1
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I. Streitpunkt ist, ob eine
Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2006 geltenden Fassung
(EStG 2002 a.F.) für Wirtschaftsgüter in Anspruch
genommen werden kann, die für eine im Ausland belegene
Betriebsstätte angeschafft werden sollen.
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) beteiligte sich im Dezember des Streitjahrs in drei
Verträgen jeweils atypisch still an einer spanischen
Gesellschaft, der W-SRC, die als Lizenznehmerin eines italienischen
Unternehmens verschiedene Gastronomiebetriebe in Spanien betreiben
wollte. Der Kläger sollte der Gesellschaft aufgrund dreier
entsprechender Vereinbarungen die identische
Geschäftsausstattung für drei Betriebsstätten in
Spanien zur Verfügung stellen.
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In seiner Steuererklärung für das
Streitjahr gab der Kläger nach dem Abkommen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat zur Vermeidung
der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der
Steuerverkürzung bei den Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen vom 5.12.1966 (BGBl II 1968, 10, BStBl I 1968, 297) -
DBA-Spanien - in Deutschland von der Bemessungsgrundlage
auszunehmende (negative) Einkünfte in Höhe von ./.
462.000 EUR an, die nach seiner Auffassung im Rahmen eines sog.
negativen Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG
2002 a.F. bei der Bestimmung des Steuersatzes zu
berücksichtigen seien. Die negativen Einkünfte beruhen
auf Ansparabschreibungen nach § 7g Abs. 3 EStG 2002 a.F. im
Betrag von jeweils 154.000 EUR je Betriebsstätte in Spanien.
Nach der vom Kläger im Einspruchsverfahren eingereichten
Aufstellung sind je Betriebsstätte
Ausstattungsgegenstände im Betrag von 437.163 EUR bestellt
worden (Maschinen: 187.876 EUR, Ausstattung: 234.287 EUR,
Anschaffungsnebenkosten: 15.000 EUR). Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) berücksichtigte die
negativen Einkünfte in den Bescheiden betreffend die
Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr und
betreffend die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur
Einkommensteuer auf den 31.12.2006 nicht. Die deswegen erhobene
Klage blieb ohne Erfolg; das Sächsische Finanzgericht (FG) hat
sie als unbegründet abgewiesen. Sein Urteil vom 21.4.2010 6 K
1156/09 ist in EFG 2011, 315 = SIS 10 35 18 abgedruckt.
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Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf
Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des
Klägers.
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Er beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und
die angefochtenen Bescheide dahin abzuändern, dass die
ausländischen negativen Einkünfte in Höhe von
462.000 EUR einkommensmindernd berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist im Hinblick auf die
Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr
begründet und führt insoweit zur Aufhebung des FG-Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. In Bezug auf den
Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs
zur Einkommensteuer zum 31.12.2006 bleibt die Revision hingegen
ohne Erfolg.
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1. Obschon der Kläger nach dem Wortlaut
seines Revisionsantrags die
„einkommensmindernde“ Berücksichtigung der
aus Spanien stammenden negativen Einkünfte verlangt, versteht
der Senat sein Begehren dahin, dass er - wie schon im Rahmen seiner
Steuererklärung, im Einspruchsverfahren und vor dem FG - die
negativen ausländischen Einkünfte weiterhin lediglich im
Rahmen eines negativen Progressionsvorbehalts nach § 32b Abs.
1 Nr. 3 EStG 2002 a.F. bei der Bestimmung des Steuersatzes
berücksichtigt wissen will. Denn aus der
Revisionsbegründung ergibt sich kein Anhalt dafür, dass
der Kläger nunmehr in Erwägung zieht, die aus Spanien
stammenden negativen Einkünfte könnten in die
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer einzubeziehen sein. Bei der
Verwendung des Ausdrucks „einkommensmindernd“
handelt es sich deshalb um ein offenkundiges Versehen.
