Verkauf von Sicherungsgut durch Sicherungsgeber, Vorsteuerabzug: Verkauft der Sicherungsgeber im eigenen Namen, aber für Rechnung des Sicherungsnehmers die diesem zur Sicherheit übereigneten Gegenstände an einen Dritten, führt er an den Dritten eine entgeltliche Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 aus; dieser kann deshalb die ihm vom Sicherungsgeber in Rechnung gestellte Umsatzsteuer unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 als Vorsteuer abziehen. Zudem greift § 3 Abs. 3 UStG 1993 ein; zwischen dem Sicherungsnehmer (Kommittent) und dem Sicherungsgeber (Kommissionär) liegt eine Lieferung vor, bei der der Sicherungsgeber (Verkäufer, Kommissionär) als Abnehmer gilt. Gleichzeitig erstarkt die Sicherungsübereignung zu einer Lieferung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. Es liegt ein Dreifachumsatz vor (Fortführung von BFH-Urteil vom 6.10.2005 V R 20/04, BFH/NV 2006, 222 = SIS 06 01 77). - Urt.; BFH 30.3.2006, V R 9/03; SIS 06 23 06
(Anmerkung der Redaktion:
vgl. auch BMF-Schreiben vom 30.11.2006, IV A 5 - S 7100 - 166/06,
BStBl 2006 I S. 794 = SIS 06 47 25)
I. Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist der Insolvenzverwalter über das
Vermögen der T-GmbH. Streitig ist, ob die T-GmbH die ihr von
der H-GmbH für den Erwerb von Fahrzeugen in Rechnung gestellte
Umsatzsteuer als Vorsteuerbetrag abziehen darf.
Die H-GmbH (Sicherungsgeberin) hatte die
streitigen Fahrzeuge zur Sicherheit für gewährte Kredite
an die Bank, die Sicherungsnehmerin, übereignet. Nachdem die
Sicherungsgeberin die Eröffnung des Konkursverfahrens
über ihr Vermögen beantragt hatte, kündigte ihr die
Bank (die Sicherungsnehmerin) am 7.9.1995 (Streitjahr) fristlos die
den Sicherungsübereignungen zugrunde liegenden Kredite und
forderte die H-GmbH auf, die Fahrzeuge zur Abholung bereit zu
stellen. Nach Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens
mangels Masse am 12.9.1995 veräußerte die H-GmbH, die
Sicherungsgeberin, im Einverständnis mit der Bank, der
Sicherungsnehmerin, mit Vertrag vom 30.9.1995 die betreffenden
Fahrzeuge an die T-GmbH, die ihrerseits für den Erwerb Kredite
der Bank in Anspruch genommen hatte.
Die T-GmbH machte die ihr für den
Erwerb der Fahrzeuge in Rechnung gestellte Umsatzsteuer erfolglos
als abziehbare Vorsteuer geltend. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) war der Auffassung,
Lieferantin der Klägerin sei nicht die Sicherungsgeberin, die
H-GmbH, sondern die Bank, die Sicherungsnehmerin, gewesen (sog.
„Doppelumsatz“); ein Vorsteuerabzug aus der von der
Sicherungsgeberin, der H-GmbH, erteilten Rechnung sei deshalb nicht
möglich.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene
Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist
in DStRE 2002, 579 = SIS 02 64 50 veröffentlicht.
Das FG bestätigte die Auffassung des
FA, die in den Rechnungen ausgewiesene Vorsteuer sei deswegen nicht
abziehbar, weil es an einer Lieferung der H-GmbH an die T-GmbH
fehle. Grundsätzlich komme es bei der Verwertung von
Sicherungseigentum durch den Sicherungsnehmer zu zwei Lieferungen
(sog. Doppelumsatz), zu einer Lieferung des Sicherungsgutes an den
Sicherungsnehmer und zugleich zu einer Lieferung vom
Sicherungsgeber an den Dritten. Eine Lieferung des Sicherungsgebers
liege dagegen nur vor, wenn aus der Sicht des ursprünglichen
Sicherungsverhältnisses lediglich der Sicherungsgeber
ausgewechselt werde. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor.
Die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer sei nicht
abziehbar.
Hiergegen richtet sich die Revision des
Klägers.
Zur Begründung trägt er im
Wesentlichen vor, der T-GmbH stehe der Vorsteuerabzug aus den
Rechnungen der H-GmbH zu, weil ihr die streitigen Fahrzeuge von der
H-GmbH, der Sicherungsgeberin, geliefert worden seien.
Der Kläger beantragt
sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Umsatzsteuerbescheid für 1995 vom 23.3.2000 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 15.2.2001 dahin zu ändern, dass die
Umsatzsteuer um 34.350 DM herabgesetzt wird.
