Ansparrücklage, nachträgliche Bildung: Für bereits angeschaffte Wirtschaftsgüter kann wegen fehlenden Finanzierungszusammenhangs zwischen Rücklage und Investition eine Ansparrücklage nach § 7 g EStG nicht gebildet werden, wenn die Rücklage erst nach dem Anschaffungsjahr allein wegen zwischenzeitlicher Änderung des Einkommensteuerbescheids für das Investitionsjahr gebildet wird, um die aufgrund des Änderungsbescheids überschrittene Einkommensgrenze für die Begünstigung nach § 10 e EStG erneut zu unterschreiten. - Urt.; BFH 29.4.2008, VIII R 62/06; SIS 08 31 20
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob eine nach § 7g Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
gebildete Ansparrücklage im dritten Jahr nach ihrer Bildung -
im Zusammenhang mit der Anfechtung eines
Einkommensteueränderungsbescheides - zur Wahrung der
Einkommensgrenze für den Abzugsbetrag nach § 10e EStG
erhöht werden kann.
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 1998 zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin ermittelt ihren
Gewinn aus der Tätigkeit als selbständige praktische
Ärztin nach § 4 Abs. 3 EStG und bildete im Streitjahr
für künftige Investitionen eine gewinnmindernde
Ansparrücklage gemäß § 7g Abs. 3 EStG, die der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
erklärungsgemäß berücksichtigte. Ebenso
berücksichtigte das FA die geltend gemachte
Steuerbegünstigung nach § 10e EStG.
Nachdem das FA die Steuerbegünstigung
nach § 10e EStG durch Einkommensteueränderungsbescheid
für das Streitjahr wegen der aus dem Gewerbebetrieb des
Klägers erzielten (einheitlich und gesondert festgestellten)
geringeren Verluste und dadurch gegebener Überschreitung der
Einkommensgrenze für den Abzugsbetrag nach § 10e EStG
außer Ansatz gelassen hatte, machten die Kläger mit
ihrem Einspruch vom 27.3.2001 - erstmals - geltend, die bisherige
Ansparabschreibung der Klägerin müsse um einen Betrag in
Höhe von 4.650 DM (auf 24.650 DM) erhöht werden.
Beigefügt war eine Liste geplanter Investitionen von
Wirtschaftsgütern, die die Klägerin in ihrer bisher
für das Streitjahr gebildeten Rücklage nicht erfasst,
aber tatsächlich im Jahr 2000 beschafft hatte.
Das FA lehnte die Erhöhung der
Ansparabschreibung im Streitjahr wegen fehlenden
Finanzierungszusammenhangs zur bereits vorher erfolgten Anschaffung
der Wirtschaftsgüter ab. Die nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit
seinem in EFG 2007, 913 = SIS 07 14 09 veröffentlichten Urteil
ab.
Mit der Revision rügen die Kläger
Verletzung materiellen Rechts.
Zu Unrecht gehe das FG davon aus, dass eine
Ansparrücklage nach § 7g EStG nur für
Wirtschaftsgüter gebildet werden könne, die durch
Aufstellung oder Änderung einer Bilanz vor dem Zeitpunkt
konkretisiert würden, zu dem die Rücklage wieder
aufgelöst werden müsse. Nach der Rechtsprechung komme es
nur darauf an, dass die Investition im Zeitpunkt der
Rücklagenbildung tatsächlich noch möglich sei.
Dementsprechend sei es aus der Sicht des Streitjahres 1998 objektiv
möglich und realistisch gewesen, die im Jahre 2000
tatsächlich durchgeführten - und am 27.3.2001
dokumentierten - Investitionen durchzuführen. Die
erforderliche Investitionsabsicht sei mit der tatsächlichen
Durchführung der Investition nachgewiesen. Weiter gehende
Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Investitionsabsicht seien
nur gerechtfertigt, wenn die Rücklage nach dem
Begünstigungszeitraum gebildet werde und die Investition
tatsächlich nicht vorgenommen werde.
Entgegen der Auffassung des FG bestehe auch
der erforderliche Finanzierungszusammenhang zwischen
Ansparabschreibung und Investition. Nachdem aufgrund der
Änderung des Einkommensteueränderungsbescheids die
Einkommensgrenze des § 10e Abs. 5a EStG überschritten
worden sei, stelle erst die nachträgliche Erhöhung der
Ansparrücklage das Finanzierungsgleichgewicht wieder her. Der
Finanzierungszusammenhang bestehe auch dann, wenn die Rücklage
erst - kurze Zeit - nach Durchführung der Investition gebildet
werde, weil die damit verbundene Liquiditätsersparnis in die
Gesamtfinanzierung des Unternehmens einfließe.
Die Kläger beantragen, die
Einkommensteuer für das Jahr 1998 unter Berücksichtigung
einer um 4.650 DM erhöhten Ansparrücklage bei den
Einkünften der Klägerin aus selbständiger Arbeit zu
mindern.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Der Finanzierungszusammenhang zwischen
Ansparrücklage und Investition fehle, wenn die Rücklage -
wie im Streitfall - nach Ablauf der Investitionsjahre erhöht
werde. Dies gelte entgegen der Auffassung der Kläger selbst
dann, wenn die Investition später tatsächlich
durchgeführt werde.
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
Zu Recht hat das FG die Berücksichtigung
der geltend gemachten Ansparabschreibung abgelehnt, soweit sie im
Einspruchsverfahren erhöht wurde.