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2. Die so verstandene Revision ist in Bezug
auf den angefochtenen Bescheid über die Festsetzung der
Einkommensteuer für das Streitjahr begründet. Entgegen
der Auffassung der Vorinstanz sind die ausländischen Verluste,
die auf den vom Kläger gebildeten Ansparabschreibungen
für die geplanten Investitionen in die spanischen
Gesellschaften beruhen, gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3
EStG 2002 a.F. im Rahmen eines negativen Progressionsvorbehalts bei
der Bestimmung des Steuersatzes zu berücksichtigen. Jedoch ist
der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, weil zum einen der
Kläger noch konkret festlegen muss, für welche der von
ihm benannten Wirtschaftsgüter er in welcher Höhe
Ansparabschreibungen in Anspruch nimmt; zum anderen bedarf es noch
tatrichterlicher Feststellungen dazu, ob es sich bei dem Engagement
an der W-SRC um einen Betrieb oder um mehrere Betriebe des
Klägers i.S. von § 7g Abs. 3 Satz 5 EStG 2002 a.F.
gehandelt hat.
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a) Verfahrensrechtlich kann die Festsetzung
der Einkommensteuer im Streitfall ohne gesonderte und einheitliche
Feststellung der nach dem DBA-Spanien von der Bemessungsgrundlage
der Einkommensteuer ausgenommenen Einkünfte der atypischen
stillen Gesellschaften nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1
Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) vorgenommen werden. Denn es
greift hier die Ausnahmebestimmung des § 180 Abs. 3 Nr. 1 AO,
nach der keine gesonderte und einheitliche Feststellung erfolgt,
wenn nur eine der an den Einkünften beteiligten Personen mit
ihren Einkünften im Inland einkommensteuerpflichtig oder
körperschaftsteuerpflichtig ist.
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b) Die Einkünfte des Klägers aus den
Beteiligungen an den atypischen stillen Gesellschaften sind von der
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ausgenommen. Das ergibt
sich aus Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz
2 DBA-Spanien und ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.
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c) Abkommensrechtlich nicht ausgeschlossen,
sondern ausdrücklich vorbehalten ist indes gemäß
Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 2 DBA-Spanien das Recht der
Bundesrepublik Deutschland, die von der Bemessungsgrundlage
ausgenommenen Einkünfte im Rahmen des Progressionsvorbehalts
nach § 32b EStG 2002 a.F. bei der Festsetzung des Steuersatzes
zu berücksichtigen. Gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3
EStG 2002 a.F. unterliegen dem Progressionsvorbehalt auch
ausländische Einkünfte eines unbeschränkt
Steuerpflichtigen, die nach einem Abkommen zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung unter dem Vorbehalt der Einbeziehung bei der
Berechnung des Steuersatzes im Veranlagungszeitraum steuerfrei
sind. Diese Bestimmung ist auf die von der Klägerin geltend
gemachten Verluste in Form der Ansparabschreibungen anzuwenden.
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aa) Der Bildung der Ansparabschreibungen nach
§ 7g Abs. 3 EStG 2002 a.F. steht nicht entgegen, dass sie sich
im Streitfall ausschließlich auf Investitionen in
ausländische Betriebsstätten beziehen. Die aus der
Bildung der Ansparabschreibungen resultierenden Verluste sind
Bestandteil der gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002
a.F. bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes zu
berücksichtigenden ausländischen Einkünfte.
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aaa) Nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG 2002
a.F. können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch
Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung
oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des
Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden
(Ansparabschreibung). Die Rücklage darf 40 v.H. der
Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten
Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige
voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der
Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen
wird. Eine Ansparabschreibung kann auch gebildet werden, wenn
dadurch - wie im Streitfall - ein Verlust entsteht oder sich
erhöht (§ 7g Abs. 3 Satz 4 EStG 2002 a.F.). Insgesamt
dürfen die danach gebildeten Rücklagen je Betrieb des
Steuerpflichtigen den Betrag von 154.000 EUR nicht übersteigen
(§ 7g Abs. 3 Satz 5 EStG 2002 a.F.).
