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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) hielt im Streitjahr (2000) einen Geschäftsanteil
in Höhe von 25.000 DM am Stammkapital der A-GmbH. Mit
notariell beurkundetem Kauf- und Übertragungsvertrag vom 23.
Februar des Streitjahres teilte der Kläger seinen
Geschäftsanteil in einen Teilgeschäftsanteil in Höhe
von 13.000 DM und einen Teilgeschäftsanteil in Höhe von
12.000 DM und veräußerte den Anteil in Höhe von
13.000 DM an die M-GmbH zum Kaufpreis von 1.950.000 DM. Die
vertragliche Vereinbarung enthielt neben dem in § 2 der
Urkunde geregelten Kaufpreis auch eine Zielvereinbarung (§ 3
des Vertrages), die insbesondere die künftige Umsatz-, Gewinn-
und Marktentwicklung der Gesellschaft bis zum 31.12.2007 zum
Gegenstand hatte. Hierzu wurde in § 3 Ziff. 3.1
ausgeführt: „Die Vertragsparteien vereinbaren einen
Besserungsschein, Call- und Put-Optionen, die an das Erreichen
wirtschaftlicher Ziele geknüpft sind. Wirtschaftliches Ziel in
diesem Sinne ist ausschließlich der zu erzielende
Gesamtüberschuß (...).“ In § 3 Ziff. 3.2 wird
ferner ausgeführt: „Die Verkäufer erhalten im Wege
eines Besserungsscheines einen zusätzlichen Einmalbetrag in
Höhe von insgesamt 3.750.000 DM, wenn die Zielvereinbarung
gemäß dem Fünf-Jahres-Plan vollständig
erfüllt wird. Dies ist dann der Fall, wenn ...“. §
3 Ziff. 3.3 bis 3.7 des Vertrages enthalten Regelungen über
die von den Beteiligten gegenseitig eingeräumten Optionen zum
Kauf bzw. Verkauf der weiteren, nicht durch den Vertrag betroffenen
Teilgeschäftsanteile an der A-GmbH.
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Neben dem Kläger veräußerte
ein weiterer Gesellschafter einen (Teil-)Geschäftsanteil am
Stammkapital der A-GmbH an die M-GmbH.
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Mit gemäß § 165 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO) vorläufig ergangenem
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 30.4.2002
setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
die Einkommensteuer für 2000 erklärungsgemäß
auf 415.095,38 EUR fest. Dabei legte das FA den in § 2 des
Vertrages vom 23. Februar des Streitjahres zwischen den Beteiligten
vereinbarten Kaufpreis der Besteuerung nach § 17 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zugrunde. Im Zuge eines gegen den
Einkommensteuerbescheid vom 30.4.2002 gerichteten
Rechtsbehelfsverfahrens wurde die Einkommensteuer - aus hier nicht
entscheidungserheblichen Gründen - herabgesetzt.
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Mit Vereinbarung vom 15./22.3.2004 einigten
sich die am Kauf- und Übertragungsvertrag vom 23. Februar des
Streitjahres beteiligten Vertragsparteien auf eine
nachträgliche Änderung des Vertragsinhalts dahin, dass
„die Verkäufer im Wege eines Besserungsscheines von der
Käuferin einen Einmalbetrag in Höhe von insgesamt
1.342.141,18 EUR erhalten, wenn in dem Zeitraum von 2000 bis 2003
... mindestens 90 % des kumulierten ‘Überschusses
gesamt’ in Höhe von 1.463.317,36 EUR ... auf Basis
sämtlicher relevanter und testierter Jahresabschlüsse ...
erreicht werden. Die Vertragsparteien haben anhand vorliegender
Jahresabschlüsse festgestellt ..., dass bereits ein
Überschuss gesamt in Höhe von 1.495.817,59 EUR (+
32.500,23 EUR) ohne die noch einzubeziehenden Ergebnisse ...
erzielt wurde“.
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Der Kläger erhielt aufgrund dieser
geänderten Vereinbarung einen „Einmalbetrag“ in
Höhe von 671.070,59 EUR im Jahr 2004 ausbezahlt.
