Eintrittskarten, Zwischenhandel, USt: 1. Die entgeltliche Überlassung von Eintrittskarten zu einem sportlichen oder kulturellen Ereignis an einen Reiseveranstalter ist keine Lieferung, sondern eine sonstige Leistung. - 2. Der Ort dieser Leistung bestimmt sich in Ermangelung einer Spezialregelung gemäß § 3 a Abs. 1 UStG nach dem Sitzort des leistenden Unternehmers. - Urt.; BFH 3.6.2009, XI R 34/08; SIS 09 33 69
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) stellte im Streitjahr 1996
für Reiseveranstalter Paketreisen zusammen. Diese enthielten
auch Umsätze aus der Veräußerung von
Eintrittskarten für ausländische Veranstaltungen. Im
Wesentlichen handelt es sich dabei um Autorennen in Monza, Imola
und Monte Carlo. Der Ein- und Verkauf der Karten erfolgte im
eigenen Namen und für eigene Rechnung. Das wirtschaftliche
Risiko aus dem Kartenhandel lag ausschließlich bei der
Klägerin. Die Einnahmen aus dem Kartenverkauf erfasste die
Klägerin nicht in ihrer Umsatzsteuererklärung
1996.
Dem folgte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) im Anschluss an eine
Außenprüfung bei der Klägerin nicht. Er ging
vielmehr davon aus, dass die streitbefangenen Leistungen nach
§ 3a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) im Inland
steuerbar seien. Die abweichende Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 3
Buchst. a UStG sei hier nicht einschlägig. Die Klägerin
sei nicht als Veranstalter anzusehen, weil sie nicht selbst Ort und
Zeit der Darbietung bestimmen könne. Sie übertrage mit
dem Kartenverkauf lediglich das Recht auf Teilnahme an der
Veranstaltung. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne
Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Sein Urteil ist in EFG 2009, 217 = SIS 09 01 38
veröffentlicht.
Zur Begründung der Revision trägt
die Klägerin vor, sie sei abweichend von der Rechtsauffassung
des FG der Meinung, dass es sich bei dem Kartenverkauf nicht um
eine sonstige Leistung, sondern um eine Lieferung handle. Dies habe
zur Folge, dass sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7
UStG an dem jeweiligen Veranstaltungsort befinde, an dem den
Reiseteilnehmern die Eintrittskarten ausgehändigt worden
seien. Mithin liege ein nicht steuerbarer Auslandsumsatz
vor.
Da das FG noch keine tatsächlichen
Feststellungen dahingehend getroffen habe, wo die Eintrittskarten
tatsächlich ausgehändigt worden seien - nämlich
überwiegend am Veranstaltungsort -, müsse die Sache ggf.
zur Bestimmung des Orts der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG
bzw. § 3 Abs. 7 UStG an das FG zurückverwiesen
werden.
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz den Umsatzsteuerbescheid
1996 in Gestalt der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung
dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf ./. 6.092,28
DM (./. 3.114,93 EUR) festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat zu Recht angenommen, dass die
Erlöse der Klägerin aus dem Verkauf der Eintrittskarten
im Inland steuerbar sind.
1. Der Zwischenhandel mit Eintrittskarten ist
umsatzsteuerrechtlich eine sonstige Leistung i.S. von § 3 Abs.
9 UStG.
a) Sonstige Leistungen sind nach § 3 Abs.
9 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind. Eine Lieferung ist
nach § 3 Abs. 1 UStG gegeben, wenn der Unternehmer oder in
seinem Auftrag ein Dritter einen Abnehmer oder in dessen Auftrag
einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen
Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der
Verfügungsmacht).
b) Entscheidend für die Abgrenzung einer
Lieferung von einer sonstigen Leistung ist der Charakter des
Umsatzes aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers.
