Ausländische Botschaft, Kindergeldberechtigung des Personals: Ausländische Staatsangehörige, die vor dem 1.4.1999 eine Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungs- und technischen Personals oder des dienstlichen Hauspersonals einer Botschaft aufgenommen haben und nicht im Besitz eines ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels sind, haben Anspruch auf Kindergeld, wenn sie einen vom Auswärtigen Amt ausgestellten "gelben Ausweis" besitzen und hinsichtlich der Sozialversicherungs- sowie der Einkommensteuerpflicht als ständig ansässig behandelt worden sind. - Urt.; BFH 25.7.2007, III R 55/02; SIS 07 37 60
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist algerischer Staatsangehöriger und hat zwei
in den Jahren 1990 und 1997 geborene Kinder.
Nach eigenen Angaben arbeitete der
Kläger seit November 1994 bei der ... Botschaft und hatte vor
Aufnahme der Tätigkeit keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik
Deutschland (Bundesrepublik). Die Botschaft bescheinigte am
8.4.1998, der Kläger wohne in der Residenz des ...
Botschafters, wo er als „Mitglied des Dienstpersonals“
beschäftigt sei. Im Rahmen seiner Tätigkeit entrichte er
„sämtliche Beiträge, die der deutschen
Arbeitsgesetzgebung entsprechend zu begleichen seien“. In
einem Schreiben der ... Botschaft vom 15.5.1998 wird erklärt,
der Kläger sei Inhaber eines Dienstvisums sowie eines
„gelben Ausweises“ und beziehe keine Familienbeihilfen
von der Botschaft.
Den erstmals im April 1998 gestellten
Antrag des Klägers auf Kindergeld für seine beiden Kinder
lehnte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse)
durch Bescheid vom 22.7.1998 ab. Dem erneuten Antrag des
Klägers im September 1999 entsprach die Familienkasse
ebenfalls nicht und setzte mit Bescheid vom 29.9.1999 das
Kindergeld auf 0 DM fest. Der Kläger habe keinen Anspruch auf
Kindergeld, da er im Inland nicht ständig ansässig
gewesen und daher nach dem Wiener Übereinkommen über
diplomatische Beziehungen (WÜD) vom 18.4.1961 (BGBl II 1964,
957) von der Einkommensteuer befreit sei. Als im Inland
ständig ansässig seien nur solche Personen anzusehen, die
bereits vor Aufnahme ihrer Tätigkeit bei der Botschaft im
Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt
hätten. Dieser Tatbestand werde vom Kläger und seiner
Familie aber nicht erfüllt. Der Einspruch des Klägers war
erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) verpflichtete die
Familienkasse durch Urteil vom 21.10.2002 = SIS 03 20 25, dem
Kläger ab August 1998 Kindergeld für seine beiden Kinder
zu gewähren.
Es führte unter Bezugnahme auf das
Urteil des FG Köln vom 7.10.1999 2 K 179/98 (EFG 2000, 222)
aus, der Besitz eines „gelben Ausweises“ berechtige die
bei einer Botschaft tätigen Ortskräfte in der Regel zum
Erhalt von Kindergeld.
Mit der Revision rügt die
Familienkasse, das Urteil verstoße gegen spezielles
multilaterales Recht. Als Dienstpersonal der ... Botschaft sei der
Kläger entweder Mitglied des Verwaltungs- und technischen
Personals oder Mitglied des dienstlichen Hauspersonals der Mission,
so dass für ihn nach Art. 37 Abs. 2 oder Abs. 3 WÜD die
Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) insgesamt nicht
anwendbar seien. Er sei auch nicht ständig ansässig, da
er vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Botschaft im Inland
keinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe. Auch
wenn Art. 37 WÜD nicht anzuwenden wäre, habe der
Kläger mangels Aufenthaltstitels i.S. des § 62 Abs. 2
Satz 1 EStG keinen Anspruch auf Kindergeld. Das befristete
„Dienstvisum“ und der befristete „gelbe
Ausweis“ seien einem „Daueraufenthaltstitel“ i.S
des § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht gleichzustellen.
Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet mit der
Maßgabe, dass der Tenor neu zu fassen ist.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden,
dass dem Kläger Kindergeld zusteht.
