1
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I. Es geht im Streitfall um die
Konsequenzen im Anschluss an die Urteile des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften, jetzt des Gerichtshofs der
Europäischen Union, (EuGH) vom 1.10.2009 C-247/08, „Gaz
de France“ (Slg. 2009, I-9225 = SIS 09 33 26) sowie vom
20.10.2011 C-284/09 „Kommission ./. Deutschland“ (DStR
2011, 2038 = SIS 11 34 05).
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Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine in Frankreich
ansässige Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer
„société par actions simplifiée“
(S.A.S.). Sie ist alleinige Anteilseignerin einer inländischen
GmbH, der F-GmbH.
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Am 13.6.2002 stellte die Klägerin beim
Beklagten und Revisionsbeklagten, dem (früheren) Bundesamt
für Finanzen - BfF - (seit dem 1.1.2006: Bundeszentralamt
für Steuern - BZSt - ), einen Antrag auf Erteilung einer
Freistellungsbescheinigung von der deutschen Abzugsteuer auf
Kapitalerträge nach § 43b Abs. 1 i.V.m. § 50d Abs. 2
des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002). Am 27.6.2002 erteilte
das BfF daraufhin eine Freistellungsbescheinigung für den
Zeitraum vom 13.6.2002 bis zum 31.5.2005. Darin bescheinigte das
BfF, dass die F-GmbH als Schuldnerin der Kapitalerträge
berechtigt sei, den Steuerabzug für die Kapitalerträge
der Klägerin i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 nach
dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen
und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete
der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der
Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21.7.1959 (BGBl II 1961,
398) in der Fassung des Zusatzabkommens vom 20.12.2001 (BGBl II
2002, 2370) - DBA-Frankreich - in ermäßigter Höhe
von 5 v.H. des Bruttoertrags vorzunehmen. Die F-GmbH hatte
daraufhin - am 12.8.2002 - Kapitalertragsteuer in Höhe von 5
v.H. der an die Klägerin geleisteten Dividendenzahlungen
angemeldet.
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4
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Mit ihrem Einspruch gegen die erteilte
Freistellungsbescheinigung beanspruchte die Klägerin die volle
Freistellung von der Abzugsteuer. Zwar sei die „S.A.S.“
in der Richtlinie des Rates vom 23.7.1990 über das gemeinsame
Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener
Mitgliedstaaten (90/435/EWG, Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 225, 6, berichtigt ABlEG Nr. L 266,
20) - Mutter-/Tochter-Richtlinie (MTR) - und in Einklang damit auch
in der Anlage 2 zu § 43b EStG 2002 als begünstigte
Rechtsform nicht aufgeführt. Doch sei sie einer
Aktiengesellschaft im Sinne der Richtlinie gleichzustellen. Sie
berief sich dazu u.a. auf ein (nicht veröffentlichtes, an das
Bayerische Staatsministerium der Finanzen gerichtetes) Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen vom 14.6.2000 IV B -0 1000-
3/00, in welchem - allerdings bezogen auf Einbringungsvorgänge
nach § 23 Abs. 4 des Umwandlungssteuergesetzes - eine
derartige Gleichstellung als gerechtfertigt angesehen wurde. Das
BfF lehnte das ab.
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Während des anschließenden
Klageverfahrens bescheinigte das BZSt der Klägerin mit
geändertem Bescheid vom 8.1.2010, dass die F-GmbH als
Schuldnerin für Kapitalerträge, die in der Zeit vom
16.12.2004 bis 23.5.2005 zugeflossen seien, berechtigt sei, den
Steuerabzug für die Kapitalerträge in Höhe von 0
v.H. der Bruttoerträge vorzunehmen. Grund für diese
Änderung war die Einbeziehung auch der S.A.S. in den Katalog
der Gesellschaften i.S. der Richtlinie 90/435/EWG in Anlage 2 zu
§ 43b EStG 2002 durch das Gesetz zur Umsetzung von
EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung
weiterer Vorschriften (Richtlinien-Umsetzungsgesetz) vom 9.12.2004
(BGBl I 2004, 3310) mit Wirkung vom 16.12.2004 an. Im Übrigen
verblieb es bei der Ablehnung, die beantragte Bescheinigung zu
erteilen.
