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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist zu 1/4 Miterbe des im Januar 2009 verstorbenen
Bruders seines Vaters. Der Nachlass setzte sich aus Guthaben bei
Kreditinstituten und einem Steuererstattungsanspruch zusammen. Der
Wert des auf den Kläger entfallenden Anteils am Nachlass
belief sich auf 51.266 EUR. Auf den sich hieraus nach
Berücksichtigung des in § 16 Abs. 1 Nr. 5 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des
Erbschaftsteuerreformgesetzes vom 24.12.2008 (BGBl I 2008, 3018) -
ErbStG - für Personen der Steuerklasse II vorgesehenen
Freibetrags von 20.000 EUR und Abrundung gemäß § 10
Abs. 1 Satz 6 ErbStG verbleibenden steuerpflichtigen Erwerb von
31.200 EUR wandte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
- FA - ) den in § 19 Abs. 1 ErbStG für die Steuerklasse
II vorgesehenen Steuersatz von 30 % an, so dass sich eine
Erbschaftsteuer von 9.360 EUR ergab.
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Einspruch und Klage, mit denen der
Kläger eine Herabsetzung der Steuer auf 4.680 EUR begehrte,
blieben erfolglos. Der Kläger machte geltend, entgegen §
37 Abs. 1 ErbStG in der Fassung des
Wachstumsbeschleunigungsgesetzes vom 22.12.2009 (BGBl I 2009,
3950), der die Anwendung des § 19 Abs. 1 ErbStG in der Fassung
dieses Gesetzes (hier: Steuersatz 15 %) nur für
steuerpflichtige Erwerbe in der Steuerklasse II, für die die
Steuer nach dem 31.12.2009 entsteht, vorsehe, sei auch im
Streitfall der Steuersatz von 15 % zugrunde zu legen. Das
Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in EFG 2011, 1079 = SIS 11 10 73 veröffentlichten Urteil die Ansicht, die Anwendung des
Steuersatzes von 30 % verstoße weder gegen das Grundrecht aus
Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) noch gegen den allgemeinen
Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Es sei verfassungsrechtlich
nicht geboten, Personen der Steuerklasse II
erbschaftsteuerrechtlich besser zu behandeln als Personen der
Steuerklasse III. Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei
auch, dass die Gleichstellung der Personen der Steuerklasse II und
III nur für Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 gelte,
während für die Zeit davor und danach die Personen der
Steuerklasse II erbschaftsteuerrechtlich besser behandelt
würden als die Personen der Steuerklasse III. Der Gesetzgeber
habe dadurch seinen Gestaltungsspielraum nicht
überschritten.
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Der Kläger rügt mit der Revision
Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG. Die
Änderung des § 19 Abs. 1 ErbStG durch das
Wachstumsbeschleunigungsgesetz zugunsten der Personen der
Steuerklasse II hätte rückwirkend auf das Jahr 2009
erfolgen müssen.
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Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des
Erbschaftsteuerbescheids vom 17.2.2010 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung die Erbschaftsteuer auf 4.680 EUR
herabzusetzen.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Aufforderung zum Beitritt beruht auf
§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, weil das vorliegende
Revisionsverfahren eine auf Bundesrecht beruhende Abgabe und eine
Rechtsstreitigkeit über Bundesrecht, nämlich Vorschriften
des ErbStG, betrifft.
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1. Im Revisionsverfahren werden zunächst
die vom Kläger aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen zu
prüfen sein. In der Literatur werden hinsichtlich der auf
Steuerentstehungszeitpunkte im Jahr 2009 beschränkten
Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III zum Teil
verfassungsrechtliche Bedenken erhoben (Jülicher in
Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 19 Rz 2; Knobel in
Viskorf/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz,
Bewertungsgesetz, 3. Aufl., § 19 ErbStG Rz 5; Geck in
Kapp/Ebeling, § 19 ErbStG Rz 1; Wachter, DB 2010, 74, 75;
Crezelius, Zeitschrift für Erbrecht und
Vermögensnachfolge 2009, 1, 2; Stahl/Fuhrmann, DStZ 2008, 13,
14; für Verfassungsmäßigkeit Längle in
Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 3. Aufl., § 19 Rz
8a; Piltz, DStR 2010, 1913, 1922).
