1
|
I. Der im Jahre 1947 geborene Kläger
und Revisionsbeklagte (Kläger) war alleiniger Gesellschafter
der C-GmbH, deren Stammkapital 50.000 DM betrug. Mit notariellem
Vertrag vom 29. Dezember des Streitjahres 2000 übertrug der
Kläger seine Anteile an der GmbH mit sofortiger Wirkung zum
Kaufpreis von 500.000 DM an die D S.A. in Luxemburg, deren
alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat er ist. Das
Gewinnbezugsrecht sollte dem Käufer mit dem 30.12.2000, 0.00
Uhr, zustehen. Nach einer privatschriftlichen Zusatzvereinbarung
vom 11.1.2001 sollte der Kaufpreis in jährlichen Raten in
Höhe von 50.000 DM gezahlt werden, erstmals am
3.1.2006.
|
|
|
2
|
Im Hinblick darauf berücksichtigte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) einen
Veräußerungsgewinn von 450.000 DM. Auf den Einspruch des
Klägers zinste das FA den Veräußerungserlös ab
und setzte die Einkommensteuer entsprechend herab.
|
|
|
3
|
Der Klage des Klägers, mit der er
beantragte, den Einkommensteuerbescheid 2000 dergestalt zu
ändern, dass ein Veräußerungsgewinn nicht zu
erfassen sei, da ein solcher erst ab 2006 zu besteuern wäre,
gab das Finanzgericht (FG) statt:
|
|
|
4
|
Nach der Rechtsprechung sei ein Wahlrecht
zwischen der Erfassung des Barwertes des Rechts auf die
wiederkehrenden Bezüge im Zeitpunkt der Veräußerung
oder aber der Summe der in den Folgejahren tatsächlich
zufließenden Bezüge zu eben diesen Zeitpunkten
jedenfalls dann gegeben, wenn der Veräußerungspreis in
langfristig wiederkehrenden Bezügen bestehe, die
wagnisbehaftet seien oder die Bestimmungen hauptsächlich im
Interesse des Veräußerers, um dessen Versorgung zu
sichern, und nicht im Interesse des Erwerbers getroffen worden
seien (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.7.1984 IV R
137/82, BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829 = SIS 84 21 07, m.w.N.,
insbes. auf BFH-Urteil vom 23.1.1964 IV 85/62 U, BFHE 79, 16, BStBl
III 1964, 239 = SIS 64 01 43). Dabei seien die für die
Zubilligung des Wahlrechts bestimmenden Komponenten
„Wagnis“ und „Versorgung“ in gewissem
Umfang kompensierbar (BFH-Urteil in BFHE 141, 525, BStBl II 1984,
829 = SIS 84 21 07, m.w.N.).
|
|
|
5
|
Die Vereinbarung über die Ratenzahlung
im Januar 2001 sei vor der Kaufpreiszahlung getroffen worden und
ergänze den notariellen Vertrag allein im Interesse des
Klägers, da er als alleinvertretungsberechtigter
Verwaltungsrat der Käuferin den entsprechenden Einfluss gehabt
habe. Der vereinbarte Zahlungszeitraum erstrecke sich auch
über mehr als zehn Jahre. Denn der Kaufpreis sollte zwar in
zehn Jahresraten bezahlt werden. Die Zahlungen sollten jedoch erst
im Jahr 2006 beginnen, dem Jahr, in dem der Kläger das 59.
