Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 08.10.2018 - 5 K 1034/16 =
SIS 18 18 39 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
6
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) ging aufgrund von in den
Betriebsprüfungsakten für die Veranlagungszeiträume
2002 bis 2009 befindlichen formlosen Feststellungen der
maßgeblichen Werte für § 4 Abs. 4a EStG davon aus,
dass für den Zeitraum vom Inkrafttreten der Vorschrift nach
dem 31.12.1998 bis zum Ende des Jahres 2002
periodenübergreifend eine Überentnahme des Klägers
in Höhe von 35.467 EUR vorgelegen habe. Ausgehend von diesem
Anfangswert und den Gewinnen, Einlagen und Entnahmen der Folgejahre
ermittelte das FA eine Überentnahme zum 31.12.2009 in
Höhe von 131.073 EUR. Für die Streitjahre ergaben sich
danach Überentnahmen (2010: 112.104 EUR; 2011: 169.944 EUR;
2013: 178.656 EUR), obwohl in den Streitjahren 2010 und 2013
für sich betrachtet die Höhe der Entnahmen jeweils
niedriger als die Summe aus den Gewinnen und Einlagen des
Klägers war. Unter Berücksichtigung der gemäß
§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG abzugsfähigen Zinsen für
Investitionsdarlehen und des gesetzlichen Kürzungsbetrags von
2.050 EUR (§ 4 Abs. 4a Satz 4 EStG) berechnete das FA aus den
verbliebenen Schuldzinsen für die Streitjahre
Hinzurechnungsbeträge in Höhe von (gerundet) 2.309 EUR
(2010), 3.713 EUR (2011) und 1.335 EUR (2013). Die sich hieraus
ergebenden höheren Gewinne der Streitjahre stellte das FA in
den (gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung)
geänderten Feststellungsbescheiden (sämtlich vom
25.08.2015) entsprechend fest.
|
|
|
7
|
Im Einspruchsverfahren machte der
Kläger geltend, die vom FA für die Streitjahre
ermittelten Überentnahmen seien unzutreffend. Die Höhe
der Überentnahmen im Streitjahr 2010 sei auf die Höhe des
negativen Eigenkapitals (47.505 EUR) zu begrenzen, das sich aus
einer vereinfachten fiktiven Bilanz bei Gegenüberstellung der
Aktivposten (81.230 EUR) und Passivposten (Summe aller
Verbindlichkeiten = 128.735 EUR) ergebe. Das FA wies den Einspruch
als unbegründet zurück.
|
|
|
8
|
Das Finanzgericht (FG) wies die
anschließend erhobene Klage aus den in EFG 2019, 29 =
SIS 18 18 39 mitgeteilten
Gründen ab.
|
|
|
9
|
Mit der Revision verfolgt der Kläger
sein Begehren weiter. Er rügt die Verletzung materiellen
Bundesrechts. Das FG habe § 4 Abs. 4a Sätze 1 bis 5 EStG
im Rahmen der sinngemäßen Anwendung der Regelungen auf
einen Einnahmenüberschussrechner unzutreffend angewendet. Eine
periodenübergreifend ermittelte Überentnahme entspreche
einem negativen Eigenkapitalvortrag im jeweiligen
Gewinnermittlungszeitraum. Die typisierend ermittelten
Überentnahmen seien mit der Höhe eines vereinfacht zu
ermittelnden negativen bilanziellen Eigenkapitals des Betriebs zum
Ende des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraum zu vergleichen. Sei
das bilanzielle negative Eigenkapital niedriger als der Betrag der
Überentnahme, seien die Hinzurechnungsbeträge aus dem
niedrigeren bilanziellen negativen Eigenkapital zu
berechnen.
