1
|
I. Die Beteiligten streiten um die
Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgaben für ein
gemischt genutztes Grundstück in 2005 (Streitjahr).
|
|
|
2
|
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine aus den Eheleuten
H.E. und S.E. bestehende GbR, deren Geschäftsgegenstand die
Herstellung von Puppen und Teddybären, die Vermittlung von
Fertighäusern sowie den Groß- und Einzelhandel mit
Telekommunikationseinrichtungen umfasst.
|
|
|
3
|
In 2001 erwarben die Eheleute ein
unbebautes Grundstück und bebauten es mit einem
Einfamilienhaus, in dem sich ein Arbeitsraum für die
Herstellung von Puppen und Teddybären (8,19 qm) sowie ein
Büro für verwaltungstechnische Arbeiten (10,11 qm)
befinden. Das Gebäude wurde am 6.5.2002 bezogen.
|
|
|
4
|
Die Umsatzsteuer-Jahreserklärung
für 2002 reichten die Eheleute am 4.1.2005 beim Beklagten und
Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) ein und machten darin den
Vorsteuerabzug aus den gesamten Herstellungskosten des
Gebäudes geltend. Vor Erteilung der Zustimmung ordnete das FA
eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung an. Ausweislich des
Prüfungsberichts vom 18.1.2006 ging der Prüfer in
Übereinstimmung mit der Klägerin von einer Nutzung des
Gebäudes für unternehmerische Zwecke zu 23,72 % aus.
Diesen Nutzungsanteil hatte die Klägerin aus dem
Verhältnis der Flächen der unternehmerisch genutzten
Räume (18,3 qm) zuzüglich 7,8 qm für sog.
Verkehrsflächen (wie Windfang, zwei Flure und zwei Treppen)
zur Gesamtfläche von 122,37 qm ermittelt.
|
|
|
5
|
Der Prüfer beanstandete die zu
niedrige Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der
unentgeltlichen Wertabgabe und ermittelte diese auf der Grundlage
von § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes in der
im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) mit 10 %. Auf der Grundlage
des Berichts der Umsatzsteuer-Sonderprüfung erging am
22.12.2006 der Umsatzsteuerbescheid 2005 mit einer
Steuerfestsetzung von 2.534,12 EUR unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung - AO - ).
|
|
|
6
|
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erkannte
das FA eine unternehmerische Nutzung nicht mehr für die sog.
Verkehrsflächen, sondern nur noch für die beiden
Räume (18,3 qm) an und kürzte durch den nach § 164
Abs. 2 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 21.7.2008 den
unternehmerischen Nutzungsanteil demgemäß auf 14,95 %
(18,3 qm von 122,37 qm). Bei Herstellungskosten des Gebäudes
von 178.109,55 EUR und einem unternehmerisch genutzten Anteil von
26.627,37 EUR (14,95 % von 178.109,55 EUR) verblieben für den
Wohnteil 151.482,18 EUR. Dessen Herstellungskosten seien für
die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgaben auf zehn Jahre zu
verteilen, sodass sich eine Bemessungsgrundlage für
unentgeltliche Wertabgaben von 15.148 EUR und eine Umsatzsteuer
hierauf von 2.423,68 EUR ergaben. Dadurch erhöhte sich die
festgesetzte Umsatzsteuer von 2.534,12 EUR auf 2.914,06
EUR.
|
|
|
7
|
Den Einspruch der Klägerin wies das FA
am 29.8.2008 als unbegründet zurück. Die
Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgaben sei wegen der
Neuregelung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG durch das
Richtlinien-Umsetzungsgesetz mit Wirkung zum 1.7.2004 mit 10 % der
Herstellungskosten anzusetzen. Mit der Neuregelung sei abweichend
von der bisherigen Rechtsprechung zum Kostenbegriff und der
einhelligen Handhabung durch die Praxis eine Entkoppelung von den
ertragsteuerrechtlichen Abschreibungsvorschriften erfolgt und eine
Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf den
Zeitraum angeordnet worden, der dem für das Wirtschaftsgut
maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG
entspreche. Ferner seien als unternehmerisch genutzte Flächen
nur die beiden ausschließlich unternehmerisch genutzten
Räume (14,95 % der Nutzfläche) zu berücksichtigen.