Lebensjahr vollendete, und sie sollten voraussichtlich im Jahr 2015
enden. Danach messe der Senat der Zusatzvereinbarung
Versorgungscharakter bei. Das daraus folgende Wahlrecht habe der
Kläger dahingehend ausgeübt, dass eine Besteuerung erst
im Zeitpunkt des Zuflusses der Raten zu erfolgen habe. Ein
Veräußerungsgewinn sei damit im Streitjahr 2000 nicht
anzusetzen.
|
|
|
6
|
Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
die dieses auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Der
Veräußerungserlös sei sofort zu erfassen, weil
nicht die Versorgung des Veräußerers, sondern die
Verlagerung inländischer Einkünfte nach Luxemburg die
Zusatzvereinbarung motiviert habe. Die Rechtssätze zur
Ausübung des Wahlrechts auf eine nachträgliche
Besteuerung im jeweiligen Veranlagungszeitraum des Zuflusses der
Ratenzahlungen würden mangels Wagnisbehaftung der
Ratenzahlungen für den Kläger nicht greifen. Die
Ratenzahlungen seien nicht als Leibrente an das Leben des
Veräußerers gekoppelt; sie ergäben in der Summe den
vertraglich vereinbarten Kaufpreis und würden bei einem
vorzeitigen Ableben des Veräußerers an dessen
Rechtsnachfolger in der verbleibenden Höhe
weiterfließen. Auch fehle eine eindeutige vertragliche
Regelung, die eine Absicht des Veräußerers erkennen
lasse, sich durch die entgeltliche Übertragung der
Geschäftsanteile seine Altersversorgung zu sichern. Zudem
begünstige die Ratenvereinbarung ausschließlich die
Erwerberin. Jenseits dessen würden in derartigen langfristigen
Ratenzahlungen unter fremden Dritten grundsätzlich auch
Wertsicherungsklauseln vereinbart. Im Übrigen halte die
privatrechtliche Zusatzvereinbarung zum notariellen Kaufvertrag
einem Fremdvergleich nicht stand.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
8
|
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
Hintergrund der privatschriftlichen
Zusatzvereinbarung vom Januar 2001 sei die Absicht, dass der
Kläger nach Möglichkeit mit 60 Jahren aus dem
Arbeitsleben ausscheiden wolle und daher seine Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit wegfallen würden.
|
|
|
10
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat auf der Grundlage
seiner Feststellungen zu Unrecht eine Versteuerung des
streitbefangenen Veräußerungsgewinns im Streitjahr
abgelehnt.
|
|
|
11
|
1. Veräußerungsgewinn i.S. von
§ 17 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist
gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den
der Veräußerungspreis nach Abzug der
Veräußerungskosten die Anschaffungskosten
übersteigt. Veräußerungskosten sind die durch die
Veräußerung wirtschaftlich veranlassten
Aufwendungen.
|
|
|
12
|
a) Der Veräußerungsgewinn ist
grundsätzlich für den Zeitpunkt zu ermitteln, in dem er
entstanden ist. Dies ist regelmäßig der Zeitpunkt der
Veräußerung, d.h. der Zeitpunkt, zu dem das rechtliche
oder zumindest wirtschaftliche Eigentum an den
veräußerten Anteilen auf den Erwerber übergegangen
ist (BFH-Urteile vom 7.3.1995 VIII R 29/93, BFHE 178, 116, BStBl II
1995, 693 = SIS 95 20 24; vom 2.4.2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008,
1658 = SIS 08 35 74). Der Übergang des wirtschaftlichen
Eigentums an Kapitalgesellschaftsanteilen setzt nach ständiger
Rechtsprechung des BFH voraus, dass der Berechtigte alle mit der
Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte ausüben kann, also
neben dem Gewinnbezugsrecht und der Teilhabe an
Wertveränderungen der Anteile alle Verwaltungsrechte
einschließlich des Stimmrechts (vgl. BFH-Urteil vom 18.5.2005
VIII R 34/01, BFHE 210, 247, BStBl II 2005, 857 = SIS 05 44 63).
|
|
|
13
|
b) Veräußerungspreis i.S. von
§ 17 Abs. 2 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der
Veräußerer durch Abschluss des - dinglichen -
Veräußerungsgeschäfts am maßgebenden Stichtag
erlangt; dazu gehört alles, was der Veräußerer aus
dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung
erhält (BFH-Urteil in BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693 = SIS 95 20 24). Der Veräußerungspreis ist grundsätzlich
ohne Rücksicht darauf anzusetzen, ob die
Veräußerung bedingt oder befristet ist oder ob der
Kaufpreis gestundet ist (Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz
168). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des
Veräußerungspreises ist grundsätzlich der des
Vollzugs des Veräußerungsgeschäfts (Blümich/
Ebling, § 17 EStG Rz 176); auf den Zufluss des Entgelts kommt
es nicht an (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1658 = SIS 08 35 74,
m.w.N.).
