Die Revisionen der Kläger gegen das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 29.08.2018 - 3 K
3278/15 = SIS 18 18 25 werden als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des jeweiligen Revisionsverfahrens
haben der Kläger und die Klägerin zu tragen.
1
|
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig,
ob die Kläger und Revisionskläger (Kläger) als
Trauerredner den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für
Anschaffungs- und Reinigungskosten von Kleidung beanspruchen
können oder ob dem das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz
1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 12 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegensteht.
|
|
|
2
|
Die in den Jahren 2008 bis 2010
(Streitjahre) miteinander verheirateten Kläger waren als
Trauerredner und Trauerbegleiter tätig. Die Klägerin
übte diese Tätigkeit bis einschließlich September
2008 unternehmerisch aus. Danach war sie im Unternehmen des
Klägers als Angestellte nichtselbständig tätig. Die
Klägerin zog in ihren Anmeldungen für das Streitjahr 2008
und der Kläger in seinen Anmeldungen für alle Streitjahre
die in Rechnungen für die Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung
von Kleidung (u.a. Anzüge, Hemden, Röcke, Kleider,
Mäntel, Blusen, Pullover, Hosen, Jacken, Krawatten, Schals,
Schuhe) ausgewiesene Steuer als Vorsteuer ab.
|
|
|
3
|
Im Anschluss an Außenprüfungen
bei den Klägern gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) zu der Auffassung, dass diese
Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m.
§ 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar seien. Auf Grund der
Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 01.04.2014
gegenüber der Klägerin den
Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2008 und gegenüber dem
Kläger Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für
sämtliche Streitjahre; die den Kläger betreffenden
Bescheide wurden durch Bescheide vom 15.04.2014 berichtigt. Die
gegen die Änderungsbescheide erhobenen Einsprüche der
Kläger wies das FA mit jeweiliger Einspruchsentscheidung vom
01.10.2015 als unbegründet zurück.
|
|
|
4
|
Im anschließenden Klageverfahren
machten die Kläger die streitigen Vorsteuerbeträge
jeweils nur noch zur Hälfte geltend. Die - auch wegen
Einkommensteuer erhobene - Klage wies das Finanzgericht (FG)
Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 29.08.2018 - 3 K 3278/15 (EFG
2018, 1940 = SIS 18 18 25) ab, weil es sich um Kosten der privaten
Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG handele.
|
|
|
5
|
Hiergegen haben die Kläger wegen
Einkommen- und Umsatzsteuer der Streitjahre jeweils Revision
eingelegt, die beim VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) unter
dem Aktenzeichen VIII R 33/18 geführt wurde. Mit Beschluss vom
13.12.2021 - VIII R 33/18 wurden das Verfahren der Klägerin
wegen Umsatzsteuer 2008 und das des Klägers wegen Umsatzsteuer
2008 bis 2010 abgetrennt und an den erkennenden Senat verwiesen, wo
sie das Aktenzeichen XI R 3/22 erhielten.
|
|
|
6
|
Die Kläger rügen die Verletzung
materiellen Rechts.
|
|
|
7
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß,
|
|
unter Aufhebung der Vorentscheidung und der
Einspruchsentscheidung vom 01.10.2015 die Umsatzsteuerbescheide vom
15.04.2014 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2008
um 58,95 EUR, die Umsatzsteuer 2009 um 133,32 EUR und die
Umsatzsteuer 2010 um 120,99 EUR niedriger festgesetzt wird.
|
|
|
8
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
unter Aufhebung der Vorentscheidung und der
Einspruchsentscheidung vom 01.10.2015 den Umsatzsteuerbescheid 2008
vom 01.04.2014 dahingehend zu ändern, dass die Steuer auf
3.137,95 EUR festgesetzt wird.
|
|
|
9
|
Das FA beantragt,
|
|
die Revisionen als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
II. Die Revisionen sind unbegründet; sie
sind daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zu Recht
entschieden, dass die geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus
den Eingangsrechnungen betreffend Anschaffung, Änderung,
Reparatur und Reinigung von Kleidung nicht abziehbar sind.