Maßgebend ist dabei, welche Elemente überwiegen (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9.6.2005 V R 50/02, BFHE
210, 182, BStBl II 2006, 98 = SIS 05 39 64, m.w.N.). Es kommt
darauf an, welche Bestandteile der Leistung unter
Berücksichtigung des Willens der Vertragsparteien den
wirtschaftlichen Gehalt der Leistung bedingen (vgl. BFH-Urteil vom
25.11.1976 V R 71/72, BFHE 120, 568, BStBl II 1977, 270 = SIS 77 01 56).
Dient die Übertragung des Gegenstands
dazu, die Übertragung eines Rechts oder eine bestimmte Nutzung
zu ermöglichen, steht regelmäßig die Dienstleistung
im Vordergrund. Die Überlassung von Gegenständen, die zur
Übertragung, Auswertung oder Ausnutzung eines Rechts
erforderlich sind, ist in aller Regel von untergeordneter Bedeutung
(vgl. Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 Rz 51;
Leonard in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 3 Rz 41, jeweils
m.w.N.).
Mit einer Fahrkarte oder einer Eintrittskarte,
die zivil-rechtlich als sog. kleine Inhaberpapiere i.S. von §
807 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gelten (vgl. Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 11.9.2008 I ZR 74/06, BGHZ 178, 63, unter
III.), erwirbt der Inhaber das Recht, eine bestimmte Leistung des
Verpflichteten in Empfang zu nehmen. Der wesentliche Inhalt des
Geschäfts ist der mit dem Erwerb der Eintrittskarte verbundene
Anspruch auf eine Dienstleistung. Der wirtschaftliche Gehalt der
Leistung ist auf den Besuch einer Veranstaltung gerichtet. Der
Verkauf einer Eintrittskarte stellt daher keine Lieferung, sondern
eine sonstige Leistung dar. Dies entspricht auch der ganz
überwiegend in der Literatur und finanzgerichtlichen
Rechtsprechung vertretenen Auffassung (vgl. FG Rheinland-Pfalz,
Beschluss vom 5.2.2002 4 V 1751/00, EFG 2002, 720 = SIS 02 70 97;
Hessisches FG, Beschluss vom 2.3.2007 6 V 3503/06, juris = SIS 07 22 77; Möhlenkamp, DStR 2006, 981; Grambeck, UR 2009, 220;
Martin in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3 Rz 58; Kossack in
Offerhaus/Söhn/Lange, § 3a UStG Rz 18; Michl in
Offerhaus/ Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 22).
Auch im Gemeinschaftsrecht wird die
Überlassung von Eintrittskarten als sonstige Leistung und
nicht als Lieferung beurteilt.
Durch Art. 3 der Richtlinie 2008/8/EG des
Rates vom 12.2.2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG
bezüglich des Ortes der Dienstleistung (Amtsblatt der
Europäischen Union Nr. L 44/11) sind deren Art. 53 und 54 mit
Wirkung vom 1.1.2011 neu gefasst worden. In dieser Fassung des Art.
53 wird ausdrücklich der „Ort einer Dienstleistung an
einen Steuerpflichtigen betreffend die
Eintrittsberechtigung“ genannt. Daraus ergibt sich
unmissverständlich, dass die Eintrittsberechtigung
gemeinschaftsrechtlich als Dienstleistung und nicht etwa als
Lieferung angesehen wird.
Der Senat vermag sich daher nicht der
abweichenden Literaturmeinung anzuschließen, wonach der
Zwischenhandel mit Eintrittskarten als Lieferung anzusehen ist
(vgl. Hey/Hoffsümmer, UR 2005, 641).
Dem steht auch nicht entgegen, dass die
Überlassung eines Lotterieloses nach der Rechtsprechung des
BFH als Lieferung gilt (Urteil vom 10.12.1959 V 317/57 U, BFHE 70,
209, BStBl III 1960, 77 = SIS 60 00 49). Denn der BFH stellt in
dieser Entscheidung maßgeblich darauf ab, dass ein
Lotterielos nach seiner verkehrssteuerrechtlich geprägten
Auffassung keine Inhaberschuldverschreibung und damit auch kein
Wertpapier ist. Der Senat kann offenlassen, ob er sich dieser
Meinung anschließen könnte. Jedenfalls für den Fall
einer Eintrittskarte folgt der Senat - wie aufgezeigt - der
zivilrechtlichen Betrachtungsweise, wonach diese ein Wertpapier
darstellt, das den die Leistung prägenden Anspruch auf den
Besuch einer Veranstaltung verbrieft. Schon darin liegt ein
entscheidungserheblicher Unterschied zu dem genannten Urteil des
BFH zur umsatzsteuerrechtlichen Einordnung der Überlassung
eines Lotterieloses.
