Wiederholungshonorar, Qualifikation: Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen, die an ausübende Künstler von Hörfunk- oder Fernsehproduktionen als Nutzungsentgelte für die Übertragung originärer urheberrechtlicher Verwertungsrechte gezahlt werden, stellen keinen Arbeitslohn dar. - Urt.; BFH 26.7.2006, VI R 49/02; SIS 06 37 89
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger), der X-Rundfunk, zahlte in den Jahren 1986 bis 1990
aufgrund entsprechender Vereinbarungen an zahlreiche sog. freie
Mitarbeiter Wiederholungshonorare für die nochmalige
Ausstrahlung von Hörfunk- oder Fernsehproduktionen, die mit
ihrer Hilfe entstanden waren. Soweit die Produktionen an - nicht
der ARD angehörende - Sendeunternehmen oder zum Zwecke der
Kino-, Film- oder Tonträgerverwertung entgeltlich abgegeben
wurden, erhielten die Mitwirkenden Erlösbeteiligungen. Der
Kläger zahlte diese Wiederholungshonorare bzw.
Erlösbeteiligungen unabhängig davon, zu welcher
Einkunftsart das Ersthonorar gehört hatte, ohne
Lohnsteuerabzug aus.
Anlässlich einer
Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Prüfer unter
Hinweis auf ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF)
vom 5.10.1990 IV B 6 - S 2332 - 73/90 (BStBl I 1990, 638 = SIS 90 24 27) die Ansicht, die Wiederholungshonorare und
Erlösbeteiligungen seien derjenigen Einkunftsart zuzurechnen,
zu der das Ersthonorar gehöre. Soweit die Ersthonorare zu den
Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehörten,
seien auch die Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen
lohnsteuerpflichtig. Der Kläger hätte folglich Lohnsteuer
einbehalten und abführen müssen. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) stimmte dieser Auffassung
zu und erließ einen Haftungsbescheid gegen den
Kläger.
Die Klage hatte nur der Höhe nach (im
Rahmen einer tatsächlichen Verständigung) teilweise
Erfolg (vgl. SIS 03 10 15). Das Finanzgericht (FG) führte im
Wesentlichen aus, im Streitfall seien die in der Person der
Mitwirkenden entstehenden Leistungsschutzrechte bereits mit
Abschluss des Beschäftigungsvertrages auf den Kläger
übertragen worden. Dieser Vertrag regle darüber hinaus
die Höhe der an die Mitwirkenden zu zahlenden Wiederholungs-
und Folgevergütungen. Dadurch erscheine der Zusammenhang
zwischen dem Arbeitsverhältnis und den Wiederholungs- und
Folgevergütungen so eng, dass neben dem Ersthonorar auch diese
Vergütungen als Gegenleistung für das
Zurverfügungstellen der Arbeitskraft zu werten seien (Hinweis
auf das Senatsurteil vom 6.3.1995 VI R 63/94, BFHE 177, 116, BStBl
II 1995, 471 = SIS 95 13 29).
Mit der Revision bringt der Kläger im
Wesentlichen vor, die Vorentscheidung widerspreche dem Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) in BFHE 177, 116, BStBl II 1995, 471 = SIS 95 13 29. Aus dieser Entscheidung ergebe sich, dass auch im
Streitfall Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit
(§ 18 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ) anzunehmen seien.
Das FG habe die zivilrechtliche Ausgangslage verkannt. Aus der
Systematik des Urheberrechts ergebe sich, dass der Gesetzgeber
zwischen dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis einerseits und dem
Urheberrechtsverhältnis andererseits unterscheide. Werde
für die Einräumung eines Nutzungsrechts ein gesondertes
Entgelt bezahlt, so handele es sich urheberrechtlich um eine von
dem Arbeits- oder Dienstverhältnis abweichende
Rechtsbeziehung. Die Wiederholungsvergütungen und die
Erlösbeteiligungen stellten echte Lizenzgebühren dar, mit
denen ausschließlich die Nutzung bereits fertiger
Produktionen, jedoch keine weitere Arbeitsleistung, vergütet
worden sei.
