das
Sachverständigengutachten zum Nachweis des gemeinen Werts des
Nachlassgrundstücks sind entgegen der Auffassung des FG als
Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig.
|
|
|
10
|
1. Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3
Satz 1 ErbStG sind, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9
etwas anderes ergibt, als Nachlassverbindlichkeit u.a. die Kosten
abzugsfähig, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit
der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit
der Erlangung des Erwerbs entstehen.
|
|
|
11
|
a) Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist
grundsätzlich weit auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 11.1.1961
II 155/59 U, BFHE 72, 273, BStBl III 1961, 102 = SIS 61 00 69). Zu
den Nachlassregelungskosten gehören auch die Kosten für
die Bewertung von Nachlassgegenständen, wenn sie in engem
zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes
wegen und nicht erst durch die spätere Verwaltung des
Nachlasses (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG) anfallen.
Nachlassregelungskosten sind insbesondere Aufwendungen für die
Erstellung eines Sachverständigengutachtens nach § 198
des Bewertungsgesetzes in der für 2009 geltenden Fassung zum
Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines zum Nachlass
gehörenden Grundstücks (Schuck in
Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 10 ErbStG
Rz 97; Geck in Kapp/Ebeling, ErbStG, Kommentar, § 10 ErbStG Rz
150.2; Steiner, Der Erbschaft-Steuer-Berater - ErbStB - 2010, 104;
Halaczinsky, ErbStB 2012, 238; auch von der Finanzverwaltung
anerkannt, sofern die Kosten im Rahmen der Verpflichtung zur Abgabe
einer Feststellungserklärung anfallen und vom Erwerber
getragen werden, vgl. H E 10.7 Satz 2,
„Steuerberatungskosten und Rechtsberatungskosten im Rahmen
des Besteuerungs- und Wertfeststellungsverfahrens“,
Hinweise zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien - ErbStH - 2011; a.A.
FG Nürnberg, Urteil vom 21.11.2002 IV 350/2001, EFG 2003, 633
= SIS 03 25 50; Weinmann in Moench/ Weinmann, Erbschaft- und
Schenkungsteuer, § 10 Rz 82; Gebel in
Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz 220). Derartige
Aufwendungen sind durch den Erbfall veranlasst und stehen
unmittelbar mit der Regelung und Abwicklung des Nachlasses im
Zusammenhang.
|
|
|
12
|
b) § 10 Abs. 8 ErbStG steht einem Abzug
der Kosten für ein Sachverständigengutachten zum Nachweis
eines niedrigeren gemeinen Werts des Nachlassgrundstücks nicht
entgegen.
|
|
|
13
|
Nach dieser Vorschrift ist die von dem
Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht
abzugsfähig. Das Abzugsverbot erstreckt sich zwar nach der dem
§ 10 Abs. 8 ErbStG zugrunde liegenden Wertung auch auf die
einem Erwerber entstehenden Rechtsverfolgungskosten, die er zur
Abwehr der von ihm zu entrichtenden eigenen Erbschaftsteuer
aufwendet (BFH-Urteil vom 20.6.2007 II R 29/06, BFHE 217, 187,
BStBl II 2007, 722 = SIS 07 29 02). Außerdem unterliegen dem
Abzugsverbot die Rechtsverfolgungskosten, die mit den gesonderten
Feststellungen der Grundbesitzwerte des zum Nachlass
gehörenden Grundvermögens zusammenhängen (BFH-Urteil
vom 1.7.2008 II R 71/06, BFHE 222, 63, BStBl II 2008, 874 = SIS 08 37 71). Bei den Kosten für die Bewertung von
Nachlassgegenständen handelt es sich jedoch nicht um
Rechtsverfolgungskosten in diesem Sinne. Der Begriff der dem
Abzugsverbot unterliegenden Rechtsverfolgungskosten ist eng zu
verstehen und umfasst die vom Erben aufgewendeten Verfahrens- und
Prozesskosten eines Rechtsbehelfs- oder finanzgerichtlichen
Klageverfahrens gegen die Erbschaftsteuerfestsetzung, nicht aber
Sachverständigenkosten für die Erstellung eines
Gutachtens zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines
Nachlassgrundstücks. Für eine weiter gehende Erstreckung
des Abzugsverbots auch auf die Kosten der Bewertung eines zum
Nachlass gehörenden Gegenstands bietet § 10 Abs. 8 ErbStG
keine Grundlage, selbst wenn die Bewertung des Nachlassgegenstands
Auswirkungen auf die Höhe der Erbschaftsteuer hat. Soweit die
Finanzverwaltung für ihre gegenteilige Ansicht (vgl. H E 10.7
ErbStH) ebenfalls auf das Urteil des BFH in BFHE 217, 187, BStBl II
2007, 722 = SIS 07 29 02 verweist, wird klargestellt, dass dieses
Urteil nicht zu Gutachterkosten ergangen ist.
|
|
|
14
|
2. Da das FG von einer anderen
Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung
aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die vom Kläger geltend
gemachten Aufwendungen für das Sachverständigengutachten
in Höhe von 2.593,47 EUR sind als Nachlassverbindlichkeit
gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG
abzugsfähig. Das Verkehrswertgutachten wurde im Rahmen des
Verfahrens zur gesonderten Feststellung des Grundbesitzwerts in
Auftrag gegeben und dem zuständigen Lagefinanzamt zum Nachweis
des niedrigeren gemeinen Werts vorgelegt. Die Kosten hierfür
hängen unmittelbar mit der Regelung des Nachlasses zusammen.
Der vollen Abziehbarkeit der Sachverständigenkosten steht
nicht entgegen, dass die Bewertung des Grundstücks nach den
Angaben des Klägers auch als Grundlage für den geplanten
Verkauf des Anwesens gedient hat. Diese weitere Zwecksetzung
ändert nichts am unmittelbaren Zusammenhang der Kosten mit der
Regelung des Nachlasses.
|
|
|
15
|
Der Erwerb des Klägers mindert sich um
2.593,47 EUR von bisher 900.441 EUR auf 897.848 EUR. Abzüglich
des Freibetrags von 20.000 EUR verbleibt ein steuerpflichtiger
Erwerb von abgerundet 877.800 EUR. Bei einem Steuersatz von 30 %
beläuft sich die Erbschaftsteuer auf 263.340 EUR.
|