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I. Streitig ist, ob eine Anordnung eines
Steuerabzuges gemäß § 50a Abs. 7 des
Einkommensteuergesetzes (EStG 2009) mit Blick auf ein
zwischenzeitlich über das Vermögen des
Vergütungsgläubigers eröffnetes Insolvenzverfahren
von der Vollziehung auszusetzen ist; ein Einspruch gegen die
Anordnung wurde nach Ablauf der Monatsfrist eingelegt.
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Unternehmensgegenstand der Antragstellerin
und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), einer GmbH, ist der
Erwerb, der Umbau, die Verwaltung, Bewirtschaftung und spätere
Veräußerung einer im Inland belegenen Gewerbeimmobilie.
Die Immobilie war mit notariellem Vertrag vom 28.9.2011 von einer
niederländischen Kapitalgesellschaft mit Sitz in den
Niederlanden für 10.500.000 EUR erworben worden. Eine
„1. Rate“ des Kaufpreises (525.000 EUR) hatte die
Antragstellerin bereits vor der Vertragsbeurkundung auflagenfrei
auf ein Notaranderkonto eingezahlt. Der Restkaufpreis war innerhalb
von zehn Arbeitstagen nach dem Absenden der schriftlichen
Bestätigung des Notars über den Eintritt weiterer
Fälligkeitsvoraussetzungen zu zahlen.
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Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das
Finanzamt - FA - ) ordnete unter dem 10.10.2011 (Bekanntgabe am
12.10.2011) gegenüber der Antragstellerin gemäß
§ 50a Abs. 7 (i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f) EStG
2009 den Abzug von Körperschaftsteuer in Höhe von 7 % der
Vergütungen aus dem Grundstückskaufvertrag an (735.000
EUR). Der Bescheid trägt keinen Hinweis auf eine
E-Mail-Adresse des FA, die sich allerdings aus der allgemeinen
Homepage www.finanzamt.nrw.de ergibt; die beigefügte
Rechtsbehelfsbelehrung lautet: „Gegen die Anordnung des
Steuerabzuges ist der Einspruch gegeben. ... Der Einspruch ist bei
dem auf Seite 1 bezeichneten Finanzamt schriftlich einzureichen
oder zur Niederschrift zu erklären. Auch der Steuerschuldner
kann Einspruch einlegen. Die Frist für die Einlegung
beträgt ...“
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Mit Schreiben vom 19.12.2011 bat das FA die
Antragstellerin um Mitteilung, wann der Kaufpreis gezahlt und warum
gegebenenfalls kein Steuerabzug durchgeführt worden sei. Die
Antragstellerin zahlte den „Restkaufpreis“ am
20.1.2012; später wurde sie als Eigentümerin des Objektes
in das Grundbuch eingetragen.
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Die Antragstellerin informierte das FA
über die Zahlung des Kaufpreises. Sie verwies zudem auf eine
notarielle Bestätigung vom 7.2.2012 über den Bestand
eines Notaranderkontos in Höhe von 805.925 EUR.
Gemäß der Treuhandabrede habe sie einen entsprechenden
Teil des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto hinterlegt. Durch
diese Gestaltung habe vermieden werden sollen, dass im Falle einer
tatsächlich niedrigeren Steuerfestsetzung aus dem
Veräußerungsvorgang die Steuererstattung an die
Grundstücksverkäuferin erfolge, um die Bank nicht
wirtschaftlich unverhältnismäßig zu
benachteiligen.
