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Kindergeld, Ausbildung für einen Beruf bei verwendungsbezogenen Lehrgängen eines Unteroffiziers

Kindergeld, Ausbildung für einen Beruf bei verwendungsbezogenen Lehrgängen eines Unteroffiziers: 1. Ein Kind, das innerhalb eines bestehenden Arbeits- oder Dienstverhältnisses an von seinem Arbeitgeber oder Dienstherrn angebotenen, verwendungsbezogenen Lehrgängen teilnimmt, wird nur dann i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d.h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund des Arbeits- oder Dienstverhältnisses steht. - 2. Dabei sind sowohl die durchgeführten Lehrgänge als auch die übrigen Teile des Arbeits- oder Dienstverhältnisses auf ihren Ausbildungscharakter hin zu würdigen. Ergibt die Gesamtwürdigung, dass der Erwerbscharakter des Arbeits- oder Dienstverhältnisses überwiegt, können die einzelnen Lehrgänge auch unter Berücksichtigung des Monatsprinzips des § 66 Abs. 2 EStG nicht isoliert betrachtet als Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG qualifiziert werden. - Urt.; BFH 22.2.2017, III R 20/15; SIS 17 09 92

Kapitel:
Privatbereich > Kinder
Fundstellen
  1. BFH 22.02.2017, III R 20/15 (ECLI:DE:BFH:2017:U.220217.IIIR20.15.0)
    BStBl 2017 II S. 913
    NJW 2017 S. 2575

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 3.8.2017
    -/- in NWB 25/2017 S. 1859
    R. Görke in BFH/PR 9/2017 S. 297
    A. Killat-Risthaus in DStZ 15/2017 S. 545
Normen
[EStG] § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 Satz 2, § 32 Abs. 4 Satz 3, § 62, § 63, § 66 Abs. 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 24.07.2015, SIS 15 25 36, Bundeswehr, Ausbildungsdienstverhältnis, Ausbildung, Kindergeld
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 19.1.2023, SIS 23 06 17, Gewerbesteuerrechtliche Hinzurechnung von Mietaufwendungen bei Messe-, Ausstellungs- und Kongressveransta...
  • BFH 14.7.2022, SIS 22 17 23, Kindergeldrechtliche Ausschlussfrist bei Wanderarbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen...
  • BFH 23.3.2022, SIS 22 15 16, Kindergeldrechtliche Einordnung von im Rahmen eines Praxisjahres eingegangenen Beschäftigungsverhältnis a...
  • BFH 7.7.2021, SIS 21 17 29, Lehrgänge eines Mannschaftsdienstgrades als Ausbildung: Innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses...
  • FG München 30.6.2020, SIS 20 20 76, Kindergeldanspruch für ein volljähriges Kind bei mehraktiger Berufsausbildung: 1. Nach Abschluss einer er...
  • BFH 27.11.2019, SIS 20 07 33, Berufsausbildung bei Nichtantritt zur letztmaligen Prüfung: Zu einer ernsthaften und nachhaltigen Hochsch...
  • BFH 25.7.2019, SIS 20 00 52, Kindergeld, Beibehalten des Wohnsitzes, mehrjähriger Schulaufenthalt mit der Mutter des Kindes: Die Beant...
  • FG Münster 12.6.2019, SIS 19 12 52, Berufsbegleitender Ausbildungsgang zur "AOK-Betriebswirtin" als einheitliche mehraktige Berufsausbildung:...
  • BFH 10.4.2019, SIS 19 12 15, Kindergeld, Praxisjahr: Zur kindergeldrechtlichen Qualifikation eines Praxisjahres als Arbeitsverhältnis ...
  • BFH 21.3.2019, SIS 19 12 18, Kindergeld, Abgrenzung zwischen mehraktiger Erstausbildung und Zweitausbildung bei Ausbildung zur Bankfac...
  • FG München 19.3.2019, SIS 19 13 06, Kindergeld für Kind in Berufsausbildung: 1. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch n...
  • FG München 8.11.2018, SIS 18 21 66, Kindergeld, keine einheitliche (mehraktige) Erstausbildung bei Ausbildung zum Bankkaufmann, anschließende...
  • FG Baden-Württemberg 24.4.2018, SIS 18 10 80, Beendigung der Berufsausbildung i.S.d. Kindergeldrechts nicht bereits bei Bekanntgabe des Ergebnisses der...
  • FG Baden-Württemberg 7.3.2018, SIS 18 11 15, Beendigung der Berufsausbildung nicht bereits bei Bekanntgabe des Ergebnisses der Abschlussprüfung, sonde...
  • FG Düsseldorf 11.1.2018, SIS 18 01 47, Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung, Prüfung zur Steuerfachwirtin als angestrebtes Ausbildungszi...
  • FG Münster 22.12.2017, SIS 18 12 81, Besuch der Josia-Missionsschule keine Berufsausbildung: Der Besuch der Josia-Missionsschule ist keine Ber...
  • BFH 14.9.2017, SIS 17 24 20, Ende der Berufsausbildung, wenn die Ausbildungszeit durch Rechtsvorschrift festgelegt ist: Eine Berufsaus...
  • BFH 29.8.2017, SIS 17 22 16, Fortbildung zur "Führungskraft Handel" nicht mehr Teil der Erstausbildung: Eine Fortbildung zur "Führungs...
  • FG Baden-Württemberg 2.8.2017, SIS 21 18 27, Keine Berücksichtigung eines Zeitsoldaten im Spitzenamt der Mannschaftsdienstgrade als in Ausbildung befi...

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 24.7.2015 4 K 3069/14 Kg wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

 

 

1

I. Streitig ist der Kindergeldanspruch für den Zeitraum August 2012 bis März 2014.

 

 

 

 

 

 

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Vater einer am xx.xx 1990 geborenen Tochter (T). T verpflichtete sich ab dem 1.4.2010 als Soldatin auf Zeit für neun Jahre bei der Bundeswehr. Nach ihrer Grundausbildung absolvierte sie ab Oktober 2010 eine Ausbildung zur Bürokauffrau, die sie im Juli 2012 abschloss. Bereits im Mai 2011 wurde sie zum Stabsunteroffizier befördert. Bis einschließlich Juli 2012 gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) dem Kläger Kindergeld für T.

 

 

 

 

 

3

Nach Abschluss der Ausbildung zur Bürokauffrau wurde T in einem Nachschubbataillon eingesetzt und dort mit Aufgaben aus dem Bereich der Logistik betraut. Während dieser Zeit nahm sie an Fachlehrgängen zur Vorbereitung auf die Tätigkeit als Nachschubunteroffizierin teil, für deren Dauer sie jeweils an eine Ausbildungseinrichtung der Bundeswehr abgeordnet wurde:

 

 

 

 

 

Modul

Zeitraum

 

 

Grundlagenmodul Materialbewirtschaftung

12.2.2013 bis 12.3.2013

 

 

Aufbaumodul Materialbewirtschaftung

22.4.2013 bis 26.4.2013

 

 

Spezialgrundausbildung Kraftfahrer

7.10.2013 bis 15.11.2013

 

 

Fachmodul Nachschubunteroffizier

4.2.2014 bis 27.2.2014

 

 

 

 

 

4

Die Tätigkeit als Nachschubunteroffizierin setzt eine abgeschlossene Berufsausbildung, zu der auch die Ausbildung als Bürokauffrau zählt, sowie den erfolgreichen Abschluss des Fachmoduls Nachschubunteroffizier voraus, das mit einer Abschlussprüfung endet. Für das Fachmodul Nachschubunteroffizier ist die Teilnahme an den drei anderen Modulen Voraussetzung. Die Dauer und die Reihenfolge der einzelnen Module sind festgelegt. Nicht festgelegt ist dagegen, in welchem Zeitraum die einzelnen Module absolviert werden müssen und wie sich die praktische Tätigkeit während dieses Zeitraums gestalten muss. Ab dem 1.4.2014 wurde T als Nachschubunteroffizierin eingesetzt.

