Veräußerung zum Teilwert eingelegter Anteile: Legt ein Gesellschafter Anteile an einer Kapitalgesellschaft verdeckt in eine andere Kapitalgesellschaft ein, hat diese die Anteile mit dem Teilwert zu bewerten. Auch wenn die aufnehmende Kapitalgesellschaft die Anteile in ihren Bilanzen fehlerhaft mit einem geringeren Wert als dem Teilwert ansetzt, liegt kein Erwerb unter dem Teilwert i.S. des § 8 b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002 vor. Ein Gewinn der aufnehmenden Kapitalgesellschaft aus der Veräußerung der Anteile ist daher steuerfrei. - Urt.; BFH 4.3.2009, I R 32/08; SIS 09 18 57
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, hat den Erwerb
und die Verwaltung von Beteiligungen zum Gesellschaftsgegenstand.
Alleingesellschafter der Klägerin ist der zum Verfahren
gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 der
Abgabenordnung (AO) beigeladene F. F war gleichzeitig zu 50 % am
Kapital der VA, einer S.A., beteiligt, die wiederum über einen
Treuhänder 80 % der Anteile an der C-GmbH hielt, welche durch
Formwechsel am 12.6.2002 in die C-AG umgewandelt worden war. Das
Grundkapital der C-AG, bestehend aus 2.200 Aktien zum Nennbetrag
von je 25 EUR, betrug 55.000 EUR. Aufgrund einer Vereinbarung
zwischen F und der VA sollte F gegen eine Abfindung von 660 Aktien
der C-AG aus der VA ausscheiden. Die Übertragung der Aktien
erfolgte am 5.11.2002 durch Indossament direkt auf die
Klägerin.
F legte die erhaltenen Aktien an der C-AG
unmittelbar hiernach in die Klägerin ein. Die Klägerin
bezifferte die Einlage mit 22.000 EUR. Dieser Betrag entsprach den
Anschaffungskosten, die F im Jahr 1999 für die Anteile an der
VA aufgewandt hatte. Die Klägerin veräußerte am
31.12.2002 ihre Aktien der C-AG zum Preis von 347.900 EUR an ein
französisches Unternehmen. Sie behandelte den erzielten Gewinn
aus dem Verkauf der Aktien in Höhe von 325.900 EUR als nach
§ 8b Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes 2002 (BGBl I
2002, 4145, BStBl I 2002, 1170) - KStG 2002 - steuerfreien
Veräußerungserlös. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) behandelte den
Veräußerungsgewinn als steuerpflichtig und erließ
entsprechende Steuerbescheide 2002. Er war der Auffassung, die
Anteile seien von der Klägerin unter ihrem Teilwert erworben
worden, was die Gewährung einer Steuerbefreiung
gemäß § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002
ausschließe.
Die dagegen erhobene Klage wies das
Hessische Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 29.11.2007 4 K 3765/04
ab. Das Urteil ist in EFG 2008, 1914 = SIS 08 34 04
veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und unter
Änderung der angefochtenen Steuerbescheide die
Körperschaftsteuer 2002 und den Gewerbesteuermessbetrag 2002
jeweils auf 0 EUR festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag
gestellt.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage.
1. Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1
KStG 2002 bleiben bei der Ermittlung des Einkommens Gewinne aus der
Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft
oder Personenvereinigung unter den weiteren im Gesetz genannten
Voraussetzungen außer Ansatz (§ 8b Abs. 2 Satz 1 KStG
2002). Das gilt nicht, soweit die Körperschaft die Anteile von
einem Einbringenden, der nicht zu den von Abs. 2 begünstigten
Steuerpflichtigen gehört, zu einem Wert unter dem Teilwert
erworben hat (§ 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 KStG 2002).
2. Die Klägerin hat die Anteile an der
C-AG nicht zu einem Wert unterhalb des Teilwerts erworben. Ein bei
der Veräußerung der Anteile erzielter
Veräußerungsgewinn bleibt daher gemäß §
8b Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 bei der Ermittlung des Einkommens der
Klägerin außer Ansatz.
a) F hat die Beteiligung an der C-AG verdeckt
in die Klägerin eingelegt. Eine verdeckte Einlage ist gegeben,
wenn der Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person aus
Gründen, die im Gesellschaftsverhältnis wurzeln, eine
Einlage erbringt, ohne eine wertadäquate Gegenleistung zu
erhalten. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Zwar sind die Anteile
des F an der Klägerin durch die Einlage der C-Aktien
wertvoller geworden. Nach ständiger Senatsrechtsprechung
führt diese Wertsteigerung jedoch nicht zu einem greifbaren
Vermögensvorteil und ist daher nicht als Gegenleistung,
sondern lediglich als Wertreflex zu beurteilen (z.B. Senatsurteile
vom 23.2.2005 I R 44/04, BFHE 209, 123, BStBl II 2005, 522 = SIS 05 21 62; vom 19.8.1997 I R 77/96, BFHE 189, 342, BStBl II 2001, 43 =
SIS 99 21 49).
b) Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz
1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.V.m. § 8 Abs. 1
KStG 2002 sind Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG 2002) mit dem
Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen; sie
sind jedoch höchstens mit den Anschaffungs- oder
Herstellungskosten anzusetzen, wenn das zugeführte
Wirtschaftsgut ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft ist und der
Steuerpflichtige an der Gesellschaft i.S. des § 17 Abs. 1 EStG
2002 beteiligt ist. F hielt 660 des insgesamt 2.200 Aktien
umfassenden Grundkapitals der C-AG und war damit i.S. des § 17
Abs. 1 EStG 2002 an der C-AG beteiligt. Denn nach § 17 Abs. 1
Satz 1 EStG 2002 in der im Streitjahr gültigen Fassung
gehört der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen
an einer Kapitalgesellschaft zu den Einkünften aus
Gewerbebetrieb, wenn der Veräußerer innerhalb der
letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar
oder mittelbar zu mindestens 1 % (in der Fassung davor: 10 %)
beteiligt war.
c) § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG 2002 ist
jedoch im Wege der teleologischen Reduktion ab dem
Veranlagungszeitraum 1992 (für die Zeit davor vgl.
