Optionsgeschäfte an der DTB, Prämie für Gegengeschäft, Verlustberücksichtigung: 1. Stellt der Stillhalter bei einem Optionsgeschäft (short-Position) an der Deutschen Terminbörse die eingeräumte Option glatt, um auf diese Weise seine Inanspruchnahme zu vermeiden, so sind die im Gegengeschäft gezahlten Prämien als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG abziehbar (Bestätigung des BFH-Urteils vom 29.6.2004 IX R 26/03, BFHE 206 S. 418, BStBl 2004 II S. 995 = SIS 04 32 23). - 2. Für negative Einkünfte aus Optionsgeschäften i.S. von § 22 Nr. 3 EStG in den für die Jahre vor 1999 geltenden Fassungen sind in den noch offenen Altfällen die allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen über Verlustausgleich und Verlustabzug anzuwenden (Ergänzung zum BFH-Urteil vom 1.6.2004 IX R 35/01, BFHE 206 S. 273, BStBl 2005 II S. 26 = SIS 04 23 56). - Urt.; BFH 17.4.2007, IX R 23/06; SIS 07 19 56
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob Verluste im Zusammenhang mit dem Glattstellen eingeräumter
Optionen in den Streitjahren (1997 und 1998) zu
berücksichtigen sind.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) bezieht als Rechtsanwalt Einkünfte aus
selbständiger Arbeit. Er unternahm in den Streitjahren
Optionsgeschäfte an der Deutschen Terminbörse auf den
Deutschen Aktienindex (DAX) als Stillhalter (short-Positionen) und
nahm daraus Prämien in Höhe von 63.140 DM im Jahr 1997
und in Höhe von 49.525 DM im Jahr 1998 jeweils neben
Gebühren und Spesen ein. Einige dieser Geschäfte stellte
er glatt und musste im Rahmen dieser Gegengeschäfte
seinerseits Prämien zahlen, und zwar neben Gebühren und
Spesen 143.390 DM (1997) und 66.850 DM (1998).
Dementsprechend erklärte er negative
Einkünfte aus Leistungen nach § 22 Nr. 3 des
Einkommensteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (EStG) für das
Jahr 1997 in Höhe von 93.595 DM und für das Jahr 1998 in
Höhe von 12.301 DM, die der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) allerdings nicht
berücksichtigte.
Auch die Klage blieb erfolglos. Das
Finanzgericht (FG) führte in seinem in EFG 2006, 1061,
veröffentlichten Urteil aus, der Kläger könne die in
den Glattstellungsgeschäften angefallenen Aufwendungen nicht
von seinen nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbaren
Stillhalterprämien abziehen; denn es fehle an dem notwendigen
Veranlassungszusammenhang mit der Einkünfteerzielung. Der
Kläger habe Glattstellungsgeschäfte zur Begrenzung der
Risiken aus den eingeräumten Kaufoptionen getätigt und
damit nicht in Bezug auf seine erhaltenen Stillhalterprämien,
sondern zur Absicherung seines Vermögens gehandelt. Selbst
wenn man zugunsten des Klägers vom Werbungskostencharakter
seiner Aufwendungen ausgehe, könnten die geltend gemachten
Verluste nicht anerkannt werden. Der Kläger könne sich
nicht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)
vom 30.9.1998 2 BvR 1818/91 (BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05)
berufen; denn die dort gefundene Verlustabzugsmöglichkeit
gelte nur für laufende Einkünfte aus der Vermietung
beweglicher Gegenstände und nicht bei einmaligen Leistungen
wie die hier zu beurteilenden Optionsgeschäfte.
