1
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Landwirt. Ab dem Wirtschaftsjahr 2000/2001 wurde
die Tierhaltung zum Gewerbebetrieb, weil der Tierbestand die
Vieheinheitengrenze nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) überstieg.
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Den Gewinn des landwirtschaftlichen
Betriebs ermittelt der Kläger durch Bestandsvergleich (§
4 Abs. 1 EStG). Wirtschaftsjahr ist der Zeitraum vom 1. Juli bis
30. Juni (landwirtschaftliches Normalwirtschaftsjahr
gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).
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Nachdem die Tierhaltung gewerblich geworden
war, ermittelte der Kläger zunächst den Gewinn für
Landwirtschaft und Gewerbebetrieb weiterhin einheitlich. Von dem so
ermittelten Gewinn ordnete er der Landwirtschaft einen Anteil zu,
der dem von der landwirtschaftlichen Unternehmensberatung für
diesen Betriebszweig ermittelten kalkulatorischen Gewinn
entsprach.
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Den landwirtschaftlichen Gewinn des
Wirtschaftsjahrs 2000/2001 berücksichtigte der Kläger in
den Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2000 und
2001 je zur Hälfte (§ 4a Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EStG). In
der Einkommensteuererklärung für 2001 erfasste er den
Gewinn aus Gewerbebetrieb des Wirtschaftsjahrs 2000/2001 in voller
Höhe (§ 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG) sowie die Hälfte des
landwirtschaftlichen Verlusts des Wirtschaftsjahrs
2001/2002.
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Dem folgte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) und erließ
entsprechende Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 und
2001. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
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Während einer Außenprüfung,
die im Jahr 2005 stattfand und auch die Jahre 2000 und 2001
umfasste, legte der Kläger nachträglich erstellte
Abschlüsse auf den 30.6.2001 und 2002 jeweils für den
landwirtschaftlichen Betrieb und den Betrieb der gewerblichen
Tierhaltung vor.
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Der Prüfer war der Auffassung, dass
der Gewinn aus der gewerblichen Tierhaltung für das
Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr ermittelt werden müsse. Dem
entsprechend bildete er ein Rumpfwirtschaftsjahr für den
Zeitraum vom 1. Juli bis 31.12.2000 und legte der Gewinnermittlung
für das Folgejahr ein mit dem Kalenderjahr
übereinstimmendes Wirtschaftsjahr zugrunde. Dem folgend
erließ das FA entsprechend geänderte
Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2000 und 2001.
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In dem auf das erfolglose
Einspruchsverfahren folgenden Klageverfahren wies der
Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) darauf hin, dass die
Versagung der Zustimmung zur Umstellung des Wirtschaftsjahrs eine
Ermessensentscheidung sei, die das FA durch einen
selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt ausspreche (Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23.9.1999 IV R 4/98, BFHE 190,
328, BStBl II 2000, 5 = SIS 00 01 40). Ein solcher Verwaltungsakt
sei im Streitfall aber noch nicht ergangen.
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Das FA teilte dem Kläger daraufhin
mit, dass es die Abgabe der Gewinnermittlungen für die
Wirtschaftsjahre 2000/2001 und 2001/2002 als Antrag
gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Satz 2 EStG ansehe.
Dieser Antrag werde abgelehnt. Die mit den
Einkommensteuererklärungen erklärten Gewinne für die
beiden Betriebe seien geschätzt worden. Eine derartige
Schätzung erfülle die Voraussetzungen einer getrennten
Buchführung nicht. Gewinnermittlungen durch
Gegenüberstellung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben
seien erst während der Betriebsprüfung im Jahr 2005
eingereicht worden. Da die Umstellung des Wirtschaftsjahrs nicht
rückwirkend erfolgen könne, könne dem Antrag auf
Ermittlung des Gewinns nach einem vom Kalenderjahr abweichenden
Wirtschaftsjahr für die Jahre 2000 und 2001 nicht entsprochen
werden.
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Die dagegen mit Zustimmung des FA erhobene
Sprungklage hatte keinen Erfolg.
