Grundstückslieferung, Abgrenzung zur Geschäftsveräußerung: Die Lieferung eines weder vermieteten noch verpachteten Grundstücks ist im Regelfall keine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG. - Urt.; BFH 11.10.2007, V R 57/06; SIS 08 08 56
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariellem
Kaufvertrag vom 7.10.1999 ein bebautes Grundstück und
Einrichtungsgegenstände. Der Gesamtkaufpreis belief sich auf
950.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer. Hiervon entfielen 350.000
DM auf die Einrichtung. Nach dem Vertrag war der Verkauf
umsatzsteuerpflichtig. Besitz, Nutzen und Lasten sollten am
1.11.1999 übergehen. Der Veräußerer hatte das
Gebäude für den Betrieb als Diskothek verpachtet. Der
Pachtvertrag endete vor der Besitzeinweisung und ging nicht auf die
Klägerin über.
Am 30.10.1999 verpachtete die Klägerin
das Objekt mit der Diskothek an ihre Gesellschafterin M mit Wirkung
ab 1.11.1999. Die Umsatzangaben des Veräußerers S
erwiesen sich als unrealistisch. Die neue Pächterin war nicht
in der Lage, Pachtzahlungen zu leisten. Zivilrechtlich erstrebte
die Klägerin die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Ein
von ihr erwirkter Titel konnte aber nicht vollstreckt
werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) erkannte den Vorsteuerabzug nicht an, da eine
Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) vorliege, und setzte die
Umsatzsteuer auf 0 DM fest. Einspruch und Klage blieben
erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) stützte die
Klageabweisung (vgl. SIS 07 00 79) darauf, dass es sich um eine
Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG
handele. Entscheidend sei, ob die übertragenen
Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um
die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu
ermöglichen. Dies bedürfe einer Gesamtbewertung, bei der
insbesondere die Art der übertragenen
Vermögensgegenstände und der Grad der
Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und
nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu
berücksichtigen seien. Die Klägerin habe die
Verpachtungstätigkeit des Veräußerers ohne
nennenswerte zeitliche Unterbrechung fortgesetzt. Sie habe einen
Tag vor der Besitzeinweisung einen Pachtvertrag mit einer neuen
Pächterin abgeschlossen. Beim Betrieb der Diskothek sei keine
längere Pause eingetreten. Das veräußerte und durch
die Klägerin betriebene Gewerbe erscheine identisch. Im
Hinblick auf die nahtlose Fortsetzung der
Verpachtungstätigkeit sei unerheblich, dass die Klägerin
keinen Pachtvertrag des Veräußerers übernommen,
sondern selbst einen Pachtvertrag abgeschlossen habe. Für die
Übernahme eines Unternehmens spreche auch, dass der Umsatz des
übernommenen Unternehmens katastrophal eingebrochen sei und
deshalb Pachtzahlungen unterblieben seien. Gerade dies zeige, dass
ein laufender Diskothek-Betrieb übernommen worden sei und
nicht nur eine leer stehende Immobilie.
Mit ihrer hiergegen eingelegten Revision
rügt die Klägerin, dass keine
Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG
vorliege. Sie, die Klägerin, habe keine
Verpachtungstätigkeit des Veräußerers fortgesetzt,
sondern das Objekt nach Beendigung des vom Veräußerer
abgeschlossenen Pachtvertrages übernommen. Die bloße
Übertragung eines Grundstücks könne nicht zu einer
Geschäftsveräußerung führen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und das FA zur erklärungsgemäßen
Veranlagung zu verurteilen.
Das FA beantragt Zurückweisung der
Revision.
Für die
Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG
komme es nicht auf die Übernahme eines Pachtvertrages an, da
die Klägerin bereits vor der Besitzeinweisung einen eigenen
Pachtvertrag mit einer neuen Pächterin abgeschlossen habe. Der
Klägerin sei die Fortführung der bisherigen
Verpachtungstätigkeit ohne weitere nennenswerte Aufwendungen
möglich gewesen.
II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Sie führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung
sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Entgegen der
Auffassung der Vorinstanz liegt im Streitfall keine
Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG
vor. Es sind zur Entscheidung des Streitfalls weitere
Feststellungen zu treffen.
1. Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen
Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung
an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der
Umsatzsteuer. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Unternehmen
oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert
geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich
übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.
a) § 1 Abs. 1a UStG dient der Umsetzung
von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) in nationales Recht und ist richtlinienkonform
auszulegen (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
18.1.2005 V R 53/02, BFHE 208, 491, BFH/NV 2005, 810 = SIS 05 17 51).
Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG
bezweckt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH), die Übertragung von
Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu
vereinfachen (EuGH-Urteil vom 27.11.2003 C-497/01, Zita Modes, Slg.
2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128 = SIS 04 01 39 Randnr. 32).
Im Hinblick auf diesen Zweck erfasst Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie
77/388/EWG die Übertragung der Geschäftsbetriebe und der
selbständigen Unternehmensteile, die jeweils materielle und
immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein
Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine
selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt
werden kann (EuGH-Urteil Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV
Beilage 2004, 128 = SIS 04 01 39 Randnr. 39 f.). Der Erwerber muss
darüber hinaus die Absicht haben, den übertragenen
Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht
begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen
Geschäftstätigkeit (EuGH-Urteil Zita Modes in Slg. 2003,
I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128 = SIS 04 01 39 Randnr. 44).
b) Im Hinblick auf die nach der
EuGH-Rechtsprechung erforderliche Absicht des Erwerbers, den
übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu
betreiben, kommt es maßgeblich darauf an, ob das
übertragene Vermögen die Fortsetzung einer bisher durch
den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit
ermöglicht. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung die
Art des übertragenen Vermögens/Teilvermögens und der
Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den
vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten
zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 28.11.2002 V R 3/01, BFHE
200, 160, BStBl II 2004, 665 = SIS 03 10 92).
2. Nach diesen Grundsätzen ist
die Veräußerung eines
Gebäudes ohne Übergang eines Mietvertrages keine
Geschäftsveräußerung. Die Übertragung eines
unvermieteten Grundstücks führt nicht zur
Übertragung eines Unternehmensteils, mit dem eine
selbständige Tätigkeit fortgeführt werden kann,
sondern zur Übertragung eines einzelnen
Vermögensgegenstandes. Fehlt es an weiteren Faktoren wie z.B.
einer bestehenden Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks,
kann kein „Geschäftsbetrieb“ angenommen
werden. Es bleibt vielmehr bei einer grundsätzlich nach §
4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien
Grundstücksübertragung.
3. Die Vorinstanz ist von anderen
Grundsätzen ausgegangen. Das Urteil war daher aufzuheben und
an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
FGO). Es liegt keine Geschäftsveräußerung nach
§ 1 Abs. 1a UStG an die Klägerin vor, da dieser lediglich ein unverpachtetes
Grundstück übertragen wurde.
Der von der
Klägerin beanspruchte Vorsteuerabzug aus dieser (als
steuerpflichtig behandelten) Grundstückslieferung an sie setzt
aber weiter voraus, dass die Klägerin keine (steuerfreien)
Verwendungsumsätze nach § 15 Abs. 2 UStG ausführte.
Das FG hat auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hierzu keine
ausreichenden Feststellungen getroffen. Es ist insbesondere
aufzuklären, ob die Klägerin das Grundstück
entgeltlich (als Unternehmerin) verpachtete und ggf. nach § 4
Nr. 12 UStG auf die Steuerfreiheit verzichtete und ob eine Rechnung
mit gesondertem Steuerausweis vorliegt.