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2. Darüber hinaus wird sich insbesondere
die Frage stellen, ob § 19 Abs. 1 i.V.m. §§ 13a und
13b ErbStG in der Fassung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes
deshalb verfassungswidrig ist, weil es §§ 13a und 13b
ErbStG zulassen, Vermögen jeder Art und in jeder Höhe von
Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden ohne Anfall von
Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer zu erwerben, wenn der
Erblasser oder Schenker eine geeignete Gestaltung gewählt hat,
ohne dass es auf eine Gemeinwohlverpflichtung und Gemeinwohlbindung
des erworbenen Vermögens ankommt.
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a) Bedenken bestehen insoweit im Hinblick auf
die Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1
GG) an die Besteuerung, nämlich vor allem die Ausrichtung der
Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen
Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit, die
Gewährung von Steuerentlastungen nur bei Vorliegen
entsprechend gewichtiger Gründe des Gemeinwohls,
vollständige Verschonung bestimmter Steuergegenstände von
der Besteuerung nur im Ausnahmefall, gleichheits- und zweckgerechte
Ausgestaltung von Vergünstigungstatbeständen, besondere
Schranken für gesetzliche Typisierungen (vgl. insbesondere
Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom
7.11.2006 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192 = SIS 07 06 26; vom 15.1.2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 = SIS 08 25 65, und
vom 12.10.2010 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 = SIS 10 36 57).
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b) Eine verfassungsrechtlich problematische
Gestaltungsmöglichkeit ergibt sich daraus, dass § 13b
Abs. 1 Nr. 2 ErbStG ausdrücklich auch den Erwerb eines Anteils
an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in die Vergünstigungen nach
§§ 13a und 13b ErbStG einbezieht. Die
Steuervergünstigungen sind somit grundsätzlich auch
für den Übergang von Vermögen sogenannter
„gewerblich geprägter
Personengesellschaften“ (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) zu
gewähren. Sind die in § 13a Abs. 8 ErbStG bestimmten
Voraussetzungen erfüllt, kann auch in diesem Fall für die
Vollverschonung optiert werden (§ 13a Abs. 8 Nr. 4
ErbStG).
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Vermögen, dessen Erwerb im
Privatvermögen - wie im Streitfall - der vollen Besteuerung
unterläge, kann somit ohne Anfall von Erbschaftsteuer oder
Schenkungsteuer übergehen, wenn es in das
Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten
Personengesellschaft eingelegt wurde und nicht zum
Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG
gehört. Vermögen zählt nicht bereits deshalb zum
Verwaltungsvermögen in diesem Sinn, weil es einer lediglich
vermögensverwaltend tätigen, aber gewerblich
geprägten Personengesellschaft gehört. Vielmehr bestimmt
§ 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG im Einzelnen die zum
Verwaltungsvermögen zählenden Gegenstände. Danach
gehören zwar Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen
grundsätzlich zum Verwaltungsvermögen (§ 13b Abs. 2
Satz 2 Nr. 4 ErbStG), während sonstige Forderungen, wie etwa
Sichteinlagen, Sparanlagen, Festgeldkonten sowie Forderungen aus
Lieferungen und Leistungen und Forderungen an verbundene
Unternehmen nach Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. H 32 der
gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der
Länder zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des
Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts - AEErbSt - vom 25.6.2009,
BStBl I 2009, 713 = SIS 09 22 62) kein Verwaltungsvermögen
sind. Zählen solche Guthaben bei Kreditinstituten zum
Privatvermögen, unterliegen sie in vollem Umfang der Steuer.
Sind sie Bestandteil des Betriebsvermögens einer gewerblich
geprägten Personengesellschaft, ist der Erwerb der Beteiligung
und damit mittelbar der Erwerb der Guthaben bei Erfüllung der
übrigen in §§ 13a und 13b ErbStG bestimmten
Voraussetzungen uneingeschränkt begünstigt.