|
|
|
10
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß,
|
|
das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom
08.10.2018 - 5 K 1034/16 aufzuheben und die Feststellungsbescheide
2010, 2011 und 2013 (jeweils vom 25.08.2015) in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 11.12.2015 mit der Maßgabe zu
ändern, dass bei der Berechnung des Jahres 2010 eine
Überentnahme in Höhe von 47.505 EUR statt von 131.073 EUR
und für die Streitjahre 2011 und 2013 in der sich aus diesem
Anfangswert fortzuentwickelnden Höhe angesetzt wird.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
13
|
Das FG hat zutreffend entschieden, dass im
Rahmen der sinngemäßen Anwendung der Vorschrift bei
Steuerpflichtigen mit einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3
EStG wie bei dem Kläger der Betrag der Überentnahmen
gemäß § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG
periodenübergreifend zu ermitteln ist. Überentnahmen
können danach auch in Gewinnermittlungszeiträumen gegeben
sein, in denen die Entnahmen geringer als die Summe aus dem Gewinn
gemäß § 4 Abs. 4a Satz 2 i.V.m. Abs. 3 EStG und den
Einlagen des Gewinnermittlungszeitraums sind (s. II.1.). Ferner hat
das FG ohne Rechtsfehler entschieden, § 4 Abs. 4a Sätze 2
und 3 EStG seien im Rahmen der sinngemäßen Anwendung auf
Einnahmenüberschussrechner nicht in der Weise auszulegen, dass
ein periodenübergreifend ermittelter Überentnahmebetrag
auf die Höhe eines (vereinfacht ermittelten) niedrigeren
bilanziellen negativen Eigenkapitals zu begrenzen ist (s. II.2.).
Die Abweisung der Klage durch das FG ist danach nicht zu
beanstanden (s. II.3.).
|
|
|
14
|
1. Die periodenübergreifende Ermittlung
der Überentnahmen in den Streitjahren durch das FG ist
zutreffend.
|
|
|
15
|
a) Seit Einführung des § 4 Abs. 4a
EStG ist der Schuldzinsenabzug zweistufig zu prüfen.
Zunächst ist im ersten Schritt zu klären, ob der
betreffende Kredit nach den von der Rechtsprechung aufgestellten
Grundsätzen eine betriebliche oder private Schuld ist. Sodann
ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob und in welchem
Umfang die betrieblich veranlassten Schuldzinsen nach § 4 Abs.
4a EStG abziehbar sind (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 21.09.2005 - X R 47/03, BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504
= SIS 06 01 73, unter II.2.a und b; vom 22.02.2012 - X R 12/09,
BFH/NV 2012, 1418 = SIS 12 21 44; vom 14.03.2018 - X R 17/16, BFHE
261, 273, BStBl II 2018, 744 = SIS 18 09 87, Rz 17, und vom
17.08.2010 - VIII R 42/07, BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041 = SIS 10 31 12, Rz 13). Das FG hat i.S. des § 118 Abs. 2 FGO bindend
festgestellt, dass die hier streitigen Schuldzinsen nach der ersten
Stufe betrieblich veranlasst sind.
|
|
|
16
|
b) Gemäß § 4 Abs. 4a Satz 6
Halbsatz 1 EStG sind bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3
EStG - wie im Streitfall - die Sätze 1 bis 5 des § 4 Abs.
4a EStG sinngemäß anzuwenden. Schuldzinsen sind
gemäß § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG nach Maßgabe
der Sätze 2 bis 4 nicht abziehbar, wenn Überentnahmen
getätigt worden sind. Eine Überentnahme ist der Betrag,
um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des
Wirtschaftsjahres übersteigen (§ 4 Abs. 4a Satz 2 EStG).
Die nicht abziehbaren Schuldzinsen werden typisiert mit 6 % der
Überentnahme des Wirtschaftsjahres zuzüglich der
Überentnahmen vorangegangener Wirtschaftsjahre und
abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen
Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen
überstiegen haben (Unterentnahmen), ermittelt; bei der
Ermittlung der Überentnahme ist vom Gewinn ohne
Berücksichtigung der gemäß § 4 Abs. 4a EStG
nicht abziehbaren Schuldzinsen auszugehen (§ 4 Abs. 4a Satz 3
EStG). Der sich dabei ergebende Betrag, höchstens jedoch der
um 2.050 EUR verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen
Schuldzinsen, ist dem Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 4a Satz
4 EStG). Der Abzug von Schuldzinsen für Darlehen zur
Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten von
Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bleibt
unberührt (§ 4 Abs. 4a Satz 5 EStG).