|
|
|
14
|
c) Wird eine Beteiligung i.S. von § 17
Abs. 1 Satz 1 EStG gegen eine Leibrente oder gegen einen in Raten
zu zahlenden Kaufpreis veräußert, so soll
gemäß R 140 Abs. 7 der Einkommensteuer-Richtlinien
(EStR) 1999 wie 2001 die Regelung in R 139 Abs. 11 EStR
entsprechend gelten. Veräußert ein Steuerpflichtiger
seinen Betrieb gegen eine Leibrente, so kann er danach den bei der
Veräußerung entstandenen Gewinn sofort versteuern oder
die Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen i.S.
von § 15 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG behandeln.
|
|
|
15
|
Soweit damit Kaufpreisraten den Leibrenten
gleichgestellt werden sollen, kann dies - unabhängig von der
sachlichen Berechtigung des Wahlrechts überhaupt (für
zwingende Sofortbesteuerung Eilers/R. Schmidt in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 17 EStG Rz 163, S. E 86) -
angesichts der dargelegten (s.o. b) - Grundsystematik der
Entstehung des Veräußerungsgewinns i.S. von § 17
Abs. 2 EStG jedenfalls nur für solche Fallgestaltungen gelten,
in denen die Kaufpreisraten nach ihrem Versorgungscharakter einer
Leibrente zumindest ähneln, es sich also nicht um eine
bloße ratenweise Kaufpreisstundung handelt; die Ratenzahlung
muss hierfür jedenfalls über einen mehr als zehn Jahre
dauernden Zeitraum vereinbart sein (so etwa Gosch in: Kirchhof,
EStG, 9. Aufl., § 17 Rz 77: „Raten mit
Versorgungscharakter über einen mehr als zehn Jahre dauernden
Zeitraum“).
|
|
|
16
|
Der BFH hat ein Wahlrecht im dargelegten Sinne
grundsätzlich anerkannt; seine Rechtsgrundlage findet dieses
Wahlrecht in einer teleologischen Reduktion des (zwingenden)
Anwendungsbereichs der §§ 16, 34 EStG im Verhältnis
zu § 24 Nr. 2 EStG und im Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit der Besteuerung (vgl.
BFH-Urteile in BFHE 141, 525, BStBl II 1984, 829 = SIS 84 21 07,
m.w.N.; vom 20.12.1988 VIII R 110/82, BFH/NV 1989, 630). Auf dieser
Grundlage kommt ein Wahlrecht nach der Rechtsprechung insbesondere
dann in Betracht, wenn langfristige wiederkehrende Bezüge
vereinbart werden und diese entweder mit einem Wagnis behaftet sind
oder hauptsächlich im Interesse des Veräußerers, um
dessen Versorgung zu sichern, und nicht im Interesse des Erwerbers
festgelegt werden (vgl. BFH-Urteile vom 20.1.1959 I 200/58 U, BFHE
68, 500, BStBl III 1959, 192 = SIS 59 01 10; vom 12.6.1968 IV
254/62, BFHE 92, 561, BStBl II 1968, 653 = SIS 68 04 40; in BFHE
141, 525, BStBl II 1984, 829 = SIS 84 21 07).
|
|
|
17
|
Übertragen auf den Regelungsbereich von
§ 17 EStG können
Verhältnismäßigkeitsaspekte eine teleologische
Reduktion von § 17 Abs. 2 EStG zugunsten einer fakultativen
Zuflussbesteuerung aber jedenfalls dann nicht rechtfertigen, wenn
sich aus einer Vereinbarung von wiederkehrenden Kaufpreiszahlungen
nicht eindeutig deren Versorgungscharakter im Interesse des
Anteilsveräußerers ergibt. Der Versorgungscharakter der
Ratenzahlungen spiegelt sich dabei in der Antwort auf die Frage
wieder, ob ein vollständiger oder teilweiser Ausfall der
Forderung berücksichtigt werden könnte. So hat der BFH
angenommen, dass dann, wenn ein Gesellschaftsanteil gegen
abgekürzte Leibrente veräußert wird und sich der
Steuerpflichtige für die Sofortversteuerung des
Veräußerungsgewinns entscheidet, der Tod des
Rentenberechtigten vor dem Ende der Laufzeit der Rente kein
Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt der
Veräußerung darstellt (BFH-Urteil vom 19.8.1999 IV R
67/98, BFHE 190, 150, BStBl II 2000, 179 = SIS 00 01 43). Kommt es
aber bei einer ratenweisen Kaufpreiszahlung über einen langen
Zeitraum (zum Teil) zu einem Ausfall der Kaufpreisforderung,
ändert sich der steuerbare Veräußerungsgewinn
nachträglich (Großer Senat des BFH vom 19.7.1993 GrS
2/92, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33). Das erlaubt bei
Ratenzahlungen eine Korrektur, wenn sie später zum Teil
uneinbringlich werden (Eilers/R. Schmidt in HHR, a.a.O.). Insoweit
unterscheiden sich diese von den wagnisbehafteten wiederkehrenden
Bezügen, die an das Leben einer bestimmten Person gekoppelt
sind; bei jenen führt die Realisierung des von Beginn an
bewusst in Kauf genommenen Risikos (Tod des Rentenberechtigten)
gerade nicht zu einer rückwirkenden Änderung.
|
|
|
18
|
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen
tragen die Feststellungen des FG die Annahme einer Versteuerung des
gesamten Kaufpreises nach Zufluss nicht.
|
|
|
19
|
a) Das FG hat schon nicht hinreichend
festgestellt, ob nicht - was naheliegend ist - die Vereinbarung im
Januar 2001 über die Ratenzahlung getroffen wurde, nachdem der
Veräußerungsgewinn im Dezember des Streitjahres bereits
entstanden und sofort zu versteuern war. Dass die Ergänzung
des notariellen Vertrags vor der Kaufpreiszahlung getroffen wurde,
ist unerheblich; sie erfolgte jedenfalls nach der sofortigen
Fälligkeit des gesamten Kaufpreises, wie sie sich nach der
notariellen Vereinbarung ergibt (§§ 271, 320 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs). Damit wurde ein entstandener und
ggf. auch fälliger Kaufpreisanspruch nachträglich
umgestaltet, nicht aber entstand der Kaufpreisanspruch mit der in
der Ratenvereinbarung geregelten Fälligkeit.
|
|
|
20
|
b) Nicht geprüft und deshalb hierzu auch
keine hinreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen hat
das FG weiter die Frage, ob die Zusatzvereinbarung den an die
steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen einem
Gesellschafter und einer von ihm ggf. beherrschten Gesellschaft zu
stellenden Anforderungen genügt, insbesondere, inwieweit die
Zusatzvereinbarung dem Fremdvergleich standhält. Hiergegen
spricht, dass der Kläger ggf. auf die sofortige Zahlung des
gesamten Kaufpreises ohne Gegenleistung auf lange Frist verzichtet
hat.
|
|
|
21
|
c) Nicht auf hinreichenden Feststellungen
beruht auch die Annahme des Versorgungscharakters der Ratenzahlung.
Dass diese deshalb allein im Interesse des Klägers erfolgt
sein soll, weil er als alleinvertretungsberechtigter Verwaltungsrat
der Käuferin den entsprechenden Einfluss gehabt habe,
erscheint schon nicht schlüssig, belegt aber jedenfalls nicht
hinreichend den Versorgungscharakter.
|