Senatsurteil vom 11.2.1998 I R 89/97, BFHE 186, 25, BStBl II 1998,
691 = SIS 98 17 20) einschränkend dahingehend zu verstehen,
dass stets Satz 1 Halbsatz 1 anzuwenden ist (Schreiben des
Bundesministeriums der Finanzen vom 2.11.1998, BStBl I 1998, 1227 =
SIS 98 25 12; allgemeine Auffassung im Schrifttum, z.B. Gosch in
Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 17 Rz 120; Schmidt/Glanegger,
EStG, 27. Aufl., § 6 Rz 441 „Verdeckte
Einlagen“; Fischer in Kirchhof, a.a.O., § 6 Rz 167).
Die verdeckt eingelegten Aktien der C-AG waren sonach im Zeitpunkt
ihrer Einlage mit ihrem Teilwert anzusetzen.
Verdeckte Einlagen in Kapitalgesellschaften
sind an sich unentgeltliche Vorgänge (Senatsurteile vom
27.7.1988 I R 147/83, BFHE 155, 52, BStBl II 1989, 271 = SIS 89 03 15; vom 28.2.1990 I R 43/86, BFHE 160, 180, BStBl II 1990, 615 =
SIS 90 13 16). Um die Besteuerung der stillen Reserven der nach
§ 17 EStG 2002 steuerverhafteten Anteile zu sichern, steht
jedoch gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 die
verdeckte Einlage von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine
Kapitalgesellschaft der Veräußerung der Anteile zum
gemeinen Wert gleich. Korrespondierend damit sind die verdeckt
eingelegten Anteile entgegen § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b
EStG 2002 auch bei der aufnehmenden Kapitalgesellschaft mit ihrem
Teilwert und nicht mit den ursprünglichen Anschaffungskosten
anzusetzen, und zwar auch dann, wenn zugleich die Voraussetzungen
des § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG 2002 vorliegen, die
Anteile also innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der
Zuführung angeschafft wurden. Müsste die aufnehmende
Gesellschaft die Anteile dennoch mit den Anschaffungskosten
ansetzen, käme es im Falle einer späteren
Veräußerung der Anteile zu einer erneuten Besteuerung
der in den eingelegten Anteilen ruhenden, beim Einlegenden
steuerlich gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002
bereits erfassten stillen Reserven.
d) Dessen ungeachtet weist der Streitfall die
Besonderheit auf, dass F die Beteiligung an der C-AG unmittelbar
vor der Einlage in die Klägerin gegen die Anteile an der VA,
von deren Grundkapital er 50 % hielt, getauscht hat. F hat damit
die Anteile an der VA i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002
veräußert und im Gegenzug die C-Aktien angeschafft (vgl.
Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 17 Rz 105). Werden Anteile im
Wege des Tausches erworben, ist Anschaffungspreis der gemeine Wert
der hingegebenen Wirtschaftsgüter (vgl. Gosch in Kirchhof,
a.a.O., § 17 Rz 206). Auch bei einer Bewertung der Einlage mit
den Anschaffungskosten wäre - unterstellt, die Anteile der
C-AG und der VA wären wertgleich - demnach kein anderer Wert
als der Teilwert der C-Aktien anzusetzen.
3. Die Vorinstanz hat eine abweichende
Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache
ist spruchreif. Die Klägerin hat die Aktien der C-AG mit
22.000 EUR bewertet. Dies entsprach den Anschaffungskosten, die F
im Jahr 1999 für die Anteile an der VA aufwenden musste.
Soweit dieser Ansatz den Teilwert der C-Aktien zum Zeitpunkt ihrer
Einbringung unterschritt, war er fehlerhaft. Wie hoch der Teilwert
dieser Anteile tatsächlich war, bedarf jedoch im Streitfall
keiner Aufklärung. Denn selbst wenn die Klägerin bei der
Veräußerung der Aktien für 347.900 EUR einen
höheren Preis als deren Teilwert zum Zeitpunkt der Einlage
rund sieben Wochen davor erzielt haben sollte, wäre dieser
Gewinn gemäß § 8b Abs. 2 KStG 2002 steuerfrei (vgl.
allgemein auch Gosch, KStG, § 8b Rz 349; Dötsch/Pung in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 8b
KStG Rz 171, m.w.N.). Der Teilwert der C-Aktien zum Zeitpunkt ihrer
Einbringung ist nur für die Ermittlung des vom Beigeladenen
erzielten Veräußerungsgewinns gemäß § 17
Abs. 2 EStG 2002 bei dessen Einkommensteuerfestsetzung von
Bedeutung.