Ablösung einer Pensionszusage, Arbeitslohn, Tarifermäßigung: 1. Die Ablösung einer vom Arbeitgeber erteilten Pensionszusage führt beim Arbeitnehmer auch dann zum Zufluss von Arbeitslohn, wenn der Ablösungsbetrag auf Verlangen des Arbeitnehmers zur Übernahme der Pensionsverpflichtung an einen Dritten gezahlt wird. - 2. Der Ablösungsbetrag unterliegt als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG 1990. - Urt.; BFH 12.4.2007, VI R 6/02; SIS 07 16 58
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden im Streitjahr (1995) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war bis zum 31.8.1995
Gesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH. Die A-GmbH
hatte dem Kläger im Jahre 1984 eine Pensionszusage
erteilt.
Im Rahmen der Veräußerung der an
der A-GmbH gehaltenen Anteile wurde am 11.8.1995 vereinbart, dass
die A-GmbH gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.032.527
DM (Ablösungsbetrag), der dem Teilwert zum 31.8.1995
entsprach, von der Pensionsverpflichtung gegenüber dem
Kläger befreit werden sollte. Dem Kläger wurde das
Wahlrecht eingeräumt, die Zahlung an sich selbst oder an eine
GmbH gegen Übernahme der Pensionsverpflichtung zu
verlangen.
Nach Gründung der S-GmbH, deren
Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der
Kläger war, verlangte der Kläger die Überweisung des
Ablösungsbetrags an die S-GmbH. Die S-GmbH verpflichtete sich
am 25.8.1995 in einer Vereinbarung mit dem Kläger und der
A-GmbH zur Übernahme der Pensionsverpflichtung. Der
Ablösungsbetrag wurde am 28.8.1995 durch die A-GmbH an die
S-GmbH gezahlt. Die Geschäftstätigkeit der S-GmbH
erschöpfte sich bis Ende 1996 in der Anlage des
Geldbetrags.
Im Anschluss an eine
Außenprüfung bei der A-GmbH änderte der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) den
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr und rechnete mit
Änderungsbescheid vom 1.3.2000 den Ablösungsbetrag dem
steuerpflichtigen Arbeitslohn des Klägers hinzu. Im
Änderungsbescheid wurden außerordentliche Einkünfte
in Höhe von 30 Mio. DM dem ermäßigten Steuersatz
des § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im
Streitjahr geltenden Fassung unterworfen. Für den
Ablösungsbetrag wurde keine Steuerermäßigung
gewährt.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach
erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in EFG 2002, 275 =
SIS 02 52 82 veröffentlichten Gründen statt. Zur
Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass der
Ablösungsbetrag dem Kläger nicht auf Grund des diesem
eingeräumten Wahlrechts zugeflossen sei. Ein Zufluss des
Ablösungsbetrags ergebe sich auch nicht im Wege einer
Zahlungsbestimmung an die S-GmbH.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur ganz
überwiegenden Abweisung der Klage. Der Senat kann in der Sache
selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist dem
Kläger im Streitjahr zusätzlicher Arbeitslohn in
Höhe des Ablösungsbetrags zugeflossen. Die
Einkommensteuer auf den zusätzlichen Arbeitslohn ist nach
§ 34 Abs. 3 EStG zu berechnen.
1. Es kann dahinstehen, ob der Zufluss des
Ablösungsbetrags bereits durch das dem Kläger
eingeräumte Wahlrecht bewirkt worden ist. Denn der
Ablösungsbetrag ist dem Kläger als zusätzlicher
Arbeitslohn jedenfalls dadurch zugeflossen, dass die A-GmbH ihn auf
Verlangen des Klägers an die S-GmbH gezahlt hat.
a) Arbeitslohn, der - wie im Streitfall -
nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird, wird in dem
Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt
(§ 11 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind
Einnahmen dem Steuerpflichtigen zugeflossen, sobald er über
sie wirtschaftlich verfügen kann und infolgedessen bei ihm
eine Vermögensmehrung eingetreten ist (BFH-Urteile vom
4.5.2006 VI R 19/03, BFHE 213, 381, BStBl II 2006, 832 = SIS 06 26 75; vom 14.6.2005 VIII R 47/03, BFH/NV 2005, 2181 = SIS 05 48 21;
vom 23.4.1996 VIII R 30/93, BFHE 181, 7 = SIS 96 21 01, jeweils
m.w.N.).
Die bloße Einräumung von
Ansprüchen durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer
führt bei diesem regelmäßig noch nicht zum Zufluss
von Einnahmen. Erst der Eintritt des Leistungserfolgs durch die
Erfüllung der Ansprüche bewirkt den Zufluss beim
Arbeitnehmer (BFH-Urteile vom 23.6.2005 VI R 124/99, BFHE 209, 549,
BStBl II 2005, 766 = SIS 05 33 29; VI R 10/03, BFHE 209, 559, BStBl
II 2005, 770 = SIS 05 35 98; vom 20.6.2001 VI R 105/99, BFHE 195,
395, BStBl II 2001, 689 = SIS 01 11 33).
b) Nach diesen Grundsätzen hält die
Entscheidung des FG, dass der Ablösungsbetrag dem Kläger
im Streitjahr nicht zugeflossen sei, einer revisionsrechtlichen
Überprüfung nicht stand. Nach den mit Revisionsrügen
nicht angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118
Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat die A-GmbH im
Streitjahr den Ablösungsbetrag nach Ausübung des
Wahlrechts durch den Kläger auf dessen Verlangen an die S-GmbH
gezahlt. Mit der Zahlung des Ablösungsbetrags hat die A-GmbH
wirtschaftlich den Anspruch des Klägers aus der im Jahre 1984
erteilten Pensionszusage vorzeitig erfüllt.