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Das FA vertrat in dem nach §§ 165
Abs. 2 Satz 1, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 28.3.2006 die
Auffassung, dass der Einmalbetrag einkommensteuerrechtlich bereits
im Streitjahr zu berücksichtigen sei; er erhöhe den
bisher erklärten Veräußerungsgewinn nach § 17
Abs. 2 Satz 1 EStG, da aufgrund des geänderten Kauf- und
Übertragungsvertrages der ursprüngliche
Veräußerungspreis im Wege eines Besserungsscheines
erhöht worden sei. Hierin liege ein Ereignis mit steuerlicher
Rückwirkung.
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Der hiergegen gerichtete Einspruch des
Klägers hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die
Klage des Klägers aus den in EFG 2012, 690 = SIS 11 37 71
genannten Gründen als unbegründet ab. Es war insoweit der
Ansicht, dass nachträgliche Änderungen des Kaufpreises
für eine wesentliche Beteiligung auf den Zeitpunkt der
Gewinnrealisierung zurückwirkten. Dies gelte sowohl für
eine nachträgliche Herabsetzung wie auch für eine
Erhöhung des Kaufpreises. Die dem Kläger gewährte
Einmalzahlung sei eine nachträgliche Gegenleistung für
die Anteilsübertragung und habe eine wirtschaftlich im
Nachhinein erwiesene höhere Werthaltigkeit der Anteile
abgelten sollen. Dies gelte unbeschadet des Umstandes, dass die
Beteiligten in dem maßgeblichen Vertrag den Begriff des
„Besserungsscheines“ verwendet hätten.
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Mit seiner Revision vertritt der
Kläger die Auffassung, die Einmalzahlung sei nicht im
Streitjahr, sondern erst mit Zufluss im Jahr 2004 der Besteuerung
zu unterwerfen. Im Streitfall sei zwischen den Beteiligten kein
„Besserungsschein“ im Sinne der insolvenzrechtlichen
Praxis, sondern eine Besserungsabrede vereinbart worden, die
ausschließlich auf zukünftige Ereignisse abstelle.
Dementsprechend habe der Kläger nicht, wie dies bei
Besserungsscheinen üblicherweise der Fall ist, bei Abschluss
des Veräußerungsvertrages auf eine Forderung verzichtet,
sondern ausschließlich eine Vereinbarung hinsichtlich einer
von zukünftigen Ereignissen abhängigen Forderung
getroffen. Dementsprechend müsse eine Auslegung des notariell
beurkundeten Vertrages vom 23. Februar des Streitjahres ergeben,
dass zwischen den Beteiligten eher eine Form inkongruenter
Gewinnverteilung für den Zeitraum der Jahre 2000 bis 2004 denn
eine nachträgliche Erhöhung des ursprünglichen
Veräußerungspreises gemäß § 17 EStG
vereinbart worden sei. Selbst wenn man aber davon ausgehe, dass mit
Eintritt der Bedingung (d.h. mit Erfüllung der Zielvorgabe)
ein (nachträglicher) Anspruch auf einen (weiteren)
Veräußerungspreis i.S. des § 24 Nr. 2 i.V.m. §
17 EStG entstanden sei, wäre dieser jedenfalls erst mit
Eintritt der Bedingung und mithin im Jahr 2004 steuerrechtlich zu
erfassen.
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Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG vom 17.3.2011 10 K 2394/09 aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid vom 28.3.2006 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 22.7.2009 dahin zu ändern, dass ein
Veräußerungsgewinn in Höhe von 1.907.159 DM der
Besteuerung zugrunde gelegt wird und die Einkommensteuer
entsprechend herabgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur
Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Unrecht ist das FG davon
ausgegangen, dass der dem Kläger im Jahr 2004 zugeflossene
„Einmalbetrag“ den im Streitjahr zu erfassenden
Veräußerungsgewinn des Klägers erhöht.
