EU-Kapitalgesellschaft, Betriebsstättengewinn, KSt-Belastung: Der von einer ausländischen EU-Kapitalgesellschaft im Jahre 1994 durch eine Zweigniederlassung im Inland erzielte Gewinn unterliegt einer Körperschaftsteuerbelastung von 33,5 v.H., allenfalls von 33,885 v.H. (Anschluss an EuGH-Urteil vom 23.2.2006 Rs. C-253/03 "CLT-UFA", ABlEU 2006, Nr. C 131 S. 4). (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 17.10.2007, IV B 7 - S 2800/07/0001, BStBl 2007 I S. 766 = SIS 07 36 13) - Urt.; BFH 9.8.2006, I R 31/01; SIS 06 45 43
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine
Société Anonyme (S.A.) mit Sitz und
Geschäftsleitung in Luxemburg. Sie unterhielt u.a. im Jahr
1994 (Streitjahr) in Deutschland eine Zweigniederlassung. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) veranlagte
die Klägerin entsprechend der von ihr eingereichten
Steuererklärung als beschränkt steuerpflichtige
Körperschaft mit ihrem durch die Zweigniederlassung erzielten
Einkommen für das Streitjahr zur Körperschaftsteuer und
setzte die Steuer auf 42 v.H. des zu versteuernden Einkommens -
zuletzt von 39.866.444 DM - fest.
Einspruch und Klage, mit denen die
Klägerin geltend machte, dieser Steuersatz sei diskriminierend
und verletze ihr Recht auf Niederlassungsfreiheit gemäß
Art. 52 des Vertrages zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft - EGV - (nach Änderung durch den Vertrag von
Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die
Europäische Union, der Verträge zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaften, sowie einiger damit
zusammenhängender Rechtsakte - EG - jetzt Art. 43 EG) i.V.m.
Art. 58 EGV (jetzt Art. 48 EG), waren erfolglos. Das Urteil des
Finanzgerichts (FG) Köln vom 8.2.2001 13 K 9771/97 ist in EFG
2001, 651 = SIS 01 79 54 veröffentlicht.
Mit der Revision beantragt die
Klägerin sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und
die Bescheide vom 11.9.2000 für 1994 über
Körperschaftsteuer 1994 und Feststellungen nach § 47 des
Körperschaftsteuergesetzes 1991 in der im Streitjahr geltenden
Fassung (KStG 1991) vom 11.9.2000 dahin gehend zu ändern, dass
die Steuer auf 30 v.H. von 39.866.444 DM, d.h. 11.959.933 DM
herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Das dem Revisionsverfahren beigetretene
Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich in der Sache dem FA
angeschlossen, jedoch keine eigenen Anträge gestellt.
II. Das durch Beschluss des Senats vom
1.4.2003 I R 31/01 (BFHE 202, 265, BStBl II 2003, 669 = SIS 03 29 14) gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzte Revisionsverfahren ist
durch Senatsbeschluss vom 27.6.2006 fortgeführt worden. Der
Aussetzungsgrund war entfallen, nachdem der Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) durch Urteil vom 23.2.2006
Rs. C-253/03 „CLT-UFA“ (Amtsblatt der
Europäischen Union - ABlEU - 2006, Nr. C 131,4) über die
ihm vom Senat durch den Beschluss in BFHE 202, 265, BStBl II 2003,
669 = SIS 03 29 14 nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages von Nizza zur
Änderung des Vertrages über die Europäische Union,
der Verträge zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender
Rechtsakte (EG) zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen
entschieden hat.
III. Die Revision richtet sich ebenso wie die
Klage auf Herabsetzung der festgesetzten Körperschaftsteuer
unter Änderung der Bescheide für 1994 über
Körperschaftsteuer 1994 und Feststellungen nach § 47 Abs.
2 KStG 1991. Eine abweichende Feststellung des Einkommens
gemäß § 47 Abs. 2 KStG 1991 wird
erklärtermaßen nicht erstrebt und ist damit nicht
streitgegenständlich. Die so verstandene Revision ist
überwiegend begründet. Sie führt zur Aufhebung der
Vorentscheidung und zur anderweitigen Steuerfestsetzung. Das FG hat
es zu Unrecht abgelehnt, die Klägerin jenem Steuersatz zu
unterwerfen, dem unter den vergleichbaren Umständen des zu
beurteilenden Sachverhalts die Gewinne einer Tochtergesellschaft zu
unterwerfen sind, die ihre Gewinne voll an die Muttergesellschaft
ausschüttet.