|
|
|
17
|
c) Die Beschränkung des
Schuldzinsenabzugs nach § 4 Abs. 4a EStG ist
periodenübergreifend angelegt. Dies folgt aus dem
Grundtatbestand in § 4 Abs. 4a Satz 1 EStG
(„Überentnahmen“),
insbesondere aber aus der Berechnungsvorschrift in § 4 Abs. 4a
Satz 3 EStG. So können Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG
in einem Wirtschaftsjahr auch dann nicht abziehbar sein, wenn in
diesem Jahr selbst keine Überentnahme zu verzeichnen ist, denn
die nicht abziehbaren Schuldzinsen können auch
ausschließlich auf den Überentnahmen früherer Jahre
beruhen (BFH-Urteile in BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744 = SIS 18 09 87, Rz 28, m.w.N.; in BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041 = SIS 10 31 12, Rz 17 bis 19; Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 02.11.2018 - IV C 6-S 2144/07/10001:007, BStBl I 2018,
1207 = SIS 18 17 30, Rz 14 bis 16, 18, 20).
|
|
|
18
|
d) Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen
der sinngemäßen Anwendung der Regelungen in § 4
Abs. 4a Sätze 1 bis 5 EStG auf Steuerpflichtige, die ihren
Gewinn im Wege der Einnahmenüberschussrechnung ermitteln
(§ 4 Abs. 4a Satz 6 Halbsatz 1 EStG). Wie der X. Senat des BFH
im Urteil in BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744 = SIS 18 09 87, und
der erkennende Senat im Urteil in BFHE 230, 424, BStBl II 2010,
1041 = SIS 10 31 12, zu Steuerpflichtigen mit Gewinnermittlungen im
Wege des Betriebsvermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 EStG)
entschieden haben, ist die periodenübergreifende Berechnung
der Über- und Unterentnahmen vom Inkrafttreten der Regelung
bis zum betrachteten Gewinnermittlungszeitraum ein
wesensprägendes Merkmal des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und
3 EStG. Sie ist daher auch im Rahmen der
„sinngemäßen“
Anwendung der Vorschrift heranzuziehen. Dem Schrifttum ist insoweit
nichts Gegenteiliges zu entnehmen (Kanzler u.a. in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 4 EStG Rz 1091; Bode in
Kirchhof/ Seer, EStG, 21. Aufl., § 4 Rz 193; Korn u.a. in
Korn, § 4 EStG Rz 854; Seiler/ Spilker/Söhn in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz Ea 112, 114;
Schmidt/Loschelder, EStG, 41. Aufl., § 4 Rz 534; wohl auch
HHR/Schallmoser, § 4 EStG Rz 1053, 1090).
|
|
|
19
|
2. Die Begrenzung der Überentnahme eines
Gewinnermittlungszeitraums auf die Höhe eines (vereinfacht
ermittelten) niedrigeren bilanziellen negativen Eigenkapitals des
Klägers sieht das Gesetz nicht vor. Eine solche Auslegung
widerspräche auch dem Normzweck der auf den Kläger
sinngemäß anzuwendenden Regelungen in § 4 Abs. 4a
Sätze 2 und 3 EStG und dem Zweck der
Einnahmenüberschussrechnung i.S. des § 4 Abs. 3 EStG als
vereinfachter Gewinnermittlungsmethode.
|
|
|
20
|
a) Zwar ist dem Kläger darin zuzustimmen,
dass § 4 Abs. 4a EStG sich am sog. Eigenkapitalmodell
orientiert. Er übersieht jedoch, dass der Betrag des
Eigenkapitals, der, ohne eine Hinzurechnung gemäß §
4 Abs. 4a EStG auszulösen, entnommen werden kann, bei
bilanzierenden Steuerpflichtigen und bei
Einnahmenüberschussrechnern typisierend zu ermitteln ist. Dem
Gesetz ist zudem weder für Gewinnermittler gemäß
§ 4 Abs. 1 EStG noch für Einnahmenüberschussrechner
gemäß § 4 Abs. 3 EStG zu entnehmen, dass das
typisierend ermittelte, entnahmefähige Eigenkapital und die
Höhe der Über- und Unterentnahmen mit der Höhe eines
bilanziellen Kapitalkontos des Steuerpflichtigen für den
jeweiligen Gewinnermittlungszeitraum abzustimmen ist. Eine solche
Auslegung würde der Regelungsintention des Gesetzgebers
zuwiderlaufen.