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Mit Schreiben vom 13.2.2012 forderte das FA
die Antragstellerin erneut auf, die Anmeldung und Zahlung des
Betrages von 735.000 EUR zzgl. Solidaritätszuschlag
vorzunehmen. Die Antragstellerin wies darauf hin, dass zur
Sicherung eines eventuellen Steueranspruchs ein Notaranderkonto
eingerichtet worden sei. Zugleich beantragte sie, die Anordnung des
Steuerabzuges gemäß § 131 Abs. 1 der Abgabenordnung
(AO) zu widerrufen. Denn über das Vermögen der
Grundstücksverkäuferin sei in den Niederlanden am
16.2.2012 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dieser
Umstand sei bei der Anordnung des Steuerabzuges jedenfalls im
Rahmen der Ermessenserwägungen zu berücksichtigen, da es
ein Fiskusprivileg nicht gebe. Durch den Vollzug des Steuerabzuges
würde jedoch der Fiskus gegenüber anderen Gläubigern
der insolventen Gesellschaft bevorzugt, was parallel zur Rechtslage
bei der Bauabzugsteuer gemäß §§ 48 ff. EStG
(Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13.11.2002 I B 147/02,
BFHE 201, 80, BStBl II 2003, 716 = SIS 03 07 69)
unrechtmäßig sei. Das FA lehnte den Widerruf der
Anordnung mit Schreiben vom 28.3.2012 ab. Über den hiergegen
gerichteten Einspruch der Antragstellerin vom 5.4.2012 hat das FA
noch nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom 13.4.2012 legte die
Antragstellerin Einspruch gegen die Anordnung des Steuerabzuges vom
10.10.2011 ein. Sie vertrat unter Hinweis auf ein Urteil des
Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 24.11.2011 10 K
275/11 (EFG 2012, 292 = SIS 12 01 53) und das hierzu beim BFH
anhängige Revisionsverfahren (Az. X R 2/12) die Auffassung,
dass der Einspruch rechtzeitig erhoben worden sei. Die
Rechtsbehelfsbelehrung des Bescheides sei unrichtig; ein Hinweis
auf die Möglichkeit der Einspruchseinlegung per E-Mail fehle
(Hinweis auf § 356 Abs. 2 AO).
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Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung
(AdV) der streitigen Anordnung lehnte das FA ab, da der Einspruch
verfristet sei. Ein beim FG Münster gestellter AdV-Antrag
blieb ebenfalls erfolglos (FG Münster, Beschluss vom 6.7.2012
11 V 1706/12 E, abgedruckt in EFG 2012, 1811 = SIS 12 23 72).
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Die Antragstellerin macht mit ihrer - vom
FG zugelassenen - Beschwerde geltend, der Einspruch gegen die
streitgegenständliche Anordnung sei fristgerecht eingelegt
worden. Es bestünden auch ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Anordnung. Sie beantragt, den
angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Vollziehung der
Anordnung des Steuerabzuges gemäß § 50a Abs. 7 EStG
2009 vom 10.10.2011 ab Fälligkeit bis einen Monat nach
Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung in voller Höhe ohne
Sicherheitsleistung auszusetzen.
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Das FA hat sich im Beschwerdeverfahren
nicht geäußert.
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II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde der
Antragstellerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Das FG hat die beantragte AdV zu Recht abgelehnt. Es fehlt
angesichts der verspäteten Einlegung des Rechtsbehelfs und der
daran anschließenden formellen Bestandskraft der
streitgegenständlichen Anordnung an den für die
AdV-Gewährung erforderlichen ernstlichen Zweifeln an der
Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsakts.
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1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das
Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen
Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll
erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit
des Verwaltungsakts bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2
Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO liegen u.a. dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des
angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine
Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige
Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit
in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (ständige
Rechtsprechung des BFH seit dem Beschluss vom 10.2.1967 III B 9/66,
BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182 = SIS 67 01 06; z.B.
Senatsbeschluss vom 13.3.2012 I B 111/11, BFHE 236, 501, BStBl II
2012, 611 = SIS 12 12 74).
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2. Bei der im Verfahren auf AdV gebotenen
summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die
Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Anordnung
des FA vom 10.10.2011 wegen des Eintritts der formellen
Bestandskraft nicht ernstlich zweifelhaft. Der Einspruch der
Antragstellerin vom 13.4.2012 ist - was zwischen den Beteiligten
nicht in Streit steht - erst nach Ablauf der Frist des § 355
Abs. 1 Satz 1 AO beim FA eingegangen; Gründe für eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 Abs. 1 Satz 1 AO)
sind von der Antragstellerin weder vorgetragen worden noch sind sie
sonst ersichtlich. Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg
auf § 356 Abs. 2 Satz 1 AO berufen.