1. Ausländische Gesellschaften, die wie
die Klägerin als luxemburgische S.A. hinsichtlich ihrer
rechtlichen Struktur einer deutschen Kapitalgesellschaft
entsprechen und im Inland (= Deutschland) weder ihre
Geschäftsleitung noch ihren Sitz haben, sind mit ihren
inländischen Einkünften in Deutschland beschränkt
körperschaftsteuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 KStG 1991). Zu den
inländischen Einkünften gehört der Gewinn aus
Gewerbebetrieb, wenn für den Betrieb im Inland (mindestens)
eine Betriebsstätte unterhalten wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 2
Buchst. a i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1 und
Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1994 - EStG 1994 - i.V.m. §
2 Nr. 1 und § 8 Abs. 1 KStG 1991). Betriebsstätten sind
alle festen Geschäftseinrichtungen, die der Tätigkeit
eines Unternehmens dienen; insbesondere gehören zu ihnen auch
Zweigniederlassungen (§ 12 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 der
Abgabenordnung - AO 1977 - ).
Die Klägerin erzielte - dies ist zwischen
den Beteiligten des Revisionsverfahrens zu Recht unstreitig -
aufgrund der in ihrer deutschen Zweigniederlassung ausgeübten
Tätigkeiten inländische Einkünfte aus
Gewerbebetrieb.
2. Die Höhe dieser Einkünfte (des
sog. Betriebsstättengewinns) wird nach deutschem Steuerrecht
durch Vermögensvergleich ermittelt (§ 4 Abs. 1, § 5
Abs. 1 EStG 1994 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1991; vgl.
Senatsurteil vom 13.9.1989 I R 117/87, BFHE 158, 340, BStBl II
1990, 57 = SIS 90 06 55; Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer,
Doppelbesteuerung, Art. 7 MA Rz. 177, 180). Die Anwendung der
deutschen Gewinnermittlungsvorschriften ist dabei auf den durch die
inländische Zweigniederlassung erzielten Gewinn
beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 17.12.1997 I R 95/96, BFHE
185, 16, BStBl II 1998, 260 = SIS 98 07 31). Bei der
Gewinnermittlung darf die Körperschaftsteuer nicht
gewinnmindernd abgezogen werden (§ 10 Nr. 2 KStG 1991).
3. Hinsichtlich des Besteuerungsrechts
Deutschlands und der Abgrenzung des Betriebsstättengewinns von
den durch andere Unternehmensteile der Klägerin erzielten
Gewinnteilen gilt nach dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und dem Großherzogtum Luxemburg abgeschlossenen Abkommen zur
Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts-
und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom
23.8.1958 - DBA Luxemburg - (BGBl II 1959, 1270) i.d.F. des
Ergänzungsprotokolls vom 15.6.1973 (BGBl II 1978, 111)
Folgendes:
Deutschland hat das Besteuerungsrecht für
den Gewinn der Klägerin, soweit er auf die in Deutschland
befindliche Betriebsstätte entfällt (Art. 5 Abs. 1
DBA-Luxemburg). Bei der Ermittlung des auf die Betriebsstätte
entfallenden Gewinns werden der Betriebsstätte diejenigen
Gewinne zugerechnet, die sie erzielt hätte, wenn sie sich als
selbständiges Unternehmen mit gleichen oder ähnlichen
Geschäften unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen
befasst und Geschäfte wie ein unabhängiges Unternehmen
getätigt hätte (Art. 5 Abs. 2 DBA-Luxemburg).
Grundsätzlich ist dabei von dem Bilanzergebnis der
Betriebsstätte auszugehen. Alle der Betriebsstätte
zurechenbaren Ausgaben einschließlich eines Anteils an den
Geschäftsführungs- und allgemeinen Verwaltungskosten des
Unternehmens sind zu berücksichtigen und künstliche
Gewinnverlagerungen auszuschließen. In besonderen Fällen
kann bei der Ermittlung des Betriebsstättengewinns der
Gesamtgewinn des Unternehmens aufgeteilt werden (Schlussprotokoll
zum DBA-Luxemburg i.d.F. des Ergänzungsprotokolls vom
15.6.1973 - Nr. 10 zu Art. 5 - ).