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Das FG entschied, das FA habe einem vom
Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr nicht durch die
ursprünglich erklärungsgemäßen
Einkommensteuerveranlagungen 2000 und 2001 zugestimmt. Denn durch
eine Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bringe
das FA zum Ausdruck, dass es noch keine abschließende
Prüfung des Steuerfalls vorgenommen habe.
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Das FA sei im Streitfall auch nicht
verpflichtet, einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr
zuzustimmen. Selbst wenn der Kläger - soweit möglich - ab
dem 1.7.2000 getrennte Ertrags- und Aufwandskonten für seine
gewerbliche Tierhaltung geführt habe, fehle es jedenfalls an
der nach R 25 Abs. 2 Satz 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR)
2000 (jetzt R 4a Abs. 2 Satz 2 EStR 2012) erforderlichen Fertigung
getrennter Abschlüsse für die beiden Betriebe. Die in den
Einkommensteuererklärungen 2000 und 2001 erklärten
Gewinne des gewerblichen Betriebs seien durch Schätzung
ermittelt worden, indem die sich aus den zusammengefassten
Abschlüssen ergebenden Gewinne um kalkulatorisch ermittelte
Ergebnisbeiträge des landwirtschaftlichen Betriebs verringert
worden seien. Dieser Mangel habe durch die nachträglich
während der Außenprüfung aufgestellten getrennten
Abschlüsse nicht mehr behoben werden können. Das Recht
zur Wahl eines vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahrs sei
von der regelmäßigen Erstellung von Abschlüssen
für den Gewerbebetrieb abhängig. Das Merkmal der
Regelmäßigkeit erfüllten die erst im Nachhinein und
anlassbezogen gefertigten Abschlüsse für die
Wirtschaftsjahre 2000/2001 und 2001/2002 nicht.
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Das Urteil ist in EFG 2010, 1592 = SIS 10 23 92 veröffentlicht.
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Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung des § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Satz 2 EStG, weil
das FG die erklärungsgemäße Veranlagung für
das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr des
Gewerbebetriebs nicht als Zustimmung zum abweichenden
Wirtschaftsjahr beurteilt habe und das FA auch nicht für
verpflichtet halte, dem abweichenden Wirtschaftsjahr für die
gewerbliche Tierhaltung ab 1.7.2000 zuzustimmen.
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Der Kläger beantragt, das angefochtene
Urteil und den ablehnenden Bescheid vom 23.6.2008 aufzuheben und
das FA zu verpflichten, der Bestimmung des nach § 4a Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 EStG für das Wirtschaftsjahr des
landwirtschaftlichen Betriebs maßgebenden Zeitraums vom 1.
Juli bis 30. Juni als Zeitraum des Wirtschaftsjahrs für den
Gewerbebetrieb - gewerbliche Tierhaltung - ab 1.7.2000
zuzustimmen.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Es schließt sich im Wesentlichen der
Begründung des angefochtenen Urteils an.
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II. Die Revision des Klägers ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und des ablehnenden Bescheids vom 23.6.2008 (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FA hat
der Bestimmung des abweichenden Wirtschaftsjahrs für den
Gewerbebetrieb des Klägers (gewerbliche Tierhaltung) bereits
durch den Erlass des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
ergangenen Einkommensteuerbescheids für 2001 zugestimmt. Eine
Rücknahme oder ein Widerruf dieser Zustimmung durch den
Bescheid vom 23.6.2008 ist rechtswidrig, weil die gesetzlichen
Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
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1. Der Kläger hat rechtmäßig
die Ermittlung des Gewinns für den Gewerbebetrieb für die
Wirtschaftsjahre vom 1.7.2000 bis zum 30.6.2001 und vom 1.7.2001
bis zum 30.6.2002 gewählt.
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a) Nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG ist
Wirtschaftsjahr bei Gewerbetreibenden, deren Firma nicht im
Handelsregister eingetragen ist, das Kalenderjahr. Sind sie jedoch
gleichzeitig buchführende Land- und Forstwirte, so können
sie mit Zustimmung des FA den für den land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb maßgebenden Zeitraum als
Wirtschaftsjahr für den Gewerbebetrieb bestimmen, wenn sie
für den Gewerbebetrieb Bücher führen und für
diesen Zeitraum regelmäßig Abschlüsse machen.