|
|
|
21
|
aa) Entnahmefähig sind ohne nachteilige
Folgen für den betrieblichen Schuldzinsenabzug nach den
gesetzlichen Regelungen in § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG
der im Unternehmen erwirtschaftete Gewinn und geleistete Einlagen
(BFH-Urteile in BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504 = SIS 06 01 73,
unter II.4.a bb; vom 07.03.2006 - X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl
II 2006, 588 = SIS 06 24 74, unter II.3.b). § 4 Abs. 4a EStG
schränkt den Schuldzinsenabzug ein, wenn der Steuerpflichtige
dem Betrieb mehr Mittel entnimmt als ihm hierfür als
erwirtschaftetes und eingelegtes Eigenkapital zur Verfügung
steht und er mithin Fremdkapital entnimmt (BFH-Urteile in BFH/NV
2012, 1418 = SIS 12 21 44, Rz 19; in BFHE 230, 424, BStBl II 2010,
1041 = SIS 10 31 12, Rz 19).
|
|
|
22
|
bb) Das unschädlich entnahmefähige
Eigenkapital definiert der Gesetzgeber in § 4 Abs. 4a Satz 3
EStG aus Vereinfachungsgründen jedoch stark pauschalierend und
typisierend.
|
|
|
23
|
aaa) Dies gilt erstens in zeitlicher Hinsicht.
Ein positives Eigenkapital, das aus vor dem 01.01.1999 endenden
Wirtschaftsjahren herrührt, bleibt für die
periodenübergreifende Ermittlung der Unter- und
Überentnahmen (§ 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG)
unberücksichtigt, denn in dem ersten nach dem 31.12.1998
endenden Wirtschaftsjahr ist seit der Änderung der
Anwendungsbestimmung in § 52 Abs. 11 Sätze 1 und 2 EStG
i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 2001 vom 20.12.2001 -
StÄndG - (BGBl I 2001, 3794; heute § 52 Abs. 6 Sätze
7 und 8 EStG) von einem Kapitalkonto (Eigenkapital) in Höhe
von „Null“ auszugehen. Das
unschädlich entnahmefähige Eigenkapital des Betriebs im
Sinne des Eigenkapitalmodells besteht ausgehend von diesem
Anfangswert in der Folgezeit aus dem Gewinn und den Einlagen
abzüglich der Entnahmen in den nach dem 31.12.1998 endenden
Wirtschaftsjahren (vgl. BFH-Urteil vom 05.11.2019 - X R 40-41/18,
BFH/NV 2020, 858 = SIS 20 09 04, Rz 23 bis 25). Auch für den
Einnahmenüberschussrechner ist für die Ermittlung der
Über- und Unterentnahmen vom Stand eines Kapitalkontos von
„Null“ zum 31.12.1998 auszugehen.
Das unschädlich entnahmefähige Eigenkapital wird auch im
Rahmen der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a
Sätze 2 und 3 EStG nur durch den nach dem 31.12.1998
gemäß § 4 Abs. 3 EStG erwirtschafteten Gewinn und
den Einlagen abzüglich der Entnahmen gebildet (s. dazu
BFH-Urteil vom 21.08.2012 - VIII R 32/09, BFHE 239, 31, BStBl II
2013, 16 = SIS 12 30 64).
|
|
|
24
|
bbb) Ferner kommt die pauschalierende und
typisierende Bestimmung des unschädlich entnahmefähigen
Eigenkapitals in dem Merkmal des
„Gewinns“ i.S. des § 4 Abs.