Auch die Höhe des
Betriebsstättengewinns ist zwischen der Klägerin und dem
FA unstreitig.
4. Der Betriebsstättengewinn entspricht
dem der Steuerfestsetzung zugrunde gelegten zu versteuernden
Einkommen der Klägerin, da der Klägerin kein
Steuerfreibetrag zusteht (§ 7 Abs. 2 i.V.m. §§ 24
und 25 KStG 1991). Gemäß § 23 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2
Satz 1 und § 2 Nr. 1 KStG 1991 beträgt die
Körperschaftsteuer 42 v.H. des Betriebsstättengewinns (s.
Art. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen
Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im
Europäischen Binnenmarkt vom 13.9.1993 - StandOG -, BGBl I
1993, 1569, BStBl I 1993, 774).
5. Der hiernach maßgebliche Steuersatz
unterscheidet sich damit beträchtlich von jenem Steuersatz,
dem im Streitjahr der unter vergleichbaren Umständen durch
eine inländische Tochtergesellschaft erzielte Gewinn im Fall
der Vollausschüttung an die Klägerin unterfiele: Eine
solche Tochtergesellschaft wäre nicht mit 42 v.H., sondern mit
33,5 v.H., allenfalls jedoch mit 33,885 v.H. deutscher
Körperschaftsteuer belastet worden.
a) Inländische Tochtergesellschaften sind
aufgrund ihres Sitzes und/oder ihrer Geschäftsleitung in
Deutschland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig
(§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991). Die Körperschaftsteuer auf
die von ihnen im Streitjahr erzielten Gewinne beträgt im Fall
der Ausschüttung der Gewinne ohne vorherige Thesaurierung 30
v.H. des Gewinns vor Abzug der Körperschaftsteuer (§ 27
Abs. 1 KStG 1991). Steuerpflichtige und damit Schuldnerin der
Steuer ist die ausschüttende Tochtergesellschaft.
Wurde der Gewinn bis zum Ablauf des 30.6.1996
an die ausländische EU-Mutterkapitalgesellschaft
ausgeschüttet, wird auf die Ausschüttung eine
zusätzliche Körperschaftsteuer in Form der
Kapitalertragsteuer erhoben. Diese beträgt grundsätzlich
5 v.H. des Ausschüttungsbetrages (Ausschüttungsbetrag =
70/100 des Gewinns vor Abzug der Steuer von 30 v.H.). Schuldnerin
der Kapitalertragsteuer ist die Muttergesellschaft als
Gläubigerin des Gewinnausschüttungsanspruchs (§ 43
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 Satz 1, § 44d Abs. 1
EStG 1994 i.V.m. § 49 Abs. 1, § 50 Abs. 1 Nr. 2 KStG
1991).
Die Belastung des Gewinns mit deutscher
Körperschaftsteuer beträgt somit im Fall der
Vollausschüttung bis zum Ablauf des 30.6.1996 und ohne
vorherige Thesaurierung insgesamt 33,5 v.H. des Gewinns vor Abzug
der Körperschaftsteuer (30 v.H. auf den Gewinn vor Abzug der
Steuer + 5 v.H. auf 70/100 des Gewinns vor Abzug der Steuer).
b) Wurde der Gewinn thesauriert, beträgt
die Körperschaftsteuer 45 v.H. des Gewinns vor Abzug der
Steuer (§ 23 Abs. 1 KStG 1991). Im Fall einer späteren
Ausschüttung minderte sich die
Körperschaftsteuerbelastung nachträglich auf 33,5 v.H.
des Gewinns vor Abzug der Steuer, wenn die Gewinnausschüttung
der Muttergesellschaft bis zum Ablauf des 30.6.1996 zufloss (§
27 Abs. 1 KStG 1991 und § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 44d
Abs. 1 EStG 1994 i.V.m. § 49 Abs. 1 KStG 1991).
c) Falls der Gewinn erst nach dem 30.6.1996 an
die EU-Mutterkapitalgesellschaft ausgeschüttet wurde, minderte
sich die Steuerbelastung von - aufgrund der Thesaurierung -
zunächst 45 v.H. auf 30 v.H. des Gewinns vor Abzug der Steuer,
da in diesem Fall auf Antrag die Kapitalertragsteuer nicht erhoben
wurde (§ 44d Abs. 1 Satz 3 EStG 1994 i.V.m. § 49 Abs. 1
KStG 1991).