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b) Der Kläger erfüllte in den
Streitjahren die Voraussetzungen für die Ausübung dieses
Wahlrechts.
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aa) Buchführender Land- und Forstwirt
i.S. des § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Satz 2 EStG sind nach der
Legaldefinition in § 8c Abs. 3 der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) solche Land-
und Forstwirte, die aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung oder
ohne eine solche Verpflichtung Bücher führen und
regelmäßig Abschlüsse machen. Das Aufstellen
einmaliger Abschlüsse, wie etwa einer Eröffnungs- oder
Schlussbilanz, ist ebenso wenig ausreichend wie die
Durchführung vorbereitender Jahresabschlussarbeiten
(BFH-Urteil vom 16.2.1989 IV R 307/84, BFH/NV 1990, 632, unter 2.
der Gründe, m.w.N.). Das Wahlrecht steht danach solchen
Steuerpflichtigen nicht zu, die den land- und forstwirtschaftlichen
Gewinn durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder
nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG
ermitteln; Entsprechendes gilt für Landwirte, die den Gewinn
unter Nichtbeachtung der Gewinnermittlungsvorschriften durch
Vollschätzung ermitteln (sog. Schätzungslandwirte; s.
dazu Leingärtner/Kanzler, Besteuerung der Landwirte, Kap. 21,
Rz 58; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, C
Rz 335 ff.).
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bb) Unterhält der Land- und Forstwirt
neben dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb auch einen
Gewerbebetrieb, ist dem Wortlaut des § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
Satz 2 EStG zufolge Voraussetzung für die Wahl eines mit dem
land- und forstwirtschaftlichen Wirtschaftsjahr
übereinstimmenden Wirtschaftsjahrs für den
Gewerbebetrieb, dass auch für den Gewerbebetrieb Bücher
geführt und für den betreffenden Zeitraum
regelmäßig Abschlüsse gemacht werden. Kein
Wahlrecht zur Bestimmung eines abweichenden Wirtschaftsjahrs
für den Gewerbebetrieb besteht also dann, wenn dessen Gewinn
durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG oder unter
Verstoß gegen die Gewinnermittlungsvorschriften durch
Schätzung ermittelt wird.
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cc) Das Gesetz geht in § 4a Abs. 1 Satz 2
Nr. 3 Satz 2 EStG von der Vorstellung aus, dass der
Steuerpflichtige sich der Existenz zweier Betriebe bewusst ist,
denn nur in diesem Fall kann der Steuerpflichtige darüber
entscheiden, auf welche Weise und für welchen Zeitraum er den
Gewinn für den Gewerbebetrieb ermitteln will. Keine Regelung
enthält das Gesetz für den Fall, dass dem
Steuerpflichtigen die Existenz eines zweiten Betriebs nicht bekannt
ist. Unter dieser Voraussetzung kann der Steuerpflichtige
naturgemäß nur eine einheitliche Entscheidung über
Art und Zeitraum seiner Gewinnermittlung treffen.
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So liegen die Dinge auch, wenn der
Steuerpflichtige von einem einheitlichen land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb ausgeht, ohne erkennen zu
können, dass nach objektiven Kriterien ein Teil der aus seiner
Sicht einheitlichen betrieblichen Tätigkeit ein Gewerbebetrieb
ist. Die für diesen Fall bestehende Gesetzeslücke ist
nach Auffassung des erkennenden Senats dahingehend zu füllen,
dass die Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts
dann erfüllt sind, wenn für den aus Sicht des
Steuerpflichtigen bestehenden einheitlichen Betrieb insgesamt
Bücher geführt und regelmäßig Abschlüsse
aufgestellt werden. Damit ist sichergestellt, dass sämtliche
Geschäftsvorfälle ordnungsgemäß
buchmäßig erfasst sind und dass das
Betriebsvermögen zum Ende des Wirtschaftsjahrs aufgrund einer
umfassenden Inventur ermittelt worden ist. Die auf den
herausgelösten Gewerbebetrieb entfallenden Teile der
Buchführung und Inventur können teils unmittelbar, teils
im Wege der Schätzung bestimmt werden. Dass die Aufteilung
feststehender Gesamtbeträge teilweise im Wege der
Schätzung erfolgt, steht der Ausübung des Wahlrechts
nicht entgegen. Derartige Schätzungen werden sich auch bei
einer von Beginn eines Gewinnermittlungszeitraums an bestehenden
getrennten Buchführung nicht vermeiden lassen, weil
landwirtschaftlicher Betrieb und gewerblicher Tierhaltungsbetrieb
in vielfältiger Weise eng miteinander verflochten sind und
Betriebsausgaben häufig zusammengefasst für beide
Betriebe anfallen (z.B. Löhne, Ausgaben für Maschinen,
Mieten und Pachten).