Nur der Anteil der hierauf entfallenden Herstellungskosten bilde
das Unternehmensvermögen der GbR.
|
|
|
8
|
Die dagegen erhobene Klage wies das
Finanzgericht (FG) durch Urteil vom 7.12.2011 12 K 4567/08 als
unbegründet ab, ohne auf die von den Beteiligten umstrittene
Frage nach der Bemessungsgrundlage der unentgeltlichen Wertabgaben
einzugehen. Unter Hinweis auf die am Sitzungstag
veröffentlichte Pressemitteilung Nr. 101/2011 und das
Senatsurteil vom 7.7.2011 V R 21/10 (BFHE 234, 531, BStBl II 2014,
81 = SIS 11 38 66) entschied das FG, die erst durch die Abgabe der
Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2002 am 4.1.2005 erfolgte und
damit nicht mehr rechtzeitige Dokumentation der
Zuordnungsentscheidung führe zum Verlust des Vorsteuerabzugs.
Auf die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen komme es
daher nicht an.
|
|
|
9
|
Zur Begründung der Revision trägt
die Klägerin im Wesentlichen vor:
|
|
Im Streitfall gehe es nicht um eine
Korrektur des durch bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheid
2002 in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs, sondern um die
Bemessung der unentgeltlichen Wertabgaben im Streitjahr 2005 nach
§ 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG. Diese Vorschrift sei unter
Einbeziehung des § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b des
Einkommensteuergesetzes (EStG) und der Grundlagen des Kostenrechts
anzuwenden. Als Bemessungsgrundlage sei der Mietwert in Höhe
von monatlich 559,50 EUR brutto (482,33 EUR netto) anzusetzen. Dies
ergebe einen Jahresmietwert von 5.782,80 EUR netto, der in den
Jahren 2002 und 2003 auch veranlagt worden sei. Diesem Mietwert
entspreche die von ihr an einen fremden Dritten gezahlte Miete von
6,50 EUR/qm für ein vergleichbares Einfamilienhaus in der
Nähe des jetzigen Gebäudes.
|
|
|
10
|
Durch § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG, §
15 Abs. 1b UStG und § 15a Abs. 6a UStG seien
Sondervorschriften für einen bestimmten Kreis von
Staatsbürgern erlassen worden, der entgegen allen
kaufmännischen Denkgesetzen einen überhöhten
Mietwert versteuern solle, um die Steuerausfälle durch die
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH)
zu kompensieren. Dies verstoße gegen Art. 3 des
Grundgesetzes.
|
|
|
11
|
Soweit das FA im Rahmen des
Einspruchsverfahrens die anteiligen Wegekosten zu den beiden
unternehmerisch genutzten Räumen nicht anerkenne,
verstoße dies gegen § 12 EStG. Der VI. Senat des
Bundesfinanzhofs (BFH) habe in mehreren Urteilen dargelegt, dass
die Ansicht der Finanzverwaltung zum Aufteilungsverbot nach §
12 EStG unrichtig sei. Die BFH-Rechtsprechung zur Aufteilung eines
Wirtschaftsgutes entsprechend der privaten und betrieblichen
Nutzung sei auch für die zutreffende Festsetzung der
Umsatzsteuer bedeutsam, wenn an der bisherigen
Verwaltungsauffassung festgehalten würde, wonach bei der
Bemessung der unentgeltlichen Wertabgaben pro Jahr 10 % der
Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen seien. Deshalb
müsse im Streitfall auch eine anteilige Wegefläche im
Haus berücksichtigt werden.
|
|
|
12
|
Schließlich rügt die
Klägerin, dass die Umsatzsteuerbescheide und die
Einspruchsentscheidung an Herrn E. und Frau S.E. adressiert worden
seien und damit nicht den zutreffenden Steuerschuldner, die GbR,
bezeichneten.
|
|
|
13
|
Die Klägerin beantragt, die
Umsatzsteuerbescheide des Streitjahres aufzuheben,
|
|
hilfsweise,
|
|
unter Änderung des
Umsatzsteuerbescheides für 2005 vom 22.12.2006 i.d.F. vom
21.7.2008 sowie der Einspruchsentscheidung vom 29.8.2008 diesen auf
490,38 EUR,
|
|
weiter hilfsweise auf 1.415 EUR
festzusetzen.
