Gutschrift, Vorsteuerabzug: Die nach § 14 Abs. 2 UStG 1993 geschuldete Umsatzsteuer ist nicht abziehbar. Die Berichtigung der Rechnung durch den Leistenden rechtfertigt deshalb keine Berichtigung der Umsatzsteuer des Leistungsempfängers im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung; der Verweisung in § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1993 auf die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG 1993 kommt insoweit keine Wirkung mehr zu (Änderung der Rechtsprechung). - Urt.; BFH 6.12.2007, V R 3/06; SIS 08 17 96
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit Vertrag vom
31.12.1994 mit Wirkung zum 1.1.1995 von Q dessen Cafe-Betrieb mit
sämtlichen in den Pachträumen befindlichen, im
Inventarverzeichnis aufgeführten Inventar-, Einrichtungs- und
Wirtschaftsgütern zu einem Gesamtkaufpreis von 400.000 DM.
Hierüber erteilte Q der Klägerin eine Rechnung vom
1.1.1995 mit einer Kaufsumme von 400.000 DM zzgl. 15 % Umsatzsteuer
(= 60.000 DM, Gesamtsumme 460.000 DM) und bestätigte den
Erhalt des Betrages. Die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer
machte die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung
für 1995 in vollem Umfang als Vorsteuer geltend. Der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) stimmte der
Umsatzsteuererklärung am 19.8.1998 zu.
Mit Schreiben vom 26.3.1997 an die
Klägerin „stornierte“ Q seine Rechnung vom
1.1.1995 „in vollem Umfang“ unter Hinweis darauf, er
habe nur einen Betrag von 170.000 DM in bar erhalten.
Außerdem wies er darauf hin, dass für den Verkauf keine
Umsatzsteuer angefallen sei.
Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin vertrat das
FA die Auffassung, der geltend gemachte Vorsteuerbetrag aus dem
Verkauf hätte im Jahr 1995 nicht berücksichtigt werden
dürfen, weil es sich um eine nicht steuerbare
Geschäftsveräußerung gehandelt habe. Aufgrund der
Berichtigung der Rechnung am 26.3.1997 sei die beim Erwerb geltend
gemachte Vorsteuer in voller Höhe gemäß § 14
Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) i.V.m. § 17
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1993 zu berichtigen. Die
Vorsteuerberichtigung sei im Jahr der Rechnungsberichtigung, hier
im Jahre 1997, durchzuführen. Mit Änderungsbescheid vom
27.2.2001 setzte das FA die Umsatzsteuer für 1997 unter
Berücksichtigung der Vorsteuerkorrektur um 60.000 DM auf
62.040 DM herauf.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA
wies die Klägerin darauf hin, für den Fall, dass eine
Berichtigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1993 ausscheide,
komme eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG 1993 um
46.000 DM in Betracht.
Mit der Klage machte die Klägerin im
Wesentlichen geltend, Festsetzungsverjährung sowie die
Grundsätze von Treu und Glauben ständen dem Erlass eines
Änderungsbescheides entgegen. Sie habe weder die
Originalrechnung noch die bezahlte Umsatzsteuer
zurückerhalten. Außerdem sei der Verkäufer nach
Aufgabe seines Betriebes nicht mehr Unternehmer.
Die Klage hatte keinen Erfolg (EFG 2006,
1204 = SIS 06 29 55). Das Finanzgericht (FG) vertrat im
Wesentlichen die Auffassung, die Voraussetzungen für eine
Änderung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 UStG 1993 lägen vor. Der Verkäufer habe die
zu Unrecht in der Rechnung über die nicht steuerbare
Geschäftsveräußerung ausgewiesene Umsatzsteuer
wirksam berichtigt. Ausreichend sei insoweit eine gesonderte
Mitteilung, die zum Ausdruck bringe, dass der bisherige
Steuerausweis in vollem Umfang widerrufen werde. Weder sei die
Erstellung einer Änderungsrechnung noch die Rückgabe der
Originalrechnung erforderlich. Q habe im Schreiben vom 26.3.1997
ausgeführt, dass er die Rechnung vom 1.1.1995 in vollem Umfang
„storniere“ und „für den Verkauf des
… (Cafe-Betriebes) keine Umsatzsteuer angefallen sei“,
und damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der
ursprüngliche Steuerausweis, aus dem die Klägerin ihr
Recht zum Vorsteuerabzug abgeleitet hat, nicht mehr gelten
solle.
