Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen
Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen

Einschränkung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4 a EStG aufgrund von Überentnahmen nur in den Vorjahren

Einschränkung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4 a EStG aufgrund von Überentnahmen nur in den Vorjahren: Eine Hinzurechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen aufgrund von Überentnahmen nach § 4 Abs. 4 a EStG ist auch dann vorzunehmen, wenn im Veranlagungszeitraum keine Überentnahme vorliegt, sich aber ein Saldo aufgrund von Überentnahmen aus den Vorjahren ergibt. - Urt.; BFH 17.8.2010, VIII R 42/07; SIS 10 31 12

Kapitel:
Unternehmensbereich > Gewinnermittlung > Kredite, Schuldzinsen
Fundstellen
  1. BFH 17.08.2010, VIII R 42/07
    BStBl 2010 II S. 1041
    DStR 2010 S. 2025
    NJW 2011 S. 879
    LEXinform 0588741

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 25.11.2010
    -/- in NWB 41/2010 S. 3250
    jh in StuB 20/2010 S. 792
    M.G. in BB 43/2010 S. 2626
    H.J.P. in BFH/PR 12/2010 S. 466
    K.E.M.K. in HFR 12/2010 S. 1275
    M.W. in FR 1/2011 S. 32
    H.G.H. in FR 13/2011 S. 612
    J.M. in SAktStR 3/2011 S. 319
Normen
[EStG i.d.F. des StBereinG 1999] § 4 Abs. 4 a
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Düsseldorf, 19.12.2006, SIS 07 30 36, Schuldzinsen, Überentnahme, Verfassung, Nettoprinzip, Gleichheitsgrundsatz
  • vor: FG Düsseldorf, 19.12.2006, SIS 07 30 36, Schuldzinsen, Überentnahme, Verfassung, Nettoprinzip, Gleichheitsgrundsatz
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Düsseldorf 1.12.2022, SIS 23 05 48, Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes zur Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags: Der zur Ermittlung des Hinz...
  • BFH 17.5.2022, SIS 22 13 35, Berechnung der Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4 a Sätze 2 und 3 EStG bei der sinngemäßen Anwendung der R...
  • OFD Frankfurt 26.11.2021, SIS 22 02 51, Betrieblicher Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4 a EStG: Die OFD Frankfurt a.M. hat die Änderungen durch d...
  • FG Mecklenburg-Vorpommern 26.5.2021, SIS 21 13 63, Avalprovisionen bzw. Provisionen für eine von einem Tankstellenpächter zur Sicherung offener Forderungen ...
  • FG München 18.3.2021, SIS 21 09 99, Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen: 1. Die Beschränkung des § 4 Abs. 4 a EStG ist auch bei dop...
  • OFD Frankfurt 27.1.2021, SIS 21 06 84, Betrieblicher Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4 a EStG: Die OFD Frankfurt a.M. hat die Änderungen durch d...
  • BFH 5.11.2019, SIS 20 09 04, Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4 a EStG: Bei der Berechnung der nicht abzugsfähigen Schu...
  • BFH 5.11.2019, SIS 20 09 05, Begrenzung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4 a EStG: Bei der Berechnung der nicht abzugsfähigen Schu...
  • FG Düsseldorf 31.5.2019, SIS 19 16 37, Nichtabziehbare Schuldzinsen bei Überentnahmen, Verfassungsmäßigkeit des typisierenden Zinssatzes von 6 %...
  • FG Köln 12.12.2018, SIS 19 03 39, Keine konzernbezogene Betrachtungsweise im Rahmen des § 4 Abs. 4 a EStG bei aus konzerninternem Cash-Pool...
  • BFH 6.12.2018, SIS 19 05 45, Berechnung des Hinzurechnungsbetrags nach § 4 Abs. 4 a EStG: 1. Die Bemessungsgrundlage für die nicht abz...
  • BMF 2.11.2018, SIS 18 17 30, Betrieblicher Schuldzinsenabzug: Unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 14.3.2018 = SIS 18 09 87 hat ...
