Gewährung geldwerten Vorteils durch Schwestergesellschaft, Verpflichtung zum Lohnsteuerabzug, LSt-Pauschalierung: Eine Konzerntochtergesellschaft ist nach der bis einschließlich 2003 geltenden Gesetzeslage nicht verpflichtet, für den verbilligten Wareneinkauf ihrer Arbeitnehmer in einem von einer Schwestergesellschaft betriebenen Belegschafts-Verkaufsladen Lohnsteuer einzubehalten. - Urt.; BFH 10.5.2006, IX R 82/98; SIS 06 30 11
I. Strittig ist, ob und inwieweit eine
konzernangehörige Gesellschaft Lohnsteuer einzubehalten hat,
wenn ihre Arbeitnehmer auf ihrem Firmengelände verbilligt
Waren von einer Schwestergesellschaft erwerben.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft,
ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der
Konzernmuttergesellschaft M-AG. Auf dem Firmengelände der
Klägerin errichtete eine weitere hundertprozentige
Tochtergesellschaft der M-AG, die S-GmbH, eine Verkaufsstelle.
Unternehmensgegenstand der S-GmbH ist der Vertrieb von Produkten
der Y-GmbH, an der die M-AG und ein weiteres Unternehmen je zur
Hälfte beteiligt sind. Die S-GmbH betreibt über etwa 120
Verkaufsstellen das Belegschaftsgeschäft an den Standorten der
M-AG, ihrer Konzerngesellschaften und der Y-GmbH. Zum Einkauf sind
die Mitarbeiter der genannten Gesellschaften und der mit ihnen
verbundenen Unternehmen unter Vorlage des Mitarbeiterausweises
berechtigt.
Anlässlich einer
Lohnsteueraußenprüfung vertraten die Prüfer die
Auffassung, die über die Verkaufsstelle der S-GmbH an die
Arbeitnehmer der Klägerin gewährten Preisvorteile
gehörten zum Arbeitslohn, weil zwischen der Klägerin und
der Verkaufsstelle eine enge wirtschaftliche Verflechtung bestehe.
Da konkrete Feststellungen der Klägerin zum Umfang der
verbilligten Warenverkäufe und die in Abschn. 31 Abs. 2 der
Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) vorgeschriebenen Aufzeichnungen
fehlten, schätzten die Prüfer den gewährten
Preisvorteil auf durchschnittlich 12 v.H. Da keine
Einzelfeststellungen zu den Empfängern der geldwerten Vorteile
getroffen werden konnten, schätzten die Prüfer auch die
Lohnsteuer für den Zeitraum von 1991 bis Juni 1993 anhand der
- unstrittigen - durchschnittlichen Bruttosteuersätze der
Streitjahre und ermittelten so eine Lohnsteuer-Nachforderung von
201.697,50 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -
FA - ) erließ einen entsprechenden
Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid. In der Einspruchsentscheidung
setzte das FA die Lohnsteuer-Nachforderung auf 120.279,50 DM herab.
Es schätzte den geldwerten Vorteil aus den verbilligten
Einkäufen nunmehr auf 7,5 v.H.
Der daraufhin erhobenen Klage gab das
Finanzgericht (FG) teilweise statt und setzte die
Lohnsteuer-Nachforderung auf insgesamt 27.404 DM herab (EFG 1998,
1126 = SIS 98 09 77).
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil des FG aufzuheben, den geänderten
Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 20.4.1998 gemäß
§ 68 der Finanzgerichtsordnung in der für die Streitjahre
gültigen Fassung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens
zu machen und unter Abänderung dieses Bescheids die Lohnsteuer
auf 3.799 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet.
Gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO ist die
Vorentscheidung aufzuheben und der geänderte
Lohnsteuernachforderungsbescheid antragsgemäß
abzuändern. FA und FG haben die Klägerin zu Unrecht
für verpflichtet gehalten, für Vorteile aus dem
verbilligten Wareneinkauf ihrer Arbeitnehmer in der Verkaufsstelle
der Schwestergesellschaft Lohnsteuer einzubehalten, und aufgrund
dessen pauschalierte Lohnsteuer festgesetzt.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
i.V.m. Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) kann das
Betriebsstättenfinanzamt vom Arbeitgeber unter den dort
genannten weiteren Voraussetzungen Lohnsteuer mit einem
Pauschsteuersatz nachfordern, soweit der Arbeitgeber in einer
größeren Zahl von Fällen entgegen § 38 EStG
die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig vom Arbeitslohn
einbehalten hat. Die pauschalierte Lohnsteuer darf nur für
solche Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erhoben
werden, die dem Lohnsteuerabzug unterlägen, wenn der
Arbeitgeber keinen Pauschalierungsantrag gestellt hätte
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20.7.2000 VI R 10/98,
BFH/NV 2001, 35 = SIS 01 50 26). Dies trifft auf die an die
Arbeitnehmer der Klägerin gewährten Einkaufsvorteile
nicht zu.
1. Allerdings ist das FG zu Recht davon
ausgegangen, dass es sich bei den Einkaufsvorteilen um Arbeitslohn
handelt.
a) Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger
Arbeit u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen und andere
Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im
öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Es ist
gleichgültig, ob es sich um laufende oder um einmalige
Bezüge handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§
19 Abs. 1 Satz 2 EStG) und unter welcher Bezeichnung oder in
welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 der
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung 1990 - LStDV - ). Zu den
Einnahmen gehören auch geldwerte Vorteile gemäß
§ 8 Abs. 2 EStG; dazu zählen auch Preisnachlässe des
Arbeitgebers (BFH-Urteil vom 23.6.2005 VI R 10/03, BFHE 209, 559,
BStBl II 2005, 770 = SIS 05 35 98).
aa) Vorteile werden
„für“ eine Beschäftigung gewährt,
wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des
Arbeitnehmers veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn der Vorteil
nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis
eingeräumt wird und wenn die Einnahme als Ertrag der
nichtselbständigen Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich die
Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung
für das Zurverfügungstellen der individuellen
Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist. Nicht erforderlich ist,
dass der Einnahme eine konkrete Dienstleistung des Arbeitnehmers
zugeordnet werden kann (BFH-Urteile vom
11.3.1988 VI R 106/84, BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726 = SIS 88 17 05; vom 26.6.2003 VI R 112/98, BFHE 203, 53, BStBl II 2003, 886
= SIS 03 44 97; in BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770 = SIS 05 35 98).
bb) Arbeitslohn kann auch bei einer Zuwendung
eines Dritten anzunehmen sein, wenn diese ein Entgelt
„für“ eine Leistung bildet, die der
Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen
Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll.
Voraussetzung ist, dass sie sich für den Arbeitnehmer als
Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im
Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht (BFH-Urteile vom
5.7.1996 VI R 10/96, BFHE 180, 441, BStBl
II 1996, 545 = SIS 96 19 38; vom 24.2.1981 VIII R 109/76,
BFHE 133, 375, BStBl II 1981, 707 = SIS 81 22 30; vom 19.8.2004 VI
R 33/97, BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076 = SIS 04 38 35).
cc) Arbeitslohn liegt jedoch dann nicht vor,
wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen
sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender
Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird
(BFH-Urteile vom 22.3.1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II
1985, 529 = SIS 85 18 29; vom 24.1.2001 I R 100/98, BFHE 195, 102,
BStBl II 2001, 509 = SIS 01 08 94; in BFHE 207, 230, BStBl II 2004,
1076 = SIS 04 38 35). Ferner sind solche Vorteile kein Arbeitslohn,
die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht
als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung
betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Ein Vorteil wird dann im
ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse gewährt,
wenn im Rahmen einer Gesamtwürdigung aus den
Begleitumständen zu schließen ist, dass der jeweils
verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. In diesem
Fall kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des
Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen,
vernachlässigt werden (BFH-Urteile vom 7.7.2004 VI R 29/00,
BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367 = SIS 05 13 48; vom 18.8.2005 VI
R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30 = SIS 05 44 58).
b) Nach diesen Maßstäben hat das FG
in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die an die
Arbeitnehmer der Klägerin beim Einkauf in der Verkaufsstelle
der Schwestergesellschaft gewährten Vorteile als Arbeitslohn
beurteilt.