Entgegen der Auffassung der Klägerin
sei unerheblich, dass Q nach seiner Unternehmensaufgabe zum
31.12.1994 kein Unternehmer mehr gewesen sei, denn die
Unternehmereigenschaft ende erst dann, wenn alle mit dem
(aufgegebenen) Betrieb zusammenhängenden Rechtsbeziehungen
abgewickelt seien.
Festsetzungsverjährung habe dem Erlass
des Änderungsbescheides nicht entgegengestanden, denn die
Umsatzsteuererklärung für 1997 sei am 23.4.1999 beim FA
eingereicht worden. Die mit Ablauf des Jahres 1999 beginnende
vierjährige Festsetzungsfrist (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 der
Abgabenordnung - AO - ) sei bei Ergehen des
Änderungsbescheides vom 27.2.2001 noch nicht abgelaufen
gewesen. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege nicht
vor.
Ohne Bedeutung sei, dass nach dem Urteil
des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2.4.1998 V R 34/97 (BFHE 185, 536,
BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31) nur der tatsächlich
geschuldete Steuerbetrag als Vorsteuer abziehbar und deshalb im
Jahr 1995 die Vorsteuer zu Unrecht berücksichtigt worden sei.
Grundsätzlich hätte daher zwar die
Umsatzsteuerfestsetzung für das Jahr 1995 geändert werden
müssen. Dies wäre verfahrensrechtlich im Februar 2001,
bei Erlass des streitigen Änderungsbescheides für 1997,
noch möglich gewesen; denn die Festsetzungsverjährung
für die Umsatzsteuer des Jahres 1995 sei noch nicht abgelaufen
gewesen.
§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1993 i.V.m.
§ 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1993 komme jedoch eine
eigenständige Bedeutung zu, wenn der Rechnungsaussteller seine
Rechnung berichtige. Diese Sonderregelung eröffne eine
zusätzliche Berichtigungsmöglichkeit nicht nur für
den Fall, dass eine Berichtigung der ursprünglichen
Umsatzsteuerfestsetzung für das Abzugsjahr abgabenrechtlich
nicht mehr möglich sei. Für eine Einschränkung auf
solche Sachverhalte gebe es keinen Anhaltspunkt im Gesetz. Bei
anderer Betrachtungsweise (Möglichkeit der Vorsteuerkorrektur
nur im Jahre 1995) ergäbe der Verweis in § 14 Abs. 2 Satz
2 UStG 1993 auf § 17 Abs. 1 und damit auch auf § 17 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 UStG 1993 keinen Sinn. Dies bestätige die
Nachfolgevorschrift zu § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1993. Nach
§ 14c Abs. 1 Satz 2 UStG (neue Fassung - n.F. - ) sei im Falle
einer „Rechnungsberichtigung“ ebenfalls § 17 Abs.
1 UStG (n.F.) anzuwenden. Auch für den Fall einer nicht
steuerbaren Geschäftsveräußerung sei nach der
Neuregelung § 14c Abs. 2 Satz 3 bis 5 UStG (n.F.) zu beachten
und grundsätzlich die Rechtsfolge einer Vorsteuerkorrektur
gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG (n.F.) angeordnet,
obwohl nunmehr ausdrücklich nur die gesetzlich geschuldete
Steuer zum Vorsteuerabzug zugelassen sei. Dies bestätige, dass
der Gesetzgeber einer Rechnungsberichtigung stets die Wirkung einer
selbständigen Rechtsgrundlage für eine Berichtigung
zumesse.
Hiergegen richtet sich die Revision der
Klägerin.
Sie macht im Wesentlichen geltend, sie habe
bis zur Veröffentlichung des BFH-Urteils in BFHE 185, 536,
BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31 davon ausgehen dürfen, dass
sie zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Die Rechnungsberichtigung
sei nicht von einem Unternehmer erfolgt, weil mit der
Geschäftsveräußerung die unternehmerische
Tätigkeit der Verkäuferin beendet sei. Der Erwerber trete
im Falle einer Geschäftsveräußerung hinsichtlich
der Berichtigung nach § 15a UStG 1993 in die Rechtsposition
des Veräußerers ein. Dies spreche dafür, dass auch
das Recht zu einer Berichtigung nur noch dem Erwerber zustehe. Im
Streitfall fehle es an einer wirksamen Berichtigung, weil sich die
Erklärung nur auf die Gegenleistung beziehe und nur eine
Quittung über den vereinnahmten Betrag darstelle.
