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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ein
Gebäudereinigungsunternehmen.
Gesellschafter-Geschäftsführer sind die Eheleute A und
B.
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Im Rahmen einer bei der Klägerin
durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung für die
Jahre 2004 bis 2006 wurde festgestellt, dass die Klägerin A
zwei Kfz zur uneingeschränkten Nutzung überlassen habe.
Dabei handelt es sich um eine BMW-Limousine und eine
BMW-Geländelimousine X5. Der Prüfer erfasste wegen der
unterschiedlichen Nutzungseigenschaften die Nutzung beider
Fahrzeuge als Sachbezug und setzte für die
BMW-Geländelimousine X5 auf der Grundlage der sog. 1
%-Regelung einen weiteren Sachbezug in Höhe von 8.484 EUR
jährlich an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
- FA - ) schloss sich der Auffassung des Prüfers an und
erließ einen auf § 42d des Einkommensteuergesetzes
(EStG) gestützten Haftungsbescheid für Lohnsteuer 2004
bis 2006. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 18.3.2009 als unbegründet
zurück. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in EFG
2012, 2104 veröffentlichten Gründen als unbegründet
ab.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG des Saarlandes vom
19.10.2011 2 K 1123/09 und den Haftungsbescheid vom 18.10.2007
i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 18.3.2009 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung
und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Feststellungen des FG erlauben
keine abschließende Beurteilung, ob für die
BMW-Geländelimousine X5 über den bereits für die
BMW-Limousine erfassten geldwerten Vorteil hinaus ein weiterer
geldwerter Vorteil als Lohn zu erfassen und ob die Inanspruchnahme
der Klägerin durch Haftungsbescheid ermessensgerecht war.
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1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet
der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs.
1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom
Arbeitslohn - auch soweit er durch einen Dritten gewährt wird
- für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach §
41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
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2. a) Überlässt der Arbeitgeber
einem Arbeitnehmer unentgeltlich oder verbilligt einen Dienstwagen
auch zur privaten Nutzung, führt das nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats zu einem als Lohnzufluss nach § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassenden steuerbaren Nutzungsvorteil
des Arbeitnehmers (Senatsurteil vom 21.3.2013 VI R 31/10, BFHE 241,
167 = SIS 13 18 29, m.w.N.). Der Arbeitnehmer ist um den Betrag
bereichert, den er für eine vergleichbare Nutzung aufwenden
müsste und den er sich durch die Überlassung des
Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart. Die Überlassung eines
Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für
dessen Privatnutzung führt damit unabhängig von den
tatsächlichen Nutzungsverhältnissen zu einer Bereicherung
des Arbeitnehmers. Denn der Vorteil aus der
Nutzungsüberlassung umfasst das Zurverfügungstellen des
Fahrzeugs selbst sowie die Übernahme sämtlicher damit
verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien,
Reparatur-, Wartungs- und Treibstoffkosten und damit
nutzungsabhängige wie -unabhängige Kosten (zuletzt
Senatsurteil in BFHE 241, 167 = SIS 13 18 29, m.w.N.). Der
geldwerte Vorteil aus der unentgeltlichen bzw. verbilligten
Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den
Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung fließt dem
Arbeitnehmer mit der Inbesitznahme des Dienstwagens und nicht
(erst) mit der tatsächlichen privaten Nutzung des PKW zu
(Senatsurteil in BFHE 241, 167 = SIS 13 18 29, m.w.N.).
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b) Der als Lohnzufluss zu erfassende geldwerte
Vorteil aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung
eines Kfz zu privaten Zwecken ist grundsätzlich nach § 8
Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu
bewerten. Der tatsächliche Umfang der Privatnutzung wird nur
berücksichtigt, wenn der Steuerpflichtige diesen durch ein
ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachweist. Ist dies der
Fall, ist der für die Überlassung eines dienstlichen Kfz
zur privaten Nutzung anzusetzende geldwerte Vorteil entsprechend
dem Anteil der Privatnutzung an den insgesamt für das Kfz
angefallenen Aufwendungen zu berechnen (§ 8 Abs. 2 Satz 2
i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG). Werden dem Arbeitnehmer
zwei Fahrzeuge zur privaten Nutzung überlassen und fehlt es an
ordnungsgemäßen Fahrtenbüchern, so ist der in der
Überlassung des Fahrzeugs zur privaten Nutzung liegende
geldwerte Vorteil für jedes Fahrzeug nach der 1 %-Regelung zu
berechnen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz
2 EStG).
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Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m.
§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bietet keinen Anhalt für die
Annahme, dass in Fällen, in denen der Arbeitnehmer
arbeitsvertraglich mehr als ein Fahrzeug unentgeltlich oder
verbilligt privat nutzen darf, die 1 %-Regelung nur für ein
Fahrzeug gelten soll. Es besteht auch kein Grund, die Vorschrift
einschränkend auszulegen. Denn werden dem Arbeitnehmer
arbeitsvertraglich zwei Fahrzeuge zur privaten Nutzung
überlassen, wird ihm ein doppelter Nutzungsvorteil zugewandt.