Ferner habe das FA beim Erlass des
Haftungsbescheids sein Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Das
FA habe den beim Kläger entstehenden Verwaltungsaufwand nicht
berücksichtigt. Bei Wiederholungshonoraren und
Erlösbeteiligungen seien dem Kläger die
Besteuerungsmerkmale der Vergütungsempfänger
regelmäßig nicht bekannt. Er - der Kläger - sei
u.a. gehalten, die Lohnsteuerkarten der vergütungsberechtigten
Mitwirkenden anzufordern, und zwar auch dann, wenn das
Dienstverhältnis nicht mehr bestehe. Im Übrigen habe der
BFH selbst in seinem zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss
vom 19.7.1995 VI B 28/95 (BFH/NV 1996, 32 = SIS 95 24 03, a.E.)
ernstliche Zweifel an der Ermessenausübung des FA anklingen
lassen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des
FG sowie den Haftungsbescheid vom 28.12.1992 i.d.F. der
Einspruchsentscheidung vom 4.7.1994 zu ändern und die
Haftungssumme herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Es vertritt die Auffassung, der
Haftungsbescheid sei zu Recht ergangen. Im Streitfall hätten
die Arbeitnehmer bereits mit den Arbeitsverträgen alle ihnen
evtl. zustehenden Leistungsschutzrechte auf den Kläger
übertragen. Die Arbeitnehmer hätten nichts mehr
zurückbehalten, was sie außerhalb der
Arbeitsverhältnisse noch hätten übertragen
können. Für die Annahme zweier verschiedener
Verträge bestehe kein Raum. Der Kläger bezahle für
etwas, was er bereits durch den Arbeitsvertrag erlangt habe,
nämlich die Arbeitsleistung des Mitwirkenden. Die
Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen stellten sich als
erfolgsabhängiger Arbeitslohn dar. Je öfter sich eine
Sendung durch Wiederholungen verwerten lasse, desto höher sei
der Arbeitslohn. Gleiches gelte für die entgeltliche Abgabe
der Produktionen an nicht der ARD angehörige Sendeunternehmen.
Es sei unbeachtlich, dass der betroffene Arbeitnehmer keine weitere
Arbeitsleistung zu erbringen habe. Dies sei bei
erfolgsabhängigen Lohnbestandteilen häufiger der Fall.
Auch ein im Vertrieb beschäftigter festangestellter
Arbeitnehmer könne am Ende des Jahres eine umsatz- oder
gewinnabhängige Tantieme erhalten, ohne dass er dafür
noch einmal zusätzlich tätig werden müsse.
Die Inanspruchnahme des Klägers als
Haftungsschuldner sei auch ermessensgerecht. Im Streitfall seien
mehrere hundert verschiedene Arbeitnehmer betroffen. Es komme
hinzu, dass der Kläger den Lohnsteuerabzug zumindest
leichtfertig unterlassen habe. Denn dem Kläger sei seit dem
Jahre 1977 die Auffassung der Finanzverwaltung bekannt, dass es
sich bei den Wiederholungshonoraren und Erlösbeteiligungen um
- dem Lohnsteuerabzug unterliegenden - Arbeitslohn handele.
Schließlich sei der durch den Lohnsteuer-Einbehalt
entstehende Verwaltungsaufwand beim Kläger nicht höher
als der durch Versendung von Kontrollmitteilungen entstehende
Aufwand auf Seiten der Finanzverwaltung. Der -
zugegebenermaßen relativ hohe - Verwaltungsaufwand des
Klägers sei jedoch in erster Linie auf das vom ihm
gewählte Verfahren zurückzuführen. So könnten
Ansprüche auf Wiederholungshonorare und
Erlösbeteiligungen nach Angaben des Klägers oft noch
Jahre nach der Produktion der eigentlichen Sendung entstehen. Dass
es dann zu Problemen bei der Adressenermittlung (bzw.
Erbenermittlung) komme, sei nicht durch die Erhebung von Lohnsteuer
bedingt.
II. Die Revision ist begründet. Der
angefochtene Haftungsbescheid ist antragsgemäß zu
ändern und die Haftungssumme herabzusetzen. Die
Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen stellen keinen
Arbeitslohn dar.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
werden gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Vorteile
„für eine Beschäftigung“ gewährt,
wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des
Arbeitnehmers veranlasst sind (Urteile vom 11.3.1988 VI R 106/84,
BFHE 153, 324, BStBl II 1988, 726 = SIS 88 17 05; vom 26.6.2003 VI
R 112/98, BFHE 203, 53, BStBl II 2003, 886 = SIS 03 44 97; vom
10.5.2006 IX R 82/98, BFH/NV 2006, 1569 = SIS 06 30 11; vom
4.5.2006 VI R 19/03, BFH/NV 2006, 1577, DB 2006, 1471 = SIS 06 26 75). Das ist der Fall, wenn der Vorteil nur mit Rücksicht auf
das Dienstverhältnis eingeräumt wird (BFH-Urteil vom
10.6.1983 VI R 176/80, BFHE 138, 456, BStBl II 1983, 642 = SIS 83 17 38) und wenn die Einnahme als Ertrag der nichtselbständigen
Arbeit anzusehen ist, d.h. wenn sich die Leistung des Arbeitgebers
im weitesten Sinne als Gegenleistung für das
Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des
Arbeitnehmers erweist.
Arbeitslohn liegt jedoch u.a. dann nicht vor,
wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen
sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender
Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird
(BFH-Urteile vom 22.3.1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II
1985, 529 = SIS 85 18 29; vom 24.1.2001 I R 100/98, BFHE 195, 102,
BStBl II 2001, 509 = SIS 01 08 94; vom 19.10.2001 VI R 131/00, BFHE
197, 98, BStBl II 2002, 300 = SIS 02 02 75; vom 16.9.2004 VI R
25/02, BFHE 207, 457, BStBl II 2006, 10 = SIS 05 04 74).
2. Nach Maßgabe dieser
Rechtsgrundsätze hat der Senat deshalb bereits im seinem
Urteil in BFHE 177, 116, BStBl II 1995, 471 = SIS 95 13 29
entschieden, dass von einem Musiktheater an seine
Orchestermitglieder gezahlte Vergütungen für die
Übertragung der Leistungsschutzrechte nicht als Arbeitslohn
i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu beurteilen seien. Diese
Zahlungen seien nicht durch das Arbeitsverhältnis veranlasst.
Die an den ausübenden Künstler gezahlten Vergütungen
für die kraft Gesetzes (§§ 73 ff. des
Urheberrechtsgesetzes - UrhG - ) originär in seiner Person
entstandenen Leistungsschutzrechte seien in der Regel den
Einkünften des Künstlers aus selbständiger Arbeit
i.S. des § 18 EStG zuzurechnen. Sie würden nicht
„für eine Beschäftigung“, sondern zur
Abgeltung von originär in der Person des Künstlers
entstandenen Rechten gezahlt. Nur ausnahmsweise könnten die
Zuwendungen des Arbeitgebers für die Abgeltung der
Leistungsschutzrechte als Gegenleistung für das
Zurverfügungstellen der Arbeitskraft zu werten sein.
3. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht
vor.
a) Nach den tatsächlichen Feststellungen
des FG, die den Inhalt der einschlägigen
Mitwirkendenverträge mit einbezog, erzielte der jeweilige
ausübende Künstler ein Ersthonorar. Dieses vergütete
die von ihm zu erbringende persönliche Mitwirkung bei der
Herstellung eines Werkes. Mit dieser Vergütung, die als
Arbeitslohn behandelt wurde, war die Einräumung verschiedener
Rechte zur einmaligen Nutzung (Erstverwertung) der entsprechenden
Produktion abgegolten. Wie sich aus § 14.2. und § 14.3.
des Mitwirkendenvertrags ergibt, erhielt der ausübende
Künstler für Wiederholungen im Fernsehen und Hörfunk
- zusätzlich zu der Erstvergütung - jeweils gesonderte
Wiederholungsvergütungen und Erlösbeteiligungen in
bestimmter Höhe.
b) Das FA verkennt, dass die den
ausübenden Künstlern zustehenden Erstvergütungen
einerseits sowie die Wiederholungsvergütungen bzw.
