Rechnung, rückwirkende Berichtigung; Nachzahlungszinsen, Erlass: 1. Eine aufgrund unzutreffenden Steuerausweises in einer Rechnung gemäß § 14 Abs. 2 UStG entstandene nicht entrichtete Steuer ist gemäß § 233 a AO zu verzinsen. Die aufgrund des Steuerausweises entstandene Umsatzsteuerschuld besteht bis zur - ohne Rückwirkung eintretenden - Berichtigung des Steuerbetrags. - 2. Eine rückwirkende Berichtigung unzutreffend ausgewiesener Steuer widerspricht dem Regelungszweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG. Für eine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung von derartigen Umsatzsteuernachforderungen ist deshalb kein Anhaltspunkt ersichtlich. - 3. Eine ermessenslenkende Billigkeitsregelung der Verwaltung, wonach Nachzahlungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen sind, wenn ein Unternehmer eine unrichtige Endrechnung, die eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 2 UStG auslöst, in einem auf das Kalenderjahr der ursprünglichen Rechnungserteilung folgenden Kalenderjahr nach Aufdeckung seines Fehlers sogleich berichtigt hat, bindet die Gerichte nicht. - 4. Ein aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitender Anspruch gegenüber einer Behörde auf Fortführung einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis besteht nicht. - Urt.; BFH 19.3.2009, V R 48/07; SIS 09 16 48
I. Die Beteiligten streiten darum, ob
Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer über den bisherigen Umfang
hinaus in voller Höhe zu erlassen sind.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) war in den Jahren 1994 bis
1996 (Streitjahre) Organträgerin der A-GmbH und der
B-GmbH.
Im Jahr 1998 übertrug die
Klägerin die A-GmbH und die B-GmbH auf die L-GmbH als neue
Organträgerin.
Die A-GmbH und die B-GmbH hatten in den
Streitjahren 1994 bis 1996 in Endrechnungen unberechtigt
Umsatzsteuerbeträge gesondert ausgewiesen. Dies wurde 1999 im
Rahmen einer Außenprüfung festgestellt
(Prüfungsbericht vom 30.8.1999).
Daraufhin erließ das seinerzeit
für die Klägerin zuständige Finanzamt M am
12.11.1999 gegenüber der Klägerin geänderte
Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre, in denen es
gestützt auf § 14 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993
(UStG) die Umsatzsteuer um insgesamt 5.318.191 DM erhöhte und
gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO)
Nachzahlungszinsen in Höhe von 540.187 DM (1994), 221.386 DM
(1995) und 130.834 DM (1996), insgesamt 892.407 DM,
festsetzte.
Am 17.12.1999 reichte die Klägerin
beim Finanzamt M eine berichtigte Umsatzsteuer-Voranmeldung
für Januar 1999 ein, in der sie unter Hinweis auf
Rechnungsberichtigungen ihrer ehemaligen Organgesellschaften A-GmbH
und B-GmbH einen Erstattungsanspruch in Höhe von 5.318.191 DM
geltend machte. Sie führte dazu aus: „Diese Beträge
wurden im Rahmen der Rechnungsberichtigung der ehemaligen
Organgesellschaften im Januar 1999 dem Finanzamt gemeldet und
werden nunmehr als Erstattungsanspruch des ehemaligen
Organträgers in dieser berichtigten Voranmeldung geltend
gemacht.“
Am 20.12.1999 zahlte die Klägerin die
durch den Bescheid vom 12.11.1999 festgesetzte
Umsatzsteuernachforderung für die Streitjahre (5.318.191 DM)
durch Verrechnung mit ihrem eigenen
Körperschaftsteuerguthaben.
Das für die L-GmbH als neue
Organträgerin der A-GmbH und B-GmbH zuständige Finanzamt
A hatte der L-GmbH bereits am 21.6.1999 3.457.919 DM und am
8.12.1999 1.860.272 DM (insgesamt also 5.318.191 DM) erstattet. Die
L-GmbH hatte „aus berichtigten Rechnungsstellungen
Umsatzsteuererstattungsansprüche beim Finanzamt A geltend
gemacht“ und entsprechende Zahlungen erhalten.