Er kann nach Belieben auf beide Fahrzeuge zugreifen und diese
entweder selbst nutzen oder - soweit arbeitsvertraglich erlaubt -
einem Dritten überlassen. Hierdurch erspart er sich den
Betrag, den er für die Nutzungsmöglichkeit vergleichbarer
Fahrzeuge am Markt aufwenden müsste (vgl. Senatsurteil in BFHE
241, 167 = SIS 13 18 29). Der Arbeitnehmer hat es überdies
selbst in der Hand, durch Führung eines Fahrtenbuchs eine
Besteuerung anhand der tatsächlich für die Privatfahrten
angefallenen Kosten zu erreichen oder, falls er auf die
Nutzungsmöglichkeit zweier PKW keinen Wert legt, eine
abweichende entsprechende arbeitsvertragliche Regelung zu
treffen.
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3. Die Feststellungen in der Vorentscheidung
tragen die Folgerung des FG nicht, aufgrund der Überlassung
der BMW-Geländelimousine X5 sei Lohnsteuer abzuführen
gewesen. In der Vorentscheidung ist lediglich ausgeführt,
anlässlich einer Betriebsprüfung sei festgestellt worden,
dass die Klägerin A zwei Fahrzeuge auch zur privaten Nutzung
überlassen habe. Festgestellt ist hingegen nicht, ob auch das
zweite Fahrzeug arbeitsvertraglich überlassen wurde. Fehlt es
hieran, kann eine vertragswidrige Nutzung vorliegen, die im Falle
der Überlassung eines PKW an einen
Gesellschafter-Geschäftsführer zu einer verdeckten
Gewinnausschüttung (vGA) führen kann. Eine
vertragswidrige Nutzung in diesem Sinne liegt auch vor, wenn die
Nutzung ohne eine fremdübliche Vereinbarung erfolgt oder
darüber hinausgeht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
23.1.2008 I R 8/06, BFHE 220, 276, BStBl II 2012, 260 = SIS 08 18 01; Senatsurteil vom 23.4.2009 VI R 81/06, BFHE 225, 33, BStBl II
2012, 262 = SIS 09 20 87). Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu
dem Ergebnis kommen, dass hinsichtlich der Überlassung des
zweiten Fahrzeugs eine vGA vorliegt, kann der hierauf entfallende
Betrag im angefochtenen Lohnsteuer-Haftungsbescheid nicht angesetzt
werden.
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4. Kommt das FG hingegen zu dem Ergebnis, dass
die Kfz-Überlassung als lohnsteuerbarer geldwerter Vorteil
anzusetzen ist, wird es zu beachten haben, dass die Erfüllung
des Haftungstatbestands nicht ohne weiteres die Inanspruchnahme des
Arbeitgebers als Haftungsschuldner zu rechtfertigen vermag.
Über dessen Inanspruchnahme hat das FA vielmehr aufgrund
pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden (§ 42d Abs.
3 Satz 2 EStG). Die Ermessensausübung hat das FG im Rahmen des
§ 102 FGO zu überprüfen und dabei vorliegend Tz. I.2
des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom
28.5.1996 IV B 6 - S 2334 - 173/96 (BStBl I 1996, 654 = SIS 96 13 33) in den Blick zu nehmen. Danach kann bei Überlassung
mehrerer Fahrzeuge der Listenpreis des überwiegend genutzten
Fahrzeugs zugrunde gelegt werden, wenn die Nutzung der Fahrzeuge
durch andere zur Privatsphäre des Arbeitnehmers gehörende
Personen so gut wie ausgeschlossen ist. Das vom FG genannte
BMF-Schreiben vom 21.1.2002 IV A 6 - S 2177 - 1/02 (BStBl I 2002,
148 = SIS 02 04 05, Tz. 9 Satz 2) - ersetzt durch das BMF-Schreiben
vom 18.11.2009 IV C 6-S 2177/07/10004 (BStBl I 2009, 1326 = SIS 09 34 39, vgl. Tz. 36) - betrifft Nutzungsentnahmen und ist daher im
Streitfall nicht einschlägig. Das FG hat die
Anwendungsvoraussetzungen dieser Verwaltungsvorschrift zu Unrecht
offengelassen, weil - unterstellt, es handle sich um eine
Billigkeitsvorschrift - eine Steuerfestsetzung im Billigkeitswege
in einem gesonderten Verfahren gemäß § 163 Satz 1
der Abgabenordnung angestrebt werden müsse. Denn diese
für das Steuerfestsetzungsverfahren zutreffenden
Ausführungen (vgl. BFH-Urteil vom 9.3.2010 VIII R 24/08, BFHE
228, 499, BStBl II 2010, 903 = SIS 10 09 22) gelten für einen
Haftungsbescheid nicht. Liegen die Voraussetzungen der Tz. 2 des
BMF-Schreibens in BStBl I 1996, 654 = SIS 96 13 33 nach den vom FG
noch zu treffenden Feststellungen vor, hat die Klägerin unter
Berücksichtigung dieser Billigkeitsregelung die Lohnsteuer
korrekt abgeführt: sie hat die 1 %-Regelung entsprechend den
Vorgaben in § 8 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4
Satz 2 EStG auf das teurere der beiden Fahrzeuge angewandt, die
Lohnsteuer hierfür angemeldet und abgeführt. Die
Inanspruchnahme der Klägerin im Wege des Haftungsbescheids
wäre dann ermessensfehlerhaft.
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