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bbb) Ob die Bildung der Rücklage nach
Maßgabe dieser Regeln voraussetzt, dass das Wirtschaftsgut,
auf welches sich die künftige Investition bezieht, für
eine inländische Betriebsstätte angeschafft und dort
genutzt werden muss, wird nicht einheitlich beurteilt. Sie wird von
einigen Finanzgerichten (vgl. neben dem angefochtenen FG-Urteil das
Urteil des FG Münster vom 30.8.2005 6 K 6539/03 F, EFG 2006,
255 = SIS 06 04 52 - zustimmend Verfügung der
Oberfinanzdirektion Münster vom 5.1.2007, DB 2007, 368 = SIS 07 10 10 - ; Beschlüsse des Schleswig-Holsteinischen FG vom
4.9.2008 5 V 10067/08, EFG 2009, 98 = SIS 09 01 25, und des FG
Baden-Württemberg vom 12.1.2009 5 V 3932/08, juris) und einem
Teil der Literatur (Brandis in Blümich, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 7g EStG
a.F. Rz 16; Daller, Schrift Nr. 423 des Instituts
„Finanzen und Steuern“ e.V., S. 12) bejaht.
Andere lehnen eine Beschränkung auf inländische
Betriebsstätten ab (Gosch, DStR 2007, 1895, 1896; Kulosa in
Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Aufl., § 7g Rz 63;
Spohn/Peters, IStR 2007, 754, 755; aus unionsrechtlichen
Gründen auch Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, § 7g EStG Rz 65a). Diese Auffassung wird
auch im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom
12.12.1996 (BStBl I 1996, 1441 = SIS 97 02 15, unter 3.) vertreten,
wo es heißt, die Rücklagenbildung sei unabhängig
davon zulässig, ob das später tatsächlich
angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgut die in § 7g Abs.
2 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002 a.F. genannten Voraussetzungen
erfüllen werde. Der Senat, der die Frage bislang nicht
entscheiden musste (vgl. Senatsurteil vom 11.7.2007 I R 104/05,
BFHE 218, 323, BStBl II 2007, 957 = SIS 07 31 51; Senatsbeschluss
vom 30.6.2009 I B 69/09, BFH/NV 2009, 1805 = SIS 09 32 52),
hält die letztgenannte Auffassung für zutreffend.
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aaaa) Dem für die Gesetzesauslegung in
erster Linie maßgeblichen Wortlaut des § 7g Abs. 3 ff.
EStG 2002 a.F. ist - was auch FG und FA nicht in Abrede stellen -
eine Beschränkung der Ansparabschreibung auf Investitionen in
inländische Betriebsstätten nicht zu entnehmen. § 7g
Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 a.F. bezieht sich vielmehr ausnahmslos auf
Wirtschaftsgüter „im Sinne des Absatzes 1“,
mithin auf neue bewegliche Wirtschaftsgüter des
Anlagevermögens. Eine räumliche Beschränkung auf im
Inland belegene Betriebe ist nicht in § 7g Abs. 1 EStG 2002
a.F., sondern in Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a der Vorschrift enthalten,
der die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung nach Abs. 1 an die
Bedingung knüpft, dass das betreffende Wirtschaftsgut
mindestens ein Jahr nach seiner Anschaffung oder Herstellung in
einer inländischen Betriebsstätte verbleibt. Die
Beschränkung des § 7g Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002
a.F. wird indes von den die Ansparabschreibung regelnden
Bestimmungen der Absätze 3 ff. - insbesondere von Abs. 3 Satz
3, der die Voraussetzungen der Ansparabschreibung enumerativ
auflistet - nicht in Bezug genommen.