Dies ergibt sich aus einem zwischen der
Klägerin und der L-GmbH abgeschlossenen Vergleich, in dem sich
die L-GmbH verpflichtete, den Betrag von 5.318.191 DM an das
Finanzamt A zurückzuzahlen und dabei mitzuwirken, dass dieser
Betrag an die Klägerin ausgezahlt wird.
Im Dezember 2000 zahlte die L-GmbH
5.318.191 DM an das Finanzamt A zurück.
Am 14.2.2001 erstattete der nunmehr
für die Klägerin zuständig gewordene Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) der Klägerin diesen
Betrag.
Unter dem 28.3.2000 hatte die Klägerin
den Erlass der durch Bescheid vom 12.11.1999 in Höhe von
892.407 DM festgesetzten Nachzahlungszinsen beantragt und sich zur
Begründung auf das Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen (BMF) vom 1.4.1996 IV A4 - S 0460 a - 20/96 zur
„Verzinsung von Umsatzsteuernachforderungen nach § 233a
AO aufgrund fehlerhafter Endrechnungen;
Billigkeitsmaßnahmen“ (BStBl I 1996, 370 = SIS 96 12 45) berufen.
Das BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 370 =
SIS 96 12 45 - vgl. nunmehr Nr. 70.2.3 des Anwendungserlasses zur
Abgabenordnung (AEAO) zu § 233a AO, BMF-Schreiben vom 2.1.2008
IV A4 - S 0062 - 07/0001, BStBl I 2008, 26, 181 = SIS 08 10 36 -
lautet:
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„Werden in einer Endrechnung oder der
zugehörigen Zusammenstellung die vor der Leistung
vereinnahmten Teilentgelte und die auf sie entfallenden
Umsatzsteuerbeträge nicht abgesetzt oder angegeben, so hat der
Unternehmer den gesamten in der Endrechnung ausgewiesenen
Steuerbetrag an das Finanzamt abzuführen. Der Unternehmer
schuldet die in der Endrechnung ausgewiesene Steuer, die auf die
vor Ausführung der Leistung vereinnahmten Teilentgelte
entfällt, nach § 14 Abs. 2 UStG. Erteilt der Unternehmer
dem Leistungsempfänger nachträglich eine berichtigte
Endrechnung, die den Anforderungen des § 14 Abs. 1 letzter
Satz UStG genügt, so kann er die von ihm geschuldete Steuer in
dem Besteuerungszeitraum berichtigen, in dem die berichtigte
Endrechnung erteilt wird (vgl. Abschnitte 187 Abs. 10 und 223 Abs.
8 UStR 1996). Hat der Unternehmer die aufgrund der fehlerhaften
Endrechnung nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldete Steuer nicht in
seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung berücksichtigt, kann die
Nachforderung dieser Steuer im Rahmen der Steuerfestsetzung
für das Kalenderjahr zur Festsetzung von Nachzahlungszinsen
gemäß § 233a AO führen, wenn der Unternehmer
die Endrechnung erst in einem auf das Kalenderjahr der
ursprünglichen Rechnungserteilung folgenden Kalenderjahr
berichtigt hat.
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Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der
Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der
Länder ist die Erhebung von Nachzahlungszinsen in derartigen
Fällen sachlich unbillig, weil die zu verzinsende
Steuernachforderung lediglich darauf beruht, daß die Steuer
nicht rückwirkend in dem Besteuerungszeitraum der
ursprünglichen Rechnungserteilung berichtigt werden kann.
Deshalb sind die in derartigen Fällen festgesetzten
Nachzahlungszinsen zu erlassen, wenn der Unternehmer nach
Aufdeckung seines Fehlers sogleich eine berichtigte Endrechnung
erteilt.“
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Daraufhin erließ das FA von den
insgesamt festgesetzten Nachzahlungszinsen (892.407 DM)
Nachzahlungszinsen für 1994 in Höhe von 477.375 DM,
für 1995 in Höhe von 197.794 DM und für 1996 in
Höhe von 130.834 DM, insgesamt also 805.963 DM, so dass noch
Zinsen zur Umsatzsteuer 1994 in Höhe von 62.812 DM und zur
Umsatzsteuer 1995 in Höhe von 23.632 DM, insgesamt also 86.444
DM, offenblieben.
