Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 17.05.2022 - 13 K
254/20 = SIS 22 16 67 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) betrieb bis zum Jahr 2009 ein Einzelunternehmen als
Betreuer auf Honorarbasis. Im Jahr 2009 gründete er zusammen
mit Herrn A die AB-GbR. Der Kläger war daran zu 60,5 %
beteiligt.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) erließ erklärungsgemäße
Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheide) für
die AB-GbR; am 03.02.2012 für das Jahr 2010, am 26.09.2012
für das Jahr 2011. Darin wurde dem Kläger ein Anteil an
dem Gesamthandsgewinn der AB-GbR von 43.157,11 EUR (2010) und
32.545,16 EUR (2011) zugerechnet. Hiergegen wurden keine
Rechtsbehelfe eingelegt.
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Mit seiner Einkommensteuererklärung
2010 reichte der Kläger im Jahr 2012 eine auf den Namen der
AB-GbR lautende Anlage EÜR ein. Darin wurden Betriebseinnahmen
in Höhe von 43.157,11 EUR und Betriebsausgaben in Höhe
von 9.180,99 EUR erklärt. In dem Einkommensteuerbescheid 2010
für den Kläger vom 14.12.2012 berücksichtigte das FA
die erklärten Einnahmen aus Beteiligung in Höhe von
43.157 EUR. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein und
verwies darauf, dass die geltend gemachten Aufwendungen nicht
allein mit seiner Tätigkeit für die AB-GbR
zusammenhingen, sondern er entsprechende Aufwendungen gehabt habe,
um bei seinem Einzelunternehmen die Infrastruktur
aufrechtzuerhalten. Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stehendem Einkommensteuer-Änderungsbescheid für 2010 vom
27.05.2014 erkannte das FA die geltend gemachten Aufwendungen bei
den Einkünften des Klägers an.
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Mit seiner Einkommensteuererklärung
2011 machte der Kläger unter anderem negative Einkünfte
von 3.438 EUR für „ambulante
Betreuungen“ geltend. Der unter dem Vorbehalt
der Nachprüfung stehende Einkommensteuerbescheid 2011 vom
21.03.2014 berücksichtigte den erklärten Verlust bei den
Einkünften des Klägers. Die Einkünfte aus der
Beteiligung des Klägers an der AB-GbR wurden ebenfalls
berücksichtigt.
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Das FA führte bei der AB-GbR für
die Gewinnfeststellung 2010 bis 2012 eine Außenprüfung
durch, die ohne Änderung der Besteuerungsgrundlagen beendet
wurde. Dies wurde dem Steuerberater der AB-GbR mit Schreiben vom
19.05.2015 mitgeteilt. Parallel zu der Außenprüfung bei
der AB-GbR wurde auch bei dem Kläger die Einkommensteuer 2010
bis 2012 geprüft. Der Prüfer kam dort zu dem Ergebnis,
dass die von dem Kläger geltend gemachten Aufwendungen
Sonderbetriebsausgaben bei der AB-GbR darstellten und in keinem
Zusammenhang mit dem Einzelunternehmen des Klägers
stünden. Daraufhin änderte das FA die
Einkommensteuerbescheide des Klägers für 2010 und 2011
nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und
berücksichtigte die geltend gemachten Betriebsausgaben nicht
mehr.
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Am 29.07.2015 beantragte die AB-GbR die
Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 und
begründete dies mit den Feststellungen der
Außenprüfung bei dem Kläger. Die Aufwendungen
müssten bei der AB-GbR als Sonderbetriebsausgaben des
Klägers abgezogen werden.
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Das FA lehnte diesen Antrag ab. Der dagegen
eingelegte Einspruch wurde als unbegründet
zurückgewiesen. Der Kläger habe es grob schuldhaft
unterlassen, im Rahmen der Erklärungen zur Gewinnfeststellung
2010 und 2011 für die AB-GbR seine Sonderbetriebsausgaben zu
erklären. Eine Änderungsbefugnis sei nicht mehr
gegeben.
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Die dagegen im ersten Rechtszug zum
Niedersächsischen Finanzgericht (FG) erhobene Klage wurde mit
Urteil vom 01.03.2017 - 2 K 56/16 als unbegründet abgewiesen.
Die begehrten Änderungen könnten weder auf § 174
Abs. 3 AO noch auf § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gestützt
werden.
