Erbschaftsteuer, Berücksichtigung einer Zugewinnausgleichsforderung: Der Zugewinnausgleichsforderung, die dem überlebenden Ehegatten, der weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist, zum Ausgleich des Zugewinns beim Tode des anderen Ehegatten zusteht, entspricht beim Erben eine Nachlassverbindlichkeit in der Form einer Erblasserschuld, die bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs mit ihrem Nennwert abzuziehen ist. - Urt.; BFH 1.7.2008, II R 71/06; SIS 08 37 71
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist Alleinerbin nach dem am
7.8.2001 verstorbenen Erblasser, ihrem Lebensgefährten H1.
Dieser hinterließ eine Ehefrau (H2) sowie insgesamt fünf
Kinder (H3 bis H7). Die hinterbliebenen Verwandten machten
gegenüber der Klägerin Pflichtteils-, die Ehefrau H2
darüber hinaus auch Zugewinnausgleichsansprüche
geltend.
Mit H2 sowie H5 bis H7 vereinbarte die
Klägerin im August 2002, zur Abfindung sämtlicher
güter- sowie erbrechtlicher Ansprüche insgesamt
355.245,60 EUR (694.800 DM) zu zahlen; auf H2 entfielen hierbei
222.028,50 EUR (434.250 DM), der Rest auf H5 bis H7 zu gleichen
Teilen. Mit H3 vereinbarte die Klägerin im Juni 2002 eine
Zahlung von 65.000 EUR; damit sollten alle erbrechtlichen
Ansprüche abgegolten sein. H4 hatte von der Klägerin bis
Ende 2002 32.579,81 EUR (63.720,57 DM) auf ihren Pflichtteil
erhalten. Eine Klage auf Nachberechnung des Pflichtteilsanspruchs
gegen die Klägerin hat H4 zurückgenommen.
Durch letztmals während des
Klageverfahrens geänderten Bescheid vom 29.9.2005 setzte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) gegen die
Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 119.615,19 DM
(61.158,28 EUR) fest. Dabei berücksichtigte er als
Nachlassverbindlichkeiten die tatsächlichen Zahlungen der
Klägerin auf die Zugewinnausgleichs- und
Pflichtteilsansprüche in Höhe von 885.648 DM sowie Kosten
der Nachlassregelung in Höhe von 45.963,59 DM.
Mit Einspruch und Klage machte die
Klägerin u.a. geltend, als Nachlassverbindlichkeiten seien
nicht die von ihr tatsächlich gezahlten, sondern die rechtlich
entstandenen Zugewinnausgleichs- und Pflichtteilsansprüche in
Höhe ihres Nennwerts von 1.402.440,10 DM zu
berücksichtigen. Auch seien als Kosten zur Regelung des
Nachlasses Gutachterkosten (3.942,95 DM) sowie Steuer- und
Rechtsberatungskosten (15.343,28 DM) erwerbsmindernd
zusätzlich anzusetzen und ein zum Nachlass gehörendes
Erbbaurecht in L sei nicht mit 58.000 DM, sondern nur mit 12.000 DM
zu bewerten. Schließlich sei die Berücksichtigung eines
Grundstücks in Österreich mit dem Verkehrswert im Rahmen
des § 19 Abs. 2 und 3 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung
(ErbStG) gemeinschaftsrechtswidrig.
Die Klage hatte nur teilweise Erfolg (vgl.
SIS 06 22 50). Das Finanzgericht (FG) erkannte lediglich die
geltend gemachten Kosten des Verkehrswertgutachtens als
erwerbsmindernd an; im Übrigen wies es die Klage ab.
Mit der Revision hält die
Klägerin an ihrer materiell-rechtlichen Auffassung fest und
macht zusätzlich in verfahrensrechtlicher Hinsicht geltend,
das FG sei zur Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74
der Finanzgerichtsordnung (FGO) verpflichtet gewesen, da der
Bedarfswert für das zum Nachlass gehörende Erbbaurecht
noch nicht bestandskräftig festgestellt worden sei.