Zur Begründung führte das FA im
Schreiben vom 17.1.2001 aus, im Fall von geänderten
Endrechnungen könnten die Nachzahlungszinsen aus
Billigkeitsgründen gemäß § 227 AO dann
erlassen werden, „wenn den Nachzahlungszinsen für die
Nachforderung keine Guthabenzinsen für den positiven Betrag
gegenüberstehen, die entsprechend verrechenbar
wären“. Ein Erlass der Nachzahlungszinsen in voller
Höhe komme nicht in Betracht, da die unbillige Härte, die
die Voraussetzung für einen Erlass darstelle, ab dem Zeitpunkt
nicht mehr vorliege, in dem der Guthabensbetrag erstattet worden
sei. Dies sei bereits zum 21.6.1999 bzw. zum 8.12.1999 der Fall
gewesen und für den Erlass berücksichtigt worden. Da ab
diesen Zeitpunkten der Liquiditätsvorteil auf Seiten der
Steuerpflichtigen eindeutig bestanden habe, würde ein
Vollerlass ausschließlich zu Lasten der Allgemeinheit gehen.
Es könne daher nicht unbillig sein, ab dem Zeitpunkt der
Erstattungen die Zahlung der Zinsen zu verlangen.
Nachdem die Klägerin eingewendet
hatte, nicht ihr, sondern der L-GmbH seien die Beträge
erstattet worden, lehnte das FA durch Bescheid vom 9.3.2001 einen
vollständigen Erlass der Nachzahlungszinsen (nochmals) ab und
führte zur Begründung aus:
Es stehe fest, dass auf Seiten der L-GmbH
durch die Erstattung eindeutig ein Zinsvorteil bestanden habe.
Dieser Zinsvorteil könne nicht auf die Allgemeinheit
abgewälzt werden, indem ein vollständiger Zinserlass
gewährt werde. Die Zinsen für die Klägerin und der
Zinsvorteil auf Seiten der L-GmbH hätten in den zwischen ihnen
bezüglich der gesamten Vorgänge geschlossenen Vergleich
einbezogen werden müssen.
Den Einspruch der Klägerin wies das FA
durch Einspruchsentscheidung vom 18.7.2001 mit im Wesentlichen
entsprechender Begründung zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab
(vgl. SIS 08 16 26). Es führte zur Begründung u.a.
aus:
Ein Erlass von Nachzahlungszinsen sei nach
dem BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 370 = SIS 96 12 45 nur dann
auszusprechen, wenn sogleich nach Aufdeckung des Fehlers durch den
Unternehmer berichtigte Endrechnungen erteilt würden. Das
Vorliegen dieser Voraussetzungen habe durch den Senat nicht
festgestellt werden können.
Weil nicht feststehe, ob die Rechnungen
tatsächlich berichtigt worden seien, komme ein Erlass des
Restbetrages schon aus diesem Grunde nicht in Betracht, ohne dass
es auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage ankomme, ob von
einem (Teil-) Erlass „ein Liquiditätsvorteil, der auf
der Klägerseite bestanden haben müsste“,
auszunehmen wäre. Im Übrigen habe ein derartiger Vorteil
bei der Klägerin vorgelegen und darin bestanden, dass sie als
Organträgerin die aufgrund der von ihren Organgesellschaften
fehlerhaft erteilten Endrechnungen nach § 14 Abs. 2 UStG
bereits in den Jahren 1994 bis 1996 geschuldeten Umsatzsteuern erst
nach Aufdeckung des Fehlers am 20.12.1999 durch Verrechnung gezahlt
habe. Käme es darauf an, wäre dieser
Liquiditätsvorteil von einem Erlass der Nachzahlungszinsen
(bei Vorliegen aller hierfür erforderlichen Voraussetzungen)
auszunehmen gewesen, wie dies durch das FA geschehen sei.
Mit der Revision macht die Klägerin im
Wesentlichen geltend, das FG habe mit seinem Urteil den
Überprüfungsspielraum nach § 102 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) für Ermessensentscheidungen
überschritten. Denn es habe die Ermessenserwägungen des
FA durch eigene Ermessenserwägungen ersetzt und insbesondere
nicht beachtet, dass das FA die Voraussetzungen des BMF-Schreibens
in BStBl I 1996, 370 = SIS 96 12 45 dem Grunde nach anerkannt und
nur für einen Teilbetrag - mit unzutreffender Begründung
- einen Erlass versagt habe.