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Dieses Urteil des FG hob der
Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 10.09.2020 - IV R 6/18 (BFHE
270, 87, BStBl II 2021, 197 = SIS 20 20 54) auf und verwies die
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurück. Eine Änderungsbefugnis nach § 173 Abs. 1 Nr.
2 AO scheitere nicht an einem groben Verschulden des Klägers.
Denn es lägen mit den von dem Kläger geltend gemachten
Sonderbetriebsausgaben nicht nur nachträglich bekannt
gewordene Tatsachen vor, die zu niedrigeren Einkünften bei der
AB-GbR führten, sondern es ergäben sich daraus auch
gegenläufige Gewinnauswirkungen bei der Einkommensteuer des
Klägers. Es sei im zweiten Rechtsgang noch zu klären, ob
die streitigen Aufwendungen des Klägers als
Sonderbetriebsausgaben des Klägers bei der AB-GbR veranlasst
seien und ob die Voraussetzungen einer Änderungssperre nach
§ 173 Abs. 2 AO vorlägen, sofern eine Mitteilung
über eine ergebnislose Außenprüfung bei der AB-GbR
nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO erfolgt sei.
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Das FG wies die Klage im zweiten Rechtsgang
mit Urteil vom 17.05.2022 - 13 K 254/20 erneut ab. Die
Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 für die AB-GbR
seien nicht mehr änderbar. Es greife die Änderungssperre
nach § 173 Abs. 2 AO wegen der Mitteilung über die
ergebnislose Außenprüfung bei der AB-GbR ein. Bei dieser
Mitteilung handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt; ein
nachfolgend eingereichtes Schreiben des Klägers könne
deshalb keinen Einspruch darstellen.
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Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung von Bundesrecht, insbesondere eine
unzutreffende Auslegung des § 202 AO.
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Die Änderungssperre des § 173
Abs. 2 Satz 2 AO stehe der begehrten Änderung nicht entgegen.
Die Annahme des FG, die Mitteilung über die ergebnislose
Außenprüfung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO stelle
keinen Verwaltungsakt dar, sei rechtsfehlerhaft. Dem stehe die
Mehrheit der Äußerungen in der Fachliteratur entgegen,
die darin einen rechtsbehelfsfähigen Verwaltungsakt erkenne.
Um dem Steuerpflichtigen den Rechtsschutz nicht abzuschneiden,
müsse dieser Mitteilung der Charakter eines anfechtbaren
Verwaltungsakts zukommen. Dementsprechend sei das Schreiben des
Klägers vom 29.07.2015 in einen Einspruch gegen diese
Mitteilung umzudeuten. Über diesen müsse das FA noch
entscheiden.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß,
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das FA unter Aufhebung des Urteils des FG
vom 17.05.2022 - 13 K 254/20, des Ablehnungsbescheids vom
09.09.2015 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom
29.03.2016 zu verpflichten, die Gewinnfeststellungsbescheide 2010
vom 03.02.2012 und 2011 vom 26.09.2012 betreffend die AB-GbR
dahingehend zu ändern, dass Sonderbetriebsausgaben für
den Kläger für 2010 in Höhe von 8.599,99 EUR sowie
für 2011 in Höhe von 2.637,56 EUR berücksichtigt
werden.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Das FA und der Kläger haben auf die
Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet.
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II. Die Revision ist unbegründet und war
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ).
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1. Gegenstand des Verfahrens ist die Frage der
Zulässigkeit einer Änderung der
Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 wegen des Abzugs von
Sonderbetriebsausgaben des Klägers.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
kann ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 179, § 180
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO eine Vielzahl selbständiger
und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen
enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen. Solche
selbständigen Feststellungen sind unter anderem die
Feststellung eines Sonderbetriebsgewinns - verstanden als Saldo von
Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben - beziehungsweise einer
Sondervergütung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Satz 1 Halbsatz 2 des Einkommensteuergesetzes (z.B. BFH-Urteil vom
23.03.2023 - IV R 8/20 (IV R 7/17) = SIS 23 08 16, Rz 22,
m.w.N.).
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b) Der Kläger macht den Abzug von bisher
nicht berücksichtigten Sonderbetriebsausgaben in Höhe von
8.599,99 EUR (2010) sowie 2.637,56 EUR (2011) geltend und begehrt
eine entsprechende Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide
der AB-GbR für die Jahre 2010 und 2011.
