Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26.6.2014 3 K 2924/11 = SIS 15 02 78 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) verpflichtete sich
gegenüber Grundstückseigentümern in deren Namen
deren Grundbesitz (Eigentumswohnungen) zu einem
Mindestverkaufspreis zu veräußern. Über den
Mindestverkaufspreis hinausgehende Verkaufserlöse sollten der
Klägerin als Vertriebsentgelt zustehen.
|
|
|
2
|
Die Grundstückseigentümer
erteilten der Klägerin alleinige Verkaufsrechte und
„unwiderrufliche Verkaufsvollmachten“. Zusätzlich
erteilten die Grundstückseigentümer im Regelfall der
Klägerin oder ihrem Ehemann notarielle Verkaufsvollmachten.
Teilweise wurden die von der Klägerin oder ihrem Ehemann
abgeschlossenen notariellen Verkäufe von den
Grundstückseigentümern nachträglich notariell
genehmigt.
|
|
|
3
|
Nach den von der Klägerin und den
Grundstückseigentümern getroffenen Vereinbarungen sollten
die Kaufverträge zwischen den Grundstückseigentümern
und den Erwerbern unmittelbar zustande kommen. Der Kaufpreis sollte
von den Erwerbern an die Grundstückseigentümer
unmittelbar gezahlt werden. Die Grundstückseigentümer
sollten den Mindestverkaufspreis einbehalten und den erzielten
Mehrerlös als Vertriebsentgelt an die Klägerin
abführen. Die Grundstücksgeschäfte wurden
dementsprechend unmittelbar zwischen den
Grundstückseigentümern und den Erwerbern
abgeschlossen.
|
|
|
4
|
Die Klägerin erteilte über die in
den Jahren 2000 bis 2004 vermittelten Verkäufe von
Grundstücken (Eigentumswohnungen) Rechnungen mit offen
ausgewiesener Umsatzsteuer an die Grundstückseigentümer.
Dabei behandelte sie den über den Mindestverkaufspreis
hinausgehenden Kaufpreisanteil (Vertriebsentgelt) als
„Nettoentgelt“ für eine von ihr erbrachte
Vermittlungsleistung. Die Klägerin versteuerte ihre Leistungen
dementsprechend.
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ging ebenso wie andere für die
Grunderwerbsteuer zuständige Finanzbehörden davon aus,
dass die Klägerin als atypische Maklerin gegenüber den
Grundstückseigentümern nach § 1 Abs. 2 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerpflichtige Leistungen
erbracht habe.
|
|
|
6
|
Im Streitjahr 2006 berichtigte die
Klägerin die den Grundstückseigentümern erteilten
Rechnungen. Anstelle eines gesonderten Ausweises von Umsatzsteuer
enthielten die Rechnungen nunmehr den Hinweis auf die
Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des
Umsatzsteuergesetzes (UStG). Die als Gegenleistung ausgewiesenen
Beträge blieben unverändert. Aufgrund dieser
Rechnungsberichtigungen machte sie in ihrer
Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 eine Umsatzminderung von
2.318.708,10 EUR geltend. Dem schloss sich das FA nicht an und
erließ am 24.6.2008 einen unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung) stehenden
Umsatzsteuerbescheid 2006, in dem der von der Klägerin geltend
gemachte Berichtigungsbetrag nicht berücksichtigt wurde.
Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein, den das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 3.9.2009 als unbegründet
zurückwies. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Die Einräumung der Verwertungsbefugnis sei als Beistellung
anzusehen.
|
|
|
7
|
Mit Schreiben vom 27.4.2010 beantragte die
Klägerin die Berichtigung der Umsatzsteuerfestsetzung 2006 in
Höhe des bereits zuvor geltend gemachten
Berichtigungsbetrages. Demgegenüber hob das FA mit Bescheid
vom 21.5.2010 den Vorbehalt der Nachprüfung auf und lehnte
eine Änderung der Steuerfestsetzung ab.
|
|
|
8
|
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Nach dem Urteil des Finanzgerichts (FG) erbrachte die Klägerin
nach der zum nationalen Recht wie auch nach der zur Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) ergangenen Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) gegenüber den
Grundstückseigentümern Vermittlungsleistungen. Dem stehe
nicht entgegen, dass grunderwerbsteuerrechtlich zwischen ihr und
den Grundstückseigentümern eine nach § 1 Abs. 2
GrEStG steuerpflichtige Verwertungsbefugnis durch den
Zwischenerwerb als atypischer Makler vorliege. Die Leistungen seien
auch nicht gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG
steuerfrei.
