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I. Streitig ist eine einkommensmindernde
Ausbuchung des Werts eines bisher als Umlaufvermögen
aktivierten Feldinventars.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH mit kalenderjahrgleichem
Wirtschaftsjahr, betrieb im Streitjahr 2007 die Erzeugung und
Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten aller Art,
insbesondere von Getreide und Kartoffeln, sowie alle damit in
Zusammenhang stehenden Aktivitäten. Bis zum Streitjahr hatte
sie ihr Feldinventar (d.h. die aufgrund der Feldbestellung auf den
Feldern vorhandenen Pflanzenbestände) bilanziert.
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Mit Bescheid vom 13.2.2008 (verbunden mit
dem Bescheid zur Körperschaftsteuer 2006) setzte der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die
Körperschaftsteuervorauszahlungen für 2007 auf 18.778 EUR
fest. Die Klägerin teilte daraufhin dem FA mit, dass sie eine
Anpassung der Steuervorauszahlungen nicht als sachgerecht ansehe.
Ab dem Streitjahr nehme sie die steuerliche Billigkeitsregelung
gemäß R 14 Abs. 2 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien
(EStR) 2005 i.V.m. R 34 Satz 2 der
Körperschaftsteuer-Richtlinien 2004 in Anspruch und verzichte
auf die Bilanzierung des Feldinventars; dies führe zu einer
Ergebnisminderung von rd. 220.000 EUR. Der verbleibende Gewinn sei
vollständig durch die bestehenden Verlustvorträge
abgedeckt. Das FA änderte die festgesetzten Vorauszahlungen
nicht.
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In der Bilanz zum 31.12.2007, die sie mit
der Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr
am 17.12.2008 einreichte, setzte die Klägerin den Wert des
Feldinventars mit 0 EUR an. Sie fügte dazu als
Erläuterung folgenden Hinweis bei: „Im Berichtsjahr wird
erstmalig gemäß R 131 Abs. 2 EStR vom Wahlrecht der
Nichtaktivierung des Feldinventars Gebrauch gemacht. Das
Feldinventar ist ausgebucht worden. Der nach den durchschnittlichen
Standardherstellungskosten des Bundesministeriums für
Landwirtschaft bewertete Bestand zum Bilanzstichtag beträgt
EUR 223.538,63.“ Das FA veranlagte die Klägerin
erklärungsgemäß (Bescheid vom 11.3.2009) unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 der
Abgabenordnung - AO - ). In dem Bescheid setzte es außerdem
die Vorauszahlungen für die Kalenderjahre 2008 bis 2010 fest.
Die Erläuterungen des Bescheides befassen sich mit der
Festsetzung der Vorauszahlungen für 2008.
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Nach einer Außenprüfung vertrat
das FA in einem auf § 164 Abs. 2 Satz 1 AO gestützten
Änderungsbescheid vom 24.11.2009 die Auffassung, dass das
Feldinventar bilanziert werden müsse, weil ein Landwirt
aufgrund der Bilanzstetigkeit an eine einmal erfolgte Bilanzierung
des Feldinventars gebunden sei. Mit diesem Bescheid, der keine
Ausführungen zur Billigkeitsregelung enthält, hob das FA
zugleich den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Das
Sächsische Finanzgericht (FG) gab der gegen diesen Bescheid
erhobenen Klage statt (Urteil vom 16.3.2011 2 K 1833/10, abgedruckt
in EFG 2011, 1758 = SIS 11 18 19). Das FA habe im Bescheid vom
11.3.2009 von einer Aktivierung des Feldinventars aus
Billigkeitsgründen abgesehen.
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Das FA macht mit der Revision die
Verletzung materiellen Rechts geltend. Es beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
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Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass
der Änderungsbescheid nicht auf § 164 Abs. 2 Satz 1 AO
gestützt werden konnte; vielmehr hatte das FA im
Ursprungsbescheid vom 11.3.2009 eine verbindliche Entscheidung des
Inhalts getroffen, der Klägerin im Wege der Billigkeit einen
einkommensmindernden Abzug des bisherigen Werts des
Umlaufvermögens (Feldinventar) zu gewähren.
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1. Das FG hat das Rechtsschutzbegehren der
Klägerin dahin verstanden, dass es sowohl gegen die
Steuerfestsetzung als auch gegen die Ablehnung einer
Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO i.V.m. R 14 Abs. 2
Satz 3 EStR 2005 gerichtet ist. Gegenstand der angefochtenen
Entscheidung ist damit sowohl die Rechtmäßigkeit des
Änderungsbescheides (Festsetzung der Körperschaftsteuer)
vom 24.11.2009 als auch die zugleich (konkludent) ausgesprochene
Ablehnung der von der Klägerin beantragten abweichenden
Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen. Dem ist
beizupflichten.