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2. Eine Beiladung des A als weiterer
ehemaliger Gesellschafter der AB-GbR nach § 60 Abs. 3 FGO war
nicht geboten, da er durch die allein streitige Feststellung von
Sonderbetriebsausgaben des Klägers nicht betroffen ist (vgl.
BFH-Urteil vom 17.03.2021 - IV R 20/18, BFHE 272, 440, BStBl II
2021, 904 = SIS 21 15 44, Rz 20).
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3. Die Revision ist unbegründet. Das FG
hat die zulässige Klage zu Recht als unbegründet
abgewiesen. Den begehrten Änderungen der
Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 für die AB-GbR
wegen neuer Tatsachen steht eine Änderungssperre
gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 173 Abs. 2
Satz 2 AO entgegen.
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a) Nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind
Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen
nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer
führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran
trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich
bekannt werden. Das Verschulden ist unbeachtlich, wenn die
Tatsachen oder Beweismittel in einem unmittelbaren oder mittelbaren
Zusammenhang mit Tatsachen oder Beweismitteln stehen, die nach
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu einer höheren Steuer
führen. Diese Regelung ist nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO
sinngemäß auch auf Feststellungsbescheide anzuwenden
(BFH-Urteil - im ersten Rechtsgang - vom 10.09.2020 - IV R 6/18,
BFHE 270, 87, BStBl II 2021, 197 = SIS 20 20 54, Rz 27, 38).
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b) Aufgrund der Bindung des Senats an seine im
ersten Rechtsgang getroffene Entscheidung steht fest, dass die
Voraussetzungen für eine Änderung der
Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 gemäß §
173 Abs. 1 Nr. 2 AO gegeben sind und ein Verschulden des
Klägers der begehrten Änderung nicht entgegensteht.
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aa) Die Verpflichtung des FG, nach einer
Zurückverweisung der Sache gemäß § 126 Abs. 5
FGO seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des BFH zugrunde
zu legen, gilt grundsätzlich im selben Umfang für den BFH
und bewirkt insoweit eine Selbstbindung. Sie kann nur entfallen,
wenn sich nachträglich die maßgebenden Umstände
geändert haben, weil sich entweder der zugrunde gelegte
Sachverhalt in einer für die Entscheidung erheblichen Weise
geändert hat, sich einschlägige Gesetzesbestimmungen
rückwirkend geändert haben oder sich die
höchstrichterliche Rechtsprechung - unabhängig von dem
Streitfall - geändert hat (z.B. BFH-Urteil vom 13.11.2017 - XI
R 12/16 = SIS 17 26 01, Rz 19 f., m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall
liegt hier nicht vor.
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bb) Damit steht aufgrund des BFH-Urteils im
ersten Rechtsgang vom 10.09.2020 - IV R 6/18 (BFHE 270, 87, BStBl
II 2021, 197 = SIS 20 20 54) unter anderem fest, dass für eine
Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 nach
§ 181 Abs. 1 Satz 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ein grobes
Verschulden des Klägers zwar gegeben, aber nach § 173
Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 AO unbeachtlich ist. Denn aus seinen
Einkommensteuerbescheiden 2010 und 2011 ergeben sich
gegenläufige, steuererhöhende Einkünfte betreffend
die begehrte Korrektur der Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und
2011.
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c) Die beantragte Änderung der
Gewinnfeststellungsbescheide kommt gleichwohl nicht in Betracht, da
die AB-GbR diese erst beantragt hat, als die
Außenprüfung bereits durchgeführt und ihr
mitgeteilt worden war, dass keine Änderung der
Besteuerungsgrundlagen erfolgt. Damit war bereits eine
Änderungssperre eingetreten, die der begehrten Korrektur
entgegensteht.
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aa) Nach § 173 Abs. 2 Satz 1 AO
können Steuerbescheide, soweit sie aufgrund einer
Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder
geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine
leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt nach §
173 Abs. 2 Satz 2 AO auch in den Fällen, in denen eine
Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO gegenüber dem
Steuerpflichtigen erfolgt ist, dass die Außenprüfung zu
keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt.