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6
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Die fortgeführte Klage blieb mit ihrem
entsprechend angepassten und eingeschränkten Antrag erfolglos
(Finanzgericht - FG - Köln, Urteil vom 28.1.2010 2 K 4220/03).
Begründet wurde ihre Abweisung mit dem EuGH-Urteil in Slg.
2009, I-9225, das auf Vorabentscheidungsersuchen ebenfalls des FG
Köln (Beschluss vom 23.5.2008 2 K 3527/02, EFG 2008, 1391 =
SIS 08 29 99) in einem - zwischenzeitlich ebenfalls durch
Klageabweisung rechtskräftig abgeschlossenen (FG Köln,
Urteil vom 28.1.2010 2 K 3527/02, EFG 2010, 971 = SIS 10 14 49) -
Parallelverfahren wie folgt entschieden hatte:
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„1. Art. 2 Buchst. a der Richtlinie
90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und
Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten ist in
Verbindung mit Buchst. f ihres Anhangs dahin auszulegen, dass eine
französische Gesellschaft in der Rechtsform einer
‘société par actions simplifiée’
nicht als ‘Gesellschaft eines Mitgliedstaats’ im Sinne
der Richtlinie angesehen werden kann, bevor diese durch die
Richtlinie 2003/123 geändert wurde.
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Nach Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435
ist ‘Gesellschaft eines Mitgliedstaats’ jede
Gesellschaft, die eine der im Anhang der Richtlinie
aufgeführten Formen aufweist. Die Technik, die im Anhang in
den meisten Fällen und insbesondere in Buchst. f dieses
Anhangs für die Gesellschaften französischen Rechts
verwendet wird und die darin besteht, die Bezeichnungen der von der
Richtlinie erfassten Rechtsformen aufzuzählen, ohne dass es
eine Klausel gibt, die es ermöglicht, die Richtlinie auf
andere nach dem Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten
gegründete Gesellschaften anzuwenden, wobei in Bezug auf das
französische Recht eine Ausnahme für staatliche Betriebe
und Unternehmen besteht, bedeutet, dass die fraglichen
Bezeichnungen abschließend aufgezählt werden.
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Außerdem zielt die Richtlinie 90/435
nicht darauf ab, ein gemeinsames Steuersystem für alle
Gesellschaften der Mitgliedstaaten oder für alle Arten von
Beteiligungen einzuführen. Bei nicht unter diese Richtlinie
fallenden Beteiligungen ist es Sache der Mitgliedstaaten,
festzulegen, ob und in welchem Umfang die wirtschaftliche
Doppelbesteuerung der ausgeschütteten Gewinne vermieden werden
soll, und dazu einseitig oder durch Abkommen mit anderen
Mitgliedstaaten Mechanismen zur Vermeidung oder Abschwächung
dieser wirtschaftlichen Doppelbesteuerung einzuführen.
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2. Es gibt nichts, was die Gültigkeit
von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 90/435 über das gemeinsame
Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener
Mitgliedstaaten in Verbindung mit Buchst. f ihres Anhangs und mit
Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie im Hinblick auf die Grundsätze
der Niederlassungsfreiheit und des freien Kapitalverkehrs
beeinträchtigen könnte.
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Zwar obliegt die in Art. 5 Abs. 1 dieser
Richtlinie vorgesehene Verpflichtung zur Befreiung von jedem
Steuerabzug an der Quelle den Mitgliedstaaten nur in Bezug auf die
Gewinnausschüttungen an Gesellschaften, die als Gesellschaften
im Sinne dieser Richtlinie angesehen werden können, doch
gestattet diese Richtlinie einem Mitgliedstaat nicht, an
Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten, die nicht in ihren
Anwendungsbereich fallen, ausgeschüttete Gewinne
ungünstiger zu behandeln als die an vergleichbare
inländische Gesellschaften ausgeschütteten
Gewinne.