1. Der Anspruch auf Kindergeld ist entgegen
der Auffassung der Familienkasse nicht nach dem WÜD
ausgeschlossen.
a) Der Senat kann im Streitfall offen lassen,
ob die Befreiung nach dem WÜD von Steuern oder von den
Vorschriften über die soziale Sicherheit zur Folge hat, dass
auch der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 EStG entfällt
(so Abschn. 62.6 Abs. 1 Satz 1 der Dienstanweisung zur
Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach
dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG -, Stand
August 2004, BStBl I 2004, 742; gl.A. Felix, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 62 Rz C 29; a.A.
Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Kommentar, Fach A, I.
Kommentierung, § 62 Rz 19, 20: Kein genereller Ausschluss
durch das WÜD). Denn der Kläger war jedenfalls in dem
maßgeblichen Zeitraum ab August 1998 weder von Steuern noch
von den Vorschriften über die soziale Sicherheit befreit und
zwar unabhängig davon, ob er als „Mitglied des
Dienstpersonals“ zum Verwaltungs- und technischen
Personal oder zum dienstlichen Hauspersonal der Botschaft
gehörte.
b) Mitglieder des Verwaltungs- und technischen
Personals einer Mission genießen nach Art. 37 Abs. 2 WÜD
die in den Art. 29 bis 35 WÜD bezeichneten Vorrechte und
Immunitäten (z.B. Befreiung nach Art. 33 WÜD von den in
der Bundesrepublik geltenden Vorschriften über soziale
Sicherheit und nach Art. 34 WÜD von allen Personal- und
Realsteuern) nur, wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaats
noch im Empfangsstaat ständig ansässig sind.
Auch Mitglieder des dienstlichen Hauspersonals
einer Mission genießen nach Art. 37 Abs. 3 WÜD Befreiung
von Steuern und sonstigen Abgaben auf ihre Dienstbezüge sowie
Befreiung von den in der Bundesrepublik geltenden Vorschriften
über soziale Sicherheit nur, wenn sie weder Angehörige
des Empfangsstaats noch im Empfangsstaat ständig ansässig
sind.
c) „Ständig
ansässig“ im Sinne des WÜD sind alle Personen,
die zum Zeitpunkt ihrer Anstellung von der Mission bereits
längere Zeit im Empfangsstaat ihren Wohnsitz hatten.
Darüber hinaus behandelt das Auswärtige Amt (AA)
grundsätzlich alle von fremden Missionen „am
Ort“ eingestellten Bediensteten (sog. Ortskräfte)
ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit als in der
Bundesrepublik ständig ansässig (Richtsteig, Wiener
Übereinkommen über diplomatische und konsularische
Beziehungen, 1994, Art. 38 Anm. 3 a).
Ortskräfte haben im Gegensatz zu den
entsandten Bediensteten ihr Dienstverhältnis mit der
diplomatischen Vertretung (oder dem Entsendestaat) in der Regel
erstmals in der Bundesrepublik begründet und werden - anders
als entsandte - Bedienstete nicht turnusmäßig an andere
ausländische Dienstorte des Entsendestaates versetzt
(Richtsteig, a.a.O., Art. 33 Anm. 3 b). In der Praxis wird eine
Ortskraft daher nur dann als nicht ständig ansässig
behandelt, wenn der ausländische Staat im Einzelfall
verbindlich zusichert, die betreffende Ortskraft in absehbarer
Frist in den Entsendestaat oder in ein drittes Land zu versetzen
(Richtsteig, a.a.O., § 38 Anm. 3 a).
Auch die Finanzverwaltung sieht in ihren
Weisungen zur einkommensteuerlichen Behandlung von Mitgliedern
ausländischer Botschaften Ortskräfte nur dann als nicht
ständig ansässig in der Bundesrepublik an, wenn der
Leiter der ausländischen Botschaft im Einzelfall
ausdrücklich darlegt, dass und aus welchen Gründen die
betreffende Ortskraft sich nur vorübergehend in der
Bundesrepublik aufhält und die Absicht hat, später in den
Entsendestaat oder in ein drittes Land auszuwandern (z.B. Erlasse
des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 26.1.1995 S
1310-7-33, FR 1995, 241 = SIS 95 09 12; des Finanzministeriums
Baden-Württemberg vom 2.1.1997 S 1310/1, juris;
Verfügungen der Oberfinanzdirektion - OFD - Frankfurt vom
11.8.1998 S 2105 A - 1 - St II 2 a, S 1310 A - 1 - St II 2 a,
juris, und der OFD Berlin vom 20.7.2000 St 127 - S 1310 - 2/94,
juris = SIS 01 08 29; a.A. Abschn. 62.6 Abs. 2 DA-FamEStG, Stand
August 2004, BStBl I 2004, 742).