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Demgemäß kann beispielsweise ein
Anteil an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft,
deren Betriebsvermögen aus 100 Mio. EUR Festgeldguthaben
besteht, nach Maßgabe des § 13a Abs. 8 ErbStG erworben
werden, ohne dass Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer anfällt
und ohne dass dieses Vermögen einer besonderen
Gemeinwohlbindung oder Gemeinwohlverpflichtung unterliegt.
Insbesondere spielen die in § 13a Abs. 1 Sätze 2 bis 5
und Abs. 4 ErbStG geregelten Anforderungen an die Entwicklung der
Lohnsumme in einem solchen Fall keine Rolle, da derartige
gewerblich geprägte Personengesellschaften
regelmäßig nicht mehr als 20 Beschäftigte haben und
somit die Anforderungen an die Entwicklung der Lohnsumme nicht zu
beachten brauchen (§ 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG).
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c) Dasselbe Ergebnis kann auch dadurch
erreicht werden, dass eine GmbH, an der der Erblasser oder Schenker
zu mehr als 25 % unmittelbar beteiligt ist (vgl. § 13b Abs. 1
Nr. 3 ErbStG), als Betriebsvermögen lediglich Geldforderungen
hält, die Wertpapieren nicht vergleichbar sind.
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d) Da Geldforderungen, die Wertpapieren nicht
vergleichbar sind, nicht zum Verwaltungsvermögen gehören,
können auch Vermögensgegenstände, die nach §
13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG an sich zum Verwaltungsvermögen
gehören würden, durch eine einfache Gestaltung der
Besteuerung entzogen werden.
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Bringt beispielsweise ein Inländer, der
Alleingesellschafter von zwei vermögenslosen GmbH ist, sein
aus Grundvermögen, Wertpapieren, Beteiligungen an
Kapitalgesellschaften bis zu 25 % und Edelmetallen bestehendes
Privatvermögen in die eine GmbH (GmbH 1) ein und verkauft
diese das Vermögen zum Steuerwert unter Stundung des
Kaufpreises an die andere GmbH (GmbH 2), so kommt der GmbH 2 im
Erbfall oder bei einer freigebigen Zuwendung kein Wert zu; denn dem
auf sie übertragenen Aktivvermögen steht die
gleichwertige Kaufpreisverbindlichkeit gegenüber. Der Erbe
oder Bedachte kann für den Erwerb der Beteiligung an der GmbH
1, in deren Vermögen sich lediglich die Kaufpreisforderung
befindet, von der Optionsmöglichkeit nach § 13a Abs. 8
Nr. 4 ErbStG Gebrauch machen mit der Folge, dass keine
Erbschaftsteuer oder Schenkungsteuer anfällt, wenn die
Behaltensregelungen des § 13a Abs. 5 i.V.m. Abs. 8 Nr. 2
ErbStG beachtet werden. Die Kaufpreisforderung der GmbH 1 stellt
keine einem Wertpapier vergleichbare Forderung i.S. des § 13b
Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG dar und ist somit kein
Verwaltungsvermögen (vgl. dazu Piltz, DStR 2010, 1913, 1916).
Auf die Entwicklung der Lohnsumme in den auf den Erwerb folgenden
Jahren kommt es nicht an, weil die GmbH 1, die lediglich die
Kaufpreisforderung gegen die GmbH 2 verwaltet, nicht mehr als 20
Beschäftigte benötigt.
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e) Soweit der Gesetzgeber mit der sogenannten
Arbeitsplatzklausel in § 13a Abs. 1 Sätze 2 ff. ErbStG
außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele verfolgen
will, wird zu prüfen sein, ob die Anknüpfung der
vollständigen (100 %) oder weitgehenden (85 %)
Steuerverschonung an den Arbeitsplatzerhalt in ausreichendem und
dem Gleichheitssatz entsprechendem Umfang gewährleistet ist.