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bbbb) Die Beschränkung auf das Inland
kann entgegen der Sichtweise des FG wegen des fehlenden Anhalts im
Gesetzeswortlaut nicht aufgrund der Gesetzesgeschichte und
-systematik in § 7g Abs. 3 EStG 2002 a.F. hineingelesen
werden. Zwar mag es zutreffen, dass der Gesetzgeber mit
Einführung der Begünstigung der Ansparabschreibung durch
das Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur
Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen
Binnenmarkt vom 13.9.1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl I 1993, 774)
die Förderung von Investitionen in inländische Betriebe
vor Augen gehabt und bezweckt hat. Dafür kann auch der Umstand
ins Feld geführt werden, dass § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 2
EStG zur Begrenzung der Ansparabschreibung auf die in Abs. 2 Nr. 1
genannten Größenmerkmale verweist, welche sich nach der
seinerzeit geltenden Fassung (EStG 1990) am Einheitswert und am
Gewerbekapital des Betriebs orientierten. Denn diese Werte wurden
von der Finanzverwaltung nur für inländische Betriebe
bzw. Betriebsstätten gesondert festgestellt. Eine zwingende
gesetzliche Beschränkung auf inländische
Betriebsstätten kann aus diesen Zusammenhängen aber nicht
abgeleitet werden. Das ergibt sich schon daraus, dass § 7g
Abs. 2 Satz 2 EStG 1990 eine ausdrückliche Regelung zur
Ermittlung der Größenmerkmale für die Fälle
enthielt, in denen ein Einheitswert des Betriebs für
steuerliche Zwecke nicht festzustellen war (sog. fiktiver
Einheitswert). Auch wenn der Gesetzgeber mit dieser Regelung
wiederum Fälle vor Augen gehabt haben mag, in denen bei
inländischen Betrieben die Feststellung eines Einheitswerts
entbehrlich war (z.B. wegen § 117a Abs. 1 Satz 1 des
Bewertungsgesetzes in der bis 1996 geltenden Fassung), zeigt sie
doch, dass die formelle gesonderte Feststellung der
Größenmerkmale nicht in jedem Fall unabdingbare
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Ansparabschreibung
sein sollte.
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Jedenfalls aber hat der Gesetzgeber im Zuge
des Wegfalls der Vermögensteuer bzw. des Wegfalls der
Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens mit dem
Jahressteuergesetz 1997 vom 27.12.1996 (BGBl I 1996, 2049, BStBl I
1996, 1523) die Größenmerkmale des § 7g Abs. 2 EStG
in der Weise geregelt, dass es nunmehr - soweit es nicht um
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft ging - auf die Ermittlung
des Betriebsvermögens nach ertragsteuerlichen Grundsätzen
ankam (§ 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG 1997/2002 a.F.; vgl.
dazu Brandis in Blümich, a.a.O., § 7g EStG a.F. Rz 57).
Diese Ermittlungsweise ist grundsätzlich auch für im
Ausland belegene Betriebe anwendbar, so dass es seitdem an
jeglichem Anhalt im Tatbestand des § 7g EStG 1997/2002 a.F.
dafür fehlt, dass die Inanspruchnahme der Ansparabschreibung
auf Investitionen in inländische Betriebe beschränkt sein
könnte. Ohne einen solchen Anhalt im Gesetzestatbestand kann
jedoch etwaigen Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren
Beteiligten keine maßgebliche Bedeutung beigemessen werden
(vgl. Senatsurteil vom 22.12.2010 I R 110/09, BFHE 232, 415 = SIS 11 13 58) und muss es mithin bei der wortlautgetreuen
Gesetzesanwendung verbleiben.
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cccc) Auch aus dem Zusammenhang zwischen
Ansparabschreibung gemäß § 7g Abs. 3 ff. EStG 2002
a.F. und Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 1 und 2
EStG 2002 a.F. lässt sich nicht ableiten, dass zur
Inanspruchnahme der Ansparabschreibung zusätzlich auch die vom
Gesetz nicht in Bezug genommenen Voraussetzungen des § 7g Abs.
2 EStG 2002 a.F. erfüllt sein müssen. Insbesondere folgt
das nicht aus dem Umstand, dass die Inanspruchnahme der
Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG 2002
a.F. grundsätzlich die vorherige Bildung einer
Ansparabschreibung nach Abs. 3 bis 7 voraussetzt. Denn daraus
lässt sich nicht folgern, dass umgekehrt auch die
Ansparabschreibung von der Möglichkeit einer späteren
Inanspruchnahme der Sonderabschreibung abhängig sein muss.