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Folglich ist eine Begrenzung des
Anwendungsbereichs der Richtlinie 90/435 - wie sie sich aus ihrem
Art. 2 Buchst. a und aus Buchst. f ihres Anhangs ergibt -, mit der
andere Gesellschaften, die nach nationalem Recht gegründet
werden können, von vornherein ausgeschlossen werden, nicht
geeignet, die Niederlassungsfreiheit oder den freien Kapitalverkehr
einzuschränken.“
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Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt
(sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und unter
Abänderung der erteilten Freistellungsbescheinigungen das BZSt
zu verpflichten, auch für den Zeitraum vom 13.6.2002 bis
15.12.2004 die Freistellung für den Gesamtbetrag der
Kapitalerträge ohne Steuerabzug zu gewähren.
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Das BZSt beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II: Die Revision ist unbegründet. Das FG
hat der Klägerin im Ergebnis zutreffend einen
Freistellungsanspruch gemäß § 50d Abs. 2 EStG 2002
versagt.
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1. Die von der F-GmbH im Streitjahr an die
Klägerin ausgeschütteten Gewinne unterlagen als
inländische Kapitalerträge gemäß § 43
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 2002,
§ 31 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (KStG
2002) der Kapitalertragsteuer. Als Schuldnerin der
Kapitalerträge hatte die F-GmbH gemäß § 44
Abs. 1 Satz 3 EStG 2002 den Steuerabzug für Rechnung der
beschränkt steuerpflichtigen Klägerin (§ 2 Nr. 1,
§ 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a
EStG 2002) - und zugleich der Schuldnerin der Kapitalertragsteuer
(§ 44 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002) - vorzunehmen.
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Für Ausschüttungen an die
Klägerin als französische Muttergesellschaft gelten die
Sonderregeln des § 43b EStG 2002, mit dem Art. 5 MTR in
nationales Recht umgesetzt worden ist. Danach wird die
Kapitalertragsteuer gemäß § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG
2002 auf Antrag für Kapitalerträge i.S. des § 20
Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002, die einer Muttergesellschaft, die weder
ihren Sitz noch ihre Geschäftsleitung im Inland hat, aus
Ausschüttungen einer unbeschränkt steuerpflichtigen
Kapitalgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 2002
zufließen, nicht erhoben. Für die hiernach mögliche
Nichterhebung von Kapitalertragsteuer sieht § 50d Abs. 2 Satz
1 EStG 2002 (i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 des
Finanzverwaltungsgesetzes) ein Freistellungsverfahren -
ursprünglich - beim BfF und - nunmehr - beim BZSt vor, welches
die Berechtigung zum Unterlassen des Steuerabzugs auf Antrag zu
bescheinigen hat. Fehlt es an einer derartigen
Freistellungsbescheinigung und wurde der Steuerabzug vom
Kapitalertrag deswegen in Einklang mit der Regelungslage (vgl.
§ 50d Abs. 1 Satz 1 EStG 2002) ungeachtet des § 43b EStG
2002 vorgenommen, bleibt der Anspruch des Gläubigers der
Kapitalerträge auf Erstattung der einbehaltenen und
abgeführten Steuer unberührt; er ist gemäß
§ 50d Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 durch entsprechenden Antrag
geltend zu machen. Zuständig für die Entscheidung auch
über diesen Antrag war ebenfalls das BfF bzw. ist ebenfalls
das BZSt.
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2. Vor diesem Regelungshintergrund war das BfF
- und ist jetzt das BZSt - nicht verpflichtet, der Klägerin
eine Freistellungsbescheinigung gemäß § 50d Abs. 2
EStG 2002 zu erteilen.
