Kaufangebot, Formwirksamkeit, GrESt: Die Tatbestandsverwirklichung nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder 7 GrEStG setzt ein rechtswirksames "Kaufangebot" voraus. Ein der Form des § 313 BGB (§ 311 b BGB n.F.) nicht genügendes Vertragsangebot bzw. in die Rechtsform eines Vertrags gekleidetes "Kaufangebot" erfüllt nicht die tatbestandlichen Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG. - Urt.; BFH 5.7.2006, II R 7/05; SIS 06 37 78
I. Die Stadt S hatte der Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ein - nicht notariell
beurkundetes - Angebot zum Kauf eines Grundstücks
unterbreitet. Die Klägerin bat S daraufhin, das
Grundstück direkt an ihre Kunden zu verkaufen. In der
Folgezeit entwarf die Klägerin Pläne für eine
Reihenhausbebauung des Grundstücks; hierfür wurde ihr im
September 2000 eine Baugenehmigung erteilt. Die Reihenhäuser
wurden von der Klägerin mit Zeitungsanzeigen zum Kauf
angeboten.
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom
19.10.2000 verkaufte S Teilflächen des Grundstücks an die
von der Klägerin als Grundstückserwerberin benannte Frau
W sowie an weitere von der Klägerin benannte Erwerber; diese
hatten vor Abschluss der Grundstückskaufverträge jeweils
einen Bauvertrag mit der E-GmbH abgeschlossen. Die Klägerin
hatte von der E-GmbH für die Vermittlung der Bauverträge
jeweils eine „Entschädigung“ erhalten.
Das damals zuständige Finanzamt
beurteilte die Rechtsstellung der Klägerin als die einer
Zwischenhändlerin i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 des
Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Es setzte gegen die
Klägerin durch Bescheid vom 16.1.2001 für die
gegenüber S erfolgte Benennung von Frau W als
Grundstückserwerberin Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.445
DM fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit
der die Klägerin die Nichtsteuerbarkeit der
Käuferbenennung unter Hinweis auf die fehlende notarielle
Beurkundung des ihr von S unterbreiteten Angebots geltend machte,
ab. Die Steuertatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG
verlangten kein den Anforderungen des § 313 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - (§ 311b BGB n.F.)
genügendes Kaufangebot. Allein entscheidend sei, dass die
Klägerin die Befugnis erlangt habe, über das
Grundstück seiner Substanz nach zu verfügen und es in
Verfolgung eigener Interessen zu verwerten.
Mit der Revision rügt die
Klägerin Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7
GrEStG.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG Baden-Württemberg vom 3.12.2003 5 K 268/01 = SIS 05 29 54,
den Grunderwerbsteuerbescheid vom 16.1.2001 sowie die
Einspruchsentscheidung vom 28.8.2001 aufzuheben.
Der nunmehr zuständige Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen
Grunderwerbsteuerbescheids in Gestalt der
Einspruchsentscheidung.
Das FG hat die durch die Klägerin
gegenüber S erfolgte Benennung der Frau W als
Grundstückserwerberin zu Unrecht als nach § 1 Abs. 1 Nr.
6 oder Nr. 7 GrEStG grunderwerbsteuerbar beurteilt.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 GrEStG
unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den
Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot
begründet, und nach Nr. 7 der genannten Vorschrift die
Abtretung selbst, wenn kein solches Rechtsgeschäft
vorausgegangen ist. Ziel dieser Vorschriften ist die Erfassung des
Grundstückshandels, der der Grunderwerbsteuer für die
Weiterveräußerung eines Grundstücks dadurch
ausweicht, dass er nicht mit Grundstücken als solchen, sondern
mit Angeboten zu deren Verkauf handelt (Urteil des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 22.1.1997 II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411
= SIS 97 14 15). Der in § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG verwendete
Begriff „Kaufangebot“ umfasst nach der
Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 31.5.1972 II R 162/66, BFHE 106,
367, BStBl II 1972, 828 = SIS 72 04 74; vom 10.7.1974 II R 89/68,
BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86 = SIS 75 00 50) sowohl den
einseitigen Vertragsantrag (Vertragsangebot) als auch das in die
Rechtsform des Vertrags gekleidete Angebot (z.B. Ankaufs- bzw.
Optionsvertrag).
a) § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG erfasst nur
solche Zwischengeschäfte, die den Veräußerer binden
(BFH-Urteile in BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828 = SIS 72 04 74;
in BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86 = SIS 75 00 50 sowie vom
16.4.1980 II R 141/77, BFHE 130, 428, BStBl II 1980, 525 = SIS 80 02 74). Die Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 6
oder 7 GrEStG hat daher zur Voraussetzung, dass ein rechtswirksames
Kaufangebot eingeräumt wird (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE
106, 367, BStBl II 1972, 828 = SIS 72 04 74; vom 6.9.1989 II R
135/86, BFHE 158, 135, BStBl II 1989, 984 = SIS 89 22 14; vom
3.3.1993 II R 89/89, BFHE 170, 468, BStBl II 1993, 453 = SIS 93 10 08, und in BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411 = SIS 97 14 15). Die
Rechtswirksamkeit eines den Veräußerer bindenden
Kaufangebots und ebenso des in einen Vertrag gekleideten Ankaufs-
oder Optionsrechts setzt voraus, dass es der Form des § 313
BGB (§ 311b BGB n.F.) genügt (z.B. Urteil des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 28.9.1962 V ZR 8/61,
Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs,
§ 433 BGB Nr. 16; MünchKommBGB/Kanzleiter, 4. Aufl.,
§ 311b Rdnr. 33 f.; vgl. auch BFH in BFHE 106, 367, BStBl II
1972, 828 = SIS 72 04 74). Ein dieser Form nicht genügendes
(privatschriftliches oder gar nur mündliches) Vertragsangebot
bzw. in die Rechtsform des Vertrags gekleidetes Angebot entfaltet
keine Bindungswirkung gegenüber dem Veräußerer und
erfüllt deshalb nicht die tatbestandlichen Anforderungen des
§ 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG.
b) Im Streitfall sind die Voraussetzungen des
§ 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG nicht erfüllt. Entgegen der
Ansicht des FG hatte das der Klägerin von S unterbreitete
Angebot mangels Einhaltung der Form des § 313 BGB (§ 311b
BGB n.F.) keine für S bindende Wirkung. Der Klägerin
fehlte damit die von § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG vorausgesetzte
Rechtsmacht, mit dem Kaufangebot zu handeln. Die bloße
Benennung der Grundstückserwerber gegenüber S durch die
Klägerin erfüllt die Steuertatbestände des § 1
Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG ebenfalls nicht (BFH-Urteile vom 6.5.1969 II
131/64, BFHE 96, 201, BStBl II 1969, 595 = SIS 69 03 80, und in
BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828 = SIS 72 04 74). Daran
ändert nichts, dass die der Klägerin von der E-GmbH
gezahlten „Entschädigungen“ ihrer Höhe
nach den Bereich eines üblichen Maklerlohns erheblich
überschritten.
Da die Vorentscheidung diesen Grundsätzen
nicht entspricht, war sie aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Die vom FG
getroffenen Feststellungen, an die der BFH nach § 118 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, ergeben die
Rechtswidrigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung. Der
Steuerbescheid vom 16.1.2001 und die Einspruchsentscheidung vom
28.8.2001 sind daher nach § 121 i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz
1 FGO aufzuheben.
Die vom FG offen gelassene Frage, ob der der
Besteuerung unterworfene Lebenssachverhalt den Tatbestand des
§ 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt, ist zu verneinen. Die
Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG liegen vor, wenn es
einem Dritten ohne Begründung eines Anspruchs auf
Eigentumsübertragung rechtlich ermöglicht wird, über
ein bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu
verfügen, d.h. wenn er es besitzen, verwalten, nutzen,
belasten und schließlich veräußern kann, und sich
diese Maßnahmen wirtschaftlich zu Gunsten oder zu Lasten des
Dritten auswirken (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 3.5.1973 II R 37/68,
BFHE 109, 476, BStBl II 1973, 709 = SIS 73 03 83; vom 26.7.2000 II
R 33/98, BFH/NV 2001, 206 = SIS 01 52 74). Keine dieser
Voraussetzungen ist im Streitfall erfüllt. Die Auffassung des
FG, die Klägerin habe aufgrund des ihr von S unterbreiteten
Angebots die Befugnis erlangt, über das Grundstück seiner
Substanz nach zu verfügen, wird durch die vom FG getroffenen
Feststellungen nicht getragen. Eine Bindung des Senats an diese
Tatsachenwürdigung nach § 118 Abs. 2 FGO besteht daher
nicht (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO
Rz. 142, m.w.N.).