1
|
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wendet sich gegen
Einkommensteueränderungsbescheide für die Jahre 1991 und
1992, mit denen insbesondere seine vom Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) geschätzten
Einkünfte aus Kapitalvermögen der Besteuerung unterworfen
wurden. Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit
Einspruchsentscheidungen vom 17. bzw. 18.10.2006 als
unbegründet zurück, nachdem es die angefochtenen
Einkommensteuerbescheide zuvor unter Ansatz niedrigerer
Einkünfte aus Kapitalvermögen geändert
hatte.
|
|
|
2
|
Dagegen hat der Kläger Klage erhoben
und nach den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts
(FG) in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die
Klageschrift durch seinen früheren Berater erstellt, per Mail
an einen Mitarbeiter des Beraters mit der eingescannten
Unterschrift des Beraters übermittelt, von dem Mitarbeiter
ausgedruckt und sodann per Fax - innerhalb der Klagefrist - an das
Gericht übersandt wurde.
|
|
|
3
|
Das FG wies die Klage als unzulässig
ab, weil die per Fax übermittelte Klageschrift wegen der nur
eingescannten Unterschrift des früheren Beraters nicht
über die nach § 64 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
erforderliche Schriftform verfüge.
|
|
|
4
|
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung des § 64 FGO.
|
|
|
5
|
Zu Unrecht habe das FG die mit
eingescannter Unterschrift erhobene Klage als nicht formgerecht
angesehen, nachdem der Gemeinsame Senat der Obersten
Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) mit seiner Entscheidung vom
5.4.2000 GmS-OGB 1/98 (MDR 2000, 1089 = SIS 00 10 34) entschieden
habe, bestimmende Schriftsätze könnten formwirksam durch
elektronische Übertragung einer Textdatei mit eingescannter
Unterschrift des Prozessbevollmächtigten auf ein Faxgerät
des Gerichts übermittelt werden. Auch diese Form erfülle
den Zweck des Schriftlichkeitsgebots, hinreichend sicher den Inhalt
der Erklärung und die Person des Erklärenden auszuweisen.
Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit des
elektronischen Schriftsatzes sei nämlich nicht - wie der
GmS-OGB ausdrücklich ausgeführt habe - eine etwa beim
Absender vorhandene Kopiervorlage oder eine nur im PC des Absenders
vorhandene Datei, sondern allein die auf seine Veranlassung am
Empfangsort (Gericht) erstellte körperliche Urkunde.
|
|
|
6
|
Der Kläger beantragt, das angefochtene
Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
8
|
Es trägt vor, dass die Entscheidung
des GmS-OGB zur Übersendung bestimmender Schriftsätze per
Computerfax ergangen sei und nach dem Beschluss des
Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10.10.2006 XI ZB 40/05 (MDR 2007, 481
= SIS 06 47 73) auf die Übertragung solcher Schriftsätze
durch „normales“ Fax nicht übertragen werden
könne. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe die
Verfassungsbeschwerde gegen die BGH-Entscheidung mit Beschluss vom
18.4.2007 1 BvR 110/07 (juris) nicht angenommen. Auch der
Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Beschluss vom 10.7.2002 VII B 6/02
(BFH/NV 2002, 1597 = SIS 03 02 63) an dem Erfordernis der
eigenhändigen Unterschrift bei Klageerhebung durch Telefax
festgehalten.
|
|
|
9
|
II. Die Revision ist begründet; das
angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
|
|
|
10
|
Zu Unrecht hat das FG die fristgerecht bei
Gericht eingegangene Klage mit der Begründung als
unzulässig angesehen, sie weise eine nur eingescannte
Unterschrift des früheren Klägervertreters auf.
|
|
|
11
|
1. Nach § 64 Abs. 1 FGO ist den formellen
Anforderungen an eine finanzgerichtliche Klage genügt, wenn
sie bei dem Gericht schriftlich oder zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erhoben wird.
|
|
|
12
|
a) Nach ständiger Rechtsprechung soll die
Schriftform gewährleisten, dass der Inhalt der Erklärung
und die erklärende Person hinreichend zuverlässig
festgestellt werden können. Des Weiteren soll das aus dem
Schriftformerfordernis abgeleitete Gebot einer Unterschrift des
Erklärenden sicherstellen, dass das Schriftstück keinen
Entwurf betrifft, sondern mit Wissen und Wollen des
Erklärenden an das Gericht gesandt wurde (vgl. GmS-OGB,
Beschluss vom 30.4.1979 GmS-OGB 1/78, NJW 1980, 172; BFH-Urteil vom
29.8.1969 III R 86/68, BFHE 97, 226, BStBl II 1970, 89 = SIS 70 00 50; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5.11.1973 GrS
2/72, BFHE 111, 278, BStBl II 1974, 242 = SIS 74 01 36; BFH-Urteil
vom 17.12.1998 III R 101/96, BFH/NV 1999, 967 = SIS 98 59 07;
BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1597 = SIS 03 02 63).