Überdies könne der vom FG in der
verspäteten Zahlung der für die Altjahre geschuldeten
Umsatzsteuern gesehene Liquiditätsvorteil einem Erlass
deswegen nicht entgegenstehen, weil er gesetzlich notwendige
Bedingung der Entstehung von Nachzahlungszinsen sei. Das FA
könne einem Rechtsanspruch auf vollständigen Erlass von
Zinsen nicht entgegenhalten, dass es eigeninitiativ rechtswidrig in
einem anderen Steuerschuldverhältnis die Beträge an einen
Unberechtigten (die L-GmbH) ausgezahlt habe. Ein derartiges
Verhalten sei der Klägerin nach keinem Gesichtspunkt
zuzurechnen. Eine Berücksichtigung dieser Erstattung stelle
einen Ermessensfehlgebrauch dar.
Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung der Vorentscheidung, des Ablehnungsbescheids vom 9.3.2001
und der Einspruchsentscheidung vom 18.7.2001 das FA zu
verpflichten, weitere Nachzahlungszinsen in Höhe von 86.444 DM
zu erlassen,
hilfsweise, den Antrag unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) neu zu
bescheiden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Es tritt dem Vorbringen der Klägerin
entgegen.
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass
die Klägerin keinen Anspruch auf vollständigen Erlass der
durch die Bescheide vom 12.11.1999 festgesetzten Nachzahlungszinsen
hat. Sie hat auch keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres
Erlassantrags.
1. Gemäß § 227 AO können
die Finanzbehörden Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis erlassen, wenn deren Einziehung nach
Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zu diesen
Ansprüchen gehören auch die Ansprüche auf
steuerliche Nebenleistungen wie die hier angegriffenen
Zinsfestsetzungen (§ 37 Abs. 1 i.V.m. § 3 Abs. 3 - jetzt
§ 3 Abs. 4 - AO).
2. Die Entscheidung über eine
Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung, die
gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen
nachprüfbar ist. Die Nachprüfung einer Erlassablehnung
ist deshalb darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer
Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in
einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise
Gebrauch gemacht hat.
3. Sachliche Billigkeitsgründe i.S. des
§ 227 AO, die hier allein in Betracht kommen und auf die die
Klägerin ihren Antrag auf vollständigen Erlass bzw. auf
Neubescheidung ihres Erlassantrags stützt, sind nicht
gegeben.
a) Unbilligkeit aus sachlichen Gründen
i.S. des § 227 AO kann gegeben sein, wenn die Geltendmachung
eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis im Einzelfall
zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck
des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist
und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der
Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes
einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch dem
Erlass entgegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil
vom 16.8.2001 V R 72/00, BFH/NV 2002, 545 = SIS 02 58 90, unter
II.2.a, m.w.N.).
Im Streitfall widersprechen die von der
Klägerin geltend gemachten Umstände nicht den der
Verzinsungsregelung des § 233a AO zugrunde liegenden
Wertungen.
b) Führt die Festsetzung von Umsatzsteuer
zu einer Steuernachforderung oder Steuererstattung, ist diese nach
§ 233a Abs. 1 Satz 1 AO in den in den Streitjahren geltenden
Fassungen zu verzinsen. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf
des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a
Abs. 2 Satz 1 AO).
aa) Zweck des § 233a AO ist es, einen
Ausgleich dafür zu schaffen, dass die Steuern bei den
einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten
festgesetzt und fällig werden (so die Gesetzesbegründung
in BTDrucks 11/2157, S. 194; vgl. ferner z.B. BFH-Urteil vom
20.1.1997 V R 28/95, BFHE 183, 353, BStBl II 1997, 716 = SIS 97 20 74).
bb) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die
Festsetzung von Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO
grundsätzlich rechtmäßig, wenn der Schuldner der
Steuernachforderung Liquiditätsvorteile gehabt hat, weil er
von der Zahlung der geschuldeten Steuer - wegen unzutreffender
Steuerfestsetzung - vorerst „freigestellt“ war
(vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 545 = SIS 02 58 90, unter II.2.b,
m.w.N.; BFH-Beschluss vom 28.10.2005 V B 196/04, BFH/NV 2006, 245 =
SIS 06 07 37).