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom
29.9.2005 dahin zu ändern, dass die Steuer auf 0 EUR
herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Die
Vorentscheidung war aufzuheben und die Sache zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Der Auffassung des FG, die der Ehefrau H2
zustehende Zugewinnausgleichsforderung sei als
Nachlassverbindlichkeit nur mit dem Betrag zu berücksichtigen,
auf den sich H2 und die Klägerin in der Vereinbarung vom
August 2002 geeinigt haben, vermag der erkennende Senat nicht zu
folgen. Vielmehr ist die Zugewinnausgleichsforderung mit ihrem
Nennwert abzuziehen.
a) Gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1
ErbStG sind vom Erwerb die vom Erblasser herrührenden
Schulden, die gemäß § 1922 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) i.V.m. § 45 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO) auf die Erben übergegangen sind, als
Nachlassverbindlichkeiten abzuziehen. Der
Zugewinnausgleichsforderung, die dem überlebenden Ehegatten,
der weder Erbe noch Vermächtnisnehmer geworden ist, zum
Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1371
bis 1383, 1390 BGB beim Tode des anderen Ehegatten zusteht (§
1371 Abs. 2 BGB), entspricht beim Erben eine
Nachlassverbindlichkeit in der Form einer Erblasserschuld, die zwar
den Erblasser selbst nie getroffen hat, jedoch aus einem
Dauerrechtsverhältnis herrührt, in dem er zu Lebzeiten
stand und das sich im Zeitpunkt seines Todes zur
Ausgleichsforderung verengt hat. Die Erben können diese
Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG von
ihrem Erwerb abziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
10.3.1993 II R 27/89, BFHE 170, 466, BStBl II 1993, 368 = SIS 93 09 03). Die Ausgleichsforderung ist eine Geldforderung. Der Abzug nach
§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG hat daher zum Nennwert zu erfolgen
(§ 12 Abs.1 ErbStG, § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes -
BewG - ; ebenso Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rz
121); dies gilt auch dann, wenn Erfüllungsabreden getroffen
werden (BFH-Urteil in BFHE 170, 466, BStBl II 1993, 368 = SIS 93 09 03).
b) Einigen sich der Erbe und der
Ausgleichsberechtigte vergleichsweise über die Höhe des
Zugewinnausgleichs, sind die Grundsätze zum Erbvergleich nicht
übertragbar. Der sog. Erbvergleich - die einvernehmliche
Bereinigung streitiger Erbrechtsverhältnisse
einschließlich etwa bestehender Ungewissheiten über
einzelne Erbteile oder über die den Erben und sonstigen
Berechtigten zufallenden Beträge - ist nach ständiger
Rechtsprechung des BFH auch der Besteuerung zugrunde zu legen (vgl.
m.w.N. der ständigen Rechtsprechung BFH-Urteil vom 26.2.2008
II R 82/05, BFH/NV 2008, 1051 = SIS 08 17 91). Ein solcher
Vergleich kann jedoch nur insoweit Verbindlichkeit im
Besteuerungsverfahren beanspruchen, als er seinen letzten
Rechtsgrund noch im Erbrecht findet. Die erbschaftsteuerliche
Anerkennung des sog. Erbvergleichs stellt eine nicht weiter
verallgemeinerungsfähige Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass
weder die Miterben noch sonst am Nachlass beteiligte Personen
berechtigt sind, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den
Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung nach dem Erbfall durch
freie Vereinbarung eigenmächtig neu zu bestimmen (BFH-Urteil
in BFH/NV 2008, 1051 = SIS 08 17 91).