4a Satz 2 EStG zum Ausdruck. Bei Steuerpflichtigen, die den Gewinn
nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln, handelt es sich beim
„Gewinn“ um das Ergebnis des
(innerbilanziellen) Betriebsvermögensvergleichs; er
unterscheidet sich insoweit vom steuerlichen Gewinn i.S. des §
2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, der unter Anwendung sämtlicher
Vorschriften der §§ 4 bis 7k und 13a EStG zu ermitteln
ist (BFH-Urteil vom 03.12.2019 - X R 6/18, BFHE 267, 346, BStBl II
2021, 77 = SIS 20 06 62, Rz 14, 16; BFH-Beschluss vom 02.12.2013 -
III B 4/13, BFH/NV 2014, 339 = SIS 14 03 94, Rz 5 zur
Unbeachtlichkeit stiller Reserven). Beim
Einnahmenüberschussrechner ist im Rahmen der
sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a Satz 2 EStG
auf den Gewinn abzustellen, der sich nach § 4 Abs. 3 EStG
ergibt. Führen die Gewinnermittlungsmethoden durch
Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) und die Gewinnermittlung
nach § 4 Abs. 3 EStG im Hinblick auf § 4 Abs. 4a EStG zu
unterschiedlich hohen Hinzurechnungsbeträgen, ist dies wegen
der pauschalierenden und typisierenden Ermittlungstechnik des
Gesetzes hinzunehmen (BFH-Urteile vom 22.11.2011 - VIII R 5/08,
juris = SIS 12 30 65, Rz 17 zum Ansatz von Übergangsgewinnen;
in BFHE 230, 424, BStBl II 2010, 1041 = SIS 10 31 12, Rz 21; in
BFHE 212, 501, BStBl II 2006, 588 = SIS 06 24 74, Rz 15, 17; in
BFHE 211, 227, BStBl II 2006, 504 = SIS 06 01 73, unter II.4.a.cc
am Ende zu Nachteilen des Einnahmenüberschussrechners bei der
Ermittlung von Über- und Unterentnahmen aus Wirtschaftsjahren,
die vor dem 01.01.1999 endeten, nach § 52 Abs. 11 EStG vor der
Änderung im StÄndG 2001).
|
|
|
25
|
cc) Es widerspräche der dargelegten
Regelungsintention des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG,
wenn für Zwecke der Ermittlung der Überentnahmen im
Rahmen einer Kontrollrechnung auf das bilanzielle Eigenkapital des
Betriebs, das sich in der betrieblichen Totalperiode bis zum
betrachteten Gewinnermittlungszeitraum ergibt, abgestellt und der
jeweils günstigere Betrag herangezogen werden müsste. Der
X. Senat des BFH hat dementsprechend bereits entschieden, dass eine
Überentnahme i.S. des § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG
trotz eines positiven bilanziellen Eigenkapitals (positiven
Kapitalkontos) des Betriebs in diesem Gewinnermittlungszeitraum
vorliegen und die Hinzurechnung auslösen kann (BFH-Urteil in
BFH/NV 2020, 858 = SIS 20 09 04, Rz 21 ff). Hieraus folgt auch,
dass eine Überentnahme i.S. des § 4 Abs. 4a Sätze 2
und 3 EStG nicht auf ein niedrigeres bilanzielles negatives
Eigenkapital des Betriebs in diesem Gewinnermittlungszeitraum zu
begrenzen ist. Da für die Ermittlung des unschädlich
entnahmefähigen Eigenkapitals im System des § 4 Abs. 4a
EStG nach der Grundentscheidung des Gesetzgebers Über- und
Unterentnahmen aus vor dem 01.01.1999 endenden Wirtschaftsjahren
unberücksichtigt bleiben (§ 52 Abs. 11 Satz 2 EStG i.d.F.
des StÄndG 2001, jetzt § 52 Abs. 6 Satz 8 EStG, vgl.
unter II.2.a.bb aaa) und nur auf die ab 1999 erwirtschafteten
Gewinne, Einlagen und Entnahmen abzustellen ist, liefe es der
Regelungsintention des Gesetzgebers zuwider, wenn das bilanzielle
Eigenkapital, wie es sich aus der betrieblichen Totalperiode
für ein bestimmtes Wirtschaftsjahr ergibt, gegenüber der
gesetzlichen Berechnungsmethode für die Über- und
Unterentnahmen letztlich vorrangig wäre.