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dd) Nach den Feststellungen des FG steht
für den Senat fest, dass dem Kläger zum Ende des
Wirtschaftsjahrs 2000/2001 am 30.6.2001 und bei Einrichtung der
Buchführung für das am 1.7.2001 beginnende
landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr noch nicht bekannt war, dass
seine Tierhaltung nicht mehr Bestandteil des land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs sein konnte, sondern wegen
Überschreitens der Vieheinheitengrenze des § 13 Abs. 1
Nr. 1 Satz 2 EStG kraft Gesetzes zu einem Gewerbebetrieb geworden
war. Denn die Überschreitung der Vieheinheitengrenze konnte
frühestens bei Aufstellung des Abschlusses für das
landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr 2000/2001 und damit nach dem
30.6.2001 erkannt werden. Dem Kläger war es danach für
den Betrieb der gewerblichen Tierhaltung weder für das
Wirtschaftsjahr 2000/2001 noch für das, wie erforderlich,
gesamte Wirtschaftsjahr 2001/2002 möglich, eigenständige
Bücher zu führen und auf deren Grundlage Abschlüsse
aufzustellen.
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Das Wahlrecht zur Bestimmung eines dem
landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahr entsprechenden
Wirtschaftsjahrs für den gewerblichen Tierhaltungsbetrieb
stand dem Kläger zu, weil er für den aus seiner Sicht
einheitlichen Betrieb Bücher geführt und
Jahresabschlüsse aufgestellt hat. Nach den Feststellungen des
FG wurden für den landwirtschaftlichen Betrieb
einschließlich der zum Gewerbebetrieb gewordenen Tierhaltung
Bücher geführt. Die Einnahmen aus der Landwirtschaft und
aus der (inzwischen gewerblichen) Tierhaltung waren auf den
jeweiligen Konten (gesondert) erfasst worden. Entsprechendes gilt
für die Ausgaben, soweit sie nicht beide Betriebe - die bis
zur Gewerblichkeit der Tierhaltung Betriebszweige der
Landwirtschaft waren - betrafen.
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c) Der Kläger hat das Wahlrecht zur
Bestimmung des Wirtschaftsjahrs für den Gewerbebetrieb
entsprechend dem landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahr für die
Wirtschaftsjahre 2000/2001 und 2001/2002 ordnungsgemäß
ausgeübt.
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aa) Für die Ausübung des Wahlrechts
zur Bestimmung des abweichenden Wirtschaftsjahrs durch den
Steuerpflichtigen ist in § 4a EStG keine bestimmte Form
vorgeschrieben. Das Wahlrecht wird grundsätzlich durch die
Erstellung des Jahresabschlusses ausgeübt (BFH-Urteile vom
16.12.2003 VIII R 89/02, BFH/NV 2004, 936 = SIS 04 22 67, unter
II.1.a der Gründe; in BFH/NV 1990, 632, unter 2. der
Gründe). Der Steuerpflichtige kann aber auch außerhalb
des Veranlagungsverfahrens die Zustimmung des FA zu einer
späteren Umstellung beantragen (vgl. BFH-Urteil vom 24.1.1963
IV 46/62 S, BFHE 76, 385, BStBl III 1963, 142 = SIS 63 01 03; R 4a
Abs. 2 Satz 1 EStR 2012; Jahndorf, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4a Rz A 93,
m.w.N.).