Hiergegen wendet sich die Revision des
Klägers, die er auf die Verletzung von § 9 Abs. 1 EStG
sowie § 22 Nr. 3 EStG stützt. Ein
Veranlassungszusammenhang der vereinnahmten mit den im
Glattstellungsgeschäft verausgabten Stillhalterprämien
sei gegeben, so dass nur die Differenz aus der im
Eröffnungsgeschäft erhaltenen und der im
Gegengeschäft gezahlten Prämie versteuert werden
dürfe. Der Stillhalter übernehme bei dem
Optionsgeschäft bewusst ein Risiko für sein
Vermögen, das über die vereinnahmten Prämien weit
hinausgehe. Der Verlustabzug sei durch die Grundsätze des
BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05
gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil und die
Einspruchsentscheidung aufzuheben, die Einkommensteuerbescheide
für 1997 und für 1998 abzuändern und hierbei
Verluste bei den sonstigen Einkünften in Höhe von
84.695,70 DM für 1997 und in Höhe von 20.137,35 DM
für 1998 zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet und
führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die Vorentscheidung hat unzutreffend die in
den Glattstellungsgeschäften verausgabten Optionsprämien
nicht als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den
Einkünften des Klägers aus Leistungen berücksichtigt
(1.) und die dadurch entstehenden negativen Einkünfte nicht
von den übrigen Einkünften des Klägers abgezogen
(2.).
1. Die Prämien aus den
Optionsgeschäften sind um die im Glattstellungsgeschäft
gezahlten Prämien als Erwerbsaufwendungen zu mindern. Denn
diese bilden Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG
und sind deshalb von den Einnahmen aus § 22 Nr. 3 EStG nach
§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG abzusetzen (so Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29.6.2004 IX R 26/03, BFHE 206, 418,
BStBl II 2004, 995 = SIS 04 32 23, unter II. 1. b, cc; so auch
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10.11.1994, BStBl
I 1994, 816 = SIS 94 23 02, Tz 15, und vom 27.11.2001, BStBl I
2001, 986 = SIS 02 02 10, Tz 26).
a) An dieser Auffassung hält der Senat
fest (vgl. zur Rechtslage nach Einführung des § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 vom 24.3.1999, BGBl I, S. 402 das zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom heutigen Tag in
der Sache IX R 40/06, m.w.N.).
Zwar unternahm der Kläger als
Optionsgeber das Glattstellungsgeschäft auch zur Absicherung
seines Vermögens, weil ihm ohne die Schließung des
Optionsgeschäfts ein höherer Verlust durch die
Inanspruchnahme des Optionsnehmers drohte. Indes wendet er die
Prämien im Rahmen des Gegengeschäfts auf, um seine
Einnahmen aus dem Stillhaltergeschäft zu sichern. Damit liegt
das auslösende Moment für die Ausgaben entgegen der
Auffassung des FG im steuerbaren Bereich. Ohne das nach § 22
Nr. 3 EStG steuerbare Eröffnungsgeschäft kommt es nicht
zu einem Glattstellungsgeschäft. Die im Zusammenhang damit zu
zahlenden Prämien sind nach dem objektiven Nettoprinzip
abziehbare Erwerbsaufwendungen. Der Optionsgeber (Stillhalter) -
hier der Kläger - erhält die Prämie, weil er sich
für einen begrenzten Zeitraum bindet, von dem Inhaber der
Option einen bestimmten Basiswert zu einem von vornherein
bestimmten Basispreis (z.B. Aktie oder wie hier DAX-Index) zu
kaufen oder ihm den Basiswert zu dem vorherbestimmten Preis zu
verkaufen. Die Optionsprämie ist Gegenleistung für diese
Bindung und die damit eingegangenen Risiken, die der Stillhalter -
als Last - in Kauf nimmt, weil er z.B. ein für ihn
ungünstiges Effektengeschäft abschließen muss.
Damit berücksichtigt das nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbare
Entgelt auch drohende Vermögenseinbußen, so dass im
Glattstellungsgeschäft aufgewandte Prämien als
Erwerbsaufwendungen zu beurteilen sind, mit denen der Stillhalter
eben dieses Risiko zu minimieren sucht (ständige
Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 24.6.2003 IX R 2/02,
BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752 = SIS 03 37 82, m.w.N.).
b) Nach diesen Maßstäben kann der
Kläger die in den Glattstellungsgeschäften gezahlten
Optionsprämien grundsätzlich als Werbungskosten bei
seinen Einkünften als Stillhalter aus sonstigen Leistungen
nach § 22 Nr. 3 EStG geltend machen.
2. Die Abziehbarkeit dieser Aufwendungen
scheitert auch nicht daran, dass sie zu negativen Einkünften
des Klägers aus § 22 Nr. 3 EStG führen.