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a) Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist
für die Einlegung des Einspruchs (§ 355 Abs. 1 AO) bei
einem schriftlich oder elektronisch ergangenen Verwaltungsakt nur
dann, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die
Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die
einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten
Form belehrt worden ist. Ist die Belehrung i.S. des § 356 Abs.
1 AO unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist nach § 356
Abs. 2 Satz 1 AO die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines
Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsakts zulässig, es sei
denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge
höherer Gewalt unmöglich war oder schriftlich oder
elektronisch darüber belehrt wurde, dass ein Einspruch nicht
gegeben sei.
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b) Eine Rechtsbehelfsbelehrung ist unrichtig
i.S. des § 356 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn sie die in § 356
Abs. 1 AO zwingend geforderten Angaben nicht enthält. Sie ist
dies aber auch dann, wenn sie geeignet ist, bei dem Betroffenen
einen Irrtum über die formellen oder materiellen
Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs
hervorzurufen und ihn dadurch abzuhalten, den Rechtsbehelf
überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen
(BFH-Urteile vom 29.7.1998 X R 3/96, BFHE 186, 324, BStBl II 1998,
742 = SIS 99 01 47; vom 21.6.2007 III R 70/06, BFH/NV 2007, 2064 =
SIS 07 35 18; s. auch zur vergleichbaren Konstellation des §
58 der Verwaltungsgerichtsordnung im allgemeinen Verwaltungsprozess
Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteile vom 13.12.1978 6 C
77/78, BVerwGE 57, 188; vom 27.4.1990 8 C 70/88, NJW 1991, 508; vom
21.3.2002 4 C 2/01, Deutsches Verwaltungsblatt 2002, 1553, m.w.N.).
Enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung daher weiter gehende
(nicht nur notwendige) Angaben, so müssen jene auch richtig,
vollständig und unmissverständlich sein (vgl.
BFH-Beschluss vom 21.12.2005 XI B 46/05, juris; BFH-Urteil in
BFH/NV 2007, 2064 = SIS 07 35 18; BFH-Beschluss vom 9.11.2009 IV B
54/09, BFH/NV 2010, 448 = SIS 10 05 93). Ob dies der Fall ist,
bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die
Rechtsbehelfsbelehrung nach Treu und Glauben und unter
Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen
musste (sog. objektiver Verständnishorizont; s. BFH-Beschluss
in BFH/NV 2010, 448 = SIS 10 05 93, m.w.N.).
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c) Die in dem Bescheid vom 10.10.2011
enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung ist nach diesem Maßstab -
und der gebotenen summarischen Prüfung - nicht unrichtig; die
Monatsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO konnte deshalb nicht
unbeachtet bleiben.
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aa) Zwischen den Beteiligten ist nicht in
Streit, dass die Rechtsbehelfsbelehrung die in § 356 Abs. 1 AO
ausdrücklich angeführten Bestandteile (Belehrung
„über den Einspruch“, über die
Behörde als Adressaten und über die Frist) in der danach
notwendigen Form (im konkreten Fall: schriftlich) enthält.
Damit ist den gesetzlichen Anforderungen, die an den Inhalt der
Belehrung „über den Einspruch“ zu stellen
sind, genügt. Weiterer über den Wortlaut von § 356
Abs. 1 AO hinausgehender Belehrungen zur Zulässigkeit des
Rechtsbehelfs bedarf es nicht (ebenso z.B. Werth in Beermann/Gosch,
AO § 356 Rz 15), auch nicht über die Form des
Rechtsbehelfs (z.B. BVerwG-Urteile in BVerwGE 57, 188; in NJW 1991,
508; Meissner in Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, § 58 Rz 32;
Eyermann/Schmidt, Verwaltungsgerichtsordnung, 13. Aufl., § 58
Rz 5; Pahlke in Pahlke/ Koenig, Abgabenordnung, 2. Aufl., §
356 Rz 14; a.A. Dumke in Schwarz, AO, § 356 Rz 20;
Große/Bludau, DB 2012, 655, 657; Kopp/Schenke,
Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 18. Aufl., § 58 Rz 10).