Durch entsprechende Gestaltung kann nämlich in vielen
Fällen vermieden werden, dass es für die Gewährung
der Steuervergünstigungen auf die Entwicklung der Lohnsumme
ankommt. Es kann dabei die Regelung genutzt werden, nach der diese
Anforderungen nicht anwendbar sind, wenn der Betrieb nicht mehr als
20 Beschäftigte hat (§ 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG).
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Als Gestaltung kommt dabei insbesondere in
Betracht, dass ein Betrieb vor der Verwirklichung des
Steuertatbestands bei gleichen Beteiligungsverhältnissen in
eine Besitzgesellschaft, die nicht mehr als 20 Beschäftigte
hat und bei der das Betriebsvermögen konzentriert wird, und
eine Betriebsgesellschaft, deren Betriebsvermögen nach
Berücksichtigung der Verbindlichkeiten keinen oder nur einen
geringen Steuerwert hat und die eine beliebige Zahl von
Beschäftigten haben kann, aufgespaltet wird (zu einer solchen
Betriebsaufspaltung vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 24.2.2000 IV R 62/98, BFHE 191, 295, BStBl II 2000, 417 = SIS 00 06 84). Die Anforderungen an die Entwicklung der Lohnsumme
spielen dann bei der Besitzgesellschaft keine Rolle. Die
Beschäftigten der Betriebsgesellschaft sind der
Besitzgesellschaft nicht zuzurechnen; denn allenfalls die
Beschäftigten einer nachgeordneten Gesellschaft können
hinsichtlich der Frage, ob die in § 13a Abs. 1 Satz 4 ErbStG
vorgesehene Grenze von 20 Beschäftigten überschritten
ist, der übergeordneten Gesellschaft zugerechnet werden (so
Abschn. 8 Abs. 2 Satz 8 AEErbSt; a.A. Philipp in Viskorf/Knobel/
Schuck, a.a.O., § 13a ErbStG Rz 38; Geck, a.a.O., § 13a
ErbStG Rz 41; Kirschstein in Gürsching/Stenger,
Bewertungsrecht, § 13a ErbStG Rz 29). Bei
Schwestergesellschaften ist eine Zusammenrechnung der
Beschäftigtenzahlen demgegenüber nicht vorgesehen.
Handelt es sich bei der Besitzgesellschaft um eine
Personengesellschaft, spielt die Höhe der Beteiligung des
Erblassers oder des Schenkers anders als bei Kapitalgesellschaften
(§ 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) keine Rolle (§ 13b Abs. 1 Nr.
2 ErbStG).
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Der Gewährung der
Steuervergünstigungen nach §§ 13a und 13b ErbStG
hinsichtlich der Besitzgesellschaft steht die Überlassung der
in ihrem Eigentum befindlichen Wirtschaftsgüter an die
Betriebsgesellschaft zur Nutzung nicht entgegen. Die
Nutzungsüberlassung als solche führt nicht zum Vorliegen
von Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 ErbStG. Ob
Verwaltungsvermögen vorliegt, ist vielmehr für die
einzelnen im Betriebsvermögen der Besitzgesellschaft
befindlichen Wirtschaftsgüter gesondert nach den in § 13b
Abs. 2 Satz 2 ErbStG bestimmten Merkmalen zu prüfen. Danach
gehören die Grundstücke, Grundstücksteile,
grundstücksgleichen Rechte und Bauten, die die
Besitzgesellschaft der Betriebsgesellschaft zur Nutzung
überlässt, nicht zum Verwaltungsvermögen, soweit
keine Nutzungsüberlassung an einen weiteren Dritten erfolgt;
denn der Erblasser oder Schenker konnte sowohl im
überlassenden Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein
oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen
geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen und auch der
Erwerber kann allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern in
beiden Betrieben einen einheitlichen geschäftlichen
Betätigungswillen durchsetzen (§ 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1
Satz 2 Buchst. a ErbStG). Kein Verwaltungsvermögen bilden
beispielsweise auch die Betriebsvorrichtungen, Fahrzeuge und
gewerblichen Schutzrechte, die die Besitzgesellschaft der
Betriebsgesellschaft zur Nutzung überlässt. Gleiches gilt
für Forderungen der Besitzgesellschaft gegen die
Betriebsgesellschaft, wie insbesondere die Ansprüche auf das
Nutzungsentgelt sowie aus etwaigen Darlehen. Diese Forderungen sind
nämlich Wertpapieren nicht vergleichbar und zählen daher
nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ErbStG nicht zum
Verwaltungsvermögen.