Allerdings dürfen diese Verluste nach
§ 22 Nr. 3 Satz 3 EStG nicht ausgeglichen werden. Indes ist
diese Vorschrift vom BVerfG als mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
unvereinbar und nichtig beurteilt worden (BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05). Zwar bezieht sich diese Nichtigkeit
- wie das FG zutreffend hervorhebt - entsprechend dem Gegenstand
der Verfassungsbeschwerde zunächst nur auf die Vermietung
beweglicher Gegenstände. Indem es § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG
im Streitfall anwendet, übersieht das FG aber, dass der BFH
die vom BVerfG zu § 22 Nr. 3 EStG entwickelten Grundsätze
(Anwendbarkeit der allgemeinen Regelungen über
Verlustausgleich und Verlustabzug) für die Jahre vor 1999 und
damit auch für die Streitjahre auf noch offene Altfälle
anwendet, die von § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG betroffen sind.
Das Verlustausgleichs- und Abzugsverbot des
§ 22 Nr. 3 Satz 3 EStG durchbricht auch für
Optionsgeschäfte - ebenso wie die entsprechende Regelung in
§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG - das Nettoprinzip. Der Senat verweist
zur Begründung im Einzelnen auf sein Urteil vom 1.6.2004 IX R
35/01 (BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26 = SIS 04 23 56). Auch dort
ging es um Options- und Wertpapiergeschäfte im Rahmen des
§ 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG a.F. und damit nicht um
laufende Einkünfte, auf die die Vorinstanz die Anwendbarkeit
des BVerfG-Beschlusses reduzieren möchte. Der erkennende Senat
hat in seinem Urteil in BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26 = SIS 04 23 56, den systematischen Zusammenhang der Vorschriften § 22
Nr. 3 EStG und § 22 Nr. 2, § 23 EStG hervorgehoben und
insbesondere die gesetzgeberische Grundentscheidung, nicht nur
für alle Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG, sondern
auch für private Veräußerungsgeschäfte i.S.
des § 22 Nr. 2, § 23 EStG eine verfassungsrechtlich
unbedenkliche Neuregelung zur Berücksichtigung von Verlusten
einzuführen (vgl. jetzt BFH-Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05,
BStBl II 2007, 259 = SIS 07 00 44), zum Anlass genommen, auch
für die von § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG erfassten
(Alt-)Fälle die Grundsätze der Entscheidung des BVerfG
entsprechend anzuwenden (eingehend BFH-Urteil in BFHE 206, 273,
BStBl II 2005, 26 = SIS 04 23 56, unter II. 3. b; bestätigt
durch BFH-Urteil vom 7.9.2004 IX R 73/00, BFH/NV 2005, 51 = SIS 05 04 15; siehe auch BVerfG-Beschluss vom 18.4.2006 2 BvL 8/05, BFH/NV
2006, Beilage 3, 364 = SIS 06 24 93). Diese Erwägungen gelten
erst Recht für Optionsgeschäfte, die - wie hier - unter
§ 22 Nr. 3 EStG fallen. Eine Beschränkung der
Grundsätze des BVerfG (in BVerfGE 99, 88 = SIS 98 23 05) zum
Verlustausgleich lediglich auf laufende Einkünfte aus der
Vermietung beweglicher Gegenstände kommt damit nicht in
Betracht.
3. Weil die angefochtene Entscheidung den
dargelegten Grundsätzen nicht entspricht, ist sie aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat von seinem Standpunkt
aus zutreffend noch keine Feststellungen zur Höhe der
Aufwendungen getroffen. Dies gilt auch in Bezug auf die
Ausübung der Option vom 16.1.1998 durch ein Basisgeschäft
vom 20.2.1998 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87, BFHE
163, 175, BStBl II 1991, 300 = SIS 91 06 02).
Hinsichtlich der
Einkünfteerzielungsabsicht kommt es auf das jeweilige einzelne
Optionsgeschäft (hier: Optionseinräumung als Stillhalter)
an. Hierfür nicht entscheidend sind - worauf der Kläger
in seinem Schriftsatz vom 1.8.2006 richtig hinweist - die
Bedingungen im Zeitpunkt des Glattstellungsgeschäfts, das
unternommen wird, um das Eröffnungsgeschäft zu
schließen. Das FG wird die Feststellungen in einer neuen
Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben.