Ansparabschreibung bei Betriebserweiterung: Wären die im Rahmen der Ansparabschreibung geltend gemachten Investitionsgüter objektiv nur im Falle einer wesentlichen Betriebserweiterung verwendbar, kann von einer voraussichtlichen Anschaffung i.S. von § 7 g Abs. 3 EStG nur ausgegangen werden, wenn die Investitionsgüter verbindlich bestellt worden sind. - Urt.; BFH 11.7.2007, I R 104/05; SIS 07 31 51
I. Streitig ist die Berücksichtigung
einer sogenannten Ansparabschreibung (§ 7g Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes - EStG - ) im Bereich des
Sonderbetriebsvermögens im Rahmen einer atypisch stillen
Beteiligung an einem ausländischen Betrieb.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) beteiligte sich mit Vertrag vom 15.12.2002 an der
slowakischen Firma X, einem Einzelunternehmen des Maler- und
Anstreichergewerbes, als atypisch stiller Gesellschafter mit einer
(Bar-)Einlage in Höhe von 1.000 EUR (Gewinnbeteiligung: 2,5
v.H.). Am 16.12.2002 wurde die Ehefrau des Klägers an dem
stillen Gesellschaftsanteil des Klägers zu 50 v.H.
schenkungsweise unterbeteiligt.
Die Bilanz des Einzelunternehmens wies zum
31.12.2002 Aktiva von 6.522 EUR aus (Betriebs- und
Geschäftsausstattung 120 EUR, Umlaufvermögen 6.402 EUR).
Auf der Grundlage eines für das Streitjahr 2002 ermittelten
Jahresüberschusses von 773 EUR wurden dem Kläger und
seiner Ehefrau je hälftig ein Betrag in Höhe von 9 EUR
zugewiesen. In einer Sonderbilanz zum 31.12.2002 machte der
Kläger eine Ansparabschreibung in Höhe von 154.000 EUR
geltend. Dazu reichte er eine Liste von in den Jahren 2003 und 2004
vorgesehenen Investitionen ein (u.a. 38 Laptops, 53
Bürostühle, 106 Diktiergeräte und 42
Handdiktiergeräte). Diese Wirtschaftsgüter sollten nach
der Darstellung des Klägers dem Malerbetrieb „zwecks
Ausweitung des Tätigkeitsbereiches“ zur Verfügung
gestellt werden; die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme
sei nicht vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - )
zu klären, sondern alleine von den beteiligten
Wirtschaftssubjekten.
Mit Bescheid über die einheitliche und
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen stellte das FA
für das Streitjahr unter Außerachtlassung der
Ansparabschreibung Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe
von 18 EUR fest (als nach dem Doppelbesteuerungsabkommen
steuerbefreite Einkünfte und unter Hinweis auf einen
Progressionsvorbehalt gemäß § 32b EStG) und
rechnete diesen Betrag je hälftig dem Kläger und seiner
Ehefrau zu.
Das Finanzgericht (FG) Münster wies
die dagegen gerichtete Klage ab (Urteil vom 30.8.2005 6 K 6539/03
F, EFG 2006, 255 = SIS 06 04 52).
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt sinngemäß, das
FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Feststellungsbescheid
insoweit zu ändern, dass der Aufwand aus der Bildung der
Ansparabschreibung in Höhe von 154.000 EUR berücksichtigt
wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Das FA hat - was unter den Beteiligten
nicht streitig ist - zutreffend einen Feststellungsbescheid
gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO)
erlassen und insoweit im Rahmen einer gesonderten (und
einheitlichen) Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 180
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO) über die Höhe der nach einem
Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der
Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte entschieden. Die
Einkünfte aus der stillen Beteiligung sind nach Maßgabe
des Art. 23 Abs. 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakischen
Sozialistischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf
dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom
19.12.1980 (BGBl II 1982, 1023, BStBl I 1982, 905; zur
Weitergeltung in der Slowakei siehe die Bekanntmachung eines
Notenwechsels vom 24.3.1993, BGBl II 1993, 762) in Deutschland
steuerfrei. Der Kläger war auch zur Rechtsmittelerhebung
befugt (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 2, Abs. 2 FGO).