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a) Die Erteilung einer
Freistellungsbescheinigung nach § 50d Abs. 2 EStG 2002
scheidet aus. Denn das setzt nach Satz 1 der Vorschrift (u.a.)
voraus, dass die betreffenden Einkünfte, die dem Steuerabzug
vom Kapitalertrag unterliegen und nach § 43b EStG 2002 oder
nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht oder
nur nach einem niedrigeren Steuersatz besteuert werden können.
Beides ist vorliegend - über den bereits verbeschiedenen Teil
der in Rede stehenden Dividende hinaus - jedoch nicht der Fall.
§ 43b EStG 2002 ist insoweit nicht einschlägig, weil eine
Kapitalgesellschaft französischen Rechts in der Rechtsform der
S.A.S. im streitgegenständlichen Bescheinigungszeitraum nicht
unter den entsprechenden Katalog begünstigter
Kapitalgesellschaften fiel und weil - wie sich abschließend
aus dem EuGH-Urteil in Slg. 2009, I-9225 ergibt - in diesem Umstand
kein Verstoß gegen Unionsrecht zu sehen ist.
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b) Aus letztlich eben diesem Grunde verbietet
es sich zugleich, § 43b EStG 2002 und den dazu ergangenen,
abschließenden Katalog begünstigter
Kapitalgesellschaften aus verfassungs- oder unionsrechtlichen
Gründen erweiternd oder aber aufgrund der Annahme einer
Regelungslücke analog auf die hier in Rede stehende
Gesellschaftsform anzuwenden.
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aa) Der deutsche Gesetzgeber wollte die
Mutter/Tochter-Richtlinie in nationales Recht umsetzen. Er hat sich
dabei auf das Mindestmaß der einzuräumenden
Begünstigung beschränkt und insbesondere davon abgesehen,
den Kreis der begünstigten Gesellschaftsformen über das
infolge der Richtlinie Gebotene hinausgehend zu erweitern. Das mag
nicht „alternativlos“ gewesen sein, zumal der
Richtliniengeber - in Art. 3 der Richtlinie - den nationalen
Gesetzgeber mit der Aufforderung, „wenigstens jede
Gesellschaft eines Mitgliedstaates, die die Bedingungen des Art. 2
(der Richtlinie) erfüllt ...“ nur mit jenem
Mindestmaß in Pflicht nahm. Das entsprach aber ersichtlich
der Umsetzungsabsicht des deutschen Gesetzgebers. So gesehen gibt
es aber keinen Grund, diesen über die Annahme einer
Regelungslücke und über eine Regelungsanalogie zur
Anordnung einer „Öffnungsklausel“ für
andere - gegenwärtige oder zukünftige -
Gesellschaftsformen zu zwingen, auch wenn solche - de lege lata
nicht begünstigten - Gesellschaftsformen der Sache nach
vergleichbar mit begünstigten Gesellschaftsformen sein
mögen.
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bb) In Anbetracht dessen erkennt der Senat
auch nicht, dass die so verstandene Umsetzung der Richtlinie gegen
den Gleichheitssatz des Grundgesetzes - GG - (Art. 3 Abs. 1 GG)
verstieße, was gleichermaßen eine verfassungskonforme
erweiternde Auslegung als auch ein entsprechendes
Normenkontrollersuchen nach Art. 100 Abs. 1 GG ausschließt:
Die Klägerin räumt selbst ein, dass die Rechtsform der
S.A.S. seinerzeit bei Verabschiedung der Richtlinie und bei deren
Umsetzung in nationales Recht noch nicht existierte. Der deutsche
Gesetzgeber hatte also keine Veranlassung, diese - oder andere,
noch nicht existente - Rechtsformen in den Kreis der
begünstigten Gesellschaften einzubeziehen. Ihn traf ebenso
wenig eine Verpflichtung, das ausländische Gesellschaftsrecht
zu beobachten und eine dortige Rechtsentwicklung innerstaatlich
nachzuvollziehen. Das war vielmehr Aufgabe des Richtliniengebers,