Das FA beantragt die Zurückweisung der
Revision.
Es verweist im Wesentlichen darauf, dass
mit Eintritt des Sicherungsfalles die Sicherungsgeberin die
endgültige Verfügungsmacht erworben und von ihr auch
Gebrauch gemacht habe. Im Streitfall komme hinzu, dass die
Geschäftsführerin der Erwerberin Tochter des
Gesellschaftergeschäftsführers der Sicherungsgeberin, der
H-GmbH, gewesen sei und ihr sowohl das Sicherungseigentum als auch
der Umstand bekannt gewesen sei, dass der Erwerb der Fahrzeuge nur
im Einverständnis mit der Sicherungsnehmerin möglich
gewesen sei.
II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 kann der Unternehmer die in
Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1993 gesondert ausgewiesene
Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von
anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt
worden sind, abziehen. Lieferungen eines Unternehmers sind
gemäß § 3 Abs. 1 UStG 1993 Leistungen, durch die er
den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen
Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der
Verfügungsmacht), d.h. ihm Herrschaft über Substanz, Wert
und Ertrag verschafft.
2. Zu Recht geht das FG zwar davon aus, dass
als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 bei
richtlinienkonformer Auslegung nur eine für den berechneten
Umsatz vom Leistenden geschuldete Steuer abgezogen werden darf
(Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2.4.1998 V R 34/97, BFHE
185, 536, BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31; vom 12.12.2002 V R
85/01, BFH/NV 2003, 829 = SIS 03 24 79) und dass deshalb der
Vorsteuerabzug aus der Rechnung der H-GmbH nicht zulässig
wäre, wenn der Rechnung keine Lieferung der
Rechnungsausstellerin, der H-GmbH, an die T-GmbH zugrunde
läge. Im Streitfall hat jedoch - entgegen der Auffassung des
FG - die H-GmbH die Fahrzeuge an die T-GmbH geliefert.
Das FG meint, die H-GmbH (die
Sicherungsgeberin) habe deswegen nicht über eine eigene
Lieferung an die T-GmbH abgerechnet, weil sie die der
Sicherungsnehmerin (der Bank) sicherheitshalber übereigneten
Fahrzeuge auf deren, der Bank, Rechnung an die T-GmbH
veräußert habe, und deshalb der Bank, der
Sicherungsnehmerin, die Lieferung zuzurechnen sei.
a) Regelmäßig ergibt sich aus den
abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem
Umsatz als Leistender und wer als Leistungsempfänger anzusehen
ist. Lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände kommt eine
von den „vertraglichen Vereinbarungen“
abweichende Bestimmung des Leistenden in Betracht, so z.B. wenn
nach den Umständen des Falles erkennbar ein Eigengeschäft
des Handelnden und nicht des angeblichen
„Vertragspartners“ vorliegt, der die Leistung
auch nicht als eigene Leistung der Umsatzsteuer unterwirft, und bei
denen der Leistungsempfänger typischerweise mit der
Nichtbesteuerung durch den „Rechnungsaussteller“
rechnet oder rechnen muss (BFH-Urteil vom 4.9.2003 V R 9, 10/02,
BFHE 203, 389, BStBl II 2004, 627 = SIS 03 51 76, m.w.N.; vgl.
BFH-Beschluss vom 5.2.2004 V B 180/03, BFH/NV 2004, 988 = SIS 04 23 23). Allein der Umstand, dass jemand im eigenen Namen aber
letztlich für Rechnung eines Dritten Leistungen erbringt oder
bezieht, rechtfertigt dagegen keine von den vertraglichen
Vereinbarungen abweichende Zurechnung von Leistungen oder
Leistungsbezügen, wie sich aus den Regelungen zum
Kommissionsgeschäft ergibt (vgl. Art. 5 Abs. 4 Buchst. c und
Art. 6 Abs. 4 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern 77/388/EWG - Richtlinie 77/388/EWG -, sowie zu
§ 3 Abs. 3 und Abs. 11 UStG 1993 die BFH-Urteile vom 31.1.2002
V R 40, 41/00, BFHE 197, 377 = SIS 02 06 34; vom 29.8.2002 V R
8/02, BFHE 199, 88, BStBl II 2004, 320 = SIS 03 01 40, sowie
BFH-Beschluss vom 16.5.2002 V B 89/01, BFH/NV 2002, 1113 = SIS 02 09 82; nunmehr ausdrücklich die Neufassung des § 3 Abs.