Das FG hat seine Beurteilung darauf
gestützt, dass die Arbeitnehmer der Klägerin die ihnen
eingeräumte Möglichkeit, Waren in der auf dem
Betriebsgelände gelegenen Verkaufsstelle verbilligt zu
erwerben, bei verständiger Würdigung aller Umstände
nur als Ausfluss ihrer Tätigkeit bei der Klägerin
verstehen konnten. Dafür spreche entscheidend die Tatsache,
dass der Zutritt zum Laden nur den Mitarbeitern der Klägerin
und anderen Arbeitnehmern von verbundenen Unternehmen sowie der
Y-GmbH unter Vorlage des Mitarbeiterausweises gestattet gewesen
sei. Die Arbeitnehmer hätten keine Waren für Dritte
erwerben dürfen. Die Vorteilsgewährung gegenüber den
einzelnen Arbeitnehmern sei auch nicht mit nachvollziehbaren
betriebsfunktionalen Zielen der Klägerin verbunden gewesen.
Vielmehr sei es im Wesentlichen um die Vorteilsgewährung als
solche gegangen, die die Arbeitnehmer als zusätzliche
Entlohnung aufgefasst hätten. Diese Würdigung ist
aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts möglich und
damit für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2
FGO). Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorgetragen
hat, dass auch fremde Dritte in der Verkaufsstelle hätten
einkaufen können, handelt es sich um neues tatsächliches
Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt
werden kann.
2. Jedoch hat das FG die Klägerin zu
Unrecht für verpflichtet gehalten, für die an ihre
Arbeitnehmer gewährten Einkaufsvorteile Lohnsteuer
einzubehalten.
Bei Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit wird die Einkommensteuer durch Abzug
vom Arbeitslohn erhoben (Lohnsteuer), soweit der Arbeitslohn von
einem inländischen Arbeitgeber gezahlt wird (§ 38 Abs. 1
Satz 1 EStG 1990). Nach § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 1990
unterliegt der Lohnsteuer auch der im Rahmen des
Dienstverhältnisses üblicherweise von einem Dritten
für eine Arbeitsleistung gezahlte Arbeitslohn.
Erbringt eine konzernangehörige
Gesellschaft Leistungen an die Arbeitnehmer einer anderen
konzernangehörigen Gesellschaft, so kann daraus nicht eine
mittelbare, partielle Arbeitgeberschaft der leistenden
Konzerngesellschaft hergeleitet werden (BFH-Urteil vom 21.2.1986 VI
R 9/80, BFHE 146, 253, BStBl II 1986, 768 = SIS 86 12 37). Vielmehr
kann die Pflicht zur Einbehaltung der Lohnsteuer stets nur
diejenige Gesellschaft betreffen, die nach den abgeschlossenen
Arbeitsverträgen Arbeitgeberin ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE
146, 253, BStBl II 1986, 768 = SIS 86 12 37; vom 19.2.2004 VI R
122/00, BFHE 205, 216, BStBl II 2004, 620 = SIS 04 18 34). Das ist
im Streitfall die Klägerin. Sie war für die von ihrer
Schwestergesellschaft gewährten Einkaufsvorteile weder nach
§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 noch nach Satz 2 dieser
Vorschrift verpflichtet, Lohnsteuer einzubehalten.
a) Die Preisnachlässe der
Schwestergesellschaft können der Klägerin nicht nach
§ 38 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 als eigene
Arbeitslohngewährung zugerechnet werden (sog. unechte
Lohnzahlung eines Dritten).