Die Zugewinnausgleichsforderung ist dagegen
eine Erblasserschuld. Auf der Seite des Anspruchsberechtigten
führt sie - im Gegensatz zum Pflichtteilsanspruch - zu keinem
der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb (vgl. § 5 Abs. 2
ErbStG). Sie hat ihren Rechtsgrund nicht im Erbrecht, sondern im
ehelichen Güterrecht. Die Ausgleichsverpflichtung ist daher
wie jede andere Erblasserschuld zu behandeln (BFH-Urteil in BFHE
170, 466, BStBl II 1993, 368 = SIS 93 09 03; a.A. Moench, Trost aus
Schulden – Vom rechten Abzug der Nachlassverbindlichkeiten
nach § 10 Abs. 5 ErbStG, DStR 1992, 1185 ff., 1186; Schuck in
Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl., § 10 ErbStG
Rz 76).
Die Verpflichtung zum Ausgleich des Zugewinns
war im Streitfall auch nicht ausnahmsweise mangels wirtschaftlicher
Belastung der Klägerin mit einem Betrag unterhalb ihres
Nennwerts anzusetzen. Zwar setzt der Abzug einer Erblasserschuld
voraus, dass die Verbindlichkeit rechtlich besteht und den
Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet hat (vgl.
m.w.N. BFH-Urteil vom 27.6.2007 II R 30/05, BFHE 217, 190, BStBl II
2007, 651 = SIS 07 27 18). An einer wirtschaftlichen Belastung
fehlt es, wenn bei objektiver Würdigung der Verhältnisse
angenommen werden kann, dass der Gläubiger seine Forderung
nicht geltend machen wird (vgl. m.w.N. BFH-Urteil vom 24.3.1999 II
R 34/97, BFH/NV 1999, 1339 = SIS 99 51 43). Die
Zugewinnausgleichsverpflichtung kann deshalb nur insoweit wegen
fehlender wirtschaftlicher Belastung mit einem Betrag unterhalb
ihres Nennwerts angesetzt werden, als der Verpflichtete
(Klägerin) damit rechnen konnte, der überlebende Ehegatte
(H2) werde die Zugewinnausgleichsforderung nicht oder nicht in
voller Höhe geltend machen (ebenso Meincke, Erbschaftsteuer-
und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl., § 10 Rz 32).
Anhaltspunkte für eine solche Sachverhaltskonstellation hat
das FG aber nicht festgestellt und sind auch sonst nicht
ersichtlich.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Der Senat kann den für die Ermittlung
des steuerpflichtigen Erwerbs maßgeblichen Nennwert der
Zugewinnausgleichsforderung nicht bestimmen; das FG hat hierzu -
von seinem Rechtsstandpunkt aus verständlich - keine
ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen. Das ist
im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
b) Für den Fall, dass es nach Ansatz der
Ausgleichsforderung mit dem Nennwert noch darauf ankommen sollte,
wird auf Folgendes hingewiesen:
aa) Die Pflichtteilsansprüche sind
gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 ErbStG
nur in der Höhe anzusetzen, wie sie von der Klägerin auf
Grund der geschlossenen Vergleiche erfüllt wurden. Denn die
Berechtigten haben sich nach ernstlichem Streit über die
Höhe des Pflichtteils vergleichsweise mit weniger zufrieden
gegeben als sie beansprucht hatten und ihnen zustand. Nach der
Rechtsprechung des BFH können die Pflichtteilsberechtigten in
einem solchen Fall nur aus dem vergleichsweise vereinbarten,
niedrigeren Wert besteuert werden (BFH-Urteile vom 19.7.2006 II R
1/05, BFHE 213, 122, BStBl II 2006, 718 = SIS 06 35 32; vom
18.7.1973 II R 34/69, BFHE 110, 196, BStBl II 1973, 798 = SIS 73 04 36). Korrespondierend hiermit können beim verpflichteten Erben
die entsprechenden Pflichtteilsverbindlichkeiten auch nur mit
diesem niedrigeren Wert berücksichtigt werden.