d) Im Streitfall ist nicht festgestellt,
welchen Status der Kläger nach seiner Einreise im Jahr 1994
hatte. Jedenfalls ab dem Jahr 1998 ist er zu Sozialabgaben
herangezogen worden und damit - in Übereinstimmung mit den
oben dargelegten Grundsätzen - als ständig ansässig
angesehen worden. Wird ein Botschaftsbediensteter hinsichtlich der
Sozialversicherungspflicht als ständig ansässig
behandelt, ist auch keine - dem Bezug von Kindergeld ggf.
entgegenstehende (s.o. unter II. 1. a) - Befreiung von der
Einkommensteuer gegeben.
2. Bei wortgetreuer Auslegung der
maßgebenden gesetzlichen Vorschriften steht dem Kläger
kein Kindergeld zu, da er in dem maßgebenden Zeitraum keine
von der Ausländerbehörde erteilte Aufenthaltsgenehmigung,
sondern nur einen vom AA ausgestellten „gelben
Ausweis“ und ein Dienstvisum besaß.
a) Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 EStG i.d.F.
des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 hatte ein Ausländer nur
Anspruch auf Kindergeld, wenn er im Besitz einer
Aufenthaltsberechtigung nach § 27 des Ausländergesetzes
(AuslG) 1990 oder einer Aufenthaltserlaubnis nach § 15 AuslG
1990 war. Eine Aufenthaltsgenehmigung in Form einer
Aufenthaltsbewilligung (§§ 28, 29 AuslG 1990) oder einer
Aufenthaltsbefugnis (§ 30 AuslG 1990) reichte nicht aus.
Der - aufgrund der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu § 1 Abs. 3 des
Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) i.d.F. durch das Erste Gesetz zur
Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1.
SKWPG) vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2353) - neu gefasste § 62
Abs. 2 EStG, der mit Wirkung vom 1.1.2006 in Kraft getreten und auf
alle noch nicht bestandskräftigen Kindergeldfestsetzungen
anzuwenden ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG), verlangt für
den Bezug von Kindergeld eine Niederlassungserlaubnis (§ 62
Abs. 2 Nr. 1 EStG). Eine Aufenthaltserlaubnis, die zur
Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt oder
berechtigt hat - mit Ausnahme der in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst.
a bis c EStG aufgezählten Aufenthaltserlaubnisse -,
begründet ebenfalls einen Anspruch auf Kindergeld. Unter den
weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG
können auch die in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG
aufgeführten, aus humanitären Gründen erteilten
Aufenthaltserlaubnisse einen Anspruch auf Kindergeld ergeben.
Die in § 62 Abs. 2 EStG genannten
Aufenthaltstitel beziehen sich auf das seit Januar 2005 geltende
Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Betrifft der Sachverhalt - wie im
Streitfall - einen Zeitraum vor 2005, in dem noch das durch das
AufenthG abgelöste AuslG 1990 galt, sind
Aufenthaltsgenehmigungen i.S. des § 5 AuslG 1990 entsprechend
den Fortgeltungsregelungen in § 101 AufenthG als
Aufenthaltstitel im Sinne des AufenthG zu behandeln (Senatsurteil
vom 15.3.2007 III R 93/03, BFH/NV 2007, 1234 = SIS 07 15 05). Ein
Anspruch auf Kindergeld setzt somit auch nach der Neuregelung des
§ 62 Abs. 2 EStG zumindest voraus, dass der Ausländer im
Besitz einer nach den Vorschriften des AuslG 1990 erteilten
Aufenthaltsgenehmigung i.S. des § 5 AuslG 1990 in Form einer
Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsberechtigung,
Aufenthaltsbewilligung oder Aufenthaltsbefugnis war.
