Wiederholungsprüfung, Berufsausbildung, Kindergeld: 1. Die ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung gehört auch dann zur Berufsausbildung, wenn das Ausbildungsverhältnis mit dem Lehrbetrieb nach der nicht bestandenen Abschlussprüfung endet und das Kind keine Berufsschule besucht. - 2. Nimmt das Kind an der erstmaligen Wiederholungsprüfung teil und besteht diese, ist in der Regel zu unterstellen, dass sich das Kind ernsthaft und nachhaltig auf diese Prüfung vorbereitet hat. - Urt.; BFH 2.4.2009, III R 85/08; SIS 09 22 49
I. Der im September 1985 geborene Sohn des
Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) wurde seit dem
1.8.2004 zum Groß- und Außenhandelskaufmann
ausgebildet. Nachdem er im Mai 2007 die Abschlussprüfung nicht
bestanden und das Ausbildungsverhältnis zum 20.6.2007 geendet
hatte, meldete er sich bei der Berufsschule als Gastschüler
an, bereitete sich im Eigenstudium vor und bestand im Januar 2008
die Wiederholungsprüfung.
Die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2007
auf und wies den Einspruch des Klägers als unbegründet
zurück, weil der Sohn nicht nachgewiesen habe, dass er die
Berufsschule bis zur Wiederholungsprüfung
regelmäßig besucht habe.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
(vgl. SIS 09 10 67). Es entschied, nicht zu folgen sei der
Auffassung der Verwaltung, dass eine
„ausbildungsverhältnisfreie Ausbildung“ den Besuch
der Berufsschule voraussetze und ein bloßes Selbststudium
nicht genüge. Sie widerspreche dem weiten Begriff der
Ausbildung und berücksichtige zudem nicht, dass eine
Abschlussprüfung auch ohne Fortführung des
Ausbildungsverhältnisses möglich sei.
Mit ihrer Revision trägt die
Familienkasse unter Bezugnahme auf die Dienstanweisung zur
Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach
dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 63.3.2 Abs. 6 (BStBl I
2004, 743) vor, die „freie Selbstausbildung“ des Sohnes
sei keine Berufsausbildung. Weder der Schulbesuch noch die
Vorbereitung auf die Wiederholungsprüfung seien belegt worden.
Das FG habe zur Ernsthaftigkeit der Prüfungsvorbereitung
nichts festgestellt, sondern die Ablegung der Prüfung für
ausreichend gehalten, um während des gesamten
halbjährigen Zeitraums eine Ausbildungssituation
anzunehmen.
Die Familienkasse beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zutreffend
entschieden, dass die halbjährige Vorbereitung auf die
bestandene Wiederholungsprüfung noch zur Ausbildung
gehörte und der Kläger deshalb Kindergeld beanspruchen
konnte.
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1
Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des
Einkommensteuergesetzes i.d.F. für die Jahre 2007 und 2008
(EStG) besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das
25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld,
wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
a) In Berufsausbildung befindet sich, wer sein
Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und
nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle
Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und
Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die
Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (ständige
Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
9.6.1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701 = SIS 99 18 09, und vom 24.6.2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294
= SIS 04 36 35). Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und
Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu
nehmen (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701 = SIS 99 18 09). Maßgebend für diese weite Auslegung des § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist die Erwägung, dass die
steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern auch dann gemindert
ist, wenn sich ihr Kind unabhängig von vorgeschriebenen
Ausbildungsgängen in Ausbildung befindet und von ihnen
unterhalten wird (BFH-Urteil in BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294 =
SIS 04 36 35, m.w.N.).
b) Schließt die Berufsausbildung mit
einer Prüfung ab, ist das Berufsziel erst mit dem Bestehen der
Prüfung, spätestens mit der Bekanntgabe des
Prüfungsergebnisses erreicht (BFH-Urteil vom 24.5.2000 VI R
143/99, BFHE 191, 557, BStBl II 2000, 473 = SIS 00 09 63, m.w.N.).
Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Kind erst die
Wiederholungsprüfung besteht. Entgegen der Auffassung der
Familienkasse dauert die Berufsausbildung aber nicht nur dann bis
zur Wiederholungsprüfung fort, wenn das
Berufsausbildungsverhältnis entsprechend § 21 Abs. 3 des
Berufsausbildungsgesetzes verlängert wird oder das Kind in der
Zeit bis zur Wiederholungsprüfung (weiter) die Berufsschule
besucht. Vielmehr reicht es aus, dass sich das Kind ernsthaft und
nachhaltig auf die Wiederholungsprüfung vorbereitet.
c) Bereitet sich ein Kind ohne
regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte
selbstständig auf Prüfungen vor, sind an den Nachweis und
die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung grundsätzlich strenge
Anforderungen zu stellen. Zweifel gehen nach den Regeln der
objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des
Kindergeldberechtigten.
2. In Übereinstimmung mit diesen
Grundsätzen ist das FG davon ausgegangen, dass sich der Sohn
des Klägers in den Monaten Juli 2007 bis Januar 2008 auch ohne
Verlängerung des Ausbildungsverhältnisses und ohne Besuch
der Berufsschule noch in Ausbildung befand. Entgegen der Auffassung
der Familienkasse brauchte das FG keine weiteren Ermittlungen dazu
zu treffen, ob sich der Sohn ernsthaft auf die
Wiederholungsprüfung vorbereitet hat. Denn wenn sich das Kind
- wie im Streitfall - zur erstmöglichen
Wiederholungsprüfung anmeldet und diese besteht, ist in der
Regel zu unterstellen, dass es sich ernsthaft und nachhaltig auf
diese Prüfung vorbereitet hat.