|
|
|
11
|
1. Nicht abziehbar sind nach § 15 Abs. 1a Satz 1
UStG Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen entfallen,
für die das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG gilt. Nach
dem durch die Verweisung des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG in Bezug
genommenen § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG erfasst das Abzugsverbot
Aufwendungen für die Lebensführung, die die
wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des
Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung
des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen
erfolgen.
|
|
|
12
|
Bei den Aufwendungen der Kläger handelt
es sich um derartige Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 1 Satz 2
EStG. Denn nach dem zwischen den Beteiligten zur Einkommensteuer
ergangenen BFH-Urteil vom 16.03.2022 - VIII R 33/18 (BFHE 276, 120, BStBl II 2022,
614 = SIS 22 10 05, Rz 12 bis 23) sind Aufwendungen für
bürgerliche Kleidung als unverzichtbare Aufwendungen der
Lebensführung nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG
grundsätzlich nicht abziehbar. Anderes gilt nur für
„typische Berufskleidung“, die
nicht auch zu privaten Anlässen getragen werden kann.
Letzteres ist im Streitfall zu verneinen, wobei der Senat zur
Vermeidung von Wiederholungen auf dieses BFH-Urteil verweist.
|
|
|
13
|
Der hieran geäußerten Kritik (vgl.
Strahl, Neue Wirtschafts-Briefe 2022, 1823), wonach Aufwendungen
für bürgerliche Kleidung nur dann vom
Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sind, wenn sie nach den
Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum zu
berücksichtigen seien (Beschluss des Großen Senats des
BFH vom 21.09.2009 - GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 =
SIS 10 00 37, unter C.III.4.a), zumal schwarze Anzüge
außerhalb einer beruflichen Tätigkeit kaum getragen
würden, ist nicht zu folgen. Denn unter Berücksichtigung
der vom Großen Senat des BFH vorgenommenen Wertungen ist
davon auszugehen, dass der Begriff der typischen Berufskleidung nur
Kleidungsstücke umfasst, die nach ihrer Beschaffenheit
objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche
Nutzung bestimmt und geeignet sind, woran es fehlt, wenn ihre
Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des
Möglichen und Üblichen liegt (zutreffend Schiffers, DStZ
2022, 496, 497; vgl. auch Kanzler, FR 2022, 844).
|
|
|
14
|
2. Der Senat kann offenlassen, ob das Abzugsverbot des § 15 Abs.
1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG unionsrechtskonform
ist (vgl. hierzu FG München vom 23.02.2006 - 14 K 3585/03,
EFG 2006, 1018 = SIS 06 24 19; Oelmaier in Sölch/Ringleb,
Umsatzsteuer, § 15 Rz 639; Heinrichshofen in
Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 15 Abs. 1a Rz
162). In Betracht kommt dabei, dass das Abzugsverbot entweder gegen
die sog. Stillhalteklausel des Art. 176 Abs. 2 der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) verstößt, wonach bis
zum Inkrafttreten der Bestimmungen i.S. des Art. 176 Abs. 1
MwStSystRL die Mitgliedstaaten (nur) alle Ausschlüsse des
Vorsteuerabzugs beibehalten können, die (bereits) am
01.01.1979 vorgesehen waren, oder dass die Nichtabziehbarkeit der
Vorsteuerbeträge Art. 176 Abs. 1 Satz 2 MwStSystRL entspricht,
wonach in jedem Fall diejenigen Ausgaben vom Recht auf
Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden, die keinen streng
geschäftlichen Charakter haben (wie Luxusausgaben, Ausgaben
für Vergnügungen und
Repräsentationsaufwendungen).