|
|
|
14
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
15
|
Der Vorsteuerabzug in 2002 sei entgegen der
Rechtsprechung des BFH gewährt worden. Der entsprechende
Bescheid könne verfahrensrechtlich nicht mehr geändert
werden. Die Klage sei jedoch deswegen unbegründet, weil einer
Minderung der Umsatzsteuer auf unentgeltliche Wertabgaben eine
betragsmäßig höhere Vorsteuerberichtigung nach
§ 15a UStG entgegenstehe.
|
|
|
16
|
II. Die Revision der Klägerin ist
unbegründet und ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
17
|
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
angegriffenen Bescheide nicht wegen unzutreffender Adressierung
aufzuheben sind. Die Versagung des der Klägerin in 2002
gewährten Vorsteuerabzugs führt zwar - entgegen der
Ansicht des FG - nicht zur Unbegründetheit der auf
Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 gerichteten Klage. Die
Entscheidung des FG stellt sich jedoch aus anderen Gründen als
im Ergebnis richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO), weil die
Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG
für das Streitjahr vorliegen.
|
|
|
18
|
1. Zu Unrecht macht die Klägerin eine
fehlerhafte Adressierung der angegriffenen Umsatzsteuerbescheide
und der Einspruchsentscheidung geltend.
|
|
|
19
|
a) Ein Verwaltungsakt leidet an einem schweren
und offenkundigen Mangel und ist deshalb gemäß §
125 Abs. 1 AO i.V.m. § 119 AO nichtig, wenn er inhaltlich
nicht so bestimmt ist, dass ihm hinreichend sicher entnommen werden
kann, was von wem verlangt wird. Konstituierender Bestandteil jedes
Verwaltungsaktes ist daher die Angabe des Inhaltsadressaten, d.h.
desjenigen, dem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll
(BFH-Urteil vom 13.10.2005 IV R 55/04, BFHE 211, 387, BStBl II
2006, 404 = SIS 06 08 87, unter I.1.). Im Falle eines
Steuerbescheides ist insoweit nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO u.a.
die Angabe des Steuerschuldners als Inhaltsadressaten des
Bescheides erforderlich. Dabei reicht es jedoch aus, wenn der
Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen
bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann
(BFH-Urteile vom 17.11.2005 III R 8/03, BFHE 212, 72, BStBl II
2006, 287 = SIS 06 09 12, unter II.1.b, und vom 15.4.2010 IV R
67/07, BFH/NV 2010, 1606 = SIS 10 26 28, unter II.3.c aa). Bei der
Adressierung von Umsatzsteuerbescheiden ist daher maßgeblich,
ob es für den Betroffenen erkennbar war, dass das FA von ihm
als Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 UStG und daher als
Steuerpflichtigen ausgeht und der Bescheid deshalb an ihn gerichtet
ist (vgl. zuletzt BFH-Urteile vom 29.8.2012 XI R 40/10, BFH/NV
2013, 182 = SIS 13 01 29, unter 1.a, und vom 26.4.2012 V R 2/11,
BFHE 237, 286, BStBl II 2012, 634 = SIS 12 13 66, unter II.1.a bb,
m.w.N.).
|
|
|
20
|
b) Die Auslegung des angefochtenen
Umsatzsteuerbescheides 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
ergibt im Streitfall, dass die Bezeichnung des Inhaltsadressaten
mit „Herrn H. und Frau S.E.“ nur die aus den
Eheleuten bestehende GbR betreffen kann.
|
|
|
21
|
Diese GbR ist im Streitfall als Unternehmerin
und damit Steuerschuldnerin (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG i.V.m.
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) Inhaltsadressatin. Treten beide
Ehegatten gemeinsam nach außen auf und erbringen entgeltliche
Leistungen, bilden sie eine GbR oder - bei der Vermietung von
Grundstücken - eine Bruchteilsgemeinschaft. In beiden
Fällen sind nicht die Ehegatten Unternehmer, sondern die
Gesellschaft oder Gemeinschaft (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.1980 V R
142/73, BFHE 132, 497, BStBl II 1981, 408 = SIS 81 25 32).