6. Der Senat hat durch seinen Beschluss in
BFHE 202, 265, BStBl II 2003, 669 = SIS 03 29 14 dem EuGH nach Art.
234 Abs. 3 EG zur Vorabentscheidung die Rechtsfrage vorgelegt, ob
sich die aufgezeigte Ungleichbehandlung von Betriebsstätten
einerseits und Tochtergesellschaften andererseits mit den
gemeinschaftsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten nach Art. 52
i.V.m. Art. 58 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft - EGV - (jetzt Art. 43 und 48 EG)
vereinbaren lasse. Der EuGH hat diese Frage durch Urteil in ABlEU
2006, Nr. C 131,4 verneint.
Diese Entscheidung ist aufgrund des
Anwendungsvorrangs gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts (und
damit der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten) vor nationalem
Recht verbindlich. Abweichendes ließe sich allenfalls dann
vertreten, wenn durch den EuGH der Grundrechtsstandard des
Grundgesetzes (GG) verlassen würde (vgl.
Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 22.10.1986 2 BvR
197/83, BVerfGE 73, 339 -Solange II-Entscheidung-, fortgeführt
durch BVerfG, Urteil vom 12.10.1993 2 BvR 2134/92, BVerfGE 89, 155
-Maastricht-Entscheidung-; vgl. dazu auch Limbach, Europäische
Grundrechte Zeitschrift 2000, 417; Bundesarbeitsgericht, Urteil vom
26.4.2006 7 AZR 500/04, DB 2006, 1734, dort unter C.II.).
Allerdings ist ein deckungsgleicher Schutz in den einzelnen
Grundrechtsbereichen des Grundgesetzes durch das europäische
Gemeinschaftsrecht und den EuGH nicht gefordert, sondern lediglich
ein Grundrechtsschutz, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar
gebotenen im Wesentlichen gleich zu erachten ist (Art. 23 Abs. 1
GG) und den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt
(vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.6.2000 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147).
Für die Annahme, dass im Streitfall Kernbereiche des
Grundgesetzes vom EuGH in unannehmbarer Weise verletzt worden
wären, besteht kein Anlass. Das betrifft auch das vom FA ins
Feld geführte Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, welches
gleichermaßen im Lichte des Gemeinschaftsrechts verstanden
werden muss.
Der EuGH hat in seiner Entscheidung in ABlEU
2006, Nr. C 131,4 jedoch keinen Grund für eine
Ungleichbehandlung vor dem Hintergrund des Art. 43 EG gesehen. Er
hat insbesondere den gesellschaftsrechtlichen Unterschieden
zwischen der Ausschüttung von Gewinnen einer
Kapitalgesellschaft und dem Gewinntransfer von der
Zweigniederlassung zum Stammhaus keine Bedeutung beigemessen (Tz.
23 ff. des Urteils). Es ist dem BMF zwar zuzugestehen, dass schon
angesichts der gesellschaftsrechtlichen Unterschiede zwischen
(selbständigen) Tochtergesellschaften und
(unselbständigen) Betriebsstätten eine identische
Steuerbelastung im unterstellten Ausschüttungsfall
gleichheitsrechtlich nicht geboten erscheint und sich ohnehin
allenfalls annähernd erreichen lassen wird. Dass
Kapitalgesellschaften und Betriebsstätten unterschiedlichen
Steuersätzen unterliegen müssten, ist aus Sicht des Art.
3 Abs. 1 GG gleichheitsrechtlich aber ebenso wenig zwingend
vorgegeben. Auch dass die vom EuGH eingeforderte Besteuerung nach
gleichen Steuersätzen bei grenzüberschreitenden
Sachverhalten unter Umständen zur Folge haben könnte,
dass vergleichbare Betriebsstätten und Tochtergesellschaften
in reinen Inlandsfällen, die vom Grundsatz her ebenfalls
unterschiedlichen Steuersätzen unterworfen sind, steuerlich im
Ergebnis schlechter als entsprechende grenzüberschreitende
Sachverhalte behandelt werden, ändert daran nichts. Der Senat
verweist dazu im Übrigen, um Wiederholungen zu vermeiden, auf
seinen Beschluss vom 15.7.2005 I R 21/04 (BFHE 210, 43, BStBl II
2005, 716 = SIS 05 39 60).