|
|
|
9
|
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
ihrer Revision. Es seien die Grundsätze der Kommission bei
Lieferungen (§ 3 Abs. 3 UStG) anzuwenden. Aufgrund der ihr
eingeräumten Verwertungsbefugnis sei es den
Grundstückseigentümern verwehrt gewesen, selbst zu
verwerten. Nur sie habe als atypischer Makler über die
Grundstücke verfügen können. Sie habe so die
Verfügungsmacht erlangt. Ihre Leistungen seien nach § 4
Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit sei auf
Lieferungen und sonstige Leistungen anzuwenden. Eine hiervon
abweichende Beurteilung aus Gründen des Unionsrechts sei weder
mit dem Wortlaut des nationalen Rechts noch mit dem sich hieraus
für sie ergebenden Vertrauensschutz vereinbar. Vermittlung und
Einräumung der Verwertungsbefugnis seien zivil- und
steuerrechtlich eine Einheit. Daher unterliege die Vermittlung in
Bezug auf die zu ihr gehörende Einräumung der
Verwertungsbefugnis der Grunderwerbsteuer. Die Grundstücke
seien an sie geliefert worden, so dass sie wie bei einer Kommission
selbst geliefert habe. Es komme zu einer unzulässigen
Doppelbesteuerung.
|
|
|
10
|
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Umsatzsteuerbescheid
2006 dahingehend zu ändern, dass die bisher vom FA als
steuerpflichtig behandelten Beträge steuerfrei behandelt
werden und in Höhe von 2.297.743 EUR Berücksichtigung
finden.
|
|
|
11
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Die Voraussetzungen für eine
Steuerfreiheit lägen nicht vor. Zwar handele es sich bei der
Vermittlung und der Einräumung der Verwertungsbefugnis
zivilrechtlich um einen einheitlichen Vorgang. Steuerrechtlich sei
dieser aber aufzuteilen.
|
|
|
13
|
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Wie zwischen den Beteiligten
unstreitig ist, erbrachte die Klägerin umsatzsteuerbare
Leistungen. Diese Leistungen sind nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst.
a UStG steuerfrei, wie das FG zu Recht entschieden hat.
|
|
|
14
|
1. Die Leistungen der Klägerin sind nicht
steuerfrei.
|
|
|
15
|
a) § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG befreit von
der Umsatzsteuer die Umsätze, die unter das
Grunderwerbsteuergesetz fallen. Die Vorschrift beruhte in den
Jahren, in denen die Klägerin als Vermittler tätig war,
unionsrechtlich auf Art. 13 Teil B Buchst. g und h der Richtlinie
77/388/EWG sowie auf Art. 28 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie
77/388/EWG i.V.m. Anhang F Nr. 16. Danach bestand für die
Mitgliedstaaten die Befugnis, die Lieferung von Gebäuden und
Gebäudeteilen von der Umsatzsteuer zu befreien.
|
|
|
16
|
b) Bei den Vermittlungsleistungen der
Klägerin handelt es sich nicht um Umsätze, die unter das
Grunderwerbsteuergesetz fallen.
|
|
|
17
|
aa) Die Klägerin erbrachte gegenüber
den Grundstückseigentümern Vermittlungsleistungen.
Entgelt für die Vermittlung war die Beteiligung der
Klägerin am Verkaufspreis.
|
|
|
18
|
(1) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
sind der Leistungsinhalt und die Person des
Leistungsempfängers nach dem der Leistung zugrunde liegenden
Rechtsverhältnis zu bestimmen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom
22.12.2011 V R 29/10, BFHE 236, 242, BStBl II 2012, 441 = SIS 12 06 36, Rz 24).
|
|
|
19
|
(2) Nach den Verträgen, die die
Klägerin mit den Grundstückseigentümern
abgeschlossen hatte, war die Klägerin verpflichtet, für
die Grundstückseigentümer Grundstücksverkäufe
zu vermitteln. Die auf der Vermittlung beruhenden Verträge
schloss die Klägerin nach den ihr erteilten Vollmachten im
Namen der Grundstückseigentümer, nicht aber im eigenen
Namen mit den Erwerbern ab.
|
|
|
20
|
Soweit die Klägerin hiergegen geltend
macht, dass sie aufgrund von
„Verkaufsvollmachten“ bei den Verkäufen
„im eigenen Namen“ gehandelt habe, steht dies im
Widerspruch zu den für den Senat im Revisionsverfahren
bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs.