aa) Der Arbeitgeber muss den von einem Dritten
im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis geleisteten
Arbeitslohn selbst dem Lohnsteuerabzug unterwerfen, wenn der Dritte
in die Zahlung als Leistungsmittler des Arbeitgebers eingeschaltet
ist. Der den Dritten als Leistungsmittler einsetzende Arbeitgeber
bleibt der den Arbeitslohn Zahlende (BFH-Urteile vom 30.5.2001 VI R
123/00, BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230 = SIS 01 12 14; vom
21.2.2003 VI R 74/00, BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496 = SIS 03 23 15). Das ist z.B. der Fall, wenn der Dritte die Stellung einer
Kasse des Arbeitgebers innehat (vgl. zu Zahlungen von
selbständigen Unterstützungskassen, denen die Mittel vom
Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden, BFH-Entscheidungen
vom 28.3.1958 VI 233/56 S, BFHE 66, 701, BStBl III 1958, 268 = SIS 58 01 58; vom 27.1.1961 VI 249/60 U, BFHE 72, 456, BStBl III 1961,
167 = SIS 61 01 18) oder wenn der Dritte im Auftrag des
Arbeitgebers leistet (vgl. BFH-Urteil vom 4.6.1993 VI R 95/92, BFHE
171, 74, BStBl II 1993, 687 = SIS 93 16 59). Hingegen liegt keine
dem Arbeitgeber selbst zurechenbare Lohnzahlung vor, wenn eine
selbständige Urlaubskasse als gemeinsame Einrichtung der
Tarifvertragsparteien aus den eingezogenen Beiträgen an einen
Arbeitnehmer eine Entschädigung für verfallene
Urlaubsansprüche leistet, weil es an der erforderlichen
organisatorischen und wirtschaftlichen Verflechtung zwischen dem
einzelnen Arbeitgeber und der Urlaubskasse fehlt (BFH-Urteil in
BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496 = SIS 03 23 15).
bb) Im Streitfall hat die Klägerin ihre
Schwestergesellschaft nicht als Leistungsmittler für
Leistungen an ihre Arbeitnehmer eingesetzt, sondern ihrer
Schwestergesellschaft lediglich die Möglichkeit eröffnet,
auf dem Betriebsgrundstück der Klägerin eine
Verkaufsstelle zu betreiben. Die Schwestergesellschaft wurde nicht
im Auftrag der Klägerin tätig, sie war nicht deren
Erfüllungsgehilfin für Leistungen an die Arbeitnehmer
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 66, 701, BStBl III 1958, 268 = SIS 58 01 58), sondern betrieb die Verkaufsstelle in eigener Regie. Aus den
Feststellungen des FG ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür,
dass die Klägerin auf Art und Umfang der an ihre Arbeitnehmer
gewährten Einkaufsvorteile maßgebenden Einfluss hatte
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 72, 456, BStBl III 1961, 167 = SIS 61 01 18).
b) Die Klägerin war auch nicht
gemäß § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 1990 verpflichtet,
für die von der Schwestergesellschaft gewährten
Einkaufsvorteile Lohnsteuer einzubehalten. Es kann offen bleiben,
ob es sich um üblicherweise von einem Dritten für eine
Arbeitsleistung gezahlten Arbeitslohn i.S. dieser Vorschrift
handelt. Jedenfalls unterliegen derartige Drittlöhne dem
Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber nur insoweit, als dieser
über deren Höhe in Kenntnis gesetzt wird, z.B. dadurch,
dass er in den Zahlungsvorgang eingeschaltet wird, oder dass seine
Arbeitnehmer über derartige Zuflüsse Angaben machen
(BFH-Urteile vom 24.10.1997 VI R 23/94, BFHE 184, 474, BStBl II
1999, 323 = SIS 98 03 48; in BFH/NV 2001, 35 = SIS 01 50 26; vom
24.1.2001 I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512 = SIS 01 08 95; in BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230 = SIS 01 12 14; in BFHE
201, 300, BStBl II 2003, 496 = SIS 03 23 15). Nach der für die
Streitjahre geltenden Gesetzeslage hat der Arbeitgeber keine
Handhabe, derartige Angaben seiner Arbeitnehmer durchzusetzen. Der
Arbeitgeber ist auch nicht befugt, Besteuerungsgrundlagen zu Lasten
seiner Arbeitnehmer zu schätzen, da das Gesetz eine derartige
Befugnis, wie sie dem FA in § 162 der Abgabenordnung (AO 1977)
eingeräumt wird, nicht eröffnet (BFH-Urteil in BFHE 184,
474, BStBl II 1999, 323 = SIS 98 03 48).