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a) Die Entscheidung über eine abweichende
Festsetzung aus Billigkeitsgründen kann mit der
Steuerfestsetzung verbunden werden (§ 163 Satz 3 AO). Zwar
kann der Bundesfinanzhof (BFH) nach ständiger Rechtsprechung
im Anfechtungsverfahren gegen die Steuerfestsetzung
grundsätzlich nicht über einen Billigkeitsantrag
entscheiden, weil dieser Gegenstand eines besonderen
Verwaltungsverfahrens ist. Von einer Verbindung beider Verfahren im
Wege einer objektiven Klagehäufung (§ 43 FGO) ist jedoch
auszugehen, wenn der Kläger im Einspruchs- und im
Klageverfahren ausdrücklich auch einen Anspruch auf eine
abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen geltend
gemacht und das FA darüber entschieden hat (vgl. BFH-Urteil
vom 18.3.2010 IV R 23/07, BFHE 228, 526, BStBl II 2011, 654 = SIS 10 12 87, m.w.N.).
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b) So verhält es sich im Streitfall. Die
Klägerin hat sich im Einspruchs- und im Klageverfahren nicht
nur gegen die Steuerfestsetzung gewandt, sondern sich
ausdrücklich auch auf die Billigkeitsregelung in R 131 Abs. 2
Satz 3 EStR 2001 bzw. R 14 Abs. 2 Satz 3 EStR 2005 berufen und eine
abweichende Steuerfestsetzung beantragt.
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2. Der Änderungsbescheid vom 24.11.2009
konnte nicht auf § 164 Abs. 2 Satz 1 AO gestützt werden.
Dem stand eine bindende Entscheidung des FA entgegen, im Streitjahr
eine Einkommensminderung von 223.538 EUR im Wege einer abweichenden
Festsetzung aus Billigkeitsgründen zu gewähren.
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a) Die ursprüngliche Veranlagung des
Streitjahres (Bescheid vom 11.3.2009) erging rechtswirksam unter
Nachprüfungsvorbehalt. Da dieser Vorbehalt in der Zwischenzeit
nicht aufgehoben worden war, konnte das FA einen
Änderungsbescheid grundsätzlich auf § 164 Abs. 2
Satz 1 AO stützen. Dies ist in seiner Grundlage unter den
Beteiligten nicht streitig und bedarf keiner näheren
Ausführungen.
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b) Eine Entscheidung über eine
Billigkeitsmaßnahme (§ 163 AO) wird durch Verwaltungsakt
getroffen. Auch wenn dieser Verwaltungsakt gemäß §
163 Satz 3 AO mit der Steuerfestsetzung verbunden wird, ändert
das nichts daran, dass es sich hierbei um eine gesonderte
Entscheidung handelt. Mit Blick auf die Steuerfestsetzung ist
dieser Verwaltungsakt Grundlagenbescheid, der eine Bindungswirkung
auslöst, die gegebenenfalls nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr.
1 AO umzusetzen ist (vgl. BFH-Urteil vom 21.1.1992 VIII R 51/88,
BFHE 168, 500, BStBl II 1993, 3 = SIS 92 20 35; Senatsurteil vom
8.8.2001 I R 25/00, BFHE 196, 485, BStBl II 2003, 923 = SIS 02 05 29; BFH-Urteile vom 16.3.2004 VIII R 33/02, BFHE 205, 270, BStBl II
2004, 927 = SIS 04 22 02; vom 14.4.2011 IV R 15/09, BFHE 233, 206,
BStBl II 2011, 706 = SIS 11 16 58). Im Streitfall ist eine die
Billigkeitsmaßnahme gewährende Entscheidung des FA mit
dem Festsetzungsbescheid vom 11.3.2009 getroffen worden. Das ergibt
die sachgerechte Auslegung des gegenüber der Klägerin
ergangenen Bescheides.
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aa) Der Ausspruch eines Verwaltungsakts muss -
den Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips entsprechend - inhaltlich
hinreichend bestimmt sein (§ 119 Abs. 1 AO). Dies
schließt zwar nicht aus, dass sein Inhalt durch Auslegung
ermittelt wird. Das erfordert jedoch, dass der Verwaltungsakt klar,
eindeutig und widerspruchslos erkennen lässt, welche
Rechtswirkungen er entfalten soll. Einer Billigkeitsentscheidung
des FA muss danach zu entnehmen sein, ob und in welchem Umfang von
der an sich gesetzlich vorgesehenen Steuerfestsetzung abgewichen
worden ist (z.B. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 163 AO Rz 25; s. auch von Groll in
Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 163 AO Rz 134
[“Quantifizierung“]). Dazu muss in der Situation des
§ 163 Satz 3 AO nicht die Steuer vor und nach der
Billigkeitsmaßnahme angegeben werden (so aber - jedenfalls
als Sollerfordernis - Loose in Tipke/Kruse, ebenda); es kann
genügen, dass sich die abweichende Steuerfestsetzung aus der
Höhe der festgesetzten Steuer ermitteln lässt.