wie es dann in der Folgezeit von diesem ja auch zugunsten der
S.A.S. nachvollzogen worden ist. Durch die Umsetzung von
Gemeinschaftsrecht geschaffene Ungleichbehandlungen
innerstaatlicher Sachverhalte können jedoch nicht dem
nationalen Gesetzgeber zugerechnet werden, da dieser lediglich
gemeinschaftsrechtliche Vorgaben in Erfüllung vertraglicher
Verpflichtungen in die nationale Rechtsordnung zu übernehmen
hat (vgl. auch für den Fall der sog. umgekehrten
Inländerdiskriminierung z.B. Senatsbeschluss vom 15.7.2005 I R
21/04, BFHE 210, 43, BStBl II 2005, 716 = SIS 05 39 60;
Senatsurteil vom 18.3.2009 I R 13/08, BFH/NV 2009, 1613 = SIS 09 29 32). Für den streitgegenständlichen Zeitraum ist deswegen
davon auszugehen, dass es umgekehrt gleichheitsgerecht ist, die
S.A.S. mit anderen nichtbegünstigten Gesellschaften
gleichzubehandeln und ihr nicht eine Begünstigung zu
gewähren, die ihr aufgrund richtlinienkonformer Anwendung
nicht zusteht. Dass in Art. 3 MTR davon die Rede ist, als
Muttergesellschaft im Sinne der Richtlinie gelte
„wenigstens“ jede Gesellschaft eines
Mitgliedstaats, die die Bedingungen des Art. 2 der Richtlinie
erfüllt, ändert daran auch insoweit nichts. Gleichwohl
trifft den richtlinienumsetzenden Mitgliedstaat keine Pflicht,
über den aufgelisteten Katalog einschlägiger
Gesellschaftsformen hinauszugehen. Und so gesehen belässt das
Unionsrecht dem nationalen Gesetzgeber bei der Umsetzung der
Richtlinie auch keinen Auslegungsspielraum, der - aus
national-verfassungsrechtlicher Sicht - eine Ungleichbehandlung
nach sich zu ziehen vermöchte (s. zur insoweit notwendigen
Differenzierung auch Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom
4.10.2011 1 BvL 3/08, DStR 2011, 2141 = SIS 11 35 90).
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cc) Schließlich besteht keine
Veranlassung, den EuGH zur abermaligen Auslegung der
Mutter/Tochter-Richtlinie anzurufen, auch wenn der EuGH sich in
seinem Urteil in Slg. 2009, I-9225 nicht ausdrücklich dazu
geäußert hat, dass die Richtlinie den nationalen
Gesetzgeber nur auf das beschriebene Mindestmaß verpflichtet.
Doch hat er in der Nichteinbeziehung der Rechtsform der S.A.S. in
die Richtlinie keinen Verstoß gegen unionsrechtliches
Primär- und Sekundärrecht erkannt. Diese Antwort auf die
ihm gestellte Vorlagefrage belässt keine
Auslegungszweifel.
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c) Die Klägerin wendet sich allerdings zu
Recht dagegen, dass Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in
anderen Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, in Deutschland
anders als Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in
Deutschland ausgeschüttet werden, wirtschaftlich einer
höheren Besteuerung unterworfen werden, weil die einbehaltene
Kapitalertragsteuer bei ihr weder angerechnet (vgl. § 36 Abs.
2 Nr. 2 EStG 2002) noch vergütet (vgl. § 36 Abs. 4 Satz 2
EStG 2002) wird, sondern nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG 2002
abgeltenden Charakter hat und sonach bei ihr definitiv wird. Der
Senat verweist dazu im Einzelnen und zur Vermeidung von
Wiederholungen auf sein Urteil vom 22.4.2009 I R 53/07 (BFHE 224,
556 = SIS 09 21 85, m.w.N.).
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aa) Dieser Vorwurf ist nach Lage der Dinge
begründet; der EuGH hat in seinem Urteil in DStR 2011, 2038 =
SIS 11 34 05 auf einen entsprechenden Unionsrechtsverstoß
durch Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art.