11 UStG, mit Wirkung vom 1.1.2004).
Verkauft deshalb der Sicherungsgeber im
Einverständnis mit dem Sicherungsnehmer die diesem zur
Sicherheit übereigneten Gegenstände im eigenen Namen an
einen Dritten, führt er eine entgeltliche Lieferung i.S. des
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 aus, für die er Umsatzsteuer
schuldet.
b) Das FG hat sich für seine Auffassung,
die Lieferung des Sicherungsgutes sei nicht der H-GmbH (der
Sicherungsgeberin), sondern der Bank (der Sicherungsnehmerin)
zuzurechnen, weil der Verkauf in deren Interesse durchgeführt
worden sei, auf das Senatsurteil vom 9.3.1995 V R 102/89 (BFHE 177,
520, BStBl II 1995, 564 = SIS 95 19 20) berufen.
Auch diese Entscheidung beruht auf der
Überlegung, dass zivilrechtliche Vereinbarungen der
Beteiligten für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung des
entsprechenden Leistungsaustausches ausschlaggebend sind, wenn die
Vereinbarungen - wie im Regelfall - ohne Abweichung bzw. nach
Änderung durchgeführt werden und wenn das
Umsatzsteuerrecht für die Leistungshandlung keine besondere
Regelung vorsieht.
aa) Mit der Verwertung des Sicherungsgutes
für Rechnung des Sicherungsnehmers (hier die Bank) erstarkt
die Sicherungsübereignung zu einer Lieferung des
Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer i.S. des § 1 Abs. 1
Nr. 1 UStG 1993, denn der Sicherungsnehmer (hier die Bank)
erhält endgültig auch die wirtschaftliche
Verfügungsbefugnis über die zur Sicherheit
übereigneten Gegenstände, wenn er aufgrund der
Berechtigung im Sicherungsvertrag, über die Verwertung des
Sicherungsgutes bei Eintritt des Sicherungsfalles zu bestimmen,
dessen Verwertung veranlasst (z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs -
BGH - vom 11.3.1991 II ZR 88/90, NJW 1991, 1415, m.w.N.;
Palandt-Bassenge, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 64.
Aufl. 2005, § 930 Rz. 29 ff., m.w.N.; BFH-Urteil in BFHE 177,
520, BStBl II 1995, 564 = SIS 95 19 20, unter II.1.a).
bb) Gleichgültig ist insoweit, ob der
Sicherungsnehmer (hier die Bank) die sicherheitshalber
übereigneten Gegenstände selbst verwertet oder - wie im
Streitfall - die Verwertung des Sicherungsgutes dem Sicherungsgeber
(hier der H-GmbH) überlässt.
Veräußert der Sicherungsnehmer
selbst das Sicherungsgut, liefert er an den Käufer.
Veräußert der Sicherungsgeber für Rechnung des
Sicherungsnehmers das Sicherungsgut im eigenen Namen, liefert der
Sicherungsgeber (hier die H-GmbH) an den Erwerber (hier die
T-GmbH). Gleichzeitig liegt im Verhältnis Sicherungsnehmer
(Kommittent - hier die Bank - ) und dem Sicherungsgeber
(Kommissionär - hier H-GmbH - ) ein Fall des
Kommissionsgeschäftes (§ 3 Abs. 3 UStG 1993) vor, bei dem
der Sicherungsgeber (Verkäufer und Kommissionär) als
Abnehmer gilt (Senatsurteil vom 6.10.2005 V R 20/04, BFH/NV 2006,
222 = SIS 06 01 77). Entgegen der Auffassung des FA stünde der
Annahme eines Kommissionsgeschäftes nicht entgegen, dass die
Bank als Kommittent die wesentlichen Bedingungen für den
Verkauf beeinflusst oder bestimmt hat. Die Weisungsbefugnis des
Kommittenten ist ein Wesensmerkmal des Kommissionsgeschäftes
(vgl. § 385 des Handelsgesetzbuches); die fehlende
Weisungsbefugnis steht deshalb der Annahme eines
Kommissionsgeschäftes entgegen (z.B. BGH-Urteil vom 19.2.1975
VIII ZR 175/73, BB 1975, 393). In welchem Umfang der Kommittent
sein Weisungsrecht beansprucht, ist dagegen ohne Bedeutung.
Veräußert der Sicherungsgeber also im eigenen Namen,
aber - weil der Sicherungsfall eingetreten ist - für Rechnung
des Sicherungsnehmers, werden umsatzsteuerrechtlich drei
Lieferungen bewirkt (sog. Dreifachumsatz, Senatsurteil in BFH/NV
2006, 222 = SIS 06 01 77).
3. Bei Anwendung der vorstehenden
Grundsätze auf den Streitfall war das angefochtene Urteil
aufzuheben und der Klage stattzugeben.