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Kann der Steuerpflichtige erst nach Beginn
eines Wirtschaftsjahrs für einen aus seiner Sicht
einheitlichen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erkennen,
dass sich aus diesem ein Gewerbebetrieb herausgelöst hat, kann
auch das Wahlrecht erst mit der Kenntnis davon ausgeübt
werden. Für das begonnene Wirtschaftsjahr können dann
keine eigenständigen Bücher des Gewerbebetriebs mehr
geführt werden; in der Folge kann auch kein aus einer
eigenständigen Buchführung entwickelter Jahresabschluss
für den Gewerbebetrieb aufgestellt werden. Zur Ausübung
des Wahlrechts reicht es in einem solchen Fall aus, wenn der
Steuerpflichtige dem FA den einheitlichen Jahresabschluss verbunden
mit einer sachlich nachvollziehbaren Aufteilung des Gewinns auf den
land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und den Gewerbebetrieb
vorlegt.
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bb) Mit den Steuererklärungen für
die Streitjahre hat der Kläger jeweils die
Jahresabschlüsse für den einheitlichen Betrieb auf den
30.6.2001 und 2002 vorgelegt. Beigefügt waren
Betriebszweigabrechnungen einer landwirtschaftlichen
Unternehmensberatung, aus denen sich die Aufteilung des Gewinns auf
den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und den Gewerbebetrieb
ergab. Die dort ausgewiesenen Beträge hatte der Kläger in
die Anlagen L und GSE der Einkommensteuerklärungen für
die Streitjahre übernommen. Damit hat er sein Wahlrecht zur
Bestimmung des abweichenden Wirtschaftsjahrs erkennbar
ausgeübt.
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2. Das FA hat der Wahl des Wirtschaftsjahrs
wirksam zugestimmt.
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33
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a) Die Zustimmung des FA zu der Wahl eines
Wirtschaftsjahrs ist nach ständiger Rechtsprechung eine
Ermessensentscheidung (u.a. BFH-Urteile in BFHE 190, 328, BStBl II
2000, 5 = SIS 00 01 40, unter 2.b der Gründe, m.w.N.; vom
12.7.2007 X R 34/05, BFHE 218, 349, BStBl II 2007, 775 = SIS 07 28 43, unter II.3. der Gründe; zu § 7 Abs. 4 des
Körperschaftsteuergesetzes BFH-Beschluss vom 31.8.2009 I B
215/08, BFH/NV 2010, 57 = SIS 09 37 29, unter II.2.c der
Gründe, sowie zur entsprechenden Regelung in § 2 Abs. 5
EStG a.F. BFH-Urteile in BFHE 76, 385, BStBl III 1963, 142 = SIS 63 01 03; vom 12.3.1965 VI 109/64 U, BFHE 82, 113, BStBl III 1965, 287
= SIS 65 01 68; anderer Ansicht Jahndorf, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4a Rz B 141
ff.).
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34
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aa) Bei der Ausübung seines Ermessens hat
das FA die betriebswirtschaftlichen Erwägungen des
Steuerpflichtigen für die Umstellung des Wirtschaftsjahrs und
die gegen die Umstellung sprechenden öffentlichen Belange -
die Vermeidung nicht gerechtfertigter Steuervorteile -
gegeneinander abzuwägen (u.a. BFH-Urteile vom 8.10.1969 I R
167/66, BFHE 97, 257, BStBl II 1970, 85 = SIS 70 00 47, unter 1.
der Gründe; vom 24.4.1980 IV R 149/76, BFHE 131, 292, BStBl II
1981, 50 = SIS 81 05 20, unter 1. der Gründe). Allein der
Umstand, dass der Steuerpflichtige durch die Umstellung des
Wirtschaftsjahrs eine „Steuerpause“ erlangt,
reicht jedoch für eine Versagung der Zustimmung nicht aus
(BFH-Urteil in BFHE 82, 113, BStBl III 1965, 287 = SIS 65 01 68).
Zwar verwendet das Gesetz in § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 2
EStG („Einvernehmen“) und in § 4a Abs. 1
Satz 2 Nr. 3 Satz 2 EStG („Zustimmung“)
unterschiedliche Formulierungen. Gleichwohl gelten nach gefestigter
Rechtsprechung in beiden Fällen dieselben Voraussetzungen
(BFH-Urteile in BFHE 131, 292, BStBl II 1981, 50 = SIS 81 05 20,
unter 1. der Gründe; in BFHE 97, 257, BStBl II 1970, 85 = SIS 70 00 47, unter 1. der Gründe; in BFHE 76, 385, BStBl III
1963, 142 = SIS 63 01 03).
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35
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bb) Die Ausübung des Ermessens bei
Umstellung des Wirtschaftsjahrs nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
Satz 2 EStG hat die Finanzverwaltung in R 25 Abs. 2 Sätze 2
und 3 EStR 2000 (jetzt R 4a Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStR 2012)
geregelt. Danach ist dem Antrag zu entsprechen, wenn der
Steuerpflichtige Bücher führt, in denen die
Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben für den land- und
forstwirtschaftlichen Betrieb und für den Gewerbebetrieb
getrennt aufgezeichnet werden und der Steuerpflichtige für
beide Betriebe getrennte Abschlüsse fertigt. Die Geldkonten
brauchen nicht getrennt geführt zu werden. Keine Regelung
enthalten die EStR allerdings zu der erstmaligen Wahl eines
Wirtschaftsjahrs in einem Fall, in dem aus einem einheitlichen
land- und forstwirtschaftlichen Betrieb ein Gewerbebetrieb
herausgelöst wird.
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36
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cc) Für die Entscheidung über die
Zustimmung bzw. Ablehnung durch das FA ist keine bestimmte Form
vorgeschrieben. Das FA kann die Zustimmung durch schlüssiges
Verhalten des für die Veranlagung zuständigen
Sachbearbeiters erklären (vgl. BFH-Urteil vom 9.1.1974 I R
141/72, BFHE 111, 307, BStBl II 1974, 238 = SIS 74 01 34, unter 2.
der Gründe; Jahndorf, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
a.a.O., § 4a Rz A 95). Es versagt die Zustimmung durch
selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt (BFH-Urteile in BFHE
190, 328, BStBl II 2000, 5 = SIS 00 01 40, unter 2.b der
Gründe; vom 15.6.1983 I R 76/82, BFHE 139, 146, BStBl II 1983,
672 = SIS 83 21 14, unter II.1. der Gründe).
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37
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b) Entgegen der Auffassung von FA und FG hat
das FA im Streitfall bereits dadurch der Bestimmung des
abweichenden Wirtschaftsjahrs zugestimmt, dass es in dem unter
Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid
2001 der Erklärung des Klägers gefolgt ist.
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38
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aa) Mit der erklärungsgemäßen
Veranlagung hat das FA aus der insoweit maßgeblichen Sicht
des Erklärungsempfängers konkludent seine Zustimmung zum
abweichenden Wirtschaftsjahr erklärt. Auch wenn dieser
Verwaltungsakt mit der Steuerfestsetzung verbunden war, ändert
das nichts daran, dass es sich hierbei um eine gesonderte
Entscheidung handelt (s. BFH-Beschluss vom 12.7.2012 I R 32/11,
BFHE 237, 307 = SIS 12 25 19, Rz 15, zur Verbindung mit einer
Billigkeitsmaßnahme nach § 163 der Abgabenordnung - AO -
). Da der Kläger die Erklärung der Einkünfte aus
Gewerbebetrieb für das FA erkennbar aus dem mit der
Steuererklärung eingereichten einheitlichen Jahresabschluss
mit beigefügten Betriebszweigabrechnungen abgeleitet hatte,
konnte er die erklärungsgemäße Veranlagung dahin
verstehen, dass das FA mit der Zugrundelegung der Gewinnermittlung
dem Grunde nach einverstanden war.