  • FG Rheinland-Pfalz 8.10.2018, SIS 18 18 39, Überentnahmen bei Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung: Da der Steuerpflichtige bei der Ein...
  • FG Rheinland-Pfalz 9.8.2018, SIS 18 21 99, Überentnahmen nur bei negativem Eigenkapital: Werden Entnahmen nur aus positivem Kapital und nicht durch ...
  • FG Rheinland-Pfalz 9.8.2018, SIS 18 14 98, Überentnahmen bei vorhandenem Eigenkapital: Nicht abziehbare Schuldzinsen sind gemäß § 4 Abs. 4 a S. 3 un...
  • BFH 14.3.2018, SIS 18 09 87, Nicht abziehbare Schuldzinsen, Berücksichtigung von Verlusten: 1. Für die Berechnung der Überentnahme nac...
  • BFH 14.3.2018, SIS 18 10 35, Nicht abziehbare Schuldzinsen, Berücksichtigung von Verlusten: 1. Für die Berechnung der Überentnahme nac...
  • FG München 11.8.2016, SIS 17 13 65, Schuldzinsenabzug und Überentnahmen: 1. Das FG hat bei seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des...
  • BFH 12.7.2016, SIS 16 23 38, Nach § 4 Abs. 4 a EStG nicht abziehbare Schuldzinsen sind keine Werbungskosten bei den Einkünften der Klä...
  • FG München 17.12.2015, SIS 17 01 50, Berechnung der nach § 4 Abs. 4 a EStG nicht abzugsfähigen Schuldzinsen, keine vorrangige Verrechnung von ...
  • BFH 9.4.2014, SIS 14 24 28, Änderung wegen neuer Tatsachen bei unterbliebener Hinzurechnung nicht abzugsfähiger Schuldzinsen: Eine Än...
  • FG München 26.9.2013, SIS 14 05 80, Entnahme, niedrigerer Teilwert als zum Einlagezeitpunkt: Ein zum 1.7.1970 als Einlage geleisteter Acker k...
  • BFH 30.8.2012, SIS 13 01 31, Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Umlaufvermögen unterfallen nicht § 4 Abs. 4 a Satz 5 EStG:...
  • BFH 9.5.2012, SIS 12 19 46, Schuldzinsenabzug nach § 4 Abs. 4 a EStG im Veranlagungszeitraum (Erhebungszeitraum) 2001 - keine Berücks...
  • BFH 22.2.2012, SIS 12 21 44, Berücksichtigung von Verlusten bei § 4 Abs. 4 a EStG: 1. Überentnahmen können nicht höher sein als der Üb...
  • BFH 22.2.2012, SIS 12 21 45, Berücksichtigung von Verlusten bei § 4 Abs. 4 a EStG: 1. Überentnahmen können nicht höher sein als der Üb...
  • BFH 21.12.2011, SIS 12 06 97, Überraschungsentscheidung, Anwendung von § 4 Abs. 4 a EStG: 1. Eine Überraschungsentscheidung ist nicht g...
  • BFH 22.11.2011, SIS 12 30 65, Gewinnbegriff, Wechsel der Gewinnermittlungsart: Der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4 a EStG unterscheidet sic...
  • BFH 23.3.2011, SIS 11 23 89, Keine ungekürzte Abziehbarkeit der auf die Finanzierung von Umlaufvermögen entfallenden Schuldzinsen, Ber...
  • BFH 23.3.2011, SIS 11 29 35, Schuldzinsenabzug gem. § 4 Abs. 4 a EStG: § 4 Abs. 4 a EStG i.V.m. § 52 Abs. 11 Satz 1 EStG ist im Wege v...
  • BFH 23.3.2011, SIS 11 26 07, Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen bei abweichendem Wirtschaftsjahr 1998/1999, keine ungekürzt...
  • BFH 3.3.2011, SIS 11 19 86, Ermittlung von Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a EStG bei Entnahme vom Kontokorrentkonto mit Sollsaldo: ...
Fachaufsätze
  • LIT 02 20 43 H.G. Horlemann, FR 13/2011 S. 612: Ist die Beschränkung des Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG verfassungsgemäß? - Anmerkungen zum BFH...
  • LIT 02 23 89 J. Moritz, AktStR 3/2011 S. 319: BFH-Rechtsprechung zu Zweifelsfragen beim betrieblichen Schuldzinsenabzug gem. § 4 Abs. 4a EStG - Urt. vo...
Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