|
|
|
13
|
b) Dieses Unterschriftserfordernis ist
gewahrt, wenn ein Rechtsbehelf oder ein anderer sog. bestimmender
Schriftsatz nach Maßgabe des § 126 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs von dem Rechtsbehelfsführer bzw.
Verfasser oder seinem jeweiligen Verfahrensbevollmächtigten
(BFH-Urteil vom 18.5.1972 V R 149/71, BFHE 106, 7, BStBl II 1972,
771 = SIS 72 04 44) eigenhändig - handschriftlich -
unterschrieben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 97, 226, BStBl II 1970, 89
= SIS 70 00 50; vom 7.8.1974 II R 169/70, BFHE 113, 490, BStBl II
1975, 194 = SIS 75 01 11; BFH-Beschlüsse vom 24.1.1994 V R
137/93, BFH/NV 1995, 312; vom 15.1.2002 X B 143/01, BFH/NV 2002,
669 = SIS 02 62 54) und mit einer solchen Unterschrift vor Ablauf
der Klagefrist bei Gericht vorgelegt wurde (vgl. §§ 47
Abs. 1, 116 Abs. 2, 120 Abs. 1, 129 Abs. 1 FGO; BFH-Beschluss in
BFH/NV 2002, 1597 = SIS 03 02 63).
|
|
|
14
|
c) Diese Anforderungen - auch hinsichtlich der
eigenhändigen Unterschrift - gelten grundsätzlich
gleichermaßen für bestimmende Schriftsätze, die dem
Gericht per Telefax übermittelt werden.
|
|
|
15
|
aa) Dem Unterschriftserfordernis genügt
allerdings bei Schriftsätzen von Behörden,
Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts
eine maschinenschriftliche Unterzeichnung mit handschriftlichem
Beglaubigungsvermerk auch ohne Dienstsiegel (vgl. GmS-OGB,
Beschluss in NJW 1980, 172).
|
|
|
16
|
bb) Darüber hinaus bedarf es nach
ständiger Rechtsprechung keiner eigenhändigen
Unterschrift, wenn der jeweilige bestimmende Schriftsatz durch
Telegramm, Fernschreiber, Telebrief, Telekopie oder
Bildschirmtextmitteilung übermittelt wird (vgl. § 130 Nr.
6 der Zivilprozessordnung - ZPO - ; BFH-Beschlüsse vom
21.6.1968 III B 36/67, BFHE 92, 438, BStBl II 1968, 589 = SIS 68 04 02; vom 22.3.1983 VIII B 117/80, BFHE 138, 403, BStBl II 1983, 579
= SIS 83 15 41; BFH-Urteil vom 3.10.1986 III R 207/81, BFHE 148,
205, BStBl II 1987, 131 = SIS 87 03 62).
|
|
|
17
|
cc) Auch die Übermittlung der
Klageschrift per Computerfax ist ohne Unterschrift wirksam, weil
bei dieser Form auf der Seite des Absenders kein körperliches
Schriftstück existiert. Infolgedessen genügt es für
die Wirksamkeit einer derart erhobenen Klage, dass sich aus dem
Schriftsatz selbst oder den Begleitumständen die Urheberschaft
und der Wille, das Schriftstück in den Verkehr zu bringen,
hinreichend sicher ergeben (BFH-Beschluss vom 11.11.1997 VII B
108/97, BFH/NV 1998, 604; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom
5.3.2008 2 K 202/06, EFG 2009, 427 = SIS 09 04 50; FG München,
Urteil vom 26.11.2007 1 K 2342/07, juris = SIS 09 01 62).
|
|
|
18
|
Davon unberührt bleibt die
Möglichkeit, eine Klage durch ein elektronisches Dokument i.S.