bb) Die der Klägerin entstandenen Kosten
ihrer Rechtsvertretung in den Steuerfestsetzungs- und
Wertfeststellungsverfahren sind nicht als Nachlassverbindlichkeit
abzuziehen. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 8 ErbStG, wonach
die vom Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht als
Nachlassverbindlichkeit i.S. des § 10 Abs. 5 ErbStG
abzugsfähig ist. Das Abzugsverbot erstreckt sich auch auf die
einem Erwerber entstehenden Rechtsverfolgungskosten, die er zur
Abwehr der von ihm zu entrichtenden eigenen Erbschaftsteuer
aufwendet (BFH-Urteil vom 20.6.2007 II R 29/06, BFHE 217, 187,
BStBl II 2007, 722 = SIS 07 29 02), und gilt auch für die
Rechtsverfolgungskosten, die mit gesonderten Feststellungen der
Grundbesitzwerte des zum Nachlass gehörenden
Grundvermögens zusammenhängen. Denn derartige
Aufwendungen haben einen unmittelbaren Bezug zu der vom Erben zu
entrichtenden Erbschaftsteuer (vgl. FG Nürnberg, Urteil vom
21.11.2002 IV 350/2001, EFG 2003, 633 = SIS 03 25 50; ebenso Gebel
in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 10 Rz 220).
Dies gilt nicht für die der Klägerin
entstandenen Gutachterkosten für die Ermittlung des
Verkehrswerts des zum Nachlass gehörenden
österreichischen Grundstücks. Denn diese sind nach den
Feststellungen des FG im zivilrechtlichen Klageverfahren gegen H3
und damit unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung
oder Verteilung des Nachlasses entstanden.
cc) Die Bewertung des Grundstücks in
Österreich zur Ermittlung des Steuersatzes für den ganzen
Erwerb (§ 19 Abs. 2 ErbStG) mit dem gemeinen Wert (§ 12
Abs. 6 ErbStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 1 und § 9 Abs. 1
BewG) ist nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gemeinschaftsrechtswidrig
(EuGH-Urteil vom 17.1.2008 Rs. C-256/06, Jäger, Zeitschrift
für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2008, 87 = SIS 08 10 46). Dieser Verstoß ist jedenfalls für eine belastende
Ausnahmeregelung durch geltungserhaltende
gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung zu beseitigen. Dies gilt auch
bei der Ermittlung des Steuersatzes nach § 19 Abs. 2 ErbStG,
und zwar dann, wenn sich für den ganzen Erwerb ein
höherer Steuersatz ergibt als sich bei einer Bewertung des
ausländischen Grundstücks in Anlehnung an die
§§ 138 ff. BewG ergäbe.
§ 12 Abs. 6 ErbStG i.V.m. § 31 BewG
ist danach insoweit nicht mehr anwendbar, als für
ausländischen Grundbesitz höhere Werte anzusetzen sind
als für den Erwerb eines vergleichbaren Grundbesitzes bei
Belegenheit im Inland. Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO
i.V.m. § 162 AO ist deshalb zu schätzen, wie der
streitgegenständliche Grundbesitz gemäß den
Vorschriften zur Bedarfsbewertung des Grundvermögens
(§§ 138 ff. BewG) zu bewerten wäre, wenn er im
Inland läge.
dd) Da die Vorentscheidung aus
materiell-rechtlichen Gründen aufzuheben und zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen war, bedarf es
keines Eingehens auf die von der Klägerin erhobene
Verfahrensrüge, das FG hätte das Verfahren wegen der noch
fehlenden Bestandskraft der gesonderten Feststellung des
Grundstückswerts für das Erbbaurecht aussetzen
müssen (§ 74 FGO). Für den weiteren Fortgang des
Verfahrens weist der BFH darauf hin, dass eine Verpflichtung, das
Verfahren auszusetzen, auch nicht besteht. Einer Änderung der
Wertfeststellung kann nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO
jederzeit Rechnung getragen werden.