Dem Zweck der Rechtsbehelfsbelehrung, zu verhindern, dass ein
Bürger aus verfahrensrechtlicher Unkenntnis von der Einlegung
eines Rechtsbehelfs absieht oder die hierfür vorgesehene Frist
versäumt (z.B. Senatsurteil vom 17.5.2000 I R 4/00, BFHE 192,
15, BStBl II 2000, 539 = SIS 00 11 87; BFH-Urteil vom 7.3.2006 X R
18/05, BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 = SIS 06 20 49), ist durch
die „Mindestangaben“ in § 356 Abs. 1 AO und
durch die ergänzende Möglichkeit einer Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand bei unverschuldeten Verfahrensirrtümern
in ausreichender Weise Rechnung getragen (s. auch Meissner in
Schoch/Schneider/Bier, a.a.O.).
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bb) Dass die der streitgegenständlichen
Anordnung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung - dem Wortlaut der
gesetzlichen Regelung des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO entsprechend
- einen Hinweis auf die (Schrift-)Form des Einspruchs enthält,
steht dem nicht entgegen. Das FA hat dadurch nach dem
maßgebenden objektiven Verständnishorizont keinen
unrichtigen bzw. missverständlichen Hinweis zu den
Formerfordernissen erteilt. Das FA war deshalb auch nicht gehalten,
einen ergänzenden Hinweis auf § 87a AO (elektronische
Form als Alternative zur Schriftlichkeit im Sinne der hergebrachten
Schriftform) zu geben, ebenso wie es (umgekehrt) nicht gehalten
war, angesichts der (ergänzenden) Regelung des § 87a AO
einen Hinweis ausschließlich auf § 357 Abs. 1 Satz 1 AO
zu unterlassen.
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Zwar ist der Antragstellerin darin
zuzustimmen, dass die Abgabenordnung nach dem Inkrafttreten des
§ 87a AO eine elektronische Kommunikation zwischen der
Finanzbehörde und dem Steuerpflichtigen ermöglicht. Es
ist auch zutreffend, insoweit von einer „elektronischen
Form“ der Rechtsbehelfseinlegung zu sprechen (s. dazu die
im BFH-Beschluss vom 26.7.2011 VII R 30/10, BFHE 234, 118, BStBl II
2011, 925 = SIS 11 30 17 zitierte landesrechtliche Regelung), die
die (hergebrachte) Schriftform ersetzen kann (s. für das
Verwaltungsverfahren § 87a Abs. 3 Satz 1 AO). Eine Belehrung
entsprechend dem Gesetzeswortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO
ist aber nicht geeignet, bei einem „objektiven“
Empfänger die Fehlvorstellung hervorzurufen, die Einlegung
eines Einspruchs in elektronischer Form werde den geltenden
Formvorschriften nicht gerecht (so im Ergebnis auch BFH-Beschluss
vom 2.2.2010 III B 20/09, BFH/NV 2010, 830 = SIS 10 11 64; FG
Köln, Urteil vom 30.5.2012 10 K 3264/11, EFG 2012, 1813 = SIS 12 23 23; FG Düsseldorf, Urteil vom 20.11.2012 10 K 766/12 E,
juris; ebenso Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 356 Rz 2;
Schmieszek in Beermann/Gosch, AO, § 87a Rz 71; Brandis in
Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 87a AO Rz
5; s. auch Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße), Urteil
vom 22.9.2011 4 K 540/11.NW, juris; Bayerischer
Verwaltungsgerichtshof München, Beschluss vom 18.4.2011 20 ZB