Anders als das FG Köln in seinem
Vorlagebeschluss vom 9.5.2007 10 K 1690/07 (StE 2007, 388 = SIS 07 23 05) hält der Senat die Anknüpfung des
Kindergeldanspruchs von Ausländern an den Besitz eines
Aufenthaltstitels grundsätzlich für
verfassungsgemäß (Senatsurteil in BFH/NV 2007, 1234 =
SIS 07 15 05). Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des FG
Köln im Urteil vom 9.5.2007 10 K 983/04 (StE 2007, 389 = SIS 07 23 08), dass die rückwirkende Anwendung des § 62 Abs.
2 EStG auf alle noch offenen Fälle nicht der Verfassung
entspreche und deshalb auf vor dem 1.1.2005 verwirklichte
Sachverhalte - wie vom BVerfG im Verfahren wegen der
Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 3 BKGG i.d.F.
durch das 1. SKWPG angeordnet (vgl. Beschluss vom 6.7.2004 1 BvL
4/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29)
- die bis zum 31.12.1993 geltende Regelung in § 1 Abs. 3 BKGG
anzuwenden sei. Nach dieser Vorschrift hatten Ausländer
Anspruch auf Kindergeld, wenn sie auf unbestimmte Zeit nicht
abgeschoben werden konnten und sich seit mindestens einem Jahr
ununterbrochen in der Bundesrepublik aufhielten. Da der Kläger
unabhängig von den Erwägungen des FG Köln Anspruch
auf Kindergeld hat, erübrigt sich im Streitfall eine
Auseinandersetzung mit den finanzgerichtlichen Entscheidungen.
b) Der Kläger besaß keine
Aufenthaltsgenehmigung i.S. des § 5 AuslG 1990, die
entsprechend § 101 AufenthG als zum Bezug von Kindergeld
berechtigende Aufenthaltserlaubnis i.S. des § 62 Abs. 2 EStG
gelten könnte. Denn nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung
zur Durchführung des AuslG 1990 (DVAuslG) i.d.F. vom 23.2.1993
(BGBl I 1993, 266) waren die nicht amtlich entsandten, mit
Zustimmung des AA örtlich angestellten Mitglieder des
Verwaltungs- und technischen Personals sowie des dienstlichen
Hauspersonals diplomatischer Vertretungen vom Erfordernis einer
Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG 1990 befreit.
Die vom AA ausgestellten, jeweils auf ein Jahr
befristeten „gelben Ausweise“ (vgl.
Rundschreiben des Bundesministeriums des Inneren - BMI - vom
17.8.1993, Gemeinsames Ministerialblatt - GMBl - 1993, 591, 601,
unter Abschn. VIII 1. d) und Dienstvisa sind keine - von der
Ausländerbehörde zu erteilenden -
Aufenthaltsgenehmigungen im Sinne des AuslG 1990 oder
Aufenthaltstitel im Sinne des AufenthG. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3
DVAuslG vom Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung nach dem AuslG
1990 befreite Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals
sowie des dienstlichen Hauspersonals werden nur beim AA
registriert. Das AA stellt den bei ihm registrierten Personen einen
Ausweis über ihre Funktion und aufgrund ihrer
Staatsangehörigkeit visumspflichtigen Personen ein Dienstvisum
aus, so dass die Zugehörigkeit zum bevorrechtigten Kreis auch
aus dem Pass ersichtlich ist (Rundschreiben des BMI in GMBl 1993,
591, 598, unter Abschn. V B. 2. f). „Gelber
Ausweis“ und Dienstvisum sind keine ein Aufenthaltsrecht
begründenden Titel, sondern lediglich ein Nachweis, dass sich
der Ausländer auch ohne Aufenthaltstitel rechtmäßig
im Bundesgebiet aufhält.