 

 

 

 

5

Die Familienkasse lehnte den Antrag des Klägers, ihm für die Zeiträume ab August 2012 weiterhin Kindergeld für T zu gewähren, mit Bescheid vom 9.5.2014 ab. Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 22.8.2014).

 

 

 

 

6

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen gerichtete, auf Kindergeld von August 2012 bis März 2014 beschränkte Klage mit den in EFG 2015, 1722 = SIS 15 25 36 veröffentlichten Gründen ab.

 

 

 

 

7

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

 

 

8

Der Kläger beantragt, die Familienkasse unter Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils, des Ablehnungsbescheids vom 9.5.2014 und der Einspruchsentscheidung vom 22.8.2014 zu verpflichten, Kindergeld für T für den Zeitraum August 2012 bis März 2014 festzusetzen.

 

 

 

 

9

Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

 

 

10

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat im Ergebnis zu Recht erkannt, dass dem Kläger kein Kindergeldanspruch für den Zeitraum August 2012 bis März 2014 zusteht. Es ist zwar zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von T ausgeübte Tätigkeit eine Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellt. Da das FG aber aus anderen Gründen einen Kindergeldanspruch verneint hat, stellt sich die Entscheidung im Ergebnis als richtig dar.

 

 

 

 

11

1. Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht Anspruch auf Kindergeld u.a. für Kinder, die das 18. aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden.

 

 

 

 

12

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist unter Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (z.B. Senatsurteile vom 24.6.2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294 = SIS 04 36 35, zum freiwilligen sozialen Jahr; vom 2.4.2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298 = SIS 09 22 49, zur Vorbereitung auf eine bestandene Wiederholungsprüfung; vom 30.7.2009 III R 77/06, BFH/NV 2010, 28 = SIS 09 37 03, zum freiwilligen zusätzlichen Wehrdienst; BFH-Urteil vom 10.5.2012 VI R 72/11, BFHE 237, 499, BStBl II 2012, 895 = SIS 12 19 67, zur Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Kraftfahrer der Fahrerlaubnisklasse CE, jeweils m.w.N.).

 

 

 

 

13

b) Voraussetzung für eine innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses stattfindende Ausbildung ist jedoch, dass die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d.h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht (BFH-Urteile vom 9.6.1999 VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706 = SIS 99 18 13, unter 2.; in BFHE 237, 499, BStBl II 2012, 895 = SIS 12 19 67, Rz 13; Senatsurteile vom 22.12.2011 III R 41/07, BFHE 236, 144, BStBl II 2012, 681 = SIS 12 11 03, Rz 17 f.; vom 26.8.2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26 = SIS 10 39 54, Rz 13; in BFH/NV 2010, 28 = SIS 09 37 03, unter 4., und vom 16.9.2015 III R 6/15, BFHE 251, 31, BStBl II 2016, 281 = SIS 15 25 90, Rz 12). Dabei sind - wie der Senat im Urteil in BFHE 251, 31, BStBl II 2016, 281 = SIS 15 25 90, Rz 12 ausgeführt hat - Arbeits- oder Dienstverhältnisse, die Ausbildungsmaßnahmen beinhalten, als Einheit zu betrachten und daraufhin zu untersuchen, ob der Ausbildungscharakter und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund steht.