Es besteht vor diesem Hintergrund keine
Veranlassung - wie aber vom BMF angeregt -, den EuGH im Hinblick
auf etwaige, von ihm bislang nicht bedachte, vor allem
gleichheitsrechtliche Folgen seiner Entscheidung abermals
anzurufen. Ebenso wenig ergeben sich tragfähige Anhaltspunkte
für eine Anrufung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 GG.
7. Der EuGH hat allerdings nicht die ihm
ebenfalls vom Senat gestellte Frage danach beantwortet, welcher
Steuersatz unter den gegebenen Umständen in
gemeinschaftsrechtskonformer Weise für die Klägerin
anzusetzen ist. Er hat dazu geurteilt, „es sei Sache des
nationalen Gerichts, den Steuersatz, der auf die Gewinne einer
Zweigniederlassung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden
anzuwenden ist, nach Maßgabe des Steuersatzes zu ermitteln,
der im Fall der Ausschüttung der Gewinne einer
Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft insgesamt anzuwenden
gewesen wäre“.
Der Senat ist hiernach zu der Erkenntnis
gelangt, dass es geboten ist, die Klägerin einem Steuersatz
von 33,5 v.H. zu unterwerfen. Er sieht sich als berechtigt an,
diesen Steuersatz im Wege einer - nach Maßgabe des
EuGH-Urteils in ABlEU 2006, Nr. C 131,4 -
gemeinschaftsrechtskonformen und normerhaltenden Auslegung der
zitierten einschlägigen Tarifregelungen unbeschadet deren
insofern entgegenstehenden Wortlaut unter Benennung bestimmter
(höherer bzw. niedrigerer) Steuersätze anzusetzen, nicht
zuletzt deshalb, um eine mangels entsprechender ausdrücklicher
gesetzlicher Regelungen anderweitig gänzlich entfallende
Besteuerung von Betriebsstätten ausländischer
EU-Kapitalgesellschaften im Streitjahr zu vermeiden.
a) Im Ausgangspunkt besteht unter den
Verfahrensbeteiligten insoweit Einigkeit darüber, dass die
Klägerin dem auch für Tochtergesellschaften im
Vollausschüttungsfall maßgeblichen Steuersatz nach
§ 27 Abs. 1 KStG 1991 in Höhe von 30 v.H. zu unterwerfen
ist. Dieser Steuersatz ist sodann um die Quellensteuer in Höhe
von 5 v.H. auf die anzunehmende Gewinnausschüttung von 70 v.H.
zu erhöhen. Bezogen auf das zu versteuernde Einkommen von 100
ergeben sich daraus rechnerisch, wie dargestellt (s. oben unter
5.a), weitere 3,5 v.H., insgesamt also 33,5 v.H.
b) Dem zu der Hinzurechnungsposition gemachten
Einwand der Klägerin, eine tragfähige
Vergleichsgröße könne unter den Umständen des
Streitfalls nur eine „steuerplanende“
inländische Tochtergesellschaft sein, welche ihre Gewinne bis
zum gesetzlichen Wegfall der 5%igen Kapitalertragsteuer nach
Maßgabe der § 44d Abs. 1 Satz 3 EStG 1994 i.V.m. §
49 Abs. 1 KStG 1991 zum 30.6.1996 thesauriert und erst
anschließend zu 30 v.H. ausschüttet, ist nicht
beizupflichten. Die selbständige Tochtergesellschaft im
Verhältnis zu ihrer (ausländischen) Muttergesellschaft
ist für die Vollausschüttungssituation zu der
Betriebsstätte im Verhältnis zu deren
(ausländischen) Stammhaus als Vergleichsgröße
gewissermaßen zu simulieren. Dabei bestimmt indes nicht diese
Vergleichsgröße die Vergleichsmaßstäbe.