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dddd) Die Befürchtung des FA, mit dem
hier vertretenen Normverständnis werde ein
„unbeabsichtigtes Steuersparmodell“
begründet, weil der Steuerpflichtige über den negativen
Progressionsvorbehalt von der Beteiligung an ausländischen
Unternehmen profitieren könne, während sich der positive
Progressionsvorbehalt bei der späteren Auflösung der
Rücklage nicht auswirke, falls der Steuerpflichtige bereits
den Spitzensteuersatz zahle, vermag ein anderes Ergebnis nicht zu
begründen. Das steuerliche Lenkungsinstrument der
Ansparabschreibung nach den Regeln des § 7g Abs. 3 ff. EStG
2002 a.F. bot in vielfältiger Hinsicht - also keineswegs nur
mit Blick auf Sachverhalte mit Auslandsberührung - erhebliches
Potential zur Steuergestaltung (vgl. Brandis in Blümich,
a.a.O., § 7g EStG a.F. Rz 76, m.w.N.). Das Ziel der Vermeidung
solchen Gestaltungspotentials rechtfertigt aber keine
einschränkende Auslegung der Lenkungsnorm entgegen ihrem
Wortlaut. Die Ausnutzung eines in einer gesetzlichen Regelung
angelegten Steuervorteils begründet auch keinen Missbrauch von
rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 Abs. 1
AO; solches wird auch vom FA nicht vertreten.
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eeee) Offenkundig ist auch der Gesetzgeber bei
Erlass des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 14.8.2007 (BGBl
I 2007, 1912, BStBl I 2007, 630), mit dem die bisherigen Regelungen
des § 7g EStG 2002 a.F. grundlegend umgestaltet worden sind,
vom hier vertretenen Normverständnis ausgegangen. Die
Inanspruchnahme des an die Stelle der bisherigen Ansparabschreibung
getretenen Investitionsabzugsbetrags ist gemäß § 7g
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b EStG 2002 i.d.F. des
Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 u.a. davon abhängig
gemacht worden, dass das betreffende Wirtschaftsgut mindestens bis
zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung
folgenden Wirtschaftsjahrs in einer inländischen
Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast
ausschließlich betrieblich genutzt wird. In der
Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008
(BTDrucks 16/4841, S. 52) heißt es dazu: „Diese -
für die Inanspruchnahme von Ansparabschreibungen bisher nicht
geforderte - Bedingung lehnt sich an die Regelungen zu den
Sonderabschreibungen im bisherigen § 7g Abs. 2 Nr. 2
an“. Soweit das FG die danach „bisher nicht
geforderte“ Bedingung allein auf das Erfordernis der
ausschließlichen oder fast ausschließlichen
betrieblichen Nutzung, nicht aber auch auf die Nutzung in einer
inländischen Betriebsstätte bezieht, ist dafür ein
Anhalt in der Gesetzesbegründung nicht ersichtlich.
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bb) Die Berücksichtigung der geltend
gemachten Verluste im Rahmen des § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002
a.F. ist nicht gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
2002 a.F. ausgeschlossen. Zwar dürfen nach dieser Vorschrift
negative Einkünfte aus einer in einem ausländischen Staat
belegenen gewerblichen Betriebsstätte grundsätzlich nur
mit positiven Einkünften derselben Art und aus demselben Staat
ausgeglichen werden und gilt dies auch für durch
Doppelbesteuerungsabkommen von der deutschen Besteuerung
freigestellte Einkünfte (Senatsurteil vom 12.1.2011 I R 35/10,
BFHE 232, 432, BStBl II 2011, 494 = SIS 11 13 25). Jedoch greift im
Streitfall die sog. Aktivitätsausnahme des § 2a Abs. 2
Satz 1 EStG 2002 a.F., nach der Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Vorschrift
nicht gilt, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die negativen
Einkünfte aus einer gewerblichen Betriebsstätte im
Ausland stammen, die u.a. ausschließlich oder fast
ausschließlich die Bewirkung gewerblicher Leistungen zum
Gegenstand hat. Das ist bei den spanischen Betriebsstätten der
W-SRC, die künftig Gastronomiebetriebe betreiben sollten, der
Fall. Die in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 a.F. normierte
Rückausnahme, nach der die Aktivitätsausnahme nicht
anwendbar ist, wenn die ausländische Betriebsstätte u.a.