2. Dem FG ist auch darin zu folgen, dass sich
der Ort der von der Klägerin erbrachten Dienstleistungen nach
§ 3a Abs. 1 UStG an ihrem Geschäftssitz befindet.
a) Insbesondere greift nicht die in § 3a
Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG enthaltene Spezialregelung ein. Nach
dieser Vorschrift gilt „für künstlerische,
wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende und
ähnliche Leistungen einschließlich der Leistungen der
jeweiligen Veranstalter“ der Tätigkeitsort als
Leistungsort. Veranstalter ist derjenige, der die bezeichneten
Tätigkeiten im eigenen Namen und für eigene Rechnung
einem größeren Publikum zugänglich macht (vgl.
Martin in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3a Rz 88, m.w.N.). Der
Veranstalter trifft die organisatorischen Maßnahmen
dafür, dass die Veranstaltung stattfinden kann und bestimmt
dabei die Umstände, den Ort und die Zeit seiner Darbietungen
selbst (vgl. BFH-Urteil vom 26.4.1995 XI R 20/94, BFHE 177, 548,
BStBl II 1995, 519 = SIS 95 17 47, m.w.N.).
aa) Die Klägerin ist nicht als
Veranstalterin in diesem Sinne anzusehen. Denn sie hat nach den den
Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG
gemäß § 118 Abs. 2 FGO lediglich im Rahmen ihres
Unternehmens die Eintrittskarten veräußert. Die
Organisation der Veranstaltungen selbst oblag anderen
Unternehmen.
bb) Aus diesem Grund ist der Verkauf von
Eintrittskarten im Streitfall auch keine Nebenleistung zur
Hauptleistung des jeweiligen Veranstalters. Denn dies würde
voraussetzen, dass es sich um Tätigkeiten desselben
Unternehmers handelt. Entgeltliche Leistungen verschiedener
Unternehmer sind auch dann jeweils für sich zu beurteilen,
wenn sie gegenüber demselben Leistungsempfänger erbracht
werden und die weiteren Voraussetzungen für das Vorliegen
einer einheitlichen Leistung erfüllt sind (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29.10.2008 XI R 74/07,
BFHE 223, 498, BStBl II 2009, 256 = SIS 08 43 30, m.w.N.).
cc) Der Zwischenhandel mit Eintrittskarten
stellt auch keine mit der Veranstaltung zusammenhängende
unerlässliche Nebenleistung i.S. von § 3a Abs. 2 Nr. 3
Buchst. a UStG dar. Denn dies gilt ausschließlich für
Leistungen, die für die jeweilige künstlerische,
wissenschaftliche etc. Leistung unerlässlich sind, wie z.B.
die tontechnische Unterstützung der Darstellung,
Bühnenbeleuchtung, Dekoration etc. (vgl. im Einzelnen Martin
in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3a Rz 95, m.w.N.). Dazu
gehört der Zwischenhandel mit Eintrittskarten nicht.
Dieser Auslegung steht auch nicht Art. 9 Abs.