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bb) Die in § 173 Abs. 2 AO angeordnete
Änderungssperre gilt nur für Änderungen auf der
Grundlage von § 173 Abs. 1 AO wegen neuer Tatsachen oder
Beweismittel, nicht für Korrekturen aufgrund anderer
Rechtsgrundlagen, etwa § 164 Abs. 2 AO, oder für
Erstbescheide (BFH-Urteile vom 22.08.1990 - I R 76/88, BFH/NV 1991,
341, unter II.3.b [Rz 13]; vom 14.09.1993 - VIII R 9/93, BFHE 175,
391, BStBl II 1995, 2 = SIS 95 01 41, unter II.1.c [Rz 18]; vom
18.08.2009 - X R 8/09, BFH/NV 2010, 161 = SIS 10 01 14, unter
II.3.b [Rz 20]; vom 25.11.2015 - I R 50/14, BFHE 253, 52, BStBl II
2017, 247 = SIS 16 07 84, Rz 21).
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cc) Der Zweck der Änderungssperre in
§ 173 Abs. 2 AO besteht darin, Steuerverwaltungsakten im
Interesse des Rechtsfriedens eine verstärkte Bestandskraft zu
verleihen, wenn sie das Ergebnis einer Außenprüfung sind
(vgl. Regierungsentwurf einer Abgabenordnung in BT-Drucks. VI/1982,
S. 153). Die mit einer Außenprüfung einhergehende
umfassende und zusammenhängende Ermittlung der
Besteuerungsgrundlagen rechtfertigt es, den auf dieser Grundlage
ergangenen Steuerbescheiden eine erhöhte
Rechtsbeständigkeit zu verleihen. Sie sollen nur unter
erschwerten Bedingungen korrigiert werden dürfen (z.B.
BFH-Urteile vom 11.12.1997 - V R 56/94, BFHE 185, 98, BStBl II
1998, 367 = SIS 98 12 43, unter II.2.c dd [Rz 42]; vom 16.06.2004 -
X R 56/01, BFH/NV 2004, 1502 = SIS 04 38 48, unter II.3.c [Rz
34]).
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Die Änderungssperre soll in erster Linie
den Schutz des Steuerpflichtigen bezwecken. Nach Durchführung
und Auswertung einer Außenprüfung soll er vor
Steuernachforderungen aufgrund neuer Tatsachen sicher sein
(BFH-Urteile vom 31.08.1990 - VI R 78/86, BFHE 161, 539, BStBl II
1991, 537 [Rz 12] = SIS 90 23 42; vom 18.02.2009 - V R 82/07, BFHE
225, 198, BStBl II 2009, 876 = SIS 09 16 37, unter II.4.c aa [Rz
49]). Gleichwohl gilt eine Änderungssperre zugunsten wie
zuungunsten des Steuerpflichtigen (BFH-Urteile vom 29.01.1987 - IV
R 96/85, BFHE 149, 201, BStBl II 1987, 410 = SIS 87 13 55, unter 3.
[Rz 11 ff.]; vom 11.12.1997 - V R 56/94, BFHE 185, 98, BStBl II
1998, 367 = SIS 98 12 43, unter II.2.b [Rz 21]).
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dd) § 173 Abs. 2 Satz 2 AO ist auch auf
Gewinnfeststellungen anzuwenden.
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Nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten die
Vorschriften über die Durchführung der Besteuerung
für die gesonderte Feststellung sinngemäß. Eine
besonders verfestigte Bestandskraft (dazu oben unter II.3.c cc) von
Steuerbescheiden, die nach Durchführung einer
Außenprüfung ergehen, ist auch dann gerechtfertigt, wenn
gesondert und einheitlich festgestellte Einkünfte
beziehungsweise mit diesen in Zusammenhang stehende
Besteuerungsgrundlagen durch die Außenprüfung
überprüft wurden und kein Änderungsbedarf
festgestellt wurde.
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d) Bei der die Änderungssperre nach
§ 173 Abs. 2 Satz 2 AO auslösenden Mitteilung nach §
202 Abs. 1 Satz 3 AO handelt es sich nicht um einen (anfechtbaren)
Verwaltungsakt, sondern um einen Realakt, den der Kläger nicht
(mit der Folge des Wegfalls der Änderungssperre) im Wege der
Anfechtung beseitigen konnte.
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aa) Ein Verwaltungsakt ist nach § 118
Satz 1 AO jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche
Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines
Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und
die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet
ist.
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bb) In der Fachliteratur wird ganz
überwiegend angenommen, dass es sich bei der Mitteilung nach
§ 202 Abs. 1 Satz 3 AO um einen Verwaltungsakt handele (so
Hendricks in Gosch, AO § 202 Rz 27; BeckOK AO/Hannig, 31. Ed.
01.01.2025, AO § 202 Rz 29; Schallmoser in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 202 AO Rz 52;
Koenig/Intemann, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 202 Rz 17; Seer
in Tipke/Kruse, § 202 AO Rz 16; anderer Ansicht aber
Klein/Maetz, AO, 18. Aufl., § 202 Rz 9).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen
darauf abgestellt, dass die Mitteilung unmittelbare Rechtsfolgen,
darunter den Eintritt der Änderungssperre nach § 173 Abs.
2 AO, die Erledigung der Prüfungsanordnung, die Verpflichtung
zur Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164
Abs. 3 Satz 3 AO und die Verlängerung der Ablaufhemmung nach
§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO bewirke. Ein - statthafter - Einspruch
gegen die Mitteilung sei deshalb begründet, wenn die
Außenprüfung Änderungen zugunsten des
Steuerpflichtigen übersehen habe und eine Steuererstattung
möglich sei. Die Anfechtbarkeit der Mitteilung gebiete auch
der verfassungsrechtliche Anspruch auf umfassenden
Rechtsschutz.
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cc) Der Senat hält indes an der
Rechtsprechung des BFH fest, wonach der Mitteilung nach § 202
Abs. 1 Satz 3 AO nicht die Qualität eines Verwaltungsakts
zukommt, da sie keine für die Annahme eines Verwaltungsakts
erforderliche Regelung trifft (BFH-Urteile vom 29.04.1987 - I R
118/83, BFHE 149, 508, BStBl II 1988, 168 = SIS 87 18 49, unter
II.1.b [Rz 17 ff.]; vom 14.09.1993 - VIII R 9/93, BFHE 175, 391,
BStBl II 1995, 2 = SIS 95 01 41, unter II.1.c [Rz 20];
offengelassen in BFH-Urteil vom 31.08.1990 - VI R 78/86, BFHE 161,
539, BStBl II 1991, 537 [Rz 10] = SIS 90 23 42).
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38
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(1) Der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz
3 AO kommt, ebenso wie dem Prüfungsbericht, lediglich eine
Dokumentations- und Protokollfunktion zu - sie gibt nur Auskunft
über das tatsächliche Ergebnis der durchgeführten
Außenprüfung. Die Mitteilung ist auch im Hinblick auf
§ 171 Abs. 4 und § 173 Abs. 2 AO kein Verwaltungsakt,
weil sie die dort genannten Rechtsfolgen (Beendigung der
Ablaufhemmung; Eintritt der Änderungssperre) nicht regelnd
anordnet. Stattdessen knüpfen die Rechtsfolgen der genannten
Vorschriften an die Mitteilung im Sinne des § 202 Abs. 1 Satz
3 AO als ein im Tatsächlichen liegendes Tatbestandsmerkmal an
(BFH-Urteil vom 29.04.1987 - I R 118/83, BFHE 149, 508, BStBl II
1988, 168 = SIS 87 18 49, unter II.1.b [Rz 18 f.]).
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39
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(2) Die Qualifikation der Mitteilung nach
§ 202 Abs. 1 Satz 3 AO als Realakt verstößt auch
nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot effektiven
Rechtsschutzes.
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40
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(a) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 des Grundgesetzes
garantiert jedem den Rechtsweg, der geltend macht, durch die
öffentliche Gewalt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit
wird sowohl der Zugang zu den Gerichten als auch die Wirksamkeit
des Rechtsschutzes gewährleistet. Der Bürger hat einen
Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle in
allen ihm von der Prozessordnung zur Verfügung gestellten
Instanzen (z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG -
vom 31.05.2011 - 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1 = SIS 11 23 01, Rz
68).
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41
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Dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz
kommen bereits Vorwirkungen auf das dem gerichtlichen Verfahren
vorgelagerte Verwaltungsverfahren zu. Danach darf dieses Verfahren
nicht darauf angelegt werden, den gerichtlichen Rechtsschutz zu
vereiteln oder unzumutbar zu erschweren. Daraus ergeben sich
zunächst und in erster Linie Anforderungen an das Verhalten
der Verwaltungsbehörde im Verwaltungsverfahren; sie darf zum
Beispiel spätere Nachprüfungsmöglichkeiten des
Gerichts nicht ausschalten. Ferner darf dem Bürger, dessen
Verhalten im Verwaltungsverfahren dazu geführt hat, dass ihm
ein Recht nicht zuerkannt worden ist, nicht die Möglichkeit
genommen oder unzumutbar erschwert werden, vor einem Gericht
geltend zu machen, ihm stehe das Recht zu (BVerfG-Urteil vom
24.04.1985 - 2 BvF 2/83, 2 BvF 3/83, 2 BvF 4/83, 2 BvF 2/84,
BVerfGE 69, 1, Rz 107).
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(b) Aus dem Grundgesetz ergibt sich allerdings
keine allgemeine Verpflichtung der Verwaltung, rechtswidrig
belastende und rechtswidrig begünstigende Verwaltungsakte
unbeschadet des Eintritts ihrer formellen Bestandskraft von Amts
wegen oder auf Antrag des Adressaten aufzuheben oder
abzuändern (z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 27.02.2007 - 1 BvR
1982/01, BVerfGE 117, 302, Rz 33; vom 30.01.2008 - 1 BvR 943/07 =
SIS 08 20 42, Rz 26). Dem Gesetzgeber steht die Befugnis zu, den
Konflikt zwischen Rechtssicherheit, Rechtsfrieden, Gerechtigkeit
und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei Schaffung der
normativen Vorgaben für die Verwaltung auszugleichen. Die
Verwaltung muss im Verwaltungsverfahren bei Anwendung dieser Normen
im Einzelfall auch den Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten
(BVerfG-Nichtannahmebeschluss vom 10.06.2009 - 1 BvR 571/07,
Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts 15, 545 = SIS 09 27 21, Rz 27 f.).
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(c) Unter Berücksichtigung der
dargestellten Grundsätze ist es danach nicht zu beanstanden,
dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der gesetzlichen
Grundlagen für die Änderung bestandskräftiger
Verwaltungsakte davon ausgeht, dass die Abwägung zwischen
Rechtssicherheit und Rechtsrichtigkeit eher zugunsten der
Rechtssicherheit ausfällt, je umfangreicher und
gründlicher das der Entscheidung vorangegangene
Entscheidungsverfahren war, eine Durchbrechung der Bestandskraft
hingegen leichter zu erreichen ist, wenn die
Fehleranfälligkeit des Verfahrens erhöht ist (vgl.
Wernsmann in HHSp, § 130 AO Rz 28; Loose in Tipke/Kruse, vor
§§ 130 bis 133 AO Rz 11). Hat danach eine umfassende
Aufklärung der Besteuerungsgrundlagen durch eine
Außenprüfung stattgefunden, bei der der Steuerpflichtige
selbst zur Mitwirkung befugt und auch verpflichtet ist, so ist es
folgerichtig, wenn § 173 Abs. 2 AO - in gleichem Maße
zugunsten wie zuungunsten - für den Steuerpflichtigen wie
für die Finanzbehörde die Möglichkeit der
Änderung von Steuerverwaltungsakten wegen nachträglich
bekannt gewordener Tatsachen einschränkt, wenn diese Tatsachen
nicht in einer vorangegangenen Außenprüfung festgestellt
und einbezogen wurden, und dementsprechend auch die
Möglichkeit des Steuerpflichtigen, durch nach
Durchführung einer Außenprüfung gestellte
Anträge eine Änderung der von der Prüfung
ermittelten Besteuerungsgrundlagen zu erreichen, zugunsten von
Rechtssicherheit, Rechtsfrieden und Rechtsbeständigkeit
beschränkt.
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Dies ist auch vor dem Hintergrund sachgerecht,
dass sich ein während der Außenprüfung gestellter
Änderungsantrag des Steuerpflichtigen nicht durch eine
nachfolgende Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO erledigt.
Beantragt der Steuerpflichtige während der
Außenprüfung, einen Verwaltungsakt zu erlassen oder
einen bereits ergangenen Verwaltungsakt aufzuheben oder zu
ändern, und kommt die Außenprüfung stattdessen zu
dem Ergebnis, dass keine Änderung der Besteuerungsgrundlagen
veranlasst ist und teilt dies dem Steuerpflichtigen mit, so
beseitigt dies nicht die Verpflichtung der Finanzbehörde,
über den Antrag des Steuerpflichtigen zu entscheiden (vgl.
auch § 171 Abs. 3 AO). Auch das Recht auf effektiven
Rechtsschutz erfordert daher nicht, eine Mitteilung nach § 202
Abs. 1 Satz 3 AO als (anfechtbaren) Verwaltungsakt zu
qualifizieren.
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(3) Im Ergebnis liefe es dem Zweck der
Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO, die Ergebnisse der
Außenprüfung zu protokollieren, dem Zweck der
Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO, Rechtssicherheit
und Rechtsfrieden zu schaffen, sowie den bestehenden
Mitwirkungspflichten und -möglichkeiten des Steuerpflichtigen
innerhalb der Außenprüfung entgegen, ihm nach
ergebnisloser Durchführung einer Außenprüfung auch
dann eine weitere Überprüfung der Besteuerungsgrundlagen
(durch Qualifizierung der Mitteilung als Verwaltungsakt) zu
eröffnen, wenn er zuvor keine Änderungen beantragt
hat.
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e) Danach hat das FG die Klage zu Recht als
unbegründet abgewiesen, da bereits eine Änderungssperre
eingetreten war, bevor der Kläger eine Korrektur der
Gewinnfeststellungsbescheide 2010 und 2011 beantragte.
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aa) Die AB-GbR hat mit Schreiben vom
29.07.2015 beantragt, die Sonderbetriebsausgaben des Klägers
zu berücksichtigen und die Gewinnfeststellungsbescheide 2010
und 2011 entsprechend zu ändern. Zu diesem Zeitpunkt war
jedoch die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Satz 2 AO
schon eingetreten, da dem Steuerberater der AB-GbR bereits mit
Schreiben vom 19.05.2015 mitgeteilt worden war, dass die bei der
AB-GbR durchgeführte Außenprüfung zu keiner
Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe.
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bb) Die Mitteilung vom 19.05.2015 ist wirksam
und für das Besteuerungsverfahren zu berücksichtigen.
Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an,
ob seine nachfolgenden Schreiben als Einspruch zu behandeln sind
und ob das vorliegende Verfahren bis zur bestands- beziehungsweise
rechtskräftigen Entscheidung über einen solchen Einspruch
auszusetzen ist. Denn bei der Mitteilung handelt es sich, wie
dargelegt, nicht um einen Verwaltungs-, sondern um einen Realakt,
gegen den ein Einspruch nach § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO
nicht statthaft ist.
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cc) Die eingetretene Änderungssperre
führt auch im Streitfall nicht zu einer Beeinträchtigung
des effektiven Rechtsschutzes oder einer Verletzung von
Vertrauensschutzprinzipien.
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Der Kläger hätte gegen die
Gewinnfeststellungsbescheide für 2010 vom 03.02.2012 sowie
für 2011 vom 26.09.2012, in denen die streitigen
Sonderbetriebsausgaben nicht berücksichtigt waren, Einspruch
einlegen können. Zudem hätte er einen auf entsprechende
Änderung gerichteten Antrag jedenfalls noch während der
Außenprüfung stellen können. Von dieser
Möglichkeit hat er jedoch keinen Gebrauch gemacht. Ohne Erfolg
beruft sich der Kläger darauf, dass er selbst während der
Außenprüfung noch keinen Anlass gehabt habe, die
Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen bei der AB-GbR zu
beantragen, da sie zu diesem Zeitpunkt noch als Betriebsausgaben
seiner Tätigkeit als Einzelunternehmer im Rahmen seiner
Einkommensteuerveranlagung berücksichtigt gewesen seien. Die
Frage, ob die Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben des
Klägers bei Veranlagung der AB-GbR oder als Betriebsausgaben
bei seiner Veranlagung zur Einkommensteuer zu berücksichtigen
waren, war zwischen den Beteiligten von Anfang an streitig. Die
Einkommensteuerbescheide, in denen die Aufwendungen zunächst
berücksichtigt wurden, waren deshalb unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung ergangen. Parallel zur Außenprüfung bei
der AB-GbR wurde auch beim Kläger eine Außenprüfung
durchgeführt; beide hatten unter anderem die Frage zum
Gegenstand, in welchem Verfahren die streitigen Aufwendungen zu
berücksichtigen seien. Bei dieser Sachlage musste der
Kläger damit rechnen, dass das FA die Aufwendungen als
Sonderbetriebsausgaben bei der AB-GbR beurteilen und die
Einkommensteuerbescheide entsprechend ändern würde.
Dementsprechend hätte es ihm oblegen, die Möglichkeit der
Berücksichtigung der Aufwendungen bei der AB-GbR durch einen
entsprechenden (vorsorglichen) Änderungsantrag noch
während der Außenprüfung bei der AB-GbR
offenzuhalten.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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