Außerdem sei die Berichtigung von der Rückzahlung des
vereinnahmten Betrages abhängig. Das FA habe sich vor
Erstattung der Vorsteuer seinerzeit Vertrag, Rechnung und
Zahlungsbeleg vorlegen lassen; die Klägerin sei deswegen davon
ausgegangen, alles sei in Ordnung. Die Änderung verstoße
gegen Treu und Glauben.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 1.8.2002
und den Änderungsbescheid vom 27.2.2001 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 14 Abs.
2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 UStG 1993
lagen nicht vor.
1. Zu Recht geht das FG davon aus, dass der
Klägerin der Vorsteuerabzug nicht zustand.
a) Bei richtlinienkonformer Auslegung darf als
Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 nur eine
für den berechneten Umsatz vom Leistenden geschuldete Steuer
abgezogen werden (BFH-Urteile in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695
= SIS 98 17 31; vom 30.3.2006 V R 9/03, BFHE 213, 144, BStBl II
2006, 933 = SIS 06 23 06; zuletzt Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften vom 15.3.2007 Rs. C-35/05,
Reemtsma, Slg. 2007, I-2425, BFH/NV Beilage 2007, 293 = SIS 07 10 88 Randnr. 23, m.w.N.).
b) Der Klägerin stand der Vorsteuerabzug
aus der Rechnung des Q vom 1.1.1995 nicht zu, weil darin über
eine seit dem 1.1.1994 nicht steuerbare
Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG
1993 i.d.F. des Missbrauchbekämpfungs- und
Steuerbereinigungsgesetzes vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310)
abgerechnet wurde.
aa) Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG 1993
unterliegen die Umsätze im Rahmen einer
Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer
für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Eine
Geschäftsveräußerung liegt nach Satz 2 der
Vorschrift vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung
eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen
entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine
Gesellschaft eingebracht wird. Eine
Geschäftsveräußerung erfasst danach die
Übertragung eines Geschäftsbetriebes oder eines
selbständigen Unternehmens, die jeweils materielle und ggf.
immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein
Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine
selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt
werden kann und fortgeführt werden soll (z.B. BFH-Urteil vom
6.9.2007 V R 41/05, BFHE 217, 338, BFH/NV 2007, 2436 = SIS 07 36 04, m.w.N.).
bb) Diese Voraussetzungen erfüllt die im
Vertrag vom 31.12.1994 vereinbarte Übertragung des
Cafe-Betriebes zur Weiterführung durch die Klägerin.
Hierüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein
Streit.
2. Entgegen der Auffassung des FG rechtfertigt
die Berichtigung einer Rechnung mit nach § 14 Abs. 2 UStG 1993
unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer - wie hier durch Q im Jahr
1997 - keine Vorsteuerberichtigung beim Leistungsempfänger -
hier bei der Klägerin - .
a) Hat der Unternehmer in einer Rechnung
für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren
Steuerbetrag gesondert ausgewiesen, als er nach dem UStG für
den Umsatz schuldet, so schuldet er nach § 14 Abs. 2 Satz 1
UStG 1993 auch den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag
gegenüber dem Leistungsempfänger, so ist nach § 14
Abs. 2 Satz 2 UStG 1993 § 17 Abs. 1 UStG 1993 entsprechend
anzuwenden.
Die Berichtigung der Rechnung hat für die
Umsatzsteuer des Leistungsempfängers deswegen keine Bedeutung
mehr, weil (auch) die nach § 14 Abs. 2 UStG 1993 zu Unrecht
ausgewiesene Umsatzsteuer nach der gemeinschaftsrechtlich gebotenen
Änderung der Rechtsprechung durch das BFH-Urteil in BFHE 185,
536, BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31 - wie unter II.1.
ausgeführt - nicht abziehbar ist.
b) Entgegen der Auffassung des FG rechtfertigt
die Rechnungskorrektur in den Fällen des § 14 Abs. 2 UStG
1993 über § 14 Abs. 2 Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 und Satz 3 UStG 1993 für die Vorsteuerabzugsberechtigung
des Leistungsempfängers keine Berichtigung mehr. Die
BFH-Urteile, auf die sich das FG insoweit beruft (vom 30.11.1995 V
R 57/94, BFHE 179, 453, BStBl II 1996, 206 = SIS 96 09 49; vom
12.10.1994 XI R 78/93, BFHE 176, 152, BStBl II 1995, 33 = SIS 95 03 43; vom 13.11.1996 XI R 69/95, BFHE 181, 537, BStBl II 1997, 579 =
SIS 97 06 34), beruhen auf der durch das Urteil in BFHE 185, 536,
BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31 überholten Überlegung,
dass die nach § 14 Abs. 2 UStG 1993 zu Unrecht ausgewiesene
Umsatzsteuer abziehbar sei.
c) Etwas anderes ergibt sich - entgegen der
Auffassung des FG - auch nicht aus der Neufassung des § 14c
Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG durch das Steueränderungsgesetz
2003 (StÄndG 2003).