2. Das FG hat die vom Kläger geltend
gemachte Ansparabschreibung ohne Rechtsfehler außer Ansatz
gelassen, da nach den Feststellungen des FG die vom Kläger
angekündigte Investition tatsächlich nicht
ausgeführt werden sollte. Auf dieser Grundlage kann offen
bleiben, ob, was zwischen den Beteiligten ebenfalls streitig ist,
§ 7g Abs. 3 EStG nur eine Investition (ein
Investitionsvorhaben) in einem inländischen Betrieb bzw. einer
inländischen Betriebsstätte begünstigt (s. dagegen
jedoch BTDrucks 16/4841, S. 52, zu § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Buchst. b EStG 2000 i.d.F. des Entwurfs zum
Unternehmensteuerreformgesetz 2008; Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 12.12.1996, BStBl I
1996, 1441 = SIS 97 02 15, unter 3.).
a) Nach § 7g Abs. 3 bis 5 EStG in der
für das Streitjahr geltenden Fassung können
Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln,
für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen
beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den
Gewinn mindernde Rücklage bilden. Die Rücklage darf dabei
40 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des
begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der
Steuerpflichtige „voraussichtlich bis zum Ende des zweiten
auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs
anschaffen oder herstellen wird“. Eine Ansparabschreibung
kann auch gebildet werden, wenn dadurch - wie im Streitfall - ein
Verlust entsteht oder sich erhöht (§ 7g Abs. 3 Satz 4
EStG).
b) Das Gesetz enthält keine Regelung
dazu, ob und ggf. wie darzulegen ist, dass eine Investition i.S.
von § 7g Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 EStG
„beabsichtigt“ ist. Der Steuerpflichtige ist
jedenfalls nicht gehalten, die Absicht einer Investition
nachzuweisen. Allerdings muss die geplante Investition nach Art,
Umfang und Investitionszeitpunkt ausreichend konkretisiert sein
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.12.2001 XI R 13/00,
BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385 = SIS 02 06 15; vom 6.3.2003 IV R
23/01, BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187 = SIS 03 37 78; s.a.
BMF-Schreiben vom 25.2.2004, BStBl I 2004, 337 = SIS 04 09 22, Tz.
7 f.). Darüber hinaus wird, um eine ungerechtfertigte
Inanspruchnahme der Förderung auszuschließen, in der
Situation der Betriebsgründung von einer hinreichenden
Konkretisierung des Investitionsvorhabens mit Blick auf die
wesentlichen Betriebsgrundlagen erst dann ausgegangen, wenn diese
Wirtschaftsgüter verbindlich bestellt worden sind (BFH-Urteil
vom 25.4.2002 IV R 30/00, BFHE 199, 170, BStBl II 2004, 182 = SIS 02 09 52; BFH-Beschlüsse vom 28.11.2003 III B 65/03, BFH/NV
2004, 632 = SIS 04 17 63; vom 7.10.2004 XI B 210/03, BFH/NV 2005,
204 = SIS 05 07 69; BFH-Urteil vom 17.11.2004 X R 38/02, BFH/NV
2005, 846 = SIS 05 21 92; BFH-Beschlüsse vom 11.5.2005 XI B
49/04, BFH/NV 2005, 1551 = SIS 05 37 04; vom 26.7.2005 VIII B
134/04, BFH/NV 2005, 2186 = SIS 05 48 24; BFH-Urteil vom 28.6.2006
III R 40/05, BFH/NV 2006, 2058 = SIS 06 41 49; BFH-Beschluss vom
19.10.2006 VIII B 159/05, BFH/NV 2006, 421 = SIS 07 06 75;
BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 337 = SIS 04 09 22, Tz. 17 ff.).
Diese Restriktion wird auch auf bestehende Betriebe bezogen, soweit
das Investitionsvorhaben zu einer wesentlichen Betriebserweiterung
führt, da die wesentliche Erweiterung in Anlehnung an die
handelsrechtliche Wertung einer „Ingangsetzung des
Geschäftsbetriebs“ (§ 269 des
Handelsgesetzbuchs) gleichzusetzen ist (BFH-Urteile vom 19.9.2002 X
R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184 = SIS 03 07 67; in
BFH/NV 2005, 846 = SIS 05 21 92; vom 14.2.2007 XI R 24/06, BFH/NV
2007, 1110 = SIS 07 15 55; BMF-Schreiben vom 16.11.2004, BStBl I
2004, 1063 = SIS 05 01 95; ablehnend z.B. Lambrecht in Kirchhof,
EStG, 7. Aufl., § 7g Rz 42; Meyer/Ball, FR 2004, 984, 990 f.;
Paus, FR 2005, 800; Wendt, DStZ 2005, 777, 781 f.).
c) Ist sonach für den Fall einer
beabsichtigten wesentlichen Betriebserweiterung eine - im
Streitfall nicht erfolgte - verbindliche Bestellung der
Investitionsgüter erforderlich, muss Gleiches gelten, wenn die
Absicht einer wesentlichen Betriebserweiterung nicht feststeht, die
im Rahmen der Ansparabschreibung geltend gemachten
Investitionsgüter für den Betrieb aber objektiv nur im
Falle einer wesentlichen Betriebserweiterung verwendbar wären.