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39
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bb) Zwar hat das FA durch den Vorbehalt der
Nachprüfung zum Ausdruck gebracht, dass es keine
abschließende Entscheidung über die Festsetzung der
Einkommensteuer treffen wollte und getroffen hat (vgl. § 164
Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Vorbehalt der Nachprüfung ist jedoch
nur für die Steuerfestsetzung (§ 164 Abs. 1 Satz 1 AO)
bzw. die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
zulässig (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO). Um einen solchen
Bescheid handelt es sich aber bei der Zustimmung zur
Gewinnermittlung für ein abweichendes Wirtschaftsjahr nicht.
Die mit dem Vorbehaltsvermerk verbundene Suspendierung der
materiellen Bestandskraft des Steuerbescheids berührt den von
der eigentlichen Steuerfestsetzung abzugrenzenden Gegenstand der
Entscheidung über die Zustimmung zum abweichenden
Wirtschaftsjahr nicht (s. BFH-Beschluss in BFHE 237, 307 = SIS 12 25 19, Rz 18, zur Verbindung mit einer Billigkeitsmaßnahme
nach § 163 AO). Insofern richtet sich die
Rechtmäßigkeit der Zustimmung allein nach §§
118 ff. AO; die für das Festsetzungs- und
Feststellungsverfahren geltenden Regelungen in §§ 155 ff.
AO sind nicht anwendbar. An den unterschiedlichen
verfahrensrechtlichen Grundlagen für die Zustimmung einerseits
und den Steuerbescheid andererseits kann sich auch dann nichts
ändern, wenn die Zustimmung konkludent im Zusammenhang mit dem
Erlass eines Steuerbescheids erteilt wird.
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40
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3. Der angefochtene Ablehnungsbescheid vom
23.6.2008 steht im Widerspruch zu der konkludent erteilten
Zustimmung. Das FA konnte sich mit dem Bescheid nicht wirksam von
der Zustimmung lösen. Der Bescheid kann nicht in eine
Rücknahme der Zustimmung gemäß § 130 AO oder
einen Widerruf der Zustimmung gemäß § 131 AO
umgedeutet werden. Denn die Voraussetzungen der §§ 130,
131 AO liegen nicht vor.
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a) Nach § 130 AO kann die
Finanzbehörde einen rechtswidrigen Verwaltungsakt mit Wirkung
für die Zukunft oder für die Vergangenheit unter
näher bezeichneten Voraussetzungen zurücknehmen.
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aa) Das FA kann die Erteilung einer Zustimmung
nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG unter den Voraussetzungen
des § 130 Abs. 2 AO zurücknehmen, wenn es
nachträglich erkennt, dass die Zustimmung, ein Recht i.S. des
§ 130 Abs. 2 AO, rechtswidrig war. Dem Interesse der
Finanzverwaltung an einem zügigen Verwaltungsvollzug ohne
Notwendigkeit einer sofortigen abschließenden Prüfung
wird damit hinreichend Rechnung getragen, auch ohne dass die
Zustimmung unter einen ausdrücklichen
Nachprüfungsvorbehalt gestellt werden muss oder kann.
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43
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bb) Die Zustimmung war im Streitfall jedoch
rechtmäßig. Wie oben ausgeführt, lagen die
Voraussetzungen für die Ausübung des Wahlrechts und damit
für die Erteilung der Zustimmung vor. Das
Zustimmungserfordernis dient dazu, im öffentlichen Interesse
ungerechtfertigte Steuervorteile zu vermeiden. Solche Vorteile
kommen jedoch grundsätzlich nicht in Betracht, wenn der
Zeitraum des landwirtschaftlichen Wirtschaftsjahrs (auch) für
die zum Gewerbebetrieb gewordene Tierhaltung beibehalten wird. Dass
infolge der gesetzlichen Regelung durch § 4a Abs. 2 Nr. 2 EStG
der gewerbliche Gewinn (erst) als in dem Veranlagungszeitraum
bezogen gilt, in dem das Wirtschaftsjahr endet, und dass dadurch
der Gewinn des ersten Halbjahrs des Gesamtgewinns aus dem
verselbstständigten Gewerbebetrieb erst im folgenden
Veranlagungszeitraum besteuert wird, bewirkt zwar insoweit eine
„Steuerpause“. Diese ist aber keine Folge einer
Gestaltung durch den Steuerpflichtigen, sondern zwangsläufige
Folge der gesetzlich bestimmten Herauslösung eines
Gewerbebetriebs aus einem einheitlichen Betrieb. Sie steht deshalb
einer Zustimmung nicht entgegen.