Dem Zufluss beim Kläger steht nicht
entgegen, dass der Ablösungsbetrag nicht an den Kläger
selbst, sondern an die S-GmbH als Gegenleistung für die mit
dem Kläger und der A-GmbH vereinbarte Übernahme der
Pensionsverpflichtung gezahlt worden ist.
Nutzungsbeschränkungen aufgrund von Verwendungsabreden sind
für den Zufluss von Einnahmen unschädlich, da sie
lediglich die Vermögensverwendung betreffen (vgl. BFH-Urteil
vom 1.2.2007 VI R 73/04, BFH/NV 2007, 896 = SIS 07 61 65;
Schmidt/Heinicke, EStG, 25. Aufl., § 11 Rz 15). Im Streitfall
hat daher die Verwendung des Ablösungsbetrags für die
Übernahme der Pensionsverpflichtung durch die S-GmbH keinen
Einfluss auf den Zufluss beim Kläger.
Für den Zufluss des Ablösungsbetrags
im Streitjahr spricht auch ein Vergleich mit der ab dem Jahre 2002
geltenden Vorschrift des § 3 Nr. 66 EStG in der Fassung des
Altersvermögensgesetzes vom 26.6.2001 (BGBl I 2001, 1310,
BStBl I 2001, 420), wonach Leistungen des Arbeitgebers oder einer
Unterstützungskasse an einen Pensionsfonds zur Übernahme
bestehender Versorgungsverpflichtungen oder
Versorgungsanwartschaften durch einen Pensionsfonds bei Vorliegen
eines Antrags nach § 4d Abs. 3 EStG oder § 4e Abs. 3 EStG
steuerfrei sind. Die Neuregelung geht davon aus, dass die genannten
Leistungen beim Arbeitnehmer zu steuerbarem Arbeitslohn führen
(vgl. BTDrucks 14/5150, S. 34; Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 3
„Altersvorsorge“ Anm. c).
c) Der dem Kläger zugeflossene
Ablösungsbetrag gehört gemäß § 19 Abs. 1
Nr. 1 EStG zum Arbeitslohn des Klägers, da er zur
Erfüllung des für die Beschäftigung des Klägers
bei der A-GmbH gewährten Pensionsanspruchs gezahlt worden
ist.
2. Der Ablösungsbetrag unterliegt der
Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG.
Es kann dahinstehen, ob der
Ablösungsbetrag zu den außerordentlichen Einkünften
i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG gehört, auf die der
ermäßigte Steuersatz des § 34 Abs. 1 EStG
anzuwenden ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 10.4.2003 XI R 4/02,
BFHE 202, 290, BStBl II 2003, 748 = SIS 03 37 75). Denn der
ermäßigte Steuersatz wird gemäß § 34
Abs. 1 Satz 2 EStG nur für den Teil der
außerordentlichen Einkünfte gewährt, der den Betrag
von 30 Mio. DM nicht übersteigt. Dem angefochtenen
Einkommensteuerbescheid liegen jedoch bereits
außerordentliche Einkünfte in Höhe von 30 Mio. DM
zugrunde, die dem ermäßigten Steuersatz des § 34
Abs. 1 EStG unterworfen wurden. Damit verbleibt für den
Ablösungsbetrag gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG
nur die Möglichkeit der Tarifermäßigung nach §
34 Abs. 3 EStG.
Die Tarifermäßigung des § 34
Abs. 3 EStG setzt eine Vergütung für eine
mehrjährige Tätigkeit voraus. Eine solche Vergütung
liegt bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vor,
wenn sie auf einem Arbeitsverhältnis beruht, für mehrere
Jahre erbracht wird und aus wirtschaftlich vernünftigen
Gründen in zusammengeballter Form erfolgt
(Schmidt/Glanegger/Seeger, a.a.O., § 34 Rz 41). Hierzu
gehören auch Zahlungen, die - wie im Streitfall - zur
Abfindung von Pensionsanwartschaften geleistet werden (vgl.
BFH-Urteile vom 19.9.1975 VI R 61/73, BFHE 117, 149, BStBl II 1976,
65 = SIS 76 00 39; vom 20.11.1970 VI R 183/68, BFHE 101, 237, BStBl
II 1971, 263 = SIS 71 01 49; vom 2.2.1962 VI 267/61 U, BFHE 74,
340, BStBl III 1962, 130 = SIS 62 00 82). Bei dem
Ablösungsbetrag handelte es sich auch um Arbeitslohn für
mehrere Jahre, da der Kläger nach den tatsächlichen
Feststellungen des FG jedenfalls seit Erteilung der Pensionszusage
im Jahre 1984 als Geschäftsführer der A-GmbH tätig
war.
3. Da das FG von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, ist das vorinstanzliche
Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der
Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung des
FA ist dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer auf
den zusätzlichen Arbeitslohn nach der sogenannten
Drittelregelung des § 34 Abs. 3 EStG berechnet wird. Die
Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen
(§ 100 Satz 2, § 121 FGO).