des § 52a FGO mit den dort spezialgesetzlich geregelten
besonderen Anforderungen, nämlich unter Angabe des Namens des
Klägers sowie einer qualifizierten elektronischen Signatur
nach § 2 Nr. 3 des Signaturgesetzes zu erheben (s. § 52a
Abs. 1 Satz 3 FGO; BFH-Urteil vom 18.10.2006 XI R 22/06, BFHE 215,
47, BStBl II 2007, 276 = SIS 07 00 35; FG Münster, Urteil vom
23.3.2006 11 K 990/05 F, EFG 2006, 994 = SIS 06 29 08; zur
Notwendigkeit einer solchen qualifizierten Signatur als
Wirksamkeitsvoraussetzung elektronischer bestimmender
Schriftsätze nach - dem § 52a FGO entsprechenden - §
130a ZPO s. BGH-Beschluss vom 14.1.2010 VII ZB 112/08, MDR 2010,
460 = SIS 10 22 62).
|
|
|
19
|
dd) Wird die Klage - wie im Streitfall - per
Telefax erhoben, muss sie allerdings grundsätzlich
eigenhändig unterschrieben sein (BFH-Urteile vom 28.11.1995
VII R 63/95, BFHE 179, 5, BStBl II 1996, 105 = SIS 96 05 56; vom
16.2.2005 VI R 66/00, BFH/NV 2005, 1120 = SIS 05 26 34;
BFH-Beschlüsse vom 26.3.1991 VIII B 83/90, BFHE 163, 510,
BStBl II 1991, 463 = SIS 91 13 80; vom 12.4.1996 V S 6/96, BFH/NV
1996, 824 = SIS 96 19 49; vom 19.5.2000 VIII B 13/00, BFH/NV 2000,
1358 = SIS 00 60 39; in BFH/NV 2002, 1597 = SIS 03 02 63;
BGH-Beschluss vom 11.10.1989 IVa ZB 7/89, Wertpapier-Mitteilungen
1989, 1820). Das Fehlen der Unterschrift ist indessen
unschädlich, wenn das Telefaxformblatt unterschrieben ist, mit
der Klageschrift eine Einheit bildet, die Person des Absenders
vollständig bezeichnet und kein Zweifel daran besteht, dass
die Kopiervorlage ordnungsgemäß eigenhändig
unterzeichnet wurde (BFH-Beschluss vom 31.3.2000 VII B 87/99,
BFH/NV 2000, 1224 = SIS 00 59 46).
|
|
|
20
|
d) Ob das danach für bestimmende
Schriftsätze grundsätzlich bestehende Gebot
„eigenhändiger Unterschrift“ auch durch
eine eingescannte Unterschrift - wie im Streitfall - gewahrt wird,
wird nicht einheitlich beurteilt.
|
|
|
21
|
aa) Für die vergleichbare Form der
Unterschrift durch Verwendung eines Faksimilestempels hat die
ältere BFH-Rechtsprechung grundsätzlich die Wirksamkeit
der Erklärungen verneint (BFH-Urteile in BFHE 97, 226, BStBl
II 1970, 89 = SIS 70 00 50; in BFHE 113, 490, BStBl II 1975, 194 =
SIS 75 01 11; ebenso Bundesarbeitsgericht - BAG -, Urteil vom
5.8.2009 10 AZR 692/08, NJW 2009, 3596; vgl. aber BFH-Urteil vom
19.9.1974 IV R 24/74, BFHE 113, 416, BStBl II 1975, 199 = SIS 75 01 15 zur Wirksamkeit einer Klageschrift in Form eines Matrizenabzugs
und damit nur auf der Matrize im Original enthaltenen
Unterschrift).
|
|
|
22
|
bb) Nach der zu einer Klageerhebung durch
Computerfax ergangenen Entscheidung des GmS-OGB erfüllt eine
eingescannte Unterschrift dagegen das Schriftformerfordernis (vgl.
GmS-OGB, Beschluss in MDR 2000, 1089). Sie erfüllt
nämlich gleichermaßen den schon in der früheren
Rechtsprechung des GmS-OGB bezeichneten ausschließlichen
Zweck des Schriftlichkeitsgebots, zuverlässig den
Erklärungsinhalt sowie die erklärende Person und ihren
unbedingten Willen zur Absendung feststellen zu können
(GmS-OGB, Beschluss in NJW 1980, 172; vgl. hierzu auch die
Entscheidungen des BFH in BFHE 138, 403, BStBl II 1983, 579 = SIS 83 15 41, und vom 13.12.1984 IV R 274/83, BFHE 143, 198, BStBl II
1985, 367 = SIS 85 10 44).
