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I. Der im September 1985 geborene Sohn (S)
des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) besuchte im
Schuljahr 2003/2004 die Jungarbeiterklasse einer Staatlichen
Berufsschule. Die Unterrichtszeit betrug acht (Schul-)Stunden pro
Woche. Im Oktober 2004 begann er mit einer berufsvorbereitenden
Maßnahme.
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Auf den im Oktober 2005 gestellten Antrag
des Klägers setzte die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) im Februar 2006 Kindergeld für S für die
Zeit ab August 2004 fest und lehnte eine Festsetzung für die
Monate Oktober 2003 bis Juli 2004 mit der Begründung ab, der
Besuch der Jungarbeiterklasse stelle keine Ausbildung i.S. des
§ 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für den
Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) dar. Der Einspruch des
Klägers blieb erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der auf die
Festsetzung von Kindergeld für die Monate Oktober 2003 bis
Juli 2004 gerichteten Klage mit Urteil vom 12.11.2008 III 103/2006
(EFG 2009, 597) statt.
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Mit ihrer Revision rügt die
Familienkasse eine Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2
Buchst. a EStG.
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Zu klären sei, in welchem Umfang Zeit
und Arbeitskraft des Kindes bei einer schulischen Ausbildung, die
eine ernsthafte Vorbereitung auf das Berufsziel beinhalte, gebunden
sein müssten. Nach der Dienstanweisung zur Durchführung
des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des
Einkommensteuergesetzes i.d.F. vom 5.8.2004 - DA-FamEStG 2004 -
63.3.2 Abs. 5 (BStBl I 2004, 742 = SIS 04 37 71) müsse die
Ausbildung Zeit und Arbeitskraft des Kindes dermaßen in
Anspruch nehmen, dass ein greifbarer Bezug zu dem angestrebten
Berufsziel hergestellt werde und Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit
ausgeschlossen erschienen. Eine tatsächliche Unterrichts- und
Ausbildungszeit von weniger als zehn Wochenstunden könne
danach nur dann als ausreichende Ausbildung anerkannt werden, wenn
Umstände vorlägen, nach denen der zusätzliche
ausbildungsbezogene Zeitaufwand über das übliche
Maß hinausgehe. Da das Gesetz keinen zeitlichen Mindestrahmen
vorgebe und es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)
auch nicht erforderlich sei, dass die Ausbildungsmaßnahme
Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch
nehme, stütze sich die DA-FamEStG auf die Rechtsprechung des
BFH zu Au-pair-Verhältnissen, die für die
Berücksichtigung als Berufsausbildung wöchentlich
mindestens zehn Unterrichtsstunden verlange. Die Grundsätze
für Au-pair-Verhältnisse seien nach Sinn und Zweck auch
für andere Ausbildungsverhältnisse generell anwendbar.
Kindergeldrechtlich sei es unerheblich, ob die Jungarbeiterklasse
nur besucht worden sei, um die gesetzliche Schulpflicht zu
erfüllen, oder ob der Schulbesuch - wie bei
Au-pair-Verhältnissen - freiwillig gewesen sei.
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Die Familienkasse beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Entscheidung des FG, S habe
sich in den Monaten Oktober 2003 bis Juli 2004 in Ausbildung
befunden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Für ein volljähriges Kind besteht
nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32
Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG - unter
weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen - Anspruch auf
Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.
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In Berufsausbildung befindet sich, wer sein
Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und
nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle
Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und
Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die
Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die
Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes
nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 2.4.2009 III R 85/08, BFHE
224, 546, BStBl II 2010, 298 = SIS 09 22 49, m.w.N.).
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Zur Berufsausbildung in diesem Sinne
gehört auch die Schulausbildung, an der das Kind teilnimmt, um
der Schulpflicht nachzukommen. Entgegen DA-FamEStG 2004 63.3.2 Abs.
5 Satz 5 (ebenso DA-FamEStG 63.3.2 Abs. 5 Satz 5 i.d.F. vom
30.9.2009, BStBl I 2009, 1030 = SIS 09 30 63) kommt es insoweit
nicht darauf an, ob die tatsächliche Unterrichtszeit
(mindestens) zehn Wochenstunden beträgt. Entscheidend ist
allein, ob das Kind an der entsprechenden Schulausbildung
teilnimmt, wie sie durch die jeweiligen landesrechtlichen
Regelungen zur Erfüllung der Schulpflicht vorgesehen ist.
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Die Grundsätze, die der BFH für die
Anerkennung eines Sprachschulunterrichts im Rahmen eines
Au-pair-Aufenthaltes als Berufsausbildung aufgestellt hat (vgl.
BFH-Urteile vom 9.6.1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999,
710 = SIS 99 18 10; VI R 24/99, BFH/NV 2000, 27 = SIS 00 50 22; VI
R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701 = SIS 99 18 09; vom
19.2.2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 = SIS 02 08 23; BFH-Beschluss vom 31.8.2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256 =
SIS 06 44 78), finden auf die Teilnahme am Schulunterricht zur
Erfüllung der Schulpflicht keine Anwendung. Denn anders als
bei einem Sprachunterricht im Rahmen eines Au-pair-Aufenthaltes,
der auf einem freiwilligen Entschluss des Kindes beruht und bei dem
das Erfordernis der Teilnahme an einem theoretisch-systematischen
Sprachunterricht mit grundsätzlich mindestens zehn
Wochenstunden der Abgrenzung zu Urlaubsaufenthalten dient (vgl.
Senatsurteil vom 18.3.2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II
2010, 296 = SIS 09 27 02), ist das Kind zur Teilnahme am
Schulunterricht zur Erfüllung der Schulpflicht
verpflichtet.
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Das FG hat seiner Entscheidung diese
Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt und hat in Würdigung der
Umstände des Einzelfalls für den Senat bindend (§
118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass S im Streitzeitraum Oktober 2003
bis Juli 2004 an einer staatlichen Berufsschule die Fachklasse
für gewerblich tätige Jungarbeiter mit einer
wöchentlichen Unterrichtsstundenzahl von acht Stunden
tatsächlich und regelmäßig besucht hat und hierzu
nach den Regelungen des Bayerischen Gesetzes über das
Erziehungs- und Unterrichtswesen in Verbindung mit der im
Streitzeitraum gültigen Schulordnung für die
Berufsschulen in Bayern zur Erfüllung seiner Schulpflicht
verpflichtet war.
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