 

1

I. Die Beteiligten streiten um die Hinzurechnung von Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

 

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Steuerberater und erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Seinen Gewinn ermittelt er seit 1996 durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG).

 

 

3

Zum 31.12.1998 war das Kapitalkonto negativ. In den Veranlagungszeiträumen 1999 bis 2001 erwirtschaftete der Kläger folgende Gewinne und tätigte folgende Einlagen sowie Entnahmen:

 

 

 

 

4

Veranlagungszeitraum

Einlagen

Entnahmen

Gewinn

 

1999

10.290 DM

154.942 DM

90.693 DM

 

2000

7.237 DM

168.323 DM

128.482 DM

 

2001

9.797 DM

169.507 DM

164.468 DM

 

5

Im Streitjahr 2001 betrugen die betrieblichen, nicht auf Investitionsdarlehen entfallenden, Schuldzinsen 74.111 DM.

 

 

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) ermittelte für das Streitjahr als Bemessungsgrundlage für den Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG einen Betrag von 81.804 DM. Für das Jahr 2001 ergab sich zwar eine Unterentnahme in Höhe von 4.759 DM, aus den Vorjahren war jedoch eine verbleibende Überentnahme in Höhe von 86.563 DM zu berücksichtigen. Den Hinzurechnungsbetrag ermittelte das FA mit 4.908,24 DM und erhöhte die Einkünfte des Klägers entsprechend.

 

 

7

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Einspruchsverfahren dagegen erhobene Klage mit seinem - in EFG 2007, 572 = SIS 07 30 36 - veröffentlichten Urteil vom 19.12.2006 11 K 5373/04 E ab.

 

 

8

Mit der Revision rügt der Kläger, das FG habe § 4 Abs. 4a EStG fehlerhaft angewendet. Die Voraussetzungen der Vorschrift seien nicht erfüllt, weil er im Streitjahr keine Überentnahme getätigt habe. Im Übrigen sei die Vorschrift verfassungswidrig. Sie verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie gegen das Übermaßverbot und enthalte eine unzulässige Typisierung.

 

 

9

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid 2001 vom 26.7.2005 dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Gewinns aus selbständiger Arbeit von 164.468 DM festgesetzt wird.

 

 

10

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

11

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

12

1. Das FA hat zu Recht die von dem Kläger erklärten Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Streitjahr um einen Hinzurechnungsbetrag nach § 4 Abs. 4a EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 - StBereinG 1999 - vom 22.12.1999 (BStBl I 1999, 2601) - EStG 1999 - erhöht.

 

 

13

a) Das FG hat für den Senat bindend festgestellt, dass sämtliche vom Kläger erklärten Schuldzinsen betrieblich veranlasst waren. Danach ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug aufgrund von Überentnahmen gemäß § 4 Abs. 4a EStG 1999 eingeschränkt ist (vgl. zur vorrangigen Veranlassungsprüfung einzelner Zahlungsvorgänge Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.9.2005 X R 46/04, BFHE 211, 238, BStBl II 2006, 125 = SIS 06 01 72; vom 21.6.2006 XI R 14/05, BFH/NV 2006, 1832 = SIS 06 38 30; vom 29.3.2007 IV R 72/02, BFHE 217, 514, BStBl II 2008, 420 = SIS 07 28 49).

 

 

14

b) Zu Recht hat das FG die Vorschrift des § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG 1999 auf die betrieblich veranlassten Zinsen des Klägers angewendet.