|
|
|
22
|
Zweifel über die Identität der GbR
als Steuerschuldner konnten im Streitfall schon deshalb nicht
auftreten, weil die Klägerin selbst in ihren
Umsatzsteuererklärungen 2002 bis 2005 als Unternehmer und
Steuerschuldner lediglich die Vor- und Familiennamen der Eheleute
angegeben hatte. Unter diesen Umständen reicht es aus, wenn
diese auch als Steuerschuldner im Umsatzsteuerbescheid angegeben
werden. Eines zusätzlichen Hinweises auf die zutreffende
rechtliche Verbundenheit der Eheleute (z.B. Vermietergemeinschaft
oder GbR) ist dann nicht notwendig (vgl. BFH-Beschluss vom
29.6.1990 V B 135/89, BFH/NV 1991, 278, Leitsatz 1).
|
|
|
23
|
Abgesehen davon hat das FA im Tatbestand der
Einspruchsentscheidung vom 29.8.2008 ausdrücklich
erwähnt, dass die Eheleute „im Rahmen einer
Ehegatten-GbR unternehmerisch im Sinne des § 2 UStG ...
tätig [sind]“ und damit klargestellt, dass sowohl
die Einspruchsentscheidung als auch der Umsatzsteuerbescheid 2005
die GbR als Inhaltsadressatin betreffen.
|
|
|
24
|
2. Die Revision ist trotz der
rechtsfehlerhaften Begründung des FG unbegründet, da sich
die Entscheidung des FG im Ergebnis als richtig darstellt (§
126 Abs. 4 FGO).
|
|
|
25
|
a) Das Urteil des FG ist wegen Verstoßes
gegen den Grundsatz der Bindung an das Klagebegehren
rechtsfehlerhaft.
|
|
|
26
|
Aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO folgt, dass
das Gericht der Klägerin weder etwas zusprechen darf, was
diese nicht beantragt hat („ne ultra petita“)
noch über etwas anderes („aliud“)
entscheiden, als die Klägerin durch ihren Antrag begehrt und
zur Entscheidung gestellt hat (BFH-Urteile vom 8.3.2012 V R 49/10,
BFH/NV 2012, 1665 = SIS 12 24 85; vom 13.12.1994 VII R 18/93,
BFH/NV 1995, 697, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 25.10.2011 IV B
59/10, BFH/NV 2012, 251 = SIS 12 00 64; vom 13.7.2009 IX B 33/09,
BFH/NV 2009, 1821 = SIS 09 32 68).
|
|
|
27
|
Die Klägerin hatte im finanzgerichtlichen
Verfahren eine Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 auf 1.415 EUR
beantragt. Die Klageabweisung begründete das FG mit der
fehlenden Abzugsfähigkeit von Vorsteuern in dem nicht
streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid 2002. Es hat damit
unter Verstoß gegen § 96 FGO über ein anderes
Klagebegehren als das von der Klägerin bestimmte
mitentschieden.
|
|
|
28
|
b) Das Urteil des FG erweist sich aber trotz
dieses Rechtsfehlers im Ergebnis als zutreffend. Die von der
Klägerin im Streitjahr 2005 begehrte Minderung der
Umsatzsteuer auf unentgeltliche Wertabgaben kann ihr nicht
zugesprochen werden. Zwar liegen im Streitjahr die Voraussetzungen
einer steuerbaren Verwendungsentnahme (§ 3 Abs. 9a Satz 1 Nr.
1 UStG) nicht vor (siehe II.2.b aa). Es greift aber eine
betragsmäßig höhere Berichtigung des
Vorsteuerabzugs nach § 15a Abs. 1 UStG ein (unter II.2.b
bb).
|
|
|
29
|
aa) Nach § 15a Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG
ist eine Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes entfallenden
Vorsteuerbeträge vorzunehmen, wenn sich bei diesem
Wirtschaftsgut die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug
maßgebenden Verhältnisse innerhalb des bei
Grundstücken maßgeblichen Berichtigungszeitraums von
zehn Jahren ändern.