2 FGO), die die Klägerin nicht mit - zulässigen und
begründeten - Revisionsrügen angegriffen hat. Auf die von
der Klägerin als maßgeblich angesehene Frage der
Lieferbeziehungen bei Treuhandverhältnissen oder bei der
Sicherheitenverwertung kommt es daher nicht an.
|
|
|
21
|
bb) Die Vermittlung ist für sich genommen
kein Umsatz, der unter das Grunderwerbsteuergesetz fällt.
|
|
|
22
|
(1) Der Grunderwerbsteuer unterliegen nach
§ 1 Abs. 2 GrEStG auch Rechtsvorgänge, die es ohne
Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen
rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein
inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.
Dabei wendet der BFH diese Vorschrift auch auf Rechtsvorgänge
an, bei denen ein sog. atypischer Makler aufgrund besonderer
Abreden in einem Vermittlungsauftrag über
Grundstückseigentum eine Rechtsstellung erhält, die ihm
eine „Chance zur Beteiligung an der Substanz des
Grundstücks“ einräumt und es ihm
ermöglicht, das Grundstück auf eigene Rechnung zu
verwerten, da der Grundstückseigentümer zum Abschluss von
Kaufverträgen mit vom Makler benannten Käufern
verpflichtet ist und dem Makler der über den festgelegten
Mindestkaufpreis hinausgehende Betrag als Vermittlungsprovision
zusteht (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17.10.1990 II R 55/88, BFH/NV
1991, 556).
|
|
|
23
|
(2) Der nach § 1 Abs. 2 GrEStG der
Grunderwerbsteuer unterliegende Rechtsvorgang des atypischen
Maklervertrages ist nicht identisch mit der von der Klägerin
erbrachten Vermittlungsleistung. Die Vermittlungsleistung ergibt
sich aus dem der Klägerin erteilten Vermittlungsauftrag,
während der sich aus § 1 Abs. 2 GrEStG ergebende
Steuertatbestand darauf beruht, dass der Vermittler zusätzlich
zum Vermittlungsauftrag besondere Befugnisse erhält, die ihm
eine Verwertung auf eigene Rechnung ermöglichen.
|
|
|
24
|
Bestätigt wird die Trennung zwischen
Vermittlung und Verwertungsbefugnis dadurch, dass die Klägerin
nicht auf der Grundlage ihres Vermittlungsentgelts zur
Grunderwerbsteuer herangezogen wurde (vgl. auch BFH-Urteil vom
26.7.2000 II R 33/98, BFH/NV 2001, 206 = SIS 01 52 74, unter
II.1.b). Zudem sind einzelne Vorgänge umsatzsteuerrechtlich
grundsätzlich als eigenständig zu betrachten (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 27.2.2014 V R 14/13, BFHE 245, 272, BStBl II 2014,
869 = SIS 14 15 46).
|
|
|
25
|
Gegen die Umsatzsteuerpflicht der von der
Klägerin erbrachten Leistungen bestehen keine
unionsrechtlichen Bedenken. Denn das Unionsrecht gestattet die
Anwendung der Steuerfreiheit nur für Lieferungen (s. oben
II.1.a), nicht aber auch für Vermittlungsleistungen als
sonstige Leistungen (Dienstleistungen).
|
|
|
26
|
2. Es liegt auch keine unionsrechtlich
unzulässige Doppelbesteuerung vor. Wie der Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) bereits ausdrücklich
entschieden hat, weist die Grunderwerbsteuer nicht die Merkmale
einer Umsatzsteuer auf (EuGH-Beschluss Vollkommer vom 27.11.2008
C-156/08, EU:C:2008:663, Rz 33, UR 2009, 136 = SIS 09 05 17). Die
Doppelbesteuerung eines Sachverhaltskomplexes mit Umsatzsteuer und
Grunderwerbsteuer verstößt daher nicht gegen Art. 33 der
Richtlinie 77/388/EWG. Hiervon geht auch die ständige
Rechtsprechung des BFH aus (BFH-Urteile vom 2.4.2008 II R 53/06,
BFHE 220, 550, BStBl II 2009, 544 = SIS 08 21 73, unter II.2.d aa,
und vom 3.9.2008 XI R 54/07, BFHE 222, 153, BStBl II 2009, 499 =
SIS 08 43 29, unter II.3.d).
|
|
|
27
|
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|