Das gilt auch bei einer Steuer, die wegen
unzutreffenden Steuerausweises in einer Rechnung gemäß
§ 14 Abs. 2 UStG entstanden ist - wie im Streitfall - (vgl.
bereits BFH-Beschluss vom 6.8.1996 V B 51/95, BFH/NV 1997, 165).
Das Gesetz enthält insoweit in § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG
i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG eine eindeutige Regelung. Danach
besteht die aufgrund des unrichtigen Steuerausweises entstandene
Umsatzsteuer bis zur - ohne Rückwirkung eintretenden -
Berichtigung des Steuerbetrags. Denn die Berichtigung ist nach
§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG für den Besteuerungszeitraum
vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage
eingetreten ist. Für die Rechnungsberichtigung, auf die §
17 Abs. 1 Satz 3 UStG gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG
entsprechend anzuwenden ist, bedeutet dies, dass erst im Zeitpunkt
der Rechnungsberichtigung der nach § 14 Abs. 2 UStG
geschuldete Steuerbetrag zu berichtigen war (vgl. BFH-Urteil in
BFH/NV 2002, 545 = SIS 02 58 90, unter II.2.c aa, m.w.N.).
Eine rückwirkende Berichtigung
unzutreffend ausgewiesener Steuer widerspräche dem
Regelungszweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1
UStG. Für eine sachliche Unbilligkeit der Verzinsung von
derartigen Umsatzsteuernachforderungen ist deshalb kein
Anhaltspunkt ersichtlich (vgl. BFH-Urteil vom 19.11.2002 V R 66/00,
BFH/NV 2003, 591 = SIS 03 21 86; BFH-Beschluss vom 6.4.2005 V B
60/04, BFH/NV 2005, 1976 = SIS 05 44 76, jeweils m.w.N.).
cc) Im Streitfall ist der Klägerin durch
die Nichtentrichtung der von ihr als Organträgerin der A-GmbH
und der B-GmbH nach § 14 Abs. 2 UStG in den Streitjahren 1994
bis 1996 in Höhe von insgesamt 5.318.191 DM geschuldeten
Steuer ein Liquiditätsvorteil entstanden.
Davon ist das FA bei der Ablehnung eines
weitergehenden Erlasses in den angefochtenen Bescheiden ebenfalls
ausgegangen, wie sich insbesondere aus der Einspruchsentscheidung
vom 18.7.2001 ergibt, in der es u.a. heißt, derjenige, dessen
Steuer später festgesetzt werde, habe gegenüber
demjenigen, dessen Steuer bereits frühzeitig festgesetzt
werde, einen Zeitvorteil, der die Gleichmäßigkeit der
Besteuerung in Frage stelle; hier schaffe die Vollverzinsung einen
Ausgleich.
Es ist deshalb letztlich ohne Belang, dass das
FA in den angefochtenen Bescheiden einen vollständigen Erlass
aus Billigkeitsgründen im Ergebnis mit dem - unerheblichen und
unzutreffenden - Hinweis abgelehnt hat, durch die Erstattungen der
Teilbeträge an die L-GmbH sei bei dieser ein
„tatsächlicher Zinsvorteil“ entstanden, den
die Klägerin sich zurechnen lassen müsse.
dd) Da - wie dargelegt - die Klägerin die
zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 Satz 2
i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG bis zur Berichtigung der Rechnungen
schuldete, bestand der Liquiditätsvorteil der Klägerin
bis zu einer derartigen Rechnungsberichtigung, längstens
jedoch bis zur Zahlung der geschuldeten Steuer durch die
Klägerin durch Verrechnung am 20.12.1999. Dies steht ihrem
Revisionsbegehren, über die bereits vom FA erlassenen 805.963
DM weitere Nachzahlungszinsen in Höhe von 86.444 DM zu
erlassen bzw. das FA zur Neubescheidung zu verpflichten, entgegen,
ohne dass es auf eine genaue Festlegung ankäme (vgl. § 96
Abs. 1 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).
Dass die A-GmbH und die B-GmBH die von ihnen
in den Streitjahren 1994 bis 1996 erteilten Rechnungen
tatsächlich berichtigt haben, hat das FG nicht feststellen
können.