|
|
|
23
|
cc) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung
des GmS-OGB, deren Grundlage durch die Regelungen in den
§§ 52a FGO, 130a ZPO nicht berührt wird, weil die
damit geschaffenen Sondervorschriften für den elektronischen
Rechtsverkehr unabhängig neben die Vorschriften zur
Schriftform getreten sind (vgl. BAG-Urteil in NJW 2009, 3596;
BGH-Beschluss vom 15.7.2008 X ZB 8/08, NJW 2008, 2649 = SIS 08 32 93), hat die Rechtsprechung
|
|
|
|
- die Einlegung eines Rechtsbehelfs per E-Mail
mit eingescannter Unterschrift (Landessozialgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 13.9.2007 L 9 SO 24/06,
juris; vom 26.4.2007 L 9 SO 25/06, juris; Beschluss vom 26.10.2009
L 19 B 301/09 AS ER, juris) oder
|
|
- den Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs
in derselben Form (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern,
Urteil vom 9.8.2005 5 Sa 363/04, juris) sowie
|
|
- die Einlegung eines Rechtsbehelfs
(BGH-Beschluss in NJW 2008, 2649 = SIS 08 32 93;
Landesarbeitsgericht Bremen, Urteil vom 10.8.2004 1 Sa 165/03,
juris; Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 14.11.2005 I-9
U 30/05, juris)
|
|
|
|
für formwirksam erachtet.
|
|
|
24
|
2. Im Einklang mit dieser Rechtsprechung ist
entgegen der Vorinstanz auch für den Streitfall von einer
formwirksamen Klageerhebung innerhalb der Klagefrist
auszugehen.
|
|
|
25
|
Die Auffassung der Vorinstanz, das
Schriftformerfordernis nach § 64 FGO sei im Streitfall durch
den per Telefax übersandten Schriftsatz mit eingescannter
Unterschrift nicht gewahrt, teilt der Senat nicht.
|
|
|
26
|
Geht man nämlich von der Richtigkeit des
unter Beweis gestellten und vom FG nicht in Zweifel gezogenen
Klagevortrags aus, dass der frühere Berater des Klägers
den Klageschriftsatz mit der eingescannten Unterschrift gefertigt
und einem seiner Mitarbeiter zur (tatsächlich erfolgten)
Übersendung an das Gericht übermittelt hat, erfüllt
die innerhalb der Klagefrist bei Gericht per Fax eingegangene
Klageschrift mit der eingescannten Unterschrift des früheren
Klägervertreters das Schriftformerfordernis nach § 64
FGO.
|
|
|
27
|
a) Es muss nämlich nach dem
ausschließlichen Zweck des Schriftlichkeitsgebots,
zuverlässig den Erklärungsinhalt sowie die
erklärende Person und ihren unbedingten Willen zur Absendung
feststellen zu können (Beschluss des GmS-OGB in NJW 1980,
172), schon dann als die Schriftform wahrend angesehen werden, wenn
der abgegebenen Prozesserklärung - wie hier - nach den
Gesamtumständen aus der maßgeblichen Sicht des Gerichts
deren Inhalt sowie der Erklärende und dessen unbedingter
Erklärungswille zu entnehmen sind. Ein darüber
hinausgehender Zweck kommt dem Schriftformerfordernis ebenso wie
anderen Verfahrensvorschriften nämlich nicht zu. Insbesondere
soll es ebenso wie andere Verfahrensvorschriften nur die
einwandfreie Durchführung des Rechtsstreits unter Wahrung der
Rechte aller Beteiligten sicherstellen und nicht behindern
(Beschluss des GmS-OGB in MDR 2000, 1089).
|
|
|
28
|
b) Maßgeblicher Zeitpunkt für die
erforderliche Feststellung, ob und wann eine Klage mit welchem
Inhalt und von wem - unbedingt - eingelegt worden ist, ist ebenso
wie für andere Sachurteilsvoraussetzungen der Zeitpunkt der
gerichtlichen Entscheidung, im Streitfall mithin der Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung (vgl. BFH-Urteile vom 23.4.1985 VII R
109/80, BFH/NV 1987, 304: „... in jeder Lage des
Verfahrens - auch vom Revisionsgericht - zu
überprüfen“; vom 14.5.1987 X R 51/82, BFH/NV
1988, 96; vom 17.10.1990 I R 118/88, BFHE 162, 534, BStBl II 1991,
242 = SIS 91 11 28). In diesem Zeitpunkt ist ggf. zur Feststellung
der Sachurteilsvoraussetzungen - auch hinsichtlich der
„Schriftlichkeit einer Klageerhebung“ - im
Zweifelsfall durch das erkennende Gericht Beweis zu erheben (vgl.
BFH-Urteil vom 29.4.1993 IV R 26/92, BFHE 171, 1, BStBl II 1993,
720 = SIS 94 04 72).
|
|
|
29
|
c) Auf dieser Grundlage ist dann, wenn die
Klageschrift entsprechend dem unter Beweis gestellten, aber vom
Gericht ersichtlich nicht für beweisbedürftig gehaltenen
Vortrag des Klägers tatsächlich
|
|
|
|
- durch den früheren Berater
erstellt,
|
|
- von dessen Mitarbeiter ausgedruckt und
sodann
|
|
- weisungsgemäß per Fax - innerhalb
der Klagefrist
|
|
- an das Gericht übersandt wurde,
|
|
|
|
die Rechtsauffassung der Vorinstanz, nur wegen
der eingescannten Unterschrift sei die Klage nicht formgerecht
eingelegt worden, mit der BFH-Rechtsprechung zu § 64 FGO
unvereinbar.
|
|
|
30
|
aa) Danach kann dem Zweck des § 64 Abs. 1
FGO auch auf andere Weise entsprochen werden als durch
eigenhändige Unterzeichnung des maßgebenden
Schriftstückes durch den Verfasser (s. hierzu auch die
BFH-Urteile vom 18.5.1972 V R 1/71, BFHE 106, 4, und vom 27.7.1977
I R 207/75, BFHE 123, 286, BStBl II 1978, 11 = SIS 78 00 08). So
kann sich selbst aus einem nicht unterschriebenen bestimmenden
Schriftsatz in Verbindung mit weiteren Unterlagen oder
Umständen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in
den Rechtsverkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben
(ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl.
Urteile vom 17.10.1968 II C 112.65, BVerwGE 30, 274; vom 7.11.1973
VI C 124.73, HFR 1974, 174, und vom 20.4.1977 VI C 26.75,
Verwaltungsrechtsprechung 29, 764; zusammenfassend Beschluss vom
26.6.1980 7 B 160.79, juris). Dementsprechend hat auch der BFH eine
nur maschinenschriftlich unterschriebene Klageschrift wegen der auf
den Streitfall bezogenen Klagebegründung und beigefügter
Vorkorrespondenz in Verbindung mit dem Briefkopf des Einsenders
nach den Gesamtumständen als formwirksam i.S. des § 64
Abs. 1 FGO angesehen (BFH-Urteil in BFHE 148, 205, BStBl II 1987,
131 = SIS 87 03 62). Danach kann gleichermaßen in
finanzgerichtlichen Verfahren dem Zweck des § 64 Abs. 1 FGO in
anderer Weise als mit der eigenhändigen Unterzeichnung
bestimmender Schriftsätze durch den Verfasser entsprochen
werden, wenn feststeht, dass das Schriftstück keinen Entwurf
betrifft, sondern dem Gericht mit Wissen und Wollen des
Berechtigten zugeleitet worden ist (BFH-Beschluss vom 17.8.2009 VI
B 40/09, BFH/NV 2009, 2000 = SIS 09 36 37 unter Bezugnahme auf
BFH-Beschluss vom 31.3.2000 VII B 87/99, BFH/NV 2000, 1224 = SIS 00 59 46, m.w.N.).
|
|
|
31
|
bb) Nach diesen Grundsätzen kann im
Streitfall die Wirksamkeit der Klageerhebung nicht verneint werden,
weil sie zum einen den Erklärungsinhalt sowie die
erklärende Person ausweist und zum anderen ihre Absendung
aufgrund der in der mündlichen Verhandlung erklärten
Umstände ersichtlich auf dem unbedingten Willen des
früheren Klägervertreters beruhte (zu diesen
Anforderungen s. Beschluss des GmS-OGB in NJW 1980, 172). Denn die
hier gegebene unstreitige Übersendung des Klageschriftsatzes
durch einen Dritten (Übersendung über den Fax-Anschluss
des X Büros durch einen Mitarbeiter des früheren
Bevollmächtigten des Klägers) auf Weisung des
Klägers lässt ebenso wie die persönlich veranlasste
Übersendung einer maschinenschriftlich unterschriebenen Klage
(wie in der BFH-Entscheidung in BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131 =
SIS 87 03 62) oder wie der Eingang eines mit eingescannter
Unterschrift versehenen Computerfaxes (Entscheidung des GmS-OGB in
MDR 2000, 1089) ersichtlich keine Zweifel daran, dass die Klage mit
Wissen und Wollen des (vertretenen) Klägers erhoben worden
ist.