|
|
|
30
|
Eine Änderung der für den
Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse liegt nicht nur
vor, wenn sich diese in tatsächlicher Hinsicht geändert
haben, sondern auch dann, wenn sich bei tatsächlich
gleichbleibenden Verwendungsumsätzen die rechtliche
Beurteilung der Verwendungsumsätze, die der Gewährung des
Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde lag, in einem der Folgejahre
als unzutreffend erweist, sofern die Steuerfestsetzung für das
Abzugsjahr bestandskräftig und unabänderbar ist
(Fallgruppe 1: ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom
6.12.2007 V R 3/06, BFHE 221, 67, BStBl II 2009, 203 = SIS 08 17 96; vom 24.2.2000 V R 33/97, BFH/NV 2000, 1144 = SIS 00 58 67; vom
8.1.1998 V R 5/97, BFH/NV 1998, 890 = SIS 98 11 27; vom 16.12.1993
V R 65/92, BFHE 173, 270, BStBl II 1994, 485 = SIS 94 12 35,
m.w.N.). Eine unzutreffende Beurteilung der Voraussetzungen
für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist
dagegen keine „Änderung der
(Verwendungs-)Verhältnisse“ im Besteuerungszeitraum
der Aufdeckung der Fehlbeurteilung; sie kann deshalb nur durch
Änderung der fehlerhaften Steuerfestsetzung selbst bei
Vorliegen der Voraussetzungen einer Änderungsvorschrift
korrigiert werden (Fallgruppe 2: vgl. BFH-Urteile in BFHE 221, 67,
BStBl II 2009, 203 = SIS 08 17 96; vom 27.6.1991 V R 106/86, BFHE
165, 304, BStBl II 1991, 860 = SIS 91 24 24; in BFHE 173, 270,
BStBl II 1994, 485 = SIS 94 12 35; vom 17.2.1994 V R 44/92, BFH/NV
1995, 352).
|
|
|
31
|
Im Hinblick auf die Abgrenzung zwischen diesen
beiden Fallgruppen ist auch ein Vorsteuerabzug nach § 15a UStG
in den Folgejahren zu berichtigen, der wegen verspäteter
Zuordnung materiell-rechtlich unrichtig vorgenommen wurde (vgl.
ständige Rechtsprechung des Senats, beginnend mit seinen
Urteilen vom 7.7.2011 V R 42/09, BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76 =
SIS 11 31 06, und in BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81 = SIS 11 38 66) und der verfahrensrechtlich im Abzugsjahr nicht mehr entzogen
werden kann. Denn mit Blick auf den Grundsatz der
Abschnittsbesteuerung führt der materiell-rechtlich
fehlerhafte, im Abzugsjahr gewährte Vorsteuerabzug in den
Folgejahren nicht zur Besteuerung einer Verwendungsentnahme
gemäß § 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 UStG. Eine derartige
Entnahme ist nur dann steuerbar, wenn die Verwendung eines dem
Unternehmen zugeordneten Gegenstands zum vollen oder teilweisen
Vorsteuerabzug berechtigt hat. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich
nach der Rechtslage im Veranlagungszeitraum der Verwendung. Fehlt
es an einer rechtzeitigen Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmen
und deshalb auch am Recht zum Vorsteuerabzug, ist die
Verwendungsentnahme nicht steuerbar.
|
|
|
32
|
Diese Auslegung des § 15a UStG steht im
Einklang mit dem Unionsrecht. Danach kann der Vorsteuerabzug
berichtigt werden, wenn sich die Faktoren nach Abgabe der
Erklärung geändert haben, die bei der Festsetzung des
Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt wurden (Art. 20 Abs. 1
Buchst. b der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - RL 77/388/EWG -,
entspricht Art. 185 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem - RL
2006/112/EG - ). Sind diese Maßstäbe nach der
Rechtsprechung des EuGH nur anwendbar, wenn bei einem steuerbaren
Umsatz ein ursprünglicher Vorsteuerabzug vorgenommen wurde,
also in den Fällen, in denen der betreffende Steuerpflichtige
berechtigt war, die Vorsteuer vorab abzuziehen (so das Urteil vom
18.7.2013 C-78/12, Evita-K EOOD, UR 2014, 475 = SIS 13 27 66, Rz
59), so zielt diese Einschränkung in Übereinstimmung mit
nationalem Recht auf die zweite, hier nicht gegebene Fallgruppe,
die unzutreffende Beurteilung der Voraussetzungen für den
Vorsteuerabzug. Demgegenüber hat sich in der
Fallkonstellation, um die es hier geht, die rechtliche Beurteilung
der tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätze in
einem der Folgejahre als unzutreffend erwiesen, während der
Steuerpflichtige den Vorsteuerabzug zunächst in Anspruch
genommen hat und ihm dieser Abzug verfahrensrechtlich nicht mehr
entzogen werden kann.