3. Ein „gelber Ausweis“ ist
jedoch bei ausländischen Staatsangehörigen, die vor dem
1.4.1999 eine Tätigkeit als Verwaltungs- und technisches
Personal oder dienstliches Hauspersonal einer Botschaft begonnen
haben und im Bundesgebiet als ständig ansässig behandelt
wurden, im Wege der Analogie einer zur Erwerbstätigkeit
berechtigenden Aufenthaltserlaubnis i.S. des § 62 Abs. 2 Nr. 2
EStG gleichzustellen.
a) Eine Analogie setzt eine Gesetzeslücke
im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit voraus. Eine
Gesetzeslücke liegt vor, wenn eine Regelung gemessen an ihrem
Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist
und wenn ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber
beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände
widerspricht (z.B. Senatsurteil vom 26.1.2006 III R 51/05, BFHE
212, 236, BStBl II 2006, 515 = SIS 06 19 86, m.w.N.).
b) Soweit ständig ansässige
ausländische Mitglieder des nicht amtlich entsandten
Verwaltungs- und technischen Personals sowie des dienstlichen
Hauspersonals von Botschaften wegen der Befreiung vom Erfordernis
eines Aufenthaltstitels beim Kindergeld nicht berücksichtigt
werden, enthält § 62 EStG eine unbewusste planwidrige
Gesetzeslücke.
§ 62 Abs. 2 EStG hat zum Ziel, Kindergeld
nur solchen ausländischen Staatsangehörigen zukommen zu
lassen, die sich rechtmäßig und voraussichtlich auf
Dauer in der Bundesrepublik aufhalten. Diese schon dem § 62
Abs. 2 EStG i.d.F. des JStG 1996 zugrunde liegende Zielsetzung hat
das BVerfG nicht beanstandet (Beschluss in BVerfGE 111, 160, BFH/NV
2005, Beilage 2, 114 = SIS 05 07 29).
Bei Personen, die nicht im Besitz einer
(unbefristeten) Niederlassungserlaubnis, sondern nur einer
Aufenthaltserlaubnis sind, muss nach Auffassung des Gesetzgebers
ein weiteres Indiz hinzukommen, welches einen voraussichtlich
dauerhaften Aufenthalt plausibel erscheinen lasse. Ein solches
Indiz sei die Ausübung einer Erwerbstätigkeit bzw. die
Erlaubnis zu einer Erwerbstätigkeit. Von einem nur
vorübergehenden Aufenthalt sei bei ausländischen
Staatsangehörigen auszugehen, deren Aufenthalt in der
Bundesrepublik erkennbar begrenzt sei, wie z.B. bei denjenigen, die
sich nur zu Ausbildungszwecken im Bundesgebiet aufhielten oder bei
denen die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zur
Ausübung einer Beschäftigung nach Ablauf eines
Höchstzeitraumes rechtlich ausgeschlossen sei (BTDrucks
16/1368, 8).
Da Einreise und Aufenthalt nicht
freizügigkeitsberechtigter Ausländer grundsätzlich
unter Erlaubnisvorbehalt stehen (vgl. Renner, Ausländerrecht,
Kommentar, 8. Aufl., § 4 Rz 8), ergibt sich in der Regel aus
dem Aufenthaltstitel - konstitutiv - das Recht auf Einreise und
Aufenthalt. Insofern ist die Anknüpfung des
Kindergeldanspruchs an den Besitz eines Aufenthaltstitels
jedenfalls in den Fällen sachgerecht, in denen für den
rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet ein
Aufenthaltstitel erforderlich ist.
Der gesetzlichen Regelung liegt offensichtlich
die Vorstellung zugrunde, ein rechtmäßiger
Daueraufenthalt erfordere stets einen von der
Ausländerbehörde ausgestellten Aufenthaltstitel. Der
Gesetzgeber ging anscheinend davon aus, dass die Befreiung vom
Erfordernis eines Aufenthaltstitels nur solche ausländischen
Bediensteten von Botschaften betrifft, die sich nur
vorübergehend im Bundesgebiet aufhalten und nach Beendigung
ihrer Tätigkeit bei der Botschaft das Bundesgebiet wieder
verlassen.
Nicht bedacht wurde bei der gesetzlichen
Regelung, dass unter anderem die Mitglieder des Verwaltungs- und
technischen Personals sowie des dienstlichen Hauspersonals einer
Botschaft - unabhängig davon, ob sie im Ausland angeworben
worden waren oder schon vor Aufnahme der Tätigkeit bei der
Botschaft einen Wohnsitz im Bundesgebiet hatten - als ständig
ansässig angesehen wurden und deshalb sozialversicherungs- und
einkommensteuerpflichtig waren. Auch die im Ausland angeworbenen
Personen hatten - wie die dem Senat zur Entscheidung vorliegenden
Fälle zeigen - regelmäßig nicht die Absicht, nach
Beendigung ihrer Tätigkeit bei der Botschaft die
Bundesrepublik mit ihrer Familie wieder zu verlassen.