mit der Errichtung oder dem Betrieb von Anlagen befasst ist, die
dem Fremdenverkehr dienen, greift hier nicht. Zum einen
widerspricht diese Rückausnahme innerhalb der
Europäischen Union den unionsrechtlichen Grundfreiheiten und
bleibt deswegen ohnehin unanwendbar (vgl. Senatsurteil vom
29.1.2008 I R 85/06, BFHE 220, 398, BStBl II 2008, 671 = SIS 08 18 02). Zum anderen ist den tatrichterlichen Feststellungen kein
Anhalt dafür zu entnehmen, dass die geplanten Gaststätten
vornehmlich für eine Frequentierung durch in Spanien weilende
Touristen vorgesehen waren (vgl. zur Abgrenzung Senatsbeschluss vom
25.4.2007 I B 52/06, BFH/NV 2007, 1646 = SIS 07 27 49).
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d) Das FG ist von einer anderen rechtlichen
Beurteilung ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb im Hinblick auf
den Einkommensteuerbescheid aufzuheben. Die Sache ist jedoch unter
zwei Aspekten noch nicht entscheidungsreif und deshalb
gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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aa) Die Voraussetzungen für die Bildung
von Ansparabschreibungen sind bislang insoweit noch nicht
vollständig erfüllt, als es noch der Festlegung durch den
Kläger bedarf, für welche der von ihm benannten
Wirtschaftsgüter er in welcher konkreten Höhe
Ansparabschreibungen bildet.
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Bei der geplanten Anschaffung mehrerer
Wirtschaftsgüter, für die der Steuerpflichtige die
Begünstigung des § 7g Abs. 3 EStG 2002 a.F. in Anspruch
nehmen möchte, hat er grundsätzlich für jedes
Wirtschaftsgut eine gesonderte Ansparabschreibung zu bilden, deren
Bildung und Auflösung gemäß § 7g Abs. 3 Satz 3
Nr. 3 EStG 2002 a.F. in der Buchhaltung verfolgbar sein muss
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.12.2001 XI R 13/00,
BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385 = SIS 02 06 15; BFH-Beschluss vom
31.3.2009 X B 226/08, BFH/NV 2009, 1116 = SIS 09 19 02). Gibt der
Steuerpflichtige - wie im Streitfall - eine Vielzahl von einzelnen
Wirtschaftsgütern an und übersteigen 40 v.H. der
Anschaffungskosten dieser Wirtschaftsgüter in ihrer Summe den
Höchstbetrag je Betrieb von 154.000 EUR, muss er demzufolge
angeben, in welchen Teilbeträgen der Höchstbetrag auf die
einzelnen Wirtschaftsgüter verteilt werden soll. Das hat der
Kläger bislang nicht getan.
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Der in der Klagebegründung vorgebrachte
Einwand des Klägers, er riskiere auf diese Weise, dass das FA
seiner Auswahl von Wirtschaftsgütern nicht folge, obwohl es
womöglich bei den nicht ausgewählten
Wirtschaftsgütern keine Beanstandungen erhoben hätte, ist
unbegründet. Denn der Steuerpflichtige ist nicht gehindert
anzugeben, in welcher Reihenfolge und zu welchen Beträgen er
„hilfsweise“ die anderen Wirtschaftsgüter
berücksichtigt haben möchte, falls ein Wirtschaftsgut die
Voraussetzungen des § 7g Abs. 3 ff. EStG 2002 a.F. nicht
erfüllt.