 

 

 

 

14

Kriterien, die im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Umstände für einen im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakter sprechen können, sind etwa das

 

 

Vorhandensein eines Ausbildungsplanes,

 

 

die Unterweisung in Tätigkeiten, welche qualifizierte Kenntnisse und/oder Fertigkeiten erfordern,

 

 

die Erlangung eines die angestrebte Berufstätigkeit ermöglichenden Abschlusses und

 

 

ein gegenüber einem normalen Arbeitsverhältnis geringeres Entgelt

 

 

(vgl. BFH-Urteil in BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706 = SIS 99 18 13, unter 2. und 3., und Senatsurteil in BFHE 251, 31, BStBl II 2016, 281 = SIS 15 25 90, Rz 12; s.a. Kapitel A 15.2 Satz 2 der Dienstanweisung zum Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz, Stand 2016, BStBl I 2016, 827, zur Berücksichtigung eines Anlernverhältnisses als Ausbildung). Der Ausbildungscharakter steht auch stets dann im Vordergrund, wenn die Voraussetzungen eines Ausbildungsdienstverhältnisses vorliegen.

 

 

 

 

15

c) Nichts anderes ergibt sich aus dem Monatsprinzip des § 66 Abs. 2 EStG. Danach wird das Kindergeld monatlich vom Beginn des Monats gezahlt, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, bis zum Ende des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen. Aufgrund dieses Prinzips ist ein Kindergeldanspruch für einen bestimmten Monat zwar auch dann gegeben, wenn der anspruchsauslösende Tatbestand, wie etwa eine Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, nur an einem Tag des betreffenden Monats erfüllt ist (z.B. die Ausbildung endete am ersten Tag oder begann am letzten Tag des betreffenden Monats). Ob die Voraussetzungen des anspruchsauslösenden Tatbestands vorliegen, bestimmt sich jedoch allein nach den Voraussetzungen der §§ 63, 64 EStG. Diese werden durch das Monatsprinzip nicht beeinflusst.

 

 

 

 

16

§ 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verlangen bei innerhalb eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses stattfindenden Lehrgängen eine Gesamtwürdigung des Arbeits- oder Dienstverhältnisses (Überwiegen des Ausbildungs- oder des Erwerbscharakters). Es ist daher nicht möglich, einen einzelnen Lehrgang isoliert auf seinen Ausbildungscharakter zu untersuchen und nur für den betreffenden Monat, in dem der Lehrgang stattgefunden hat, die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu bejahen.

 

 

 

 

17

d) Das entspricht auch den vom FG angeführten BFH-Urteilen. Denn bei diesen Entscheidungen wurde ebenfalls die Gesamttätigkeit und nicht nur einzelne Ausbildungsmaßnahmen auf das Vorliegen eines (im Vordergrund stehenden) Ausbildungscharakters gewürdigt (BFH-Urteile in BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706 = SIS 99 18 13, zu einer Volontärtätigkeit gegen geringe Entlohnung; vom 15.7.2003 VIII R 19/02, BFHE 203, 417, BStBl II 2007, 247 = SIS 03 52 08, zu einem Unteroffiziersanwärter mit Ausbildung zum Telekommunikationselektroniker; vom 9.6.1999 VI R 16/99, BFHE 189, 113, BStBl II 1999, 713 = SIS 99 18 12, zum Anwaltspraktikum eines Jurastudenten; vom 22.11.2012 V R 60/10, BFH/NV 2013, 531 = SIS 13 06 96, zu einem Berufspraktikum; ausdrücklich auch im Senatsurteil in BFH/NV 2010, 28 = SIS 09 37 03, unter 4., zur Ausbildung zum Unteroffizier).

 

 

 

 

18

2. Das FG ist nach Maßgabe dieser vorgenannten Rechtsgrundsätze zu Unrecht zu der Würdigung gelangt, dass sich T während des Zeitraums August 2012 bis Februar 2014 in einer Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befand.

 

 

 

 

19

Denn es hat im Streitfall bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG das Dienstverhältnis der T zu Unrecht nicht in seiner Gesamtheit auf das Vorliegen eines überwiegenden Ausbildungscharakters gewürdigt, sondern den Ausbildungscharakter allein aus den besuchten Lehrgangsmodulen und der durchgeführten Abschlussprüfung abgeleitet. Die zur praktischen Tätigkeit getroffenen Feststellungen tragen nicht die Würdigung des FG, dass die Tätigkeit im Nachschubbataillon in ihrer Gesamtheit eine Ausbildung darstellte. Dies stellt einen materiellen Fehler der Entscheidung dar (z.B. BFH-Urteile vom 18.8.2016 VI R 52/15, BFH/NV 2017, 151 = SIS 16 27 72, Rz 10, und vom 8.7.2015 VI R 46/14, BFHE 250, 392, BStBl II 2015, 1013 = SIS 15 23 28, Rz 8).