 

 

15

aa) Schuldzinsen sind nach § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG 1999 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist in Satz 2 des § 4 Abs. 4a EStG 1999 definiert als der Betrag, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahres übersteigen. Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden nach Satz 4 (nach der Änderung durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20.12.2001, BGBl I 2001, 3794 - StÄndG 2001 - : Satz 3 der Vorschrift) typisiert mit 6 v.H. der Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der Überentnahmen der vorangegangenen Wirtschaftsjahre und abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt. Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der um 4.000 DM (jetzt: 2.050 EUR) verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen (sog. Sockelbetrag oder Mindestabzug), ist dem Gewinn hinzuzurechnen (Satz 5; jetzt: Satz 4). Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt nach Satz 6 (jetzt: Satz 5) unberührt.

 

 

16

bb) Nach Ansicht des Klägers ist der Begriff der Überentnahme abschließend durch Satz 2 der Vorschrift definiert. Dieser sei auf das Wirtschaftsjahr bezogen. Falls im laufenden Wirtschaftsjahr keine Überentnahme getätigt worden sei, sei auch der gesetzliche Tatbestand des § 4 Abs. 4a EStG 1999 nicht erfüllt. Eine Gewinnerhöhung komme danach nicht in Betracht, wenn im Wirtschaftsjahr eine sog. Unterentnahme vorliege (so auch Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 4 EStG Rz 1051, m.w.N., sowie Rz 1068, 1070, m.w.N.).

 

 

17

cc) Gegen diese Ansicht spricht jedoch der Wortlaut des Satzes 1, der den Regelungskern der Vorschrift bildet und durch die nachfolgenden Sätze lediglich ergänzt wird. § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG 1999 spricht in der Mehrzahl von „Überentnahmen“, enthält aber keine zeitliche Zuordnung der Überentnahmen zu bestimmten Wirtschaftsjahren.

 

 

18

Satz 4 der Vorschrift (jetzt: Satz 3) lässt indes erkennen, dass die Regelung periodenübergreifend angelegt ist und Schuldzinsen für Überentnahmen so lange nicht abziehbar bleiben sollen, bis der Überhang an Überentnahmen durch Gewinne und Einlagen wieder ausgeglichen ist. Diese periodenübergreifende Regelung greift auch dann ein, wenn im Streitjahr selbst keine Überentnahmen gegeben sind; allerdings sind dann - insoweit abweichend vom missglückten Gesetzeswortlaut - auch Unterentnahmen des Streitjahres zu berücksichtigen (Nacke in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 4 Rz 1657c; Frotscher in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 4 Rz 649; Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Ea 86; Wendt, FR 2000, 417, 427 f.).

 

 

19

dd) Diese Auslegung wird durch den aus der Entstehungsgeschichte ableitbaren Gesetzeszweck bestätigt. Der Gesetzgeber wollte mit § 4 Abs. 4a EStG Gestaltungen in Form sog. Zwei- und Mehrkontenmodelle entgegenwirken und entwickelte im Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) zunächst ein Zurechnungskonzept, nach dem nur die Entnahme von Liquiditätsüberschüssen zulässig sein sollte. Mit dem StBereinG 1999 entschied sich der Gesetzgeber dann jedoch für die jetzige Fassung. Sie basiert auf einem Eigenkapitalmodell (vgl. zur Entstehung des § 4 Abs. 4a EStG Seiler, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 4 Ea 1 ff.; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 596 f.). Der Betriebsinhaber soll, wenn das Eigenkapital negativ ist, dem Betrieb nicht mehr Mittel entziehen, als erwirtschaftet und eingelegt worden sind (vgl. Meurer in Lademann, EStG, § 4 EStG Rz 656 k (1); Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 4 Rz 529; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 596; Nacke in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 4 Rz 1657b; Korn in Korn, § 4 EStG Rz 844.1; Frotscher in Frotscher, a.a.O., § 4 Rz 648; FG Rheinland-Pfalz, Urteile vom 13.3.2003 6 K 2363/02, EFG 2003, 831 = SIS 03 30 00, sowie 6 K 2364/02, juris = SIS 03 30 01). Maßgeblich für die Ermittlung der nicht abziehbaren Schuldzinsen soll daher der jährlich fortzuschreibende Saldo aller Über- und Unterentnahmen sein.