Ihr Aufenthalt war - jedenfalls soweit sie vor
dem 1.4.1999 in die Bundesrepublik eingereist sind - auch nicht
typischerweise nur vorübergehender Natur. Die Tätigkeit
bei der Botschaft war in der Regel nicht befristet; wann sie
endete, war ungewiss. Zwar waren die „gelben
Ausweise“ jeweils auf ein Jahr befristet und wurden nicht
verlängert oder neu ausgestellt, wenn die Bediensteten ihre
Stellung bei der Botschaft verloren hatten. Mit dem Verlust des
Arbeitsplatzes endete auch die Befreiung vom Erfordernis einer
Aufenthaltsgenehmigung. In der Vergangenheit hatte die Beendigung
der Tätigkeit bei der Botschaft aber offensichtlich nicht zur
Folge, dass die Ausländer das Bundesgebiet verlassen mussten.
Sie konnten anscheinend bei anderen Botschaften eine Tätigkeit
aufnehmen oder sich anderweitig Arbeit suchen. Sie mussten
allerdings bei der Ausländerbehörde eine
Aufenthaltserlaubnis beantragen. Sie erhielten dann - wie dem Senat
aus anderen zur Entscheidung vorliegenden Fällen bekannt ist -
eine Bescheinigung, nach der ihr Aufenthalt nach § 69 Abs. 3
AuslG 1990 bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als
erlaubt galt, und später offensichtlich eine
Aufenthaltserlaubnis. Es ist daher davon auszugehen, dass auch der
Kläger, wenn er die Tätigkeit bei der ... Botschaft
aufgegeben hätte, die Bundesrepublik nicht hätte
verlassen müssen.
Nach den neu gefassten, am 1.4.1999 in Kraft
getretenen Richtlinien des AA für die Einreise und den
Aufenthalt von nicht entsandten Mitgliedern des Verwaltungs- und
technischen Personals, des dienstlichen Hauspersonals und der
privaten Hausangestellten (nicht veröffentlicht) dürfen
im Ausland rekrutierte Personen nicht (mehr) zu einer anderen
Botschaft wechseln und auch keiner sonstigen Erwerbstätigkeit
nachgehen. Die Botschaft ist dafür verantwortlich, dass die im
Ausland rekrutierten Personen nach Beendigung ihrer Tätigkeit
bei der Botschaft mit ihrer Familie die Bundesrepublik
unverzüglich verlassen. Ob aufgrund dieser Richtlinien
für Botschaftsbedienstete, die nach dem 31.3.1999 in die
Bundesrepublik eingereist sind, eine andere Beurteilung geboten
ist, obwohl die betroffenen Personen nach wie vor zur
Sozialversicherung herangezogen werden, kann der Senat im
Streitfall offen lassen, da der Kläger bereits im Jahr 1994 in
die Bundesrepublik eingereist ist und nach der damaligen
Verwaltungspraxis sein Aufenthalt nicht als nur vorübergehend
angesehen werden konnte.
c) Es widerspräche dem Zweck der
Kindergeldregelung und wäre auch unter verfassungsrechtlichen
Gesichtspunkten bedenklich, wenn ausländische
Staatsangehörige, die sich rechtmäßig in der
Bundesrepublik aufhalten, voraussichtlich auf Dauer in der
Bundesrepublik einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen, in
das Sozialversicherungssystem eingegliedert und
einkommensteuerpflichtig sind, vom Kindergeld ausgeschlossen
würden, weil sie für ihren rechtmäßigen
Aufenthalt kraft gesetzlicher Regelung vom Erfordernis eines
Aufenthaltstitels befreit sind und deshalb keinen Aufenthaltstitel
erhalten (ähnlich Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom
23.9.2004 B 10 EG 2/04 R, SozR 4-7833 § 1 Nr. 5, BFH/NV 2005,
Beilage 2, 157, zum Anspruch auf Erziehungsgeld).