2 Buchst. c erster Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
entgegen. Nach dieser Bestimmung gilt „als Ort der
folgenden Dienstleistungen der Ort, an dem diese Dienstleistungen
tatsächlich bewirkt werden:
-
Tätigkeiten auf dem Gebiet der Kultur, der Künste, des
Sports, der Wissenschaften, des Unterrichts, der Unterhaltung oder
ähnliche Tätigkeiten, einschließlich derjenigen der
Veranstalter solcher Tätigkeiten sowie gegebenenfalls der
damit zusammenhängenden Tätigkeiten, ...“
Der Wortlaut dieser Bestimmung ist zwar weiter
gefasst als § 3a Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a UStG. Nach der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften sind aber nur „alle jene Leistungen als mit
einer Tätigkeit insbesondere auf dem Gebiet der Künste
oder der Unterhaltung zusammenhängende Dienstleistungen
anzusehen, die zwar selbst keine solche Tätigkeit darstellen,
aber für ihre Ausübung unerlässlich sind“
(vgl. Urteil vom 26.9.1996 Rs. C-327/94 - Dudda -, Slg. 1996,
I-4595 = SIS 97 01 28, Randnr. 27). Der Zwischenhandel mit
Eintrittskarten stellt keine Tätigkeit dar, die für die
Ausübung der künstlerischen oder unterhaltenden
Tätigkeit unerlässlich ist.
b) Ferner kann offenbleiben, ob der Verkauf
der Eintrittskarten im Rahmen der jeweiligen Paketreise an andere
Unternehmer als eine einheitliche Leistung anzusehen ist. Denn auch
für diesen Fall bleibt es bei dem in § 3a Abs. 1 UStG
vorgesehenen Leistungsort am Geschäftssitz der
Klägerin.
Läge eine einheitliche Leistung in der
Form von Haupt- und Nebenleistungen vor, gäbe im Streitfall
aus Sicht der Veranstaltungsteilnehmer der Besuch der konkreten
Veranstaltung als sog. „Spitzenereignis“ dem
Leistungspaket das Gepräge. In diesem Fall wäre der
Verkauf der Eintrittskarten jedenfalls keine Nebenleistung zur
Unterbringung der Veranstaltungsteilnehmer im Hotel, da es sich
insoweit - anders als bei einer Verpflegungsleistung - nicht um
eine übliche Nebenleistung handelt. Als Leistungsort käme
daher auch nicht der Belegenheitsort der jeweiligen Hotels nach
§ 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG in Betracht (vgl. dazu BFH-Urteil vom
15.1.2009 V R 9/06, BFHE 224, 166 = SIS 09 10 11). Vielmehr bliebe
es für diesen Fall hinsichtlich des Zwischenhandels mit den
Eintrittskarten bei der Leistungsortbestimmung des § 3a Abs. 1
UStG.
Handelte es sich aus Sicht des
Durchschnittsbetrachters um eine einheitliche Leistung unter dem
Gesichtspunkt, dass eine Aufspaltung derselben wirklichkeitsfremd
wäre, wäre der Leistungsort ebenfalls nach der
Auffangregel des § 3a Abs. 1 UStG zu bestimmen (vgl. Martin in
Sölch/Ringleb, a.a.O., § 3a Rz 42, m.w.N.). Denn diese
einheitliche Leistung bestünde aus mehreren
Dienstleistungselementen, die jeweils für sich betrachtet -
wie im Streitfall - unter verschiedene Leistungsortregelungen
fielen. In einem solchen Fall wäre gleichermaßen §
3a Abs. 1 UStG für die Bestimmung des Leistungsorts
anwendbar.
c) Schließlich handelt es sich bei dem
Zwischenhandel mit Eintrittskarten auch nicht um eine
Besorgungsleistung i.S. von § 3 Abs. 11 UStG, weil die
Klägerin nach den den Senat bindenden tatsächlichen
Feststellungen des FG im eigenen Namen und auf eigene Rechnung
gehandelt hat (vgl. auch Urteil des FG Rheinland-Pfalz in EFG 2002,
720 = SIS 02 70 97).
3. Soweit der bezifferte Klageantrag auch den
Verkauf von Eintrittskarten für inländische
Veranstaltungen umfasst, bestimmt sich der Ort der von der
Klägerin ausgeführten Dienstleistungen ebenfalls nach
§ 3a Abs. 1 UStG und liegt damit gleichermaßen im
Inland. Die Leistungen sind daher nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG
steuerbar. Eine Steuerfreiheit der Leistungen nach § 4 Nr. 20
UStG scheidet schon deshalb aus, weil die Klägerin nicht
selbst Veranstalterin war. Hierzu wird auf die Ausführungen
unter II.2.a aa verwiesen.