§ 14c Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStG
i.d.F. des StÄndG 2003 betreffen nicht den
Leistungsempfänger, sondern regeln nur die Voraussetzungen
für die Erstattung der wegen unberechtigten Steuerausweises
geschuldeten Umsatzsteuer des Steuerschuldners. Auch diese
Änderung geht von der Nichtabziehbarkeit der zu Unrecht
ausgewiesenen Umsatzsteuer aus.
d) Ist hiernach - wie im Streitfall - in einem
Umsatzsteuerbescheid ein Vorsteuerbetrag nach § 14 Abs. 2 UStG
1993 zu Unrecht berücksichtigt worden, kommt deshalb
grundsätzlich nur noch eine Änderung des Steuerbescheides
des Abzugsjahres, also des Jahres, in dem die Vorsteuer zu Unrecht
berücksichtigt worden ist, nach Maßgabe der
Änderungsvorschriften der §§ 172 ff. AO in
Betracht.
e) Das FA ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen; sein Urteil war deshalb aufzuheben.
3. Die Entscheidung des FG stellt sich auch
nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar.
Zwar kann aus Gründen des
Vertrauensschutzes im Einzelfall unter den Voraussetzungen des
§ 176 Abs. 1 Nr. 3 AO die Anwendung der bis zum Urteil in BFHE
185, 536, BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31 geltenden
Grundsätze geboten sein. Denn diese Vorschrift gebietet, den
Steuerpflichtigen weiterhin so zu stellen, wie er nach der
bisherigen Rechtsprechung zu besteuern gewesen wäre (hier:
Abziehbarkeit der nach § 14 Abs. 2 UStG 1993 geschuldeten
Steuer im Umsatzsteuerbescheid für 1995 und Berichtigung nach
§ 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und
Satz 3 UStG 1993 im Umsatzsteuerbescheid des Jahres der
Berichtigung der Rechnung 1997).
Diese Voraussetzungen lagen jedoch im
Streitfall nicht vor. Das FA hätte im Jahr 2001 - im Zeitpunkt
des Erlasses des angefochtenen Bescheides für 1997 - den
Umsatzsteuerbescheid für 1995 noch nach § 164 Abs. 2 AO
ändern dürfen. § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO stand
dem nicht entgegen.
a) Der Umsatzsteuerbescheid für 1995
stand unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 i.V.m.
§ 164 Abs. 2 AO); dieser war im Jahr 2001 (Erlass des
Umsatzsteueränderungsbescheides für 1997) noch nicht nach
§ 164 Abs. 4 AO wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist entfallen.
Denn die Klägerin hat die Umsatzsteuererklärung für
1995 erst 1998 abgegeben (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die
vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 AO)
begann deshalb erst mit Ablauf des Jahres 1998 und war 2001 noch
nicht abgelaufen.
b) Die Rechtsprechung hat sich bereits vor
Erlass des Erstbescheides für das Abzugsjahr 1995 vom
19.8.1998 und nicht - wie nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO
erforderlich - erst danach geändert.
§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO gilt auch
für - wie hier - unter Vorbehalt der Nachprüfung
erlassene Bescheide (z.B. BFH-Urteil vom 11.1.1991 III R 60/89,
BFHE 163, 286, BStBl II 1992, 5 = SIS 91 11 19, m.w.N.). Die
Vorschrift geht davon aus, dass eine geänderte Rechtsprechung
auf alle noch nicht abgeschlossenen Steuerfälle anzuwenden
ist, selbst wenn sich die Sachverhalte zu einer Zeit ereignet
haben, in der noch die günstigere Rechtsprechung galt
(ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 31.7.2002 X R
39/01, BFH/NV 2002, 1575 = SIS 03 02 48). § 176 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 AO schützt nur das Vertrauen in die Bestandskraft der
Steuerfestsetzung, in der die Finanzbehörde die
günstigere (alte) Rechtsprechung zugrunde gelegt hat (BTDrucks
7/4292, S. 34; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 14.2.2007 XI R 30/05,
BFH/NV 2007, 1397 = SIS 07 16 56, m.w.N.). Dem Steuerpflichtigen
soll eine bereits durch einen Verwaltungsakt aufgrund der
günstigeren „alten“ Rechtsprechung
bestätigte Rechtsposition nicht durch eine nach Ergehen des
Verwaltungsakts erfolgte Änderung der Rechtsprechung wieder
genommen werden.