Vielmehr ist dieser als nachträgliche Einkünfte i.S. des
§ 24 Nr. 2 i.V.m. § 17 Abs. 2 EStG aus der
Veräußerung im Jahr 2004, dem Zeitpunkt des Zuflusses,
einkommensteuerrechtlich zu erfassen.
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1. Veräußerungsgewinn i.S. von
§ 17 Abs. 1 EStG ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der
Vorschrift der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach
Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten
übersteigt. Veräußerungspreis i.S. der genannten
Vorschrift ist der Wert der Gegenleistung, die der
Veräußerer durch Abschluss des dinglichen
Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag
erlangt.
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a) Der Veräußerungsgewinn ist
grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er
entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der
Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche
oder zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den
veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen
ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.7.2010 IX R 45/09,
BFHE 230, 380, BStBl II 2010, 969 = SIS 10 29 64).
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b) Nach den Grundsätzen des Beschlusses
des Großen Senats des BFH vom 19.7.1993 GrS 2/92 (BFHE 172,
66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33) sind später eintretende
Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten
Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich
auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen,
als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises
noch nicht erfüllt hat. Dabei ist es unerheblich, welche
Gründe für die Minderung oder Erhöhung des
Erlöses maßgebend waren. Wann ein Sachverhalt in diesem
Sinne steuerlich zurückwirkt, entscheidet sich nach dem im
Einzelfall anzuwendenden materiellen Steuergesetz (vgl. BFH-Urteil
vom 19.8.2009 I R 3/09, BFHE 226, 486, BStBl II 2010, 249 = SIS 09 37 60). Vor diesem Hintergrund kann eine nachträgliche
Änderung des Veräußerungspreises i.S. des § 17
Abs. 2 EStG grundsätzlich auch dann auf den Zeitpunkt der
Veräußerung zurückwirken, wenn das Ereignis erst
nach dem Zeitpunkt der Veräußerung eingetreten ist
(BFH-Urteile vom 21.12.1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II
1994, 648 = SIS 94 15 51; vom 28.10.2009 IX R 17/09, BFHE 227, 349,
BStBl II 2010, 539 = SIS 10 02 69).
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Bei nachträglichen vertraglichen
Änderungen des Veräußerungspreises kommt es
entscheidend darauf an, ob über den
Veräußerungspreis im Zeitpunkt der
Betriebsübertragung keine abschließende Einigung erzielt
wurde - dann erhöht ein später festgesetzter Mehrbetrag
rückwirkend, d.h. für das Jahr der
Veräußerung, den Veräußerungsgewinn - oder ob
ein zunächst feststehender Veräußerungspreis
nachträglich geändert wird - dann ist ein Mehrbetrag erst
in dem Veranlagungszeitraum zu erfassen, in dem die Erhöhung
vereinbart wurde - (vgl. BFH-Urteil vom 17.1.1989 VIII R 370/83,
BFHE 156, 103, BStBl II 1989, 563 = SIS 89 11 13, zu § 16
EStG). Ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO liegt bei nachträglichen vertraglichen
Änderungen mithin nur dann vor, wenn der Rechtsgrund für
die später geleisteten Zahlungen bereits im
ursprünglichen Rechtsgeschäft angelegt ist (vgl.
BFH-Urteil vom 14.6.2005 VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II
2006, 15 = SIS 05 44 61).
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2. Nach diesen Grundsätzen wirkt die
Erfüllung der in der geänderten Vereinbarung vom
15./22.3.2004 getroffenen Besserungsabrede, wonach der Kläger
einen „zusätzlichen Einmalbetrag“ in
Höhe von 671.070,59 EUR erhalten sollte, nicht auf den
Zeitpunkt der Veräußerung des Teilgeschäftsanteils
zurück; sie erhöht daher den in § 2 des
maßgeblichen Vertrages vom 23. Februar des Streitjahres
vereinbarten Veräußerungspreis nicht und beeinflusst
mithin auch nicht den im Streitjahr zu erfassenden
Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 Abs. 2 EStG.