d) Ständig ansässige Mitglieder des
Verwaltungs- und technischen Personals sowie des dienstlichen
Hauspersonals einer Botschaft, die in der Bundesrepublik
sozialversicherungs- und einkommersteuerpflichtig sind - also als
ständig ansässig behandelt werden -, haben daher in
analoger Anwendung des § 62 Abs. 2 EStG Anspruch auf
Kindergeld, wenn sie einen „gelben Ausweis“
besitzen und durch eine Bescheinigung der Versicherung über
die abgeführten Sozialabgaben nachweisen, dass sie als
ständig ansässig behandelt worden sind. Der
„gelbe Ausweis“ ist zwar - wie unter II. 2. b
dargelegt - formell kein Titel im Sinne des AuslG 1990 oder des
AufenthG. Die durch den „gelben Ausweis“
dokumentierte Freistellung von einem Aufenthaltstitel wirkt aber
wie eine ausländerrechtliche Statusentscheidung. Aus der
Erteilung des „gelben Ausweises“ ergibt sich,
dass sich der Ausweisinhaber rechtmäßig im Bundesgebiet
aufhält und hier eine erlaubte Tätigkeit ausübt.
Unerheblich ist, ob dem Kläger zu Recht
anstelle eines Aufenthaltstitels ein „gelber
Ausweis“ ausgestellt worden ist. Nach dem Wortlaut des
§ 3 Abs. 1 Nr. 3 DVAuslG bedürfen unter anderem die nicht
amtlich entsandten, mit Zustimmung des AA örtlich angestellten
Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals sowie des
dienstlichen Hauspersonals diplomatischer Vertretungen - wenn
Gegenseitigkeit besteht - keiner Aufenthaltsgenehmigung. Nach Rz
3.1.2.3.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum AuslG 1990
(AuslG-VwV) vom 28.6.2000 (juris) sind von dem Erfordernis einer
Aufenthaltsgenehmigung dagegen nicht befreit die im Rundschreiben
des BMI (GMBl 1993, 591, 599) in Abschn. V B. Nr. 2 Buchst. g
genannten Personen. Dazu gehören unter anderem „die
ständig im Bundesgebiet ansässigen Mitglieder des
Verwaltungs- und technischen Personals“ und „die
ständig im Bundesgebiet ansässigen Mitglieder des
dienstlichen Hauspersonals“ diplomatischer Vertretungen.
Unabhängig davon, ob die Verwaltungsanweisung mit dem Wortlaut
des § 3 Abs. 1 Nr. 3 DVAuslG übereinstimmt, wurde im
Streitfall nicht nach dieser Verwaltungsanweisung verfahren. Denn
obwohl der Kläger sozialversicherungsrechtlich als
ständig ansässig angesehen wurde, wurde er
ausländerrechtlich behandelt, als sei er vom Erfordernis der
Aufenthaltsgenehmigung befreit.
Maßgebend für den Anspruch auf
Kindergeld ist aber die Entscheidung der Ausländerbehörde
bzw. im Streitfall des AA. Der Entscheidung der
Ausländerbehörde kommt für das Kindergeldrecht
Tatbestandswirkung zu (Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 20.2.1998
VI B 205/97, BFH/NV 1998, 963 = SIS 98 13 05; BSG-Urteil vom
2.10.1997 14 REg 1/97, SozR 3-1200 § 14 Nr. 24, m.w.N.).
Entsprechendes gilt für die Entscheidung des AA, das mit der
Ausstellung des „gelben Ausweises“ dokumentiert,
dass der Inhaber des Ausweises von der
Aufenthaltsgenehmigungspflicht befreit ist. Für die zur
Entscheidung über das Kindergeld berufenen Stellen ist der vom
AA ausgestellte Ausweis bindend.
4. Da der Kläger im maßgebenden
Zeitraum Sozialabgaben abführen musste und über einen
„gelben Ausweis“ verfügte, hat er
grundsätzlich ab August 1998 Anspruch auf Kindergeld. Der
Tenor des finanzgerichtlichen Urteils ist aber entsprechend den
Grundsätzen des Senatsurteils vom 2.6.2005 III R 66/04 (BFHE
210, 265, BStBl II 2006, 184 = SIS 05 41 69) richtigzustellen. Die
Familienkasse wird nicht verpflichtet, „dem Kläger
Kindergeld in der gesetzlichen Höhe für die Kinder ... ab
dem Monat August 1998 zu gewähren“, sondern
„über den Kindergeldantrag des Klägers unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu
entscheiden“.