Selbst wenn man aber entsprechend der
Behauptung der Klägerin davon ausgeht, dass die A-GmbH und die
B-GmbH ihre Rechnungen berichtigt haben, geschah dies (erst) im
Januar 1999. Diesen Zeitpunkt hat die Klägerin in ihrer
berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 1999 vom
17.12.1999 genannt. Er ist auch in den Erläuterungen zu den
Bescheiden vom 12.11.1999 genannt. Danach hätte der
Liquiditätsvorteil der Klägerin jedenfalls bis Januar
1999 bestanden.
4. Die Klägerin beruft sich ohne Erfolg
auf das BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 370 = SIS 96 12 45 (vgl.
nunmehr Nr. 70.2.3 AEAO zu § 233a AO, BMF-Schreiben in BStBl I
2008, 26, 181 = SIS 08 10 36), wonach Nachzahlungszinsen aus
sachlichen Billigkeitsgründen „zu erlassen
sind“, wenn ein Unternehmer eine unrichtige Endrechnung,
die eine Steuerschuld nach § 14 Abs. 2 UStG auslöst, in
einem auf das Kalenderjahr der ursprünglichen
Rechnungserteilung folgenden Kalenderjahr nach Aufdeckung seines
Fehlers sogleich berichtigt hat.
a) Bei dieser
„Billigkeitsmaßnahme“ (vgl. die
Überschrift im BMF-Schreiben in BStBl I 1996, 370 = SIS 96 12 45) handelt es sich um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift
(vgl. für eine Verwaltungsvorschrift zum Erlass von
Säumniszuschlägen: BFH- Beschluss vom 11.3.2003 VII B
208/02, BFH/NV 2003, 816 = SIS 03 24 68, unter II.1.a). Denn bei
der Frage, ob die Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen
Falles unbillig wäre, bestimmt der Maßstab der
Billigkeit Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen
Ermessens (vgl. zu § 131 Abs. 1 Satz 1 der
Reichsabgabenordnung: Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105,
101, BStBl II 1972, 603 = SIS 72 03 54).
b) Derartige ermessenslenkende
Verwaltungsvorschriften können unter dem Gesichtspunkt der
Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des
Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG - )
bei der gerichtlichen Überprüfung von
Ermessensentscheidungen von Bedeutung sein (vgl. BFH- Beschluss in
BFH/NV 2003, 816 = SIS 03 24 68, unter II.1.a, m.w.N.).
Das gilt aber nur, wenn sich die in ihnen
getroffenen Regelungen innerhalb der Grenzen halten, die das GG und
die Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen, d.h. bei einer
Billigkeitsrichtlinie - wie hier - muss die getroffene Regelung
Recht und Billigkeit entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 25.11.1980
VII R 17/78, BFHE 132, 159, BStBl II 1981, 204 = SIS 81 25 23,
unter C.II.3.a)
Dass ist - wie unter II. 3. b bb dargelegt -
nicht der Fall. Denn eine rückwirkende Berichtigung
unzutreffend ausgewiesener Steuer, wie sie die Billigkeitsregelung
in BStBl I 1996, 370 = SIS 96 12 45 im Ergebnis anordnet,
widerspricht dem Regelungszweck des § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m.
§ 17 Abs. 1 UStG. Für eine sachliche Unbilligkeit der
Verzinsung von derartigen Umsatzsteuernachforderungen ist deshalb
kein Anhaltspunkt ersichtlich.
Überdies verstößt die
Billigkeitsregelung in BStBl I 1996, 370 = SIS 96 12 45 gegen Art.
3 Abs. 1 GG. Denn es gibt keinen Grund dafür, einen Erlass von
Nachzahlungszinsen nur für den Fall unrichtiger Endrechnungen
(vgl. § 14 Abs. 1 Satz 6 UStG) vorzusehen und nicht für
sonstige unrichtige Rechnungen i.S. von § 14 Abs. 2 UStG.
Ein aus Art. 3 Abs. 1 GG herzuleitender
Anspruch gegenüber einer Behörde auf Fortführung
einer gesetzwidrigen Verwaltungspraxis besteht nicht (vgl.
BFH-Beschluss vom 3.2.2005 I B 152/04, BFH/NV 2005, 1214 = SIS 05 31 35, m.w.N.).