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a) Zwar obliegt die im Streitfall
erforderliche Auslegung der maßgeblichen Vertragsbestimmungen
dem FG als Tatsacheninstanz; sie bindet den BFH gemäß
§ 118 Abs. 2 FGO aber nur dann, wenn sie den Grundsätzen
der §§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
entspricht und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze
verstößt, d.h. jedenfalls möglich ist
(ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25.2.2009
IX R 76/07, BFH/NV 2009, 1268 = SIS 09 21 57, m.w.N.). Im
Streitfall hat das FG die vertraglichen Vereinbarungen indes
unzutreffend dahin ausgelegt, dass der Rechtsgrund für die
Leistung eines - von weiteren Voraussetzungen abhängigen -
„Einmalbetrags“ bereits im Kauf- und
Übertragungsvertrag vom 23. Februar des Streitjahres
„angelegt“ gewesen sei.
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b) Rechtsgrund für die dem Kläger im
Jahr 2004 zugeflossene Zahlung in Höhe von 671.070,59 EUR war
die zwischen den Beteiligten unter dem 15./22.3.2004 geschlossene
Vereinbarung. Zwar greift diese Vereinbarung mittelbar auch auf die
in § 3 Ziff. 3.1 des Kauf- und Übertragungsvertrages vom
23. Februar des Streitjahres vereinbarte Besserungsabrede
zurück; letztere stellt indes lediglich eine sog.
Besserungsoption in Gestalt eines zugunsten des Klägers unter
aufschiebender Bedingung stehenden Optionsrechts auf Abschluss
eines Änderungsvertrages (§ 311 BGB) zum
ursprünglichen Kauf- und Übertragungsvertrag dar (vgl.
Herlinghaus, Forderungsverzichte und Besserungsvereinbarungen zur
Sanierung von Kapitalgesellschaften, 1994, S. 95 f.; Delcker, DB
1992, 2453). Gegenstand der Besserungsoption war das Recht des
Klägers, eine Änderung des ursprünglichen
Kaufvertrages zu verlangen, soweit die Entwicklung des Unternehmens
in einem gewissen Zeitraum nach der Unternehmensübertragung um
einen bestimmten Prozentsatz von der im
Veräußerungszeitpunkt angenommenen Entwicklung
abwich.
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c) Gegenstand der geänderten Vereinbarung
vom 15./22.3.2004 war auch nicht, wie das FA angenommen hat, eine
dem Veräußerungsvorgang nachfolgende
Wertveränderung der Gegenleistung (d.h. des Kaufpreises i.S.
des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG) - welche als im
ursprünglichen Vertrag angelegt grundsätzlich auf den
Veräußerungszeitpunkt zurückwirken würde (vgl.
BFH-Urteil vom 22.12.2010 I R 58/10, BFHE 232, 185 = SIS 11 05 87)
-, sondern eine dem Veräußerungsvorgang nachfolgende
Wertveränderung der Leistung (d.h. des Kaufgegenstands),
nachdem diese erbracht worden ist. Die Höhe der Gegenleistung
wurde von den Vertragsparteien vielmehr bereits in § 2 des
Kauf- und Übertragungsvertrages vom 23. Februar des
Streitjahres abschließend geregelt.
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Vor diesem Hintergrund ist das im Streitfall
nachträglich gewährte Entgelt für die
Wertveränderung des Kaufgegenstands, dessen Rechtsgrund erst
in der Vertragsänderung vom 15./22.3.2004 zu finden ist, nicht
bereits im Kauf- und Übertragungsvertrag vom 23. Februar des
Streitjahres „angelegt“; es wirkt daher auch
nicht auf den Veräußerungszeitpunkt zurück (in
diesem Sinne auch Delcker, DB 1992, 2453, 2454).
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3. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben. Die
Sache ist spruchreif; der der Höhe nach nicht streitige, dem
Kläger nachträglich zugeflossene Einmalbetrag ist nicht
im Streitjahr, sondern nach § 24 Nr. 2 i.V.m. § 17 Abs. 2
EStG im Zeitpunkt des Zuflusses zu erfassen.
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