|
|
|
33
|
bb) Nach diesen Grundsätzen liegen im
Streitfall die Voraussetzungen einer Vorsteuerberichtigung nach
§ 15a Abs. 1 UStG im Hinblick auf die unzutreffende
Gewährung des Vorsteuerabzugs im Jahr der Fertigstellung des
gemischt genutzten Gebäudes (2002) vor:
|
|
|
34
|
(1) Wie das FG auf Seite 3 des Urteils in
revisionsrechtlich bindender Weise (§ 118 Abs. 2 FGO)
festgestellt hat, haben die durch eine Steuerberatungsgesellschaft
vertretenen Eheleute die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für
2002 am 4.1.2005 beim FA eingereicht. Weiterhin hat die
mündliche Verhandlung ergeben, dass zuvor keine
Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben wurden, in denen eine
Zuordnungsentscheidung hätte enthalten sein können. Eine
Zuordnungsentscheidung ist nach den Feststellungen des FG auch
nicht in anderen dem FA zugeleiteten Unterlagen dokumentiert
worden.
|
|
|
35
|
Das FA hat von den in der
Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2002 geltend gemachten Vorsteuern
(30.184,54 EUR) im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch Änderungsbescheid vom
21.7.2008 noch 28.089,37 EUR anerkannt. Dabei ist es davon
ausgegangen, dass durch die Geltendmachung dieses Vorsteuerabzugs
konkludent eine wirksame Zuordnung des gesamten gemischt genutzten
Gebäudes zum Unternehmensvermögen vorliegt.
|
|
|
36
|
Nach der inzwischen ständigen
Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteile in BFHE 234, 519,
BStBl II 2014, 76 = SIS 11 31 06, und in BFHE 234, 531, BStBl II
2014, 81 = SIS 11 38 66; vom 20.3.2014 V R 27/12, BFH/NV 2014, 1097
= SIS 14 16 20, m.w.N.) muss der Unternehmer im Zeitpunkt des
Leistungsbezugs über die Zuordnung zum Unternehmen entscheiden
und diese Entscheidung in der Umsatzsteuer-Voranmeldung,
spätestens aber bis zur gesetzlichen Abgabefrist für
Steuererklärungen dokumentieren. Der XI. Senat des BFH ist
dieser Rechtsprechung mit Urteil vom 11.7.2012 XI R 17/09 (BFH/NV
2013, 266 = SIS 13 01 92) gefolgt.
|
|
|
37
|
Unter Berücksichtigung dieser
Grundsätze liegt keine wirksame Zuordnungsentscheidung
für das gemischt genutzte Gebäude vor, sodass die
Eingangsleistungen nicht „für das
Unternehmen“ der Klägerin bezogen wurden und damit
der Abzug der in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuern
ausscheidet.
|
|
|
38
|
(2) Eine Änderung der materiell
unrichtigen Umsatzsteuerfestsetzung 2002 ist nicht mehr
möglich.
|
|
|
39
|
(a) Der Umsatzsteuer-Änderungsbescheid
2002 erging am 21.7.2008 ohne Vorbehaltsvermerk. Da zu diesem
Zeitpunkt ein Einspruch anhängig war, ist der
Änderungsbescheid zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens
geworden, das durch Einspruchsentscheidung vom 29.8.2008 beendet
wurde. Da die Klägerin gegen die auch das Jahr 2002
betreffende Einspruchsentscheidung keine Klage erhoben hat, wurde
die entsprechende Steuerfestsetzung bestandskräftig und damit
unabänderbar.
|
|
|
40
|
(b) Eine Änderung der
Umsatzsteuerfestsetzung 2002 zulasten der Klägerin ergibt sich
nicht aus § 174 Abs. 4 AO. Selbst wenn der (nur) auf
Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 gerichtete Klageantrag
dahingehend ausgelegt wird, dass sich die Klägerin (auch)
gegen eine Entnahmebesteuerung dem Grunde nach wendet und dieser
Klage entsprochen würde, stünde § 176 Abs. 2 AO
einer Folgeänderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2002 entgegen.