56 des Vertrages zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza - ABlEG 2002 C 325, 1 -
(jetzt Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der
Europäischen Union i.d.F. des Vertrags von Lissabon, Amtsblatt
der Europäischen Union 2007 C 306/01) erkannt. Deutschland
darf danach Dividenden, die an Gesellschaften mit Sitz in anderen
Mitgliedstaaten ausgeschüttet werden, wirtschaftlich keiner
höheren Belastung unterwerfen als Dividenden, die an
Gesellschaften mit Sitz in Deutschland ausgeschüttet werden.
In Deutschland wurden vergleichbare Dividenden im
streitgegenständlichen Zeitraum aber - unbeschadet des auch
hier praktizierten Abzugs von Kapitalertragsteuer - nach § 8b
Abs. 1 KStG 2002 und infolge der beschriebenen Anrechnung bzw.
Vergütung der Kapitalertragsteuer prinzipiell vollen Umfangs
von der Körperschaftsteuer befreit. Erst seit dem
Veranlagungszeitraum 2004 wird der Steuervorteil wirtschaftlich
geschmälert; seitdem gelten 5 v.H. der Dividenden nach §
8b Abs. 5 Satz 1 KStG 2002 (i.d.F. des Gesetzes zur Umsetzung der
Protokollerklärung der Bundesregierung zur
Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom
22.12.2003, BGBl I 2003, 2840) als nicht abziehbare
Betriebsausgaben.
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Diese Steuerfreistellung ist - vom
Veranlagungszeitraum 2004 an in entsprechendem Umfang
gleichermaßen geschmälert - nunmehr auch
ausländischen Kapitalgesellschaften als
Dividendenempfängern einzuräumen. Dass das (bislang)
unterblieben ist, ist Deutschland als Quellenstaat anzulasten. Der
Unionsrechtsverstoß kann zwar prinzipiell gerechtfertigt
werden, indem Deutschland sich mit dem Ansässigkeitsstaat des
Dividendenempfängers bilateral darauf verständigt, dass
jener Staat die deutsche Quellensteuer in voller Höhe
anrechnet oder erstattet (vgl. EuGH-Urteil in DStR 2011, 2038 = SIS 11 34 05; s. auch Senatsurteil in BFHE 224, 556 = SIS 09 21 85,
m.w.N.). Das aber ist im Hinblick auf Frankreich nicht geschehen;
Art. 20 Abs. 2 Buchst. a Doppelbuchst. bb DBA-Frankreich sieht
insofern lediglich eine Steueranrechnung begrenzt auf den Betrag
der auf die Dividenden entfallenden französischen Steuer
vor.
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bb) Für die Verfahrenskonstellation des
Streitfalls hilft dieser materiell-rechtliche Befund der
Klägerin indessen nicht weiter. Denn deren Begehren
stützt sich insoweit nicht auf § 43b Abs. 1 EStG 2002 und
somit auch nicht unmittelbar auf das tatbestandlich vorgegebene
Verfahren nach § 50d Abs. 2 EStG 2002. Es stützt sich
vielmehr - davon losgelöst - darauf, dass der Steuerabzug als
solcher abweichend von einer vergleichbaren Inlandskonstellation
bei der ausländischen Muttergesellschaft definitiv wird und
deswegen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt. In
dieser Situation ist die Einleitung des Freistellungsverfahrens
nach § 50d Abs. 2 EStG 2002 ausgeschlossen (vgl. auch §
43b Abs. 2 Satz 3 letzter Halbsatz EStG 2002). Nicht anders als
Steuerinländer ist die Klägerin vielmehr gehalten, den
Steuerabzug zunächst hinzunehmen (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 3
EStG 2002) und ihr Begehren sodann im Rahmen eines
(nachträglichen) Erstattungsverfahrens auf anderer
Rechtsgrundlage - in entsprechender Anwendung von § 50d Abs. 1
Satz 1 EStG 2002 und gerichtet auf Erlass eines entsprechenden
Freistellungsbescheides gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3
der Abgabenordnung (AO) - durchzusetzen (vgl. zur Abgrenzung auch
Senatsurteil vom 11.10.2000 I R 34/99, BFHE 193, 336, BStBl II
2001, 291 = SIS 01 03 71).