Vielmehr haben sich die Vergleichsmaßstäbe bei richtiger
Betrachtung im Ausgangspunkt an den
„tatsächlichen“ Gegebenheiten zu
orientieren (so Tz. 34 des EuGH-Urteils in ABlEU 2006, Nr. C
131,4). Diese Gegebenheiten legen die „gleichen
Umstände“ (s. Tz. 33 dieses Urteils) fest, an denen
die fiktive Tochtergesellschaft und deren Verhalten zu messen sind,
nicht umgekehrt. Eine Betriebsstätte wird aber den Transfer
des im laufenden Jahr erwirtschafteten Gewinns an ihr Stammhaus
gerade nicht mit Blick auf einen (für sie virtuellen)
Kapitalertragsteuerabzug „steuerplanend“
hinauszögern. Zudem steht der Klägerin - anders als einer
Muttergesellschaft vor der Ausschüttung durch die
Tochtergesellschaft - der hier in Rede stehende Gewinn unmittelbar
als „eigener“ zur Verfügung. Daran hat sich
deswegen auch die Ermittlung des Vergleichssteuersatzes zu
bemessen. Tz. 24 des hier maßgeblichen EuGH-Urteils in ABlEU
2006, Nr. C 131,4 lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen;
das dort angesprochene sog.
Schütt-aus-Hol-zurück-Verfahren steht
ausschließlich im Kontext zu der dem EuGH vorgelegten ersten
Vorlagefrage nach der „Gleichheit“ von
Tochtergesellschaften und Betriebsstätten im
Ausschüttungsfall, nicht aber zu der vom EuGH unbeantwortet
belassenen zweiten Vorlagefrage nach der Steuersatzhöhe.
c) Andererseits verbietet es sich, im
Vergleich des Steuersatzniveaus mit der gedachten
Tochtergesellschaft die Kapitalertragsteuer gänzlich
unberücksichtigt zu belassen, weil es sich hierbei um eine
Steuer der Muttergesellschaft handelt, welche bei der
Tochtergesellschaft an der Quelle einbehalten wird. Ein Vergleich
mit der Tochtergesellschaft bedingt vielmehr eine Gesamtbetrachtung
der (objektiven) Steuerbelastung und damit den Einschluss der
Quellensteuerbelastung. Das entspricht im Übrigen den Vorgaben
des EuGH-Urteils in ABlEU 2006, Nr. C 131,4, das in Tz. 33
letztlich zweifelsfrei den „Gesamtsteuersatz“
anspricht und deckt sich auch mit der Rechtsauffassung des
Generalanwalts Léger in seinen Schlussanträgen vom
14.4.2005 zu jenem Urteil (dort Tz. 103).
d) Die Klägerin macht hilfsweise geltend,
die Erhebung einer Kapitalertragsteuer als Quellensteuer
verstoße gegen primäres Gemeinschaftsrecht. Zwar habe
sich Deutschland in Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 435/90/EWG des
Rates vom 23.7.1990 (in ihrer seinerzeitigen Fassung) über das
gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften
verschiedener Mitgliedstaaten (Mutter-/Tochter-Richtlinie)
vorbehalten, eine solche Quellensteuer bis zum 30.6.1996 erheben zu
dürfen. Dem trug § 27 Abs. 1 KStG 1991 und § 43 Abs.
1 Satz 1 Nr. 1, § 44d Abs. 1 EStG 1994 i.V.m. § 49 Abs. 1
KStG 1991 Rechnung. Voraussetzung für einen
gemeinschaftsrechtskonformen Rechtszustand sei dann indes, dass
Deutschland als Quellenstaat Vorsorge dafür treffe, dass diese
Steuer für den Steuerpflichtigen nicht definitiv werde. Dies
könne entweder durch eigenstaatliche gesetzliche Vorkehrungen
zugunsten des Anteilseigners der ausschüttenden
Tochtergesellschaft geschehen oder aber durch entsprechende
Vereinbarungen mit dem Ansässigkeitsstaat, wonach dieser der
Muttergesellschaft trotz abkommensrechtlicher Freistellung der
Dividenden der Tochtergesellschaft die Anrechnung der in dem
anderen Vertragsstaat einbehaltenen Quellensteuer ermögliche.
Die Klägerin verweist dazu auf die Schlussanträge des
Generalanwalts Geelhoed vom 27.4.2006 in der beim EuGH
anhängigen Rechtssache C-170/05 „Denkavit“,
abrufbar im Internet unter www.curia.europa.eu sowie auf das Urteil
des EFTA-Gerichtshofs vom 23.11.2004 Rs. E-1/04 „Fokus
Bank ASA“ (IStR 2005, 55).