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bb) Von dieser Maßgabe ist das FG nicht
abgewichen. Es hat in entsprechender Anwendung des § 133 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs bzw. in Anwendung des § 124 Abs.
1 Satz 2 AO zutreffend darauf abgestellt, wie die Klägerin
nach den ihr bekannten Umständen den materiellen Gehalt der
Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben
verstehen konnte (s. allgemein BFH-Urteile vom 11.11.1987 X R
54/82, BFHE 152, 166, BStBl II 1988, 307 = SIS 88 05 36; vom
19.5.2004 III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980 = SIS 04 36 34; vom 9.4.2008 II R 31/06, BFH/NV 2008, 1435 = SIS 08 31 50),
und ist deshalb zu Recht davon ausgegangen, die Klägerin habe
aus dem Steuerbescheid vom 11.3.2009 ableiten können und
dürfen, dass das FA dem Billigkeitsantrag vollen Umfangs
stattgegeben hat. Denn die Klägerin hatte mit der
Steuererklärung (wie zuvor schon mit dem Antrag auf Anpassung
der Vorauszahlungen angekündigt) ausdrücklich einen
Antrag auf Gewährung der Billigkeitsmaßnahme gestellt
und das FA hat die Steuer erklärungsgemäß (in
Kenntnis des erläuternden Hinweises zur Inanspruchnahme eines
Bilanzierungswahlrechts in Höhe von 223.538 EUR) festgesetzt;
bei Ansatz des Feldinventars wäre die Bemessungsgrundlage
insoweit zu erhöhen und ein höherer Steuerbetrag
festzusetzen gewesen. Für den Steuerpflichtigen war also
ersichtlich, dass die Steuer, wie von ihm beantragt, aus
Billigkeitsgründen abweichend festgesetzt worden ist. Eines
ausdrücklichen Hinweises auf den Billigkeitserweis bedurfte es
in Anbetracht dessen nicht (anders Loose in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 163 AO Rz 25). Gleichermaßen ist es ohne Belang, ob
das FA die beantragte Billigkeitsmaßnahme tatsächlich
gewähren wollte (s. auch Senatsurteil vom 27.7.1988 I R
159/84, BFH/NV 1990, 8).
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Dem steht nicht entgegen, dass das FA die
(erklärungsgemäße) Festsetzung mit der
Nebenbestimmung des § 164 Abs. 1 Satz 1 AO versehen hat. Denn
die mit dem Vorbehaltsvermerk verbundene Suspendierung der
materiellen Bestandskraft des Steuerbescheides (s. Seer in
Tipke/Kruse, a.a.O., § 164 AO Rz 2) berührt den von der
eigentlichen Steuerfestsetzung abzugrenzenden Gegenstand der
Billigkeitsentscheidung nicht. Der Vorbehaltsvermerk des § 164
Abs. 1 AO erstreckt sich darauf weder unmittelbar noch mittelbar.
Die Vorbehaltsfestsetzung ist dadurch auch nicht ihres Sinns -
nämlich den Bescheid in der Sache „offen“
zu belassen - beraubt, da der Nachprüfungsvorbehalt sich auf
sämtliche (anderen) Besteuerungsgrundlagen der Festsetzung des
Streitjahres bezieht und lediglich der Billigkeitserweis davon
ausgespart wird. Die Klägerin musste damit aus der Existenz
der Nebenbestimmung nicht darauf schließen, dass die
Billigkeitsentscheidung noch ausstehe.
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3. Die tatrichterlich getroffenen
Feststellungen geben nichts dafür her, dass der auf dieser
Grundlage in dem Bescheid vom 11.3.2009 erteilte Billigkeitserweis
aus den Gründen der §§ 130 Abs. 2, 131 Abs. 2 AO
hätte zurückgenommen oder widerrufen werden können.
Der Erweis ist damit verbindlich; der ursprüngliche
Steuerbescheid konnte nicht nach § 164 Abs. 2 AO unter Hinweis
auf eine Ablehnung des Billigkeitsantrags geändert werden. Ob
die zusprechende Entscheidung nach den Maßgaben der
einschlägigen Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil in BFHE 228,
526, BStBl II 2011, 654 = SIS 10 12 87; s. auch Urteil des FG
Münster vom 1.7.2010 6 K 2727/09 E, EFG 2010, 1873 = SIS 10 34 66; Leingärtner/Wendt, Besteuerung der Landwirte, Kap. 29a Rz
221) eventuell rechtswidrig war, da der die Billigkeitsregelung
tragende Vereinfachungszweck (Verzicht auf eine unter
Umständen aufwendige Bewertung) in der im Streitfall
vorliegenden Konstellation der bisherigen Bilanzierung des
Feldinventars nicht erfüllt sei und zugleich ein Verstoß
gegen den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Abs. 1 Nr.
6 des Handelsgesetzbuchs, hier i.V.m. § 5 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes, § 8 Abs. 1 Satz 1 des
Körperschaftsteuergesetzes) vorliegen könnte, kann
angesichts dessen offenbleiben.
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