1. Gemäß § 7g Abs. 3 EStG (in
der für das Streitjahr 1998 geltenden Fassung) können
Steuerpflichtige für die künftige Anschaffung oder
Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des
Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden
(Ansparabschreibung).
a) Die Rücklage darf 50 % der
Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten
Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige
voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der
Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen
wird. Sie ist gemäß § 7g Abs. 4 EStG in Höhe
von 50 % der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aufzulösen,
sobald für das begünstigte Wirtschaftsgut Abschreibungen
vorgenommen werden dürfen. Gemäß § 7g Abs. 6
EStG ist im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG die
Rücklage als Betriebsausgabe zu behandeln.
b) Der Tatbestand des § 7g Abs. 3 EStG
stellt auf die künftige Anschaffung ab und verwendet den
Begriff der Ansparabschreibung. Diese hat den Zweck, die
Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch zu
verbessern, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung
unterstützt und deren Investitions- und Innovationskraft
gestärkt werden (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
14.8.2001 XI R 18/01, BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181 = SIS 02 84 89; vom 27.10.2004 VIII R 35/04, BFHE 207, 318 = SIS 05 04 75; vgl.
auch BTDrucks 10/336, S. 13, 25/26; BTDrucks 11/257, S. 8 f.). Mit
Hilfe der Rücklage, die zu einer Steuerstundung führt,
sollen Mittel angespart werden können, um dem Unternehmen die
Finanzierung der Investition zu erleichtern (BTDrucks 12/4487, S.
33). Die Rücklage nach § 7g Abs. 3 EStG bewirkt die
Vorverlagerung des Abschreibungspotentials und fördert die
Innenfinanzierung einer Investition, indem der Kreditbedarf
verringert wird (vgl. Lambrecht, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7g Rz A 1). Der durch
die Vorverlagerung des Aufwands entstehende Steuerstundungseffekt
erhöht die Liquidität und den finanziellen Spielraum des
Steuerpflichtigen. Während der Steuerstundung können die
liquiden Mittel produktiv verwendet oder zur Tilgung von
Verbindlichkeiten eingesetzt werden (BFH-Urteil in BFHE 198, 415,
BStBl II 2004, 181 = SIS 02 84 89).
c) Dieser Zweck der Rücklage verlangt in
zeitlicher Hinsicht, dass die Rücklage die ihr zugedachte
Funktion der Finanzierungserleichterung erfüllen kann.
Zwischen der Bildung der Rücklage und der Investition muss ein
„Finanzierungszusammenhang“ bestehen
(BFH-Urteile in BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181 = SIS 02 84 89;
vom 29.11.2007 IV R 82/05, BStBl II 2008, 471 = SIS 08 17 93).
Dieser kann im Hinblick auf die Frist von zwei Jahren für die
Anschaffung oder Herstellung der Wirtschaftsgüter, für
die die Rücklage gebildet wurde, zwar auch dann noch gegeben
sein, wenn die Bilanz für das Jahr der Rücklage erst nach
der Anschaffung oder Herstellung aufgestellt wird. Voraussetzung
dafür ist aber, dass auch diese nach der Anschaffung gebildete
Rücklage der Investitionserleichterung dient (BFH-Urteil in
BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181 = SIS 02 84 89).
2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu
Recht das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Erweiterung
der Ansparabschreibung auf die Anschaffungskosten der
nachträglich im Einspruchsverfahren bezeichneten
Wirtschaftsgüter wegen des fehlenden
Finanzierungszusammenhangs verneint.
a) Dieser Zusammenhang fehlt nach der
Rechtsprechung des BFH bei typisierender Betrachtung unter anderem,
wenn die Bildung der Rücklage - im Streitfall der
Betriebsausgabenabzug - erstmals später als zwei Jahre nach
Anschaffung der Wirtschaftsgüter geltend gemacht wird
(BFH-Urteil in BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181 = SIS 02 84 89).
Aber auch dann, wenn - wie im Streitfall nach den bindenden
tatsächlichen Feststellungen des FG und der
Revisionsbegründung - die Entscheidung für die Bildung
der Rücklage erst nach der Anschaffung getroffen wird und
dafür nach dem Anschaffungszeitpunkt entstandene und nicht
investitionsbezogene Gründe maßgeblich sind, kann der
erforderliche Finanzierungszusammenhang nicht bejaht werden; denn
auch in diesem Fall beruht die Investition nicht - wie von §
7g EStG vorausgesetzt - auf dem Zweck der Ansparabschreibung, diese
Investition zu erleichtern (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 198, 415,
BStBl II 2004, 181 = SIS 02 84 89; in BFHE 207, 318 = SIS 05 04 75). Dies gilt insbesondere für den Streitfall, in dem die
Rücklage nach Durchführung der Investition erst im
Folgejahr und nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen
des FG allein im Hinblick auf die zwischenzeitliche Änderung
des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr erfolgte, um
die Einkommensgrenze für die Begünstigung der Kläger
nach § 10e EStG zu wahren, nachdem diese Grenze aufgrund der
geänderten Steuerfestsetzung überschritten worden
war.
b) Diese Beurteilung beruht auf den
materiell-rechtlichen Voraussetzungen des § 7g EStG und wird
deshalb durch den Grundsatz, dass verfahrensrechtlich Wahlrechte
bis zur Bestandskraft der jeweiligen Bescheide ausgeübt werden
können (BFH-Urteile vom 6.9.2000 XI R 18/00, BFHE 193, 279,
BStBl II 2001, 106 = SIS 01 02 54; in BFHE 198, 415, BStBl II 2004,
181 = SIS 02 84 89) nicht berührt.