|
|
|
26
|
dd) Lässt der Pauschalierungs- und
Vereinfachungszweck des § 4 Abs. 4a EStG es bei
Steuerpflichtigen mit einer Gewinnermittlung nach dem
Betriebsvermögensvergleich nicht zu, zur
periodenübergreifenden Ermittlung der Überentnahmen auf
ein (höheres oder niedrigeres negatives) bilanzielles
betriebliches Eigenkapital des jeweiligen
Gewinnermittlungszeitraums zurückzugreifen, ist dies bei einem
Einnahmenüberschussrechner erst recht der Fall. Auch im Rahmen
der sinngemäßen Anwendung des § 4 Abs. 4a
Sätze 1 bis 5 EStG liefe es dem Vereinfachungszweck der
Regelungen in § 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG zuwider,
wenn der Kläger als Einnahmenüberschussrechner - wie von
ihm vorgetragen - aus dem Saldo der Aktiva (einschließlich
der Forderungen) und der Passiva vereinfacht ein negatives
Eigenkapital ableiten könnte und der höhere Betrag einer
Überentnahme auf das negative Eigenkapital zu begrenzen
wäre (andere Auffassung wohl HHR/Schallmoser, § 4 EStG Rz
1091). Es wäre auch mit dem generellen Vereinfachungszweck der
Einnahmenüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3
EStG, der nicht erreicht werden kann, wenn Bücher geführt
oder Bilanzen aufgestellt werden (vgl. BFH-Urteil vom 20.04.2021 -
IV R 3/20, BFHE 273, 119 = SIS 21 12 89, Rz 47, m.w.N.), nicht zu
vereinbaren, wenn der Steuerpflichtige allein für Zwecke des
§ 4 Abs. 4a EStG eine vereinfachte
„Schattenbilanz“ erstellen
dürfte.
|
|
|
27
|
ee) Im Übrigen wäre die Revision
für die Streitjahre 2011 und 2013 auch unbegründet, wenn
man mit dem Kläger aufgrund des vereinfacht berechneten
negativen Eigenkapitals von einer Überentnahme am Ende des
Jahres 2009 in Höhe von 47.505 EUR ausginge. Nach den
festgestellten Gewinnen, Einlagen und Entnahmen ergäben sich
daraus für die Streitjahre Überentnahmen von 28.536 EUR
(2010), von 86.376 EUR (2011) und von 95.088 EUR (2013). Diese
Überentnahmebeträge wären zwar niedriger als die vom
FG in der Vorentscheidung angesetzten Beträge (s. unter II.3.b
des FG-Urteils). Die sich aus den Überentnahmebeträgen
des Klägers ergebenden 6%igen Hinzurechnungsbeträge
(2010: 1.712 EUR; 2011: 5.183 EUR; 2013: 5.705 EUR) wären in
den Streitjahren 2011 und 2013 jedoch höher als die den
angefochtenen Feststellungsbescheiden zugrunde liegenden
Hinzurechnungsbeträge (2011: 3.713 EUR; 2013: 1.335 EUR).
|
|
|
28
|
b) Der Senat hat auch keine durchgreifenden
verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der nach der
dargelegten Auslegung auch für Einnahmenüberschussrechner
bestehenden Gesetzeslage. Er nimmt zur Vermeidung von
Wiederholungen auf seine Begründung im Urteil in BFHE 230,
424, BStBl II 2010, 1041 = SIS 10 31 12 (Rz 22 ff. zur formellen
Verfassungsmäßigkeit und Vereinbarkeit mit dem
objektiven Nettoprinzip; Rz 25 ff. zum 6 %-Zinssatz als
zulässiger Typisierung) und die zustimmenden Ausführungen
des IV. und des X. Senats des BFH (BFH-Urteile vom 03.03.2011 - IV R 53/07, BFHE 233, 127, BStBl II
2011, 688 = SIS 11 19 86, Rz 40; in
BFH/NV 2012, 1418 = SIS 12 21 44, Rz 32 ff.) Bezug. Auch die
typisierende Ermittlung des unschädlich entnahmefähigen
Eigenkapitals innerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des §
4 Abs. 4a EStG unterliegt keinen verfassungsrechtlichen Bedenken
(BFH-Urteil in BFH/NV 2020, 858 = SIS 20 09 04, Rz 23, m.w.N.).