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28
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Die Entscheidungszuständigkeit
darüber obliegt dem örtlich und sachlich zuständigen
Finanzamt (vgl. § 20 Abs. 3 und 4 AO), nicht aber dem BZSt,
dessen Sachzuständigkeit im Finanzverwaltungsgesetz
abschließend bestimmt wird. Letzteres entspricht
ständiger Spruchpraxis des Senats (vgl. z.B. - ebenfalls
bezogen auf das Erstattungsverfahren analog § 50d Abs. 1 Satz
2 EStG 2002 und zu einer mit dem Streitfall vergleichbaren
Ausgangslage - Urteil in BFHE 224, 556 = SIS 09 21 85, m.w.N.; s.
zur Abgrenzung demgegenüber Senatsurteil vom 20.12.2006 I R
13/06, BFHE 216, 259, BStBl II 2007, 616 = SIS 07 16 72, dort unter
II.4.b bb, speziell unter bbb der Entscheidungsgründe) und
trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Zuständigkeit
des BZSt im Sinne einer funktionalen Aufgabenteilung auf die
positiv-rechtlich angeordneten Anwendungsfälle
beschränkt. Freistellungen und Erstattungen von
Kapitalertragsteuer, welche darüber hinausgehen und welche
sich auf eine andere Rechtsgrundlage stützen, sind
institutionell hingegen allein vom zuständigen Finanzamt zu
verantworten. Sie lassen sich weder kraft einer Art
„Annexkompetenz“ noch einer
zuständigkeitsbegründenden Analogie auf das BZSt
übertragen. Das gebietet der auch und insbesondere bei
Zuständigkeitsregelungen maßgebliche allgemeine
Vorbehalt des Gesetzes nach Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. z.B. Kluth in
Wolff/ Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 3, 5. Aufl., § 84
Rz 11 ff.), und das gilt auch dann, wenn eine anderweitige
Zuständigkeitsregelung im Einzelfall, namentlich bei Fonds-
und Streubesitzbeteiligungen - und damit nicht im Streitfall -,
durchaus sachdienlich sein mag.
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cc) Ihrerseits unionsrechtliche Einwände
gegen diese Zweiteilung des Verfahrens - vorheriger Steuerabzug und
anschließende Erstattung - wären ebenso unbegründet
wie gegen die verlagerte Verfahrenszuständigkeit: Die
hintereinander geschaltete Verfahrenszweiteilung hat der EuGH
prinzipiell ausdrücklich akzeptiert (vgl. EuGH-Urteil vom
3.10.2006 Rs. C-290/04 „Scorpio“, BFH/NV 2007,
Beilage 1, 36 = SIS 06 44 26); das gilt insbesondere dann, wenn -
wie beim Abzug der Kapitalertragsteuer - In- wie Ausländer
gleichbehandelt werden (vgl. Senatsurteil in BFHE 216, 259, BStBl
II 2007, 616 = SIS 07 16 72, dort unter II.4.b cc der
Entscheidungsgründe). Und die verfahrensrechtliche Umsetzung
unionsrechtlicher Anforderungen an das nationale Steuerrecht
obliegt mangels einer einschlägigen Unionsregelung ohnehin
autonom den einzelnen Mitgliedstaaten (vgl. zuletzt EuGH, Urteil
vom 30.6.2011 C-262/09, Meilicke u.a., BFH/NV 2011, 1467 = SIS 11 20 35, dort Rz 55, m.w.N.). Es darf dem Steuerpflichtigen nur nicht
unmöglich gemacht werden, seinen unionsrechtlich
begründeten Anspruch durchzusetzen. Das aber ist jedenfalls
infolge der voneinander abweichenden Zuständigkeitsregelungen
nicht der Fall.
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