11.349, juris; Skrobotz, jurisPR-ITR 7/2011 Anm. 6; Braun,
jurisPR-ITR 15/2011 Anm. 5; a.A. Niedersächsisches FG, Urteil
in EFG 2012, 292 = SIS 12 01 53; Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2.2.2011 OVG 2 N 10.10, juris;
Böwing-Schmalenbrock, DStR 2012, 444; Große/Bludau, DB
2012, 655, 657 f.; Geuer/ Jarasch, jurisPR-ITR 16/2012 Anm. 5;
Pfützenreuter, EFG 2012, 1815 f.). Vielmehr lässt sich
aus einer solchen, an den gesetzlichen Anforderungen als
„Mindeststandard“ ausgerichteten Belehrung
allenfalls schlussfolgern, dass eine mündliche
Einspruchseinlegung (soweit nicht bei der Behörde zur
Niederschrift erklärt) ausgeschlossen ist. Zur
(Un-)Möglichkeit der elektronischen Form wird jedoch keine
positive Aussage getroffen und kann daher auch keine negative
Aussage abgeleitet werden. Der Hinweis auf die
„Schriftlichkeit“ entsprechend § 357 Abs. 1
Satz 1 AO wirkt deshalb weder irreführend noch
rechtsschutzbeeinträchtigend. Er versetzt vielmehr - wie der
BFH in seinem Urteil in BFHE 212, 407, BStBl II 2006, 455 = SIS 06 20 49 zur insoweit vergleichbaren Situation der Fristberechnung
ausgeführt hat - den Betroffenen lediglich in die Lage - und
gibt ihm Anlass -, sich im Rahmen seiner verfahrensrechtlichen
Mitverantwortung darüber kundig zu machen, ob das
herkömmliche Verständnis dessen, was unter
„schriftlich“ aufzufassen ist, angesichts
technischer Weiterentwicklungen zu modifizieren ist, sei es durch
den „Einsatz“ beispielsweise sog. Computerfaxe,
sei es durch die elektronische Kommunikation, wie diese
zwischenzeitlich durch § 87a AO für das
Einspruchsverfahren ermöglicht wird. Erforderlichenfalls ist
er gehalten, einschlägigen Rechtsrat oder aber eine
finanzbehördliche Auskunft einzuholen. Für eine
bloß „mechanische“ Übernahme des
Schriftformerfordernisses gibt die Belehrung indessen nichts
her.
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Dieses Ergebnis ist schließlich
unabhängig davon, ob das FA im streitgegenständlichen
Bescheid durch einen direkten Verweis auf eine eigene Homepage oder
mittelbar durch den Verweis auf
„www.finanzamt.nrw.de“ den Zugang für die
Übermittlung elektronischer Dokumente i.S. des § 87a Abs.
1 Satz 1 AO (ohne Signaturerfordernis) tatsächlich
eröffnet hat. Ebenfalls kommt es nicht darauf an, ob eine
Finanzbehörde durch die Anweisung im sog. Anwendungserlass zur
Abgabenordnung zu § 357 (dort Nr. 1 Satz 2) zur
rechtswirksamen Einlegung eines Einspruchs rechtsverbindlich
(zweifelnd z.B. Martin/Bergan, BB 2012, 432) von dem gesetzlichen
Erfordernis der qualifizierten Signatur bei einer elektronischen
Übermittlung (§ 87a Abs. 3 Satz 2 AO) befreit haben
sollte.
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3. Die Antragstellerin hat nicht geltend
gemacht, dass ihrem Aussetzungsantrag nach dem alternativen
Aussetzungsgrund der unbilligen Härte zu entsprechen wäre
(§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 FGO);
es ist auch nicht ersichtlich, dass die entsprechenden
Voraussetzungen erfüllt sind. Die Beschwerde ist hiernach
zurückzuweisen.
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