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Soweit die Gesellschafterstruktur eine
derartige Betriebsaufspaltung nicht zulässt, wie es
insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften mit
einer Vielzahl von Aktionären der Fall sein wird, spielt dies
im typischen Fall für die Besteuerung keine Rolle; denn bei
solchen Gesellschaften werden die Anforderungen des § 13b Abs.
1 Nr. 3 ErbStG an die Beteiligungshöhe des Erblassers oder
Schenkers im Regelfall ohnehin nicht erfüllt oder der
Erblasser/Schenker bedient sich hinsichtlich seiner Beteiligung von
bis zu 25 % der oben in Abschn. II.2.d dargestellten einfachen
Gestaltungsalternative, die es ihm ermöglicht, ungeachtet des
Vorliegens von Verwaltungsvermögen die Steuerverschonung zu
erlangen.
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f) Der BFH hat auf die verfassungsrechtliche
Problematik der Möglichkeit, durch bloße Rechtsformwahl
Steuervergünstigungen bei der Erbschaftsteuer und der
Schenkungsteuer zu erreichen, bereits in den Beschlüssen vom
24.10.2001 II R 61/99 (BFHE 196, 304, BStBl II 2001, 834 = SIS 02 01 09, unter II.2.d) und vom 22.5.2002 II R 61/99 (BFHE 198, 342,
BStBl II 2002, 598 = SIS 02 85 75, unter Teil B.II.4.) hingewiesen.
Darauf wird Bezug genommen.
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Das BVerfG hat die Auswirkungen der
Möglichkeit von Gewerbetreibenden, Betriebsvermögen in
weitem Umfang zu willküren, also auch nicht unmittelbar dem
Betrieb dienende, sondern nur zur objektiven Stärkung des
Betriebs geeignete Wirtschaftsgüter in das
Betriebsvermögen aufzunehmen und so durch bilanzpolitische
Maßnahmen auf die Bemessungsgrundlage der Steuer einzuwirken,
im Beschluss in BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192 = SIS 07 06 26,
unter C.II.1.b und d bb aus verfassungsrechtlicher Sicht kritisch
gewürdigt.
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Diese verfassungsrechtliche Problematik
besteht auch nach der Neuregelung fort und hat sich sogar noch
verschärft. Die Steuervergünstigungen nach §§
13a und 13b ErbStG knüpfen nach wie vor an das
ertragsteuerrechtliche Betriebsvermögen an (§ 12 Abs. 5
ErbStG, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 95, 96
und 97 des Bewertungsgesetzes). Die Möglichkeiten, durch
Schaffung gewillkürten Betriebsvermögens und weitere
Gestaltungen selbst beim Erwerb größter Vermögen
von Todes wegen oder durch freigebige Zuwendung die Höhe der
Steuerbelastung zu vermindern oder das Entstehen von Steuer zu
vermeiden, sind darüber hinaus gegenüber dem für
Steuerentstehungszeitpunkte vor dem 1.1.2009 geltenden Recht
deutlich erweitert worden. Während nach § 13a Abs. 1 und
2 ErbStG a.F. das nach Abzug des Freibetrags von 225.000 EUR
verbleibende begünstigte Betriebsvermögen mit 65 %
anzusetzen war, beträgt nunmehr bereits der
Verschonungsabschlag entweder 85 % des begünstigten
Betriebsvermögens (§ 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b
Abs. 4 ErbStG) oder sogar 100 % (§ 13a Abs. 8 ErbStG).
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3. Das Bundesministerium der Finanzen wird um
Mitteilung gebeten, ob und gegebenenfalls welche praktischen
Erfahrungen im Besteuerungsverfahren oder bei Anträgen auf
verbindliche Auskunft zu den aufgezeigten
Gestaltungsmöglichkeiten es bisher gibt.
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4. Sollte die Prüfung der angesprochenen
Verfassungsfragen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und/oder
Art. 6 Abs. 1 GG ergeben, müsste der Senat nach Art. 100 Abs.
1 Satz 1 GG das Verfahren aussetzen und eine Entscheidung des
BVerfG einholen.
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