|
|
|
29
|
3. Das FG hat die Klage danach zutreffend als
unbegründet abgewiesen.
|
|
|
30
|
a) Es ist nicht zu beanstanden, dass das FG in
den Streitjahren von niedrigeren Überentnahmen als das FA
ausgegangen ist. Es hat den Streitfall dahin gewürdigt, dass
eine Überentnahme des Klägers zum Ende des Jahres 2002,
die das FA seiner Berechnung zugrunde gelegt hatte, nicht
festgestellt werden konnte. Hieran ist der Senat gebunden (§
118 Abs. 2 FGO). Das FG ist somit ohne Rechtsfehler von einer
Überentnahme zum Ende des Jahres 2002 in Höhe von 0 EUR
ausgegangen.
|
|
|
31
|
b) Die sich aus diesem Ausgangswert für
das FG ergebenden Überentnahmen in den Streitjahren (2010:
76.637 EUR; 2011: 134.477 EUR; 2013: 143.189 EUR) und die
Berechnung der 6%igen Hinzurechnungsbeträge gemäß
§ 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG (2010: 4.598 EUR; 2011:
8.068 EUR; 2013: 8.591 EUR) durch das FG sind ebenfalls nicht zu
beanstanden (s. unter II.3.b des FG-Urteils). Die - nach Abzug der
Schuldzinsen für Investitionszinsen (§ 4 Abs. 4a Satz 5
EStG) und Berücksichtigung des Kürzungsbetrags (§ 4
Abs. 4a Satz 4 EStG: 2.050 EUR) - dem Gewinn in den angefochtenen
Feststellungsbescheiden hinzugerechneten Schuldzinsen (2010: 2.309
EUR; 2011: 3.713 EUR; 2013: 1.335 EUR) sind geringer und damit
rechtmäßig.
|
|
|
32
|
c) Es bedarf keiner abschließenden
Beurteilung, ob - wie vom FG geprüft - die Höhe der
Überentnahmen in den Streitjahren nach Maßgabe des
BFH-Urteils in BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744 = SIS 18 09 87 (Rz
34 ff.) jeweils auf den Betrag eines (periodenübergreifend zu
berechnenden) Entnahmeüberschusses desselben
Gewinnermittlungszeitraums zu begrenzen sein könnte. Die
kumulierten Entnahmeüberschüsse, die sich aus den
Feststellungen des FG zum Ende der Streitjahre ergeben (2010:
1.326.215 EUR [kumulierter Entnahmeüberhang zum 31.12.2009
1.122.927 EUR + Entnahmeüberhang des VZ 2010 203.288 EUR];
2011: 1.483.848 EUR [kumulierter Entnahmeüberhang zum
31.12.2010 1.326.215 EUR + Entnahmeüberhang des VZ 2011
157.633 EUR]; 2013: 1.862.873 EUR [kumulierter
Entnahmeüberhang zum 31.12.2012 1.687.688 EUR +
Entnahmeüberhang des VZ 2013 175.185 EUR]), übersteigen
die vom FG berechneten Überentnahmebeträge i.S. des
§ 4 Abs. 4a Sätze 2 und 3 EStG (s. unter II.3.b des
FG-Urteils). Aus Sicht des Senats spricht auch kein Argument
dafür, Überentnahmen i.S. des § 4 Abs. 4a Sätze
2 und 3 EStG auf periodenübergreifend ermittelte
tatsächliche Entnahmeüberschüsse zu begrenzen, wenn
der Steuerpflichtige innerhalb der betrachteten
Gewinnermittlungszeiträume - anders als im Fall des X. Senats
des BFH - keine Verluste, sondern wie im Streitfall
ausschließlich Gewinne erzielt hat.
|
|
|
33
|
4. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 90 Abs. 2 FGO).
|
|
|
34
|
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|