Denn es ist bei der für eine
„voraussichtliche“ Investition erforderlichen
Prognose der Investitionstätigkeit (BFH-Urteile in BFHE 200,
343, BStBl II 2004, 184 = SIS 03 07 67; in BFH/NV 2006, 2058 = SIS 06 41 49; vom 20.12.2006 X R 31/03, DStR 2007, 430 = SIS 07 07 83;
BFH-Beschluss vom 5.4.2007 XI B 173/06, BFH/NV 2007, 1308 = SIS 07 20 09; B. Meyer in Herrmann/ Heuer/Raupach, § 7g EStG Rz 95
f.) nicht nur zu prüfen, ob die Investition überhaupt
möglich ist (insoweit z.B. BFH-Urteile in BFHE 200, 343, BStBl
II 2004, 184 = SIS 03 07 67; vom 17.11.2004 X R 41/03, BFH/NV 2005,
848 = SIS 05 21 93). Vielmehr ist für diese Prognose auch zu
würdigen, ob objektiv gewichtige Gesichtspunkte gegen die
Annahme einer Investitionstätigkeit erkennbar sind, die den
gesetzlichen Tatbestand einer
„voraussichtlichen“ Investition (unbeschadet
einer anderslautenden Behauptung des Steuerpflichtigen)
ausschließen (s. insoweit BFH-Beschluss vom 15.6.2005 IV B
28/05, BFH/NV 2005, 2008 = SIS 05 45 05; BFH-Urteil in BFH/NV 2007,
1110 = SIS 07 15 55 zu II. 2.; wohl auch Dötsch, FR 2007, 589,
593; Lambrecht in Kirchhof, a.a.O., § 7g Rz 40; Kulosa in
Schmidt, EStG, 26. Aufl., § 7g Rz 32; ablehnend Weßling/
Romswinkel, DStR 2004, 709, 711). Eine durch objektivierte
wirtschaftliche Gegebenheiten, an welche eine Prognose
anknüpfen könnte, nicht gedeckte Minderung des
steuerlichen Ergebnisses wäre unvereinbar mit der generell an
Steuertatbestände zu stellenden Anforderung, dass der
Gesetzgeber Belastungsgründe „möglichst
unausweichlich“ normieren muss (vgl. BFH-Urteil in BFHE
200, 343, BStBl II 2004, 184 = SIS 03 07 67). Entsprechendes gilt
auch für die Regelung von Entlastungsgründen. Dass der
Gesetzgeber „Mitnahmeeffekten“ durch die
Regelung des Gewinnzuschlags nach § 7g Abs. 5 EStG
entgegenwirken will, widerspricht dem nicht. Nur der durch ein
ernstgemeintes Investitionsvorhaben ausgelöste
Finanzierungsbedarf rechtfertigt die Förderung des
Steuerpflichtigen. Entgegen der Revision wird dadurch nicht ein
„voluntatives Element“ in den Tatbestand
eingefügt, sondern einzelfallbezogen anhand objektiver
Gegebenheiten gewürdigt, ob die Investition tatsächlich
geplant ist, um die anderenfalls mögliche Inanspruchnahme der
Ansparabschreibung „ins Blaue hinein“
auszuschließen.
d) Vor diesem Hintergrund hat das FG auf der
Grundlage der von ihm getroffenen tatsächlichen Feststellungen
in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine für
den Kläger nachteilige Prognose zum Investitionsverhalten
vorgenommen. Dabei konnte es auf das Investitionsvorhaben in der
Gesamtheit abstellen, da es hier nicht um die auf das einzelne
Wirtschaftsgut bezogenen Tatbestandsvoraussetzungen für die
Bildung, den Bestand und die Auflösung der Rücklage geht.
Darüber hinaus konnte das FG aus seinen Erkenntnissen
über den bisherigen Inhalt und den bisherigen Umfang der
Geschäftstätigkeit (handwerkliche Tätigkeit auf der
Grundlage geringfügigen Betriebsvermögens) und den Kreis
der angeführten Wirtschaftsgüter (Betriebs- und
Geschäftsausstattung eines größeren
kaufmännischen Betriebs) die Schlussfolgerung ziehen, dass die
Investition, die mit der gegenwärtigen Struktur des Betriebs
nicht in Verbindung steht, objektiv nicht geeignet ist, den Betrieb
zu fördern.