Erlösbeteiligungen andererseits auf unterschiedlichen
Rechtsgründen beruhten. Davon ist der Senat bereits in seinem
Urteil in BFHE 177, 116, BStBl II 1995, 471 = SIS 95 13 29
ausgegangen. Die Erstvergütung (Arbeitsentgelt, Lohn) bezog
sich auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit, die zur
unmittelbaren Produktion eines Werkes (hier verbunden mit dem Recht
der Erstverwertung) führte. Demgegenüber lagen dem
Vergütungsanspruch bezüglich der
Wiederholungsvergütungen bzw. Erlösbeteiligungen - im
Austauschverhältnis - in der Person des ausübenden
Künstlers entstandene, originäre urheberrechtliche
Schutzrechte zugrunde (§§ 73 ff. UrhG). Dieser folglich
anders geartete Anspruch bezog sich auf die gestattete Nutzung bzw.
Verwertung des vom Künstler geschaffenen Arbeitsergebnisses
durch seinen Arbeitgeber; die diesbezügliche Vergütung
stellt - im Gegensatz zum Arbeitsentgelt - Nutzungsentgelt dar. Mit
den Wiederholungshonoraren bzw. Erlösbeteiligungen wurde
folglich keine irgendwie geartete zusätzliche Arbeitsleistung
abgegolten. Schon aus diesem Grund sind die bezeichneten Honorare -
entgegen der Ansicht des FA - auch nicht vergleichbar mit
erfolgsabhängigen Lohnbestandteilen bzw. umsatz- oder
gewinnabhängigen Tantiemen. Ebenso verwandelten sich die
streitigen Wiederholungshonorare und Erlösbeteiligungen nicht
deshalb zu Arbeitslohn, weil die ausübenden Künstler sich
arbeitsrechtlich dazu verpflichtet hatten, ihre urheberrechtlichen
Nutzungs- und Verwertungsrechte auf den Kläger zu
übertragen (so schon BFH-Urteil in BFHE 177, 116, BStBl II
1995, 471 = SIS 95 13 29).
4. Der Senat braucht bei dieser Sach- und
Rechtslage nicht darüber zu entscheiden, ob das FA sein
Ermessen bei der Inanspruchnahme des Klägers als
Haftungsschuldner einwandfrei ausgeübt hat.
Das FA hat in seiner Einspruchsentscheidung
maßgeblich darauf abgestellt, dass die Inanspruchnahme des
Klägers der Vereinfachung diene, weil der gleiche Fehler bei
einer großen Anzahl von Arbeitnehmern vorliege (BFH-Urteil
vom 6.3.1980 VI R 65/77, BFHE 129, 559, BStBl II 1980, 289 = SIS 80 01 57). Nach dem BFH-Urteil vom 24.1.1992 VI R 177/88 (BFHE 167,
359, BStBl II 1992, 696 = SIS 92 13 67) sei die Inanspruchnahme
eines Arbeitgebers regelmäßig dann gerechtfertigt, wenn
von einer Lohnsteuer-Nachforderung mehr als 40 Arbeitnehmer
betroffen seien. Im Streitfall geht es indessen - anders als in den
vom FA in Bezug genommenen Entscheidungen des BFH - nicht um
Lohnsteuer auslösende Umstände, die während der
Dauer eines aktiven Beschäftigungsverhältnisses, sondern
um solche, die zum Teil lange nach Beendigung des
Beschäftigungsverhältnisses aufgetreten sind. Diesen
gewichtigen Gesichtspunkt hat das FA bei seinen
Ermessenserwägungen nicht mit einbezogen. Ob die
Ermessensentscheidung zusätzlich an weiteren Mängeln
leidet (vgl. hierzu Senatsbeschluss in BFH/NV 1996, 32 = SIS 95 24 03, a.E.) bleibt ebenfalls offen.