 

 

20

Die Regelung in Rdnr. 23, 24 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 17.11.2005 IV B 2 - S 2144 - 50/05 (BStBl I 2005, 1019 = SIS 05 48 97), wonach eine Überentnahme auch dann vorliegt, wenn sich diese nur aus Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre berechnet, entspricht daher dem Gesetzeszweck und dem möglichen Wortsinn des § 4 Abs. 4a EStG. Deshalb war der Gesetzgeber nicht - wie der Kläger meint - gehalten, in einem nachfolgenden Steuergesetz den Wortlaut der Vorschrift zu korrigieren.

 

 

21

ee) Die Vorschrift des § 4 Abs. 4a EStG muss entgegen der Auffassung des Klägers nicht bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich und der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG stets zum gleichen Ergebnis führen. § 4 Abs. 4a EStG ist auch auf die Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG anzuwenden. Durch die unterschiedliche Gewinnermittlung ergeben sich in einzelnen Jahren unterschiedliche Beträge. Daher sind beim Wechsel der Gewinnermittlungsart anfallende Übergangsgewinne zu berücksichtigen (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2005, 1019 = SIS 05 48 97 Rdnr. 8). Soweit ein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlung besteht, obliegt es dem Steuerpflichtigen, das für ihn günstige Verfahren zu wählen.

 

 

22

2. Es bestehen auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Anwendung des § 4 Abs. 4a EStG (a.A. Söffing, BB 2008, 417; Paus, FR 2006, 412; Horlemann, DStR 2010, 726).

 

 

23

a) Die Vorschrift ist formell verfassungsgemäß. § 4 Abs. 4a EStG ist durch den Vermittlungsausschuss in das EStG eingefügt worden. Durch das StÄndG 2001 hat der Gesetzgeber § 4 Abs. 4a EStG in Einzelfragen geändert und dadurch die Gesamtvorschrift in seinen Willen aufgenommen. Das Demokratieprinzip in Gestalt des Parlamentsvorbehalts wurde daher nicht verletzt (vgl. BFH-Urteil vom 21.9.2005 X R 47/03, BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504 = SIS 06 01 73; Schallmoser, FR 2001, 509, 511; Wendt, FR 2000, 417, 423; zum Bestätigungswillen bei vorkonstitutionellen Gesetzen vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4.6.1985 1 BvL 14/84, BVerfGE 70, 126).

 

 

24

b) Auch materiell ist die Vorschrift verfassungsgemäß. Sie ist unter dem Blickwinkel des Nettoprinzips verfassungsrechtlich unbedenklich, da sie an Überentnahmen und somit an private Ursachen anknüpft (vgl. BFH-Urteil vom 7.3.2006 X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588 = SIS 06 24 74; ebenso HHR/Schallmoser, § 4 EStG Rz 1037; Frotscher in Frotscher, a.a.O., § 4 Rz 625; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 610; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 4 Rz 522).

 

 

25

3. Schließlich bestehen auch gegen die gesetzliche Typisierung der nicht abziehbaren Schuldzinsen mit 6 v.H. der Überentnahmen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

 

26

a) Der Kläger meint zu Unrecht, der Gesetzgeber habe mit dem Gewinn den falschen Anknüpfungspunkt gewählt und seine Typisierungsbefugnis überschritten.