|
|
|
32
|
cc) Bei dieser Sach- und Rechtslage kann
dahinstehen, ob die Grundsätze der Entscheidung des GmS-OGB
(in MDR 2000, 1089) zur Formwirksamkeit bestimmender
Schriftsätze mit eingescannter Unterschrift unabhängig
von dem jeweils gewählten Übersendungsweg (Briefpost,
Telefax etc.) oder aber nur für sog. Computerfaxe gelten.
|
|
|
33
|
(1) Aus der Sicht des Senats kann eine solche
Beschränkung auf Computerfaxe nicht allein aus dem Umstand
gefolgert werden, dass Gegenstand des Verfahrens vor dem GmS-OGB
ein solches Computerfax war. Vielmehr spricht die Begründung
des GmS-OGB eher für die Anwendung der
Entscheidungsgrundsätze auf alle Formen der Übersendung
bestimmender Schriftsätze. So betrifft der in der Entscheidung
als maßgeblich angesehene Gesichtspunkt, dass es für die
Schriftformerfordernisse und insbesondere die Entbehrlichkeit
eigenhändiger Unterschrift nur auf den bei Gericht als
Empfänger sichtbar werdenden Schriftsatz ankommt,
gleichermaßen Schriftsätze, die wie im Streitfall per
Telefax übermittelt wurden.
|
|
|
34
|
Des Weiteren hat der GmS-OGB seinen Beschluss
ausdrücklich unter Bezugnahme auf seine frühere - nicht
zu einem Computerfax - ergangene Entscheidung in NJW 1980, 172
begründet. Der damit verbundene Hinweis auf den
ausschließlichen Zweck des Schriftformerfordernisses, Inhalt,
Urheber und Erklärungswille sicher feststellen zu können
und auf die hinreichende Erfüllung dieses Zwecks durch eine
nur eingescannte Unterschrift rechtfertigen ersichtlich keine
Differenzierung zwischen den Wegen, auf denen das jeweilige
Dokument mit der eingescannten Unterschrift übermittelt wird
(so auch BGH-Beschluss in NJW 2008, 2649 = SIS 08 32 93; zur
wechselseitigen Unabhängigkeit der Schriftformerfordernisse
für Klagen in elektronischer Form nach § 52a FGO
einerseits sowie in schriftlicher Form nach § 64 FGO
andererseits s. oben unter II.1.d cc).
|
|
|
35
|
(2) Gleichwohl muss der Senat diese Frage hier
offenlassen, weil sie im Streitfall aus den unter II.2.c bb
dargestellten Gründen nicht entscheidungserheblich ist und im
Übrigen die gegenteilige Auffassung des BGH im Beschluss vom
10.10.2006 XI ZB 40/05 - NJW 2006, 3784 = SIS 06 47 73 -
(verfassungsrechtlich vom BVerfG durch Nichtannahmebeschluss vom
18.4.2007 1 BvR 110/07, NJW 2007, 3117 unbeanstandet) eine erneute
Anrufung des GmS-OGB erforderlich machen könnte. Im Streitfall
bedeutet die Entscheidung des erkennenden Senats jedenfalls deshalb
keine Abweichung vom Beschluss des BGH in NJW 2006, 3784 = SIS 06 47 73, weil Gegenstand des BGH-Verfahrens eine Klageschrift war,
bei der die per Fax übersandte Fassung eine Unterschrift
aufwies, die nicht nur eingescannt worden war, sondern zudem einen
anderen Namen als die später im Original übersandte
Rechtsbehelfsschrift aufwies und schon deshalb erhebliche Zweifel
an einer Übersendung „mit Wissen und
Wollen“ des Verfassers begründen musste.
|
|
|
36
|
3. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen
Rechtsauffassung beruht, ist aufzuheben. Die Sache ist nicht
spruchreif und deshalb - entsprechend dem Antrag des Klägers -
zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
|
|
|
37
|
Das FG hat bisher aufgrund seiner abweichenden
Auffassung zur Unzulässigkeit der Klage die materielle
Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht
geprüft. Dies hat es nunmehr nachzuholen.
|