Danach darf bei der Aufhebung oder Änderung eines
Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen
berücksichtigt werden, dass eine allgemeine
Verwaltungsvorschrift einer obersten Bundesbehörde von einem
obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht
in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Nach dem BFH-Urteil vom
24.9.1998 IV R 65/96 (BFHE 187, 193, BStBl II 1999, 46 = SIS 99 03 34) steht dem Erlass eines Änderungsbescheids nach § 174
Abs. 4 AO der Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO jedenfalls
dann entgegen, wenn die Finanzverwaltung die der Rechtsprechung
entgegenstehende begünstigende Verwaltungsvorschrift allen
anderen Steuerpflichtigen gegenüber für eine
Übergangszeit anwendet.
|
|
|
41
|
Diese Voraussetzung liegt im Streitfall vor:
Nach der Anwendungsregelung in Tz. IV des Schreibens des
Bundesministeriums der Finanzen vom 2.1.2014 (BStBl I 2014, 119 =
SIS 14 04 32) gelten die Grundsätze dieses Schreibens zwar in
allen offenen Fällen. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn
der Unternehmer sie erst bei Leistungen anwendet, die nach dem
31.12.2013 bezogen wurden. Daraus folgt, dass im Rahmen dieser
Übergangsregelung auch die frühere Fassung von Abschn.
15.2 Abs. 21 Nr. 2 Buchst. b Satz 1 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (Abschn. 192 Abs. 21 Nr. 2 Buchst.
b der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005) Anwendung findet. Danach
genügte eine Ausübung der Zuordnungsentscheidung in der
Umsatzsteuer-Jahreserklärung, ohne dass auf den 31. Mai des
Folgejahres abgestellt wurde. Der Senat ist durch sein Urteil in
BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81 = SIS 11 38 66 der o.g.
Verwaltungsauffassung nicht gefolgt und hat dadurch zum Ausdruck
gebracht, dass diese Auffassung mit dem geltenden Recht nicht im
Einklang steht. Demnach verhindert § 176 Abs. 2 AO eine
Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 2002 nach § 174 Abs.
4 AO. Die Umsatzsteuerfestsetzung 2002 wäre somit auch im
Hinblick auf eine widerstreitende Steuerfestsetzung
unabänderbar.
|
|
|
42
|
(3) Die Unabänderbarkeit der
Umsatzsteuerfestsetzung 2002 hat zur Folge, dass die ihr zugrunde
liegende unzutreffende Beurteilung des Vorsteuerabzugs für
alle Kalenderjahre des Berichtigungszeitraums maßgebend
bleibt. Da die aus rechtlichen Gründen zutreffende Beurteilung
des Verwendungsumsatzes im Streitjahr 2005 zu einer anderen
Beurteilung des Vorsteuerabzugs führt, liegt eine
Änderung der Verhältnisse i.S. von § 15a UStG vor.
Der Vorsteuerabzug ist zehn Jahre lang mit jeweils 2.809 EUR
(28.089,37 EUR/zehn Jahre) zu berichtigen.
|
|
|
43
|
c) Die von der Klägerin (hilfsweise)
begehrte Herabsetzung der Umsatzsteuer 2005 auf 490,38 EUR, weiter
hilfsweise auf 1.415 EUR, kann ihr nicht zugesprochen werden.
|
|
|
44
|
aa) Die Klage führt zwar zu einer
Minderung der Umsatzsteuer wegen zu Unrecht der Besteuerung
unterworfenen unentgeltlichen Wertabgaben in Höhe von 2.423
EUR (15.148 EUR x 16 %). Dieser Minderung steht jedoch eine zu
saldierende Umsatzsteuererhöhung (vgl. hierzu II.2.a) auf der
Grundlage des § 15a Abs. 1 UStG in Höhe von 2.809 EUR
entgegen.
|
|
|
45
|
bb) Die materiell-rechtlich zutreffende
Umsatzsteuer beträgt demnach 3.299,38 EUR (490,38 EUR + 2.809
EUR) und ist damit höher als die im angegriffenen
Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 21.7.2008 festgesetzte Umsatzsteuer
von 2.914 EUR. Im Hinblick auf das auch im Revisionsverfahren
geltende Verböserungsverbot (§ 121 Satz 1 i.V.m. §
96 Abs. 1 Satz 2 FGO) ist es dem BFH jedoch versagt, über das
erstinstanzliche Klagebegehren hinauszugehen, sodass es bei einer
festgesetzten Umsatzsteuer von 2.914 EUR bleibt.
|