 

 

27

Die jetzige Gesetzesfassung verzichtet aus Praktikabilitätsgründen auf eine liquiditätsbezogene Betrachtung und knüpft an den jeweiligen Bestand des vorhandenen Eigenkapitals an, der grundsätzlich steuerunschädlich entnommen werden darf (vgl. BFH-Urteile in BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504 = SIS 06 01 73; vom 21.9.2005 X R 40/02, BFH/NV 2006, 512 = SIS 06 11 59; a.A. Horlemann, DStR 2010, 726). Diese Anknüpfung ist sachgerecht, weil das Eigenkapital die im Betrieb erwirtschafteten Mittel abbildet, die für eine Entnahme zur Verfügung stehen.

 

 

28

b) Der Kläger macht ferner geltend, es fehle die Möglichkeit einen Gegenbeweis zu führen, dass die durch Entnahmen ausgelösten Zinsen tatsächlich niedriger sind (vgl. HHR/ Schallmoser, § 4 EStG Rz 1037, 1069; Schneider/Petrak, Die Wirtschaftsprüfung 2006, 1105, 1109).

 

 

29

Das FG hingegen sieht zu Recht die Typisierung vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umfasst. Der vom Gesetzgeber gewählte Zinssatz ist nicht überhöht und die Typisierung dient in erster Linie einem Vereinfachungszweck. Insbesondere erspart sie dem Steuerpflichtigen wie der Finanzverwaltung eine genaue umfangmäßige und zeitanteilige Zuordnung der angefallenen Zinsen, die sich letztlich nur bei einer liquiditätsbezogenen Betrachtungsweise leisten ließe. Die Typisierung erweist sich daher als technische Folge der praktikableren kapitalbezogenen Sichtweise (vgl. Seiler, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 4 Ea 83; Tipke, Die Steuerrechtsordnung Band I, 2. Aufl. 2000, § 7 S. 356 unten; Wendt, FR 2000, 417, 427; Frotscher in Frotscher, a.a.O., § 4 Rz 654). Unbillige Ergebnisse sind im Einzelfall nach § 163 der Abgabenordnung zu korrigieren.

 

 

 

 

 

Anmerkung RiBFH Prof. Brandt

1. Die BFH-Entscheidung bestätigt die entsprechende Auffassung der Finanzverwaltung in Tz. 23, 24 des BMF-Schreibens vom 17.11.2005 IV B 2 – S 2144 – 50/05 = SIS 05 48 97 (BStBl 2005 I S. 1019). Der gegenteiligen Auffassung im Schrifttum (wie z.B. Schallmoser in HHR § 4 EStG Rz 1051, m.w.N., sowie Rz 1068, 1070, m.w.N.) hat sich der BFH damit ausdrücklich nicht anschließen wollen.

2. § 4 Abs. 4a EStG ist auch auf die Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG anzuwenden. Soweit sich durch einen Wechsel der Gewinnermittlungsart in einzelnen Jahren unterschiedliche Beträge ergeben, sind wechselbedingte Übergangsgewinne zu berücksichtigen (vgl. BMF-Schreiben IV B 2 – S 2144 – 50/05 = SIS 05 48 97, BStBl 2005 I S. 1019 Rdnr. 8). Soweit ein Wahlrecht hinsichtlich der Gewinnermittlung besteht, obliegt es dem Steuerpflichtigen, das für ihn günstige Verfahren zu wählen.

3. Der BFH hält die Vorschrift insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Nettoprinzips für verfassungskonform, weil sie an Überentnahmen und somit an private Ursachen anknüpft (vgl. BFH-Urteil vom 7. 3. 2006 X R 44/04 = SIS 06 24 74, BStBl 2006 II S. 588). Auch der Verzicht des Gesetzgebers auf eine liquiditätsbezogene Betrachtung (aus Praktikabilitätsgründen) bei der gesetzlichen Typisierung der nicht abziehbaren Schuldzinsen mit 6 v.H. der Überentnahmen knüpft sachgerecht an den jeweiligen Bestand des vorhandenen Eigenkapitals an, der grundsätzlich steuerunschädlich entnommen werden darf (vgl. BFH-Urteil vom 21.9.2005 X R 47/03 = SIS 06 01 73, BStBl 2006 II S. 504; a.A. Horlemann, DStR 2010 S. 726).