Die Klägerin war nach den Feststellungen
des FG nicht darüber unterrichtet, welche Einkaufsvorteile
ihre Arbeitnehmer jeweils in der Verkaufsstelle der
Schwestergesellschaft erzielten, zumal diese eine Mischkalkulation
betrieb, also nicht alle Artikel verbilligt anbot. Mithin hatte die
Klägerin nach den vorstehenden Grundsätzen dafür
keine Lohnsteuer einzubehalten.
Nach Auffassung des FG war es ihr allerdings
zuzumuten, jeweils den ortsüblichen Endpreis zu schätzen
und so durch Preisvergleiche festzustellen, ob Waren an
Arbeitnehmer verbilligt überlassen wurden. Die Grundsätze
des BFH-Urteils in BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323 = SIS 98 03 48, hält das FG wegen der „Konzerneinbindung des
Belegschaftsgeschäfts“ im Streitfall nicht für
anwendbar. Zudem hat das FA in der mündlichen Verhandlung die
Auffassung vertreten, durch die Auslagerung von Leistungen an
Arbeitnehmer im Konzern dürften die lohnsteuerrechtlichen
Arbeitgeberpflichten nicht unterlaufen werden, die Klägerin
treffe insoweit eine „Garantenpflicht“. Dem ist
nicht zu folgen. Eine Erweiterung der lohnsteuerrechtlichen
Ermittlungs- und Einbehaltungspflichten bei verbundenen Unternehmen
lässt sich auf § 38 EStG 1990 nicht stützen, zumal
hier ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO
1977) ersichtlich nicht in Betracht kommt.
Dies ergibt ein Vergleich der im Streitfall
maßgebenden Regelung mit der ab dem Jahr 2004 geltenden
Vorschrift des § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG in der Fassung des
Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15.12.2003 (BGBl I 2003,
2645). Dadurch ist das Gesetz mit Rücksicht auf die
BFH-Urteile in BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512 = SIS 01 08 95,
und in BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230 = SIS 01 12 14,
geändert worden, um auch Rabatte an Arbeitnehmer
konzernangehöriger Gesellschaften erfassen zu können
(vgl. BTDrucks 15/1562, S. 33 f.; 15/1798, S. 3 f.). Danach besteht
ab 2004 die Pflicht zur Einbehaltung von Lohnsteuer für
Drittlöhne, wenn der Arbeitgeber „weiß oder
erkennen kann“, dass Drittlöhne erbracht werden. Im
Zusammenhang damit sind nunmehr besondere Anzeigepflichten der
Arbeitnehmer normiert worden, deren Verletzung - nach einer
entsprechenden Anzeige des Arbeitgebers - zur Nachforderung der
Lohnsteuer beim Arbeitnehmer, nicht aber beim Arbeitgeber
führt; auch haftet der Arbeitgeber in diesem Fall nicht
(§ 38 Abs. 4 Sätze 3 und 4, § 42d Abs. 2 EStG in der
ab 2004 geltenden Fassung). Wollte man im Streitfall die
lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeberpflichten für verbundene
Unternehmen entsprechend der Auffassung des FA und des FG
erweitern, ginge dies sogar über die ab 2004 geltende
gesetzliche Neuregelung hinaus.
3. Da die Vorentscheidung auf einer
abweichenden Rechtsauffassung beruht, ist sie aufzuheben. Die Sache
ist spruchreif. Der angefochtene Lohnsteuernachforderungsbescheid
ist antragsgemäß zu ändern. Die Lohnsteuer ist auf
1.942,40 EUR (3.799 DM) festzusetzen.