|
|
|
15
|
Denn die Kläger haben sich nicht auf die
Bestimmungen der MwStSystRL berufen. Dies wäre jedenfalls nach
den Verhältnissen des Streitfalls erforderlich gewesen, da im
Trennungs- und Verweisungsbeschluss vom 13.12.2021 - VIII R 33/18
ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Ausschluss des
Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12
Nr. 1 EStG zumindest in Teilen des Schrifttums für
unionsrechtswidrig gehalten wird. Bei dieser Sachlage ist es dem
Senat verwehrt, eine Berufung der Kläger auf das für sie
unter Umständen günstigere Unionsrecht zu unterstellen
(zum Berufungsrecht vgl. z.B. Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union - EuGH - Becker vom 19.01.1982 - C 8/81,
EU:C:1982:7 = SIS 82 04 19, Rz 49;
BFH-Urteile vom 19.02.2004 - V R 39/02, BFHE 205, 329, BStBl II
2004, 672 = SIS 04 22 08, Rz 45; vom 10.02.2005 - V R 76/03, BFHE
208, 507, BStBl II 2005, 509 = SIS 05 17 28, Rz 46; vom 11.10.2007
- V R 69/06, BFHE 219, 287 = SIS 08 05 57, Rz 34; vom 20.03.2014 -
V R 25/11, BFHE 245, 286, BStBl II 2020, 821 = SIS 14 15 61, Rz 23;
vom 17.03.2022 - XI R 23/21, BFH/NV 2022, 1016 = SIS 22 12 51, Rz
15).
|
|
|
16
|
3. Der Kläger ist auch nicht insoweit zum
Vorsteuerabzug berechtigt, als er der Klägerin als seiner
Arbeitnehmerin schwarze Kleidung zur Ausübung ihrer
Tätigkeit überließ.
|
|
|
17
|
Soweit der Kläger Leistungen bezogen hat,
um seiner Arbeitnehmerin neben dem Barlohn auch Sachlohn
zuzuwenden, liegt kein tauschähnlicher Umsatz i.S. des §
3 Abs. 12 Satz 2 UStG vor, bei dem die Arbeitsleistung der
Klägerin durch Lohnzahlung und zusätzlich durch eine
Sachzuwendung vergütet wurde. Denn es handelt sich vorliegend
um einseitige Sachzuwendungen, die ohne Bezug zum Umfang der durch
den Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und
unabhängig von dem hierfür bezogenen Lohn erfolgten, und
die daher kein Entgelt für eine Arbeitsleistung sind (vgl.
hierzu EuGH-Urteil Fillibeck vom 16.10.1997 - C-258/95,
EU:C:1997:491 = SIS 97 23 47, Rz
16 f.; BFH-Urteile vom 09.12.2010 - V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl
II 2012, 53 = SIS 11 06 15, Rz 34; vom 29.01.2014 - XI R 4/12, BFHE
244, 131 = SIS 14 10 52, Rz 51). Nach den tatsächlichen
Feststellungen des FG ist im Streitfall der für einen
tauschähnlichen Umsatz erforderliche Bezug zur Arbeitsleistung
der Klägerin (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2022 - V R 25/21,
BFH/NV 2022, 1258 = SIS 22 16 32, Rz 18 und 27)
auszuschließen.
|
|
|
18
|
Liegt somit eine unentgeltliche Abgabe der
Bekleidung an die Klägerin vor, die der Kläger bereits
beim Leistungsbezug beabsichtigte, handelt es sich um eine
Verwendung i.S. von § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG für den
privaten Bedarf seines Personals, die dem Vorsteuerabzug
entgegensteht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53
= SIS 11 06 15, Rz 17, 20, 22; in BFHE 244, 131 = SIS 14 10 52, Rz
52). Die unternehmerischen Gründe des Klägers für
die Überlassung wie auch sein eigenbetriebliches Interesse
(vgl. z.B. BFH-Urteile vom 06.06.2019 - V R 18/18, BFHE 265, 538,
BStBl II 2020, 293 = SIS 19 15 05; vom
16.12.2020 - XI R 26/20 (XI R 28/17), BFHE 272, 240 = SIS 21 07 67, Rz 38) ändern daran nichts,
weil der Vorteil der Klägerin nicht als nebensächlich
oder untergeordnet erscheint.
|
|
|
19
|
4. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis der Beteiligten, das nach der Abgabe an den
Senat erklärt wurde, ohne mündliche Verhandlung durch
Urteil (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).
|
|
|
20
|
5. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|