Geändert hat sich die Rechtsprechung
nicht schon dann, wenn das betreffende Gericht die Entscheidung
gefällt hat; d.h. das Entscheidungsdatum ist unerheblich (a.A.
FG München, Urteil vom 30.10.1997 7 K 1974/93, EFG 1998, 433).
Maßgeblich ist vielmehr, ob im Zeitpunkt des Erlasses des
Verwaltungsakts, der geändert werden soll, zu einem gleichen
Sachverhalt und/oder derselben Rechtsfrage die geänderte
Rechtsprechung bereits veröffentlicht ist (BFH-Urteil vom
24.4.2002 I R 20/01, BFHE 199, 148, BStBl II 2003, 412 = SIS 02 84 90, unter II.1.c, bb, m.w.N.; Hessisches FG, Urteil vom 4.2.1998 6
K 603/94, EFG 1998, 848; FG Baden-Württemberg, Urteil vom
29.10.1992 6 K 179/88, EFG 1993, 337, 339; Loose in Tipke/Kruse,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 176 AO Rz 17; von
Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 176 AO Rz 183;
Frotscher in Schwarz, AO, § 176 Rz 12a, 13c; Beermann/Gosch,
AO/FGO, § 176 AO Rz 31; Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, §
176 Rz 32, 37; Rüsken in Klein, AO, 9. Aufl., § 176 Rz
18).
Ist - wie im Streitfall - vor Erlass des
Bescheides die Entscheidung zur Veröffentlichung freigegeben
und in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden, greift
§ 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO jedenfalls nicht mehr ein (vgl.
Frotscher in Schwarz, AO, § 176 Rz 13c; Beermann/Gosch,
AO/FGO, § 176 AO Rz 31; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung,
Finanzgerichtsordnung, § 176 AO Rz 17; Rüsken in Klein,
AO, § 176 Rz 18). Tag der Freigabe des BFH-Urteils in BFHE
185, 536, BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31 war der 6.8.1998 und
die - anschließend in Juris-Web eingestellte - Entscheidung
ist bereits unter dem 14.8.1998 in einer Fachzeitschrift (DStR
1998, 1261) veröffentlicht worden. Alle Zeitpunkte liegen vor
dem 19.8.1998, an dem das FA die Zustimmung zur
Steuererklärung für 1995 erteilt hatte.
4. Entgegen der vom FA im Einspruchsverfahren
vertretenen Auffassung kommt auch eine Vorsteuerberichtigung nach
§ 15a UStG 1993 nicht in Betracht.
a) Nach § 15a Abs. 1 Sätze 1 und 2
UStG 1993 ist eine Berichtigung des Abzugs der auf die
Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts
entfallenden Vorsteuerbeträge vorzunehmen, wenn sich bei
diesem Wirtschaftsgut die Verhältnisse, die im Kalenderjahr
der erstmaligen Verwendung (sog. Erstjahr) für den
Vorsteuerabzug maßgebend waren, innerhalb des
Berichtigungszeitraums ändern.
b) Die Änderung der
„maßgebenden Verhältnisse“ kann zwar
auch dadurch eintreten, dass bei tatsächlich gleichbleibenden
Verwendungsumsätzen die rechtliche Beurteilung der
Verwendungsumsätze, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs
im Abzugsjahr zugrunde lag, sich in einem der Folgejahre als
unzutreffend erweist (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Urteile vom 8.1.1998 V R 5/97, BFH/NV 1998, 890 = SIS 98 11 27;
vom 16.12.1993 V R 65/92, BFHE 173, 270, BStBl II 1994, 485 = SIS 94 12 35).
Eine unzutreffende Beurteilung der
Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1
Nr. 1 UStG 1993 ist keine „Änderung der
(Verwendungs-)Verhältnisse“ im Besteuerungszeitraum
der Aufdeckung der Fehlbeurteilung; sie kann deshalb nur durch
Änderung der fehlerhaften Steuerfestsetzung selbst bei
Vorliegen der Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift - im
Streitfall ggf. nach § 174 Abs. 4 AO - korrigiert werden
(BFH-Urteile vom 27.6.1991 V R 106/86, BFHE 165, 304, BStBl II
1991, 860 = SIS 91 24 24; in BFHE 173, 270, BStBl II 1994, 485 =
SIS 94 12 35; vom 17.2.1994 V R 44/92, BFH/NV 1995, 352).