 

 

 

 

20

a) Das FG hat nur hinsichtlich der ca. 3,5 Monate umfassenden vier Lehrgangsmodule einen Ausbildungscharakter festgestellt. Für die übrige Zeit (ca. 16,5 Monate) hat es dagegen im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nur festgestellt, dass T einer praktischen Berufstätigkeit im Nachschubbataillon mit Aufgaben im logistischen Bereich nachgegangen ist und dass diese Tätigkeit einen inhaltlichen Bezug zum angestrebten späteren Einsatz als Nachschubunteroffizierin aufwies. Ferner hat es festgestellt, dass die praktische Tätigkeit weder auf einem detaillierten Ausbildungsplan basierte noch eine auf die theoretischen Module abgestimmte inhaltliche Verknüpfung aufwies. Es ist nicht erkennbar, woraus das FG einen Ausbildungscharakter der praktischen Tätigkeit entnimmt.

 

 

 

 

21

b) Gleichwohl bedarf es keiner weiteren Feststellungen des FG. Denn das FG hat die bereits im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG notwendige Gesamtwürdigung des Dienstverhältnisses im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Ausbildungsdienstverhältnisses i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG vorgenommen. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verrichtung des Dienstes in der Kaserne und mithin der Erwerbscharakter im Vordergrund der Tätigkeit stand.

 

 

 

 

22

c) Die Revision kann nicht mit dem Vortrag durchdringen, das FG habe verkannt, dass die Ausbildung zur Nachschubunteroffizierin alleiniger Inhalt des Dienstverhältnisses gewesen sei. Denn insoweit wendet sie sich gegen die tatsächliche Würdigung des FG. Im Übrigen hat das FG gerade nicht festgestellt, dass die praktische Tätigkeit - vergleichbar einer dualen Ausbildung - der Umsetzung des in den theoretischen Lehrgängen erworbenen Wissens diente und selbst vorwiegend Ausbildungscharakter hatte. An diese tatsächliche Würdigung ist der BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, sofern - wie im Streitfall - hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht wurden. Entsprechendes gilt für die Würdigung des FG, dass es sich um eine Einarbeitungsphase gehandelt und für die praktische Tätigkeit ein Ausbildungsplan gefehlt habe. Auch sie ist für den Senat bindend, weil sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt; dies gilt auch dann, wenn die Würdigung des FG zwar nicht zwingend, aber möglich ist (z.B. BFH-Urteil vom 28.5.2013 XI R 44/11, BFH/NV 2013, 1409 = SIS 13 21 99, Rz 15, m.w.N.). Zu Recht hat das FG schließlich auch das Argument des Klägers, Beamtenanwärter und Referendare erhielten eine vergleichbare oder sogar höhere Vergütung als T, nicht für entscheidungserheblich erachtet. Denn die Höhe der Vergütung kann immer nur in Bezug auf die konkrete Tätigkeit darauf hin gewürdigt werden, ob sie wegen eines im Vordergrund stehenden Ausbildungscharakters der Tätigkeit hinter dem zurückbleibt, was für ein regulär vergütetes, vom Erwerbscharakter dominiertes Arbeits- oder Dienstverhältnis bezahlt wird. Die Relation zu Vergütungen in Ausbildungsverhältnissen mit anderen Inhalten ist dagegen nicht von Bedeutung.

 

 

 

 

23

3. Mangels Vorliegens einer Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kommt es auf die weiteren vom FG geprüften Voraussetzungen eines Ausbildungsdienstverhältnisses i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG nicht mehr an.

 

 

 

 

24

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 2 FGO.