Diese europarechtlichen Bedenken sind
prinzipiell nicht von der Hand zu weisen. Der Senat geht ihnen
dennoch nicht weiter nach und erkennt in Anbetracht der konkreten
Verfahrenssituation insbesondere keinen Anlass, wegen dieses
Punktes abermals den EuGH anzurufen. Denn die skizzierte
Problematik hätte vom EuGH bei seiner Entscheidung über
die ihm vorgelegten Rechtsfragen in dem Senatsbeschluss in BFHE
202, 265, BStBl II 2003, 669 = SIS 03 29 14 ohne weiteres
geklärt werden können; ihm haben alle tatsächlichen
und rechtlichen Gegebenheiten als Grundlage für eine solche
Entscheidung vorgelegen. Sie war auch unter dem Blickwinkel der
sich beständig fortentwickelnden Diskussion um die Reichweite
der Grundfreiheiten insbesondere auf den gemeinschaftsrechtlich
nicht harmonisierten Bereich der direkten Steuern nicht
„neu“, sondern - wie das Urteil des EuGH vom
25.9.2003 Rs. C-58/01 „Océ van der
Grinten“ (EuGHE I 2003, 9809 = SIS 03 49 03, dort
insbesondere Tz. 87) zeigt - jedenfalls mittelbar bereits
Gegenstand zumindest eines einschlägigen Verfahrens vor dem
EuGH. Dieser hat sich im Urteil in ABlEU 2006, Nr. C 131,4 dazu
dennoch nicht geäußert, die ihm gestellte zweite
Vorlagefrage stattdessen in der Sache unbeantwortet gelassen und
dem nationalen Gericht - somit auch dem Senat - weitgehende
Freiheit bei der Festlegung des „richtigen“
Steuersatzes nach Maßgabe der nationalrechtlichen
Besonderheiten gelassen. Der Senat geht angesichts dessen davon
aus, dass der Gerichtshof für den konkreten Streitfall diesem
Punkt keine europarechtliche Relevanz beigemessen hat. Eine
Erklärung dafür könnte sein, dass es insoweit
allenfalls mittelbar um die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung des
ihm vorgelegten Sachverhalts geht. Denn zu beurteilen wäre ein
denkbarer Verstoß gegen die Grundfreiheiten bezogen lediglich
auf eine nur fiktive Tochtergesellschaft im Verhältnis zu
ihrer ebenfalls fiktiven Muttergesellschaft, nicht jedoch bezogen
auf die konkret in Rede stehende Beziehung der Betriebsstätte
zu ihrem Stammhaus. Es erscheint überaus zweifelhaft, ob ein
solches fiktives Rechtsverhältnis genügt, um einen
Verstoß gegen die Grundfreiheiten bezogen auf das konkret zu
beurteilende Rechtsverhältnis auslösen zu
können.
e) Ob der tarifliche Steuersatz nach § 27
Abs. 1 KStG 1991 um weitere 0,385 v.H. zu erhöhen ist, weil
bei der vom EuGH unterstellten Vollausschüttung einer
Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft die
Körperschaftsteuer nichtabziehbar ist und deswegen nach wie
vor einem Steuersatz von 42 v.H. unterfällt, kann im
Streitfall dahinstehen. Eine solche weitere Hinzurechnung scheidet
im Streitfall aus, weil in dem zu beurteilenden letzten
Steuerbescheid des FA vom 11.9.2000 infolge Verlustrücktrags
keine entsprechende nichtabzugsfähige Körperschaftsteuer
erfasst wurde; eine denkbare Erhöhung des
Körperschaftsteuersatzes um jene 0,385 v.H. schlüge sich
also unter den konkreten Vergleichsumständen und abweichend
von der vom FA angestellten Prüfberechnung nicht nieder.
8. Da die Vorinstanz eine abweichende
Rechtsauffassung vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die
Sache ist spruchreif. Unter Berücksichtigung eines
Steuersatzes von 33,5 v.H. ist die Körperschaftsteuer 1994
nach einem zu versteuernden Einkommen von 39.866.444 DM mit
13.355.258 DM zu berechnen und festzusetzen.