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44
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cc) Ein Ermessensfehlgebrauch des FA ist nicht
zu erkennen. Im Gegenteil war im Streitfall die Zustimmung des FA
die allein ermessensgerechte Entscheidung (sog.
Ermessensreduzierung auf Null). Anderenfalls wäre, wie der
Kläger dargelegt hat, zunächst ein Rumpfwirtschaftsjahr
zu bilden, um zu dem in § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Satz 1 EStG
vorgeschriebenen Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr überzugehen
(§ 8b Satz 2 Nr. 1 EStDV). Da die Möglichkeit, von dem
Wahlrecht des § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Satz 2 EStG Gebrauch zu
machen, unverändert bestehen bliebe und eine Umstellung aus
den der Regelung zugrunde liegenden Erwägungen (weiterhin)
sinnvoll wäre, müsste der Steuerpflichtige das
Wirtschaftsjahr sodann erneut umstellen, so dass wiederum ein
Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden wäre (§ 8b Satz 2 Nr. 2
EStDV). Ein solches Ergebnis führte daher gerade bei
(buchführenden) landwirtschaftlichen Betrieben, deren
Tierhaltung durch Strukturwandel zu einem Gewerbebetrieb geworden
ist, zu unnötigen Komplizierungen.
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b) Ein Widerruf der rechtmäßig
erteilten Zustimmung nach § 131 AO kommt ebenfalls nicht in
Betracht.
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aa) Ein rechtmäßiger
begünstigender Verwaltungsakt darf nach § 131 Abs. 2 AO
mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
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(1) wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift
zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist,
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(2) wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage
verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht
innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat,
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(3) wenn die Finanzbehörde aufgrund
nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den
Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das
öffentliche Interesse gefährdet würde.
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bb) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall
nicht erfüllt. Die Zustimmung zur Wahl des abweichenden
Wirtschaftsjahrs ist ein begünstigender Verwaltungsakt. Dieser
war - wie oben dargelegt - rechtmäßig.
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Es bedarf keiner näheren Begründung,
dass weder ein Widerruf der Zustimmung durch Rechtsvorschrift
zugelassen war, noch damit eine Auflage verbunden war, noch
nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die die
Finanzbehörde zur Wahrung des öffentlichen Interesses
berechtigen könnten, die Zustimmung zu widerrufen.
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Der Verwaltungsakt enthielt auch keinen
Widerrufsvorbehalt. Zwar wurde die Zustimmung konkludent durch die
Übernahme der in dem Jahresabschluss zum 30.6.2001 für
den Gewerbebetrieb enthaltenen Besteuerungsgrundlagen in den
Einkommensteuerbescheid 2001 erteilt, der unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung erlassen wurde. Der Vorbehaltsvermerk nach §
164 Abs. 1 Satz 1 AO kann jedoch nicht zugleich als
Widerrufsvorbehalt i.S. des § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO
für die Zustimmung nach § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Satz 2
EStG ausgelegt werden. Das folgt aus der Wirkung des
Vorbehaltsvermerks und der gesetzlichen Beschränkung seiner
Zulässigkeit auf die Verfahren der Steuerfestsetzung und der
gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen.
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Ein Widerruf wäre schließlich
selbst bei Existenz eines Widerrufsvorbehalts schon deshalb
unzulässig, weil die Zustimmung infolge einer
Ermessensreduzierung auf Null geboten war.
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4. Die Revision des Klägers hat danach in
vollem Umfang Erfolg. Der Senat entscheidet in der Sache selbst
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das angefochtene Urteil und
der ablehnende Bescheid vom 23.6.2008 waren aufzuheben.
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