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bb) Die Ansparabschreibungen dürfen
gemäß § 7g Abs. 3 Satz 5 EStG 2002 a.F. je Betrieb
des Steuerpflichtigen 154.000 EUR nicht übersteigen. Im
Streitfall ist deshalb zu prüfen, ob die Beteiligungen an der
W-SRC jeweils als selbständige Betriebe des Klägers oder
als ein Gesamtbetrieb zu beurteilen sind. Mehrere Betriebe liegen
aus ertragsteuerlicher Sicht vor, wenn sich die zivilrechtlich
selbständigen atypisch stillen Beteiligungen auf hinreichend
sachlich abgrenzbare Unternehmensteile (Geschäftsbereiche) des
Handelsgewerbes beziehen (vgl. Senatsurteil vom 6.12.1995 I R
109/94, BFHE 179, 427, BStBl II 1998, 685 = SIS 96 07 19;
BFH-Urteil vom 23.4.2009 IV R 73/06, BFHE 225, 343, BStBl II 2010,
40 = SIS 09 21 90; Wacker in Schmidt, EStG, 30. Aufl., § 15 Rz
360). Das FG hat - von seiner Rechtsauffassung her konsequent -
keine näheren Feststellungen zum Inhalt der abgeschlossenen
Beteiligungsverträge und zur Betriebsorganisation der W-SRC
getroffen. Der Sachverhalt bedarf mithin insoweit noch der
Aufklärung im zweiten Rechtsgang.
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3. Unbegründet und deshalb
gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen ist die
Revision in Bezug auf den Bescheid über die Feststellung des
verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer zum 31.12.2006.
Insoweit erweist sich die Klageabweisung im Ergebnis als
zutreffend. Denn es ist nicht ersichtlich - und der Kläger
trägt dafür nichts vor - dass die allein streitbefangene
Höhe der im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts zu
berücksichtigenden ausländischen Einkünfte die
Höhe des nach Maßgabe von § 10d EStG 2002 a.F. zum
31.12.2006 festzustellenden verbleibenden Verlustabzugs
beeinflussen könnte. Die Wirkung des negativen
Progressionsvorbehalts erschöpft sich in der Modifikation des
im Verlustentstehungsjahr zu Grunde zu legenden Steuersatzes nach
den Regeln des § 32b Abs. 2 EStG 2002 a.F.
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Soweit in diesem Rahmen mangels hinreichender
anderweitiger positiver Einkünfte eine Verrechnung der
Verluste nicht oder nicht vollständig möglich ist,
können die verbleibenden Verluste nicht über § 10d
EStG 2002 a.F. den Steuersatz anderer Jahre mindern (Heinicke in
Schmidt, a.a.O., 30. Aufl., § 32b Rz 6; Probst in
Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, § 32b EStG Rz 136
„Verlustabzug (ab VZ 1996)“; Lambrecht in
Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 10. Aufl., § 32b Rz 20). Denn
die Berechnung des Sondertarifs erfolgt seit der Neufassung des
§ 32b Abs. 2 EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 vom
11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) in der Weise,
dass zunächst das steuerpflichtige Einkommen nach § 32a
EStG ermittelt wird, dem auf zweiter Stufe die dem
Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte zur Berechnung
des besonderen Steuersatzes hinzugerechnet werden, welcher sodann
auf die - unverändert bleibende - Bemessungsgrundlage
angewendet wird (sog. Hinzurechnungsmethode, vgl. Senatsurteil in
BFHE 232, 432, BStBl II 2011, 494 = SIS 11 13 25). Auf die
einkommensteuerrechtliche Bemessungsgrundlage wirkt sich der
Progressionsvorbehalt demzufolge - anders als nach der vormaligen
Methode der sog. Schattenveranlagung (dazu z.B. Senatsurteil vom
29.4.1992 I R 102/91, BFHE 168, 157, BStBl II 1993, 149 = SIS 92 17 02) - nicht aus, so dass auch die Höhe des nach § 10d
EStG 2002 a.F. festzustellenden Verlustabzugs dadurch nicht
beeinflusst wird.
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