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Kein Vorsteuerabzug für bürgerliche Kleidung

Kein Vorsteuerabzug für bürgerliche Kleidung: Der Vorsteuerabzug für bürgerliche Kleidung des Unternehmers ist nach § 15 Abs. 1 a Satz 1 UStG ausgeschlossen, soweit es sich bei den hierfür aufgewendeten Beträgen um unverzichtbare Aufwendungen für die private Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG handelt (Anschluss an BFH-Urteil vom 16.3.2022 - VIII R 33/18, BFHE 276 S. 120, BStBl 2022 II S. 614 = SIS 22 10 05). Es bleibt offen, ob das Abzugsverbot nach § 15 Abs. 1 a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG unionsrechtskonform ist. - Urt.; BFH 24.8.2022, XI R 3/22; SIS 23 00 23

Kapitel:
Unternehmensbereich > Umsatzsteuer > Vorsteuerabzug
Fundstellen
  1. BFH 24.08.2022, XI R 3/22 (ECLI:DE:BFH:2022:U.240822.XIR3.22.0)
    BStBl 2023 II S. 936
    DStR 2023 S. 93

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 29.9.2023
    J. H. in StuB 3/2023 S. 149
    E. Hoeveler in UR 4/2023 S. 163
    H. Jacobs in MwStR 5/2023 S. 183
    L. Joost/M. Szabó in UVR 4/2023 S. 98
    K.K. in kösdi 2/2023 S. 23086
    T. Köster in DStZ 6/2023 S. 193
    Ch. Levedag in GmbHR 7/2023 S. R 105
    B. Rätke in BBK 6/2023 S. 248
    A. Treiber in DStR 3/2023 S. 93
    A. Treiber in BFH/PR 4/2023 S. 117
Normen
[EStG] § 12 Nr. 1
[RL 2006/112/EG] Art. 176 Abs. 2
[UStG] § 3 Abs. 9 a, § 3 Abs. 12 Satz 2, § 15 Abs. 1 a Satz 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Berlin-Brandenburg, 29.08.2018, SIS 18 18 25, Vorsteuerabzug, Berufskleidung, Private Lebensführung, Trauerredner
Zitiert in... / geändert durch...
  • BMF 24.1.2024, SIS 24 01 38, Unentgeltliche Zuwendungen und Vorsteuerabzug, Folgen aus dem BFH-Urteil vom 16.12.2020 XI R 26/20 (XI R ...
  • BMF 22.12.2023, SIS 23 21 27, Umsatzsteuer-Anwendungserlass; Änderungen zum 31. Dezember 2023 (Einarbeitung von Rechtsprechung und reda...

Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 29.08.2018 - 3 K 3278/15 = SIS 18 18 25 werden als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des jeweiligen Revisionsverfahrens haben der Kläger und die Klägerin zu tragen.

 

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger und Revisionskläger (Kläger) als Trauerredner den Vorsteuerabzug aus Eingangsrechnungen für Anschaffungs- und Reinigungskosten von Kleidung beanspruchen können oder ob dem das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegensteht.

 

 

2

Die in den Jahren 2008 bis 2010 (Streitjahre) miteinander verheirateten Kläger waren als Trauerredner und Trauerbegleiter tätig. Die Klägerin übte diese Tätigkeit bis einschließlich September 2008 unternehmerisch aus. Danach war sie im Unternehmen des Klägers als Angestellte nichtselbständig tätig. Die Klägerin zog in ihren Anmeldungen für das Streitjahr 2008 und der Kläger in seinen Anmeldungen für alle Streitjahre die in Rechnungen für die Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von Kleidung (u.a. Anzüge, Hemden, Röcke, Kleider, Mäntel, Blusen, Pullover, Hosen, Jacken, Krawatten, Schals, Schuhe) ausgewiesene Steuer als Vorsteuer ab.

 

 

3

Im Anschluss an Außenprüfungen bei den Klägern gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA - ) zu der Auffassung, dass diese Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbar seien. Auf Grund der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 01.04.2014 gegenüber der Klägerin den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid 2008 und gegenüber dem Kläger Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für sämtliche Streitjahre; die den Kläger betreffenden Bescheide wurden durch Bescheide vom 15.04.2014 berichtigt. Die gegen die Änderungsbescheide erhobenen Einsprüche der Kläger wies das FA mit jeweiliger Einspruchsentscheidung vom 01.10.2015 als unbegründet zurück.

 

 

4

Im anschließenden Klageverfahren machten die Kläger die streitigen Vorsteuerbeträge jeweils nur noch zur Hälfte geltend. Die - auch wegen Einkommensteuer erhobene - Klage wies das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 29.08.2018 - 3 K 3278/15 (EFG 2018, 1940 = SIS 18 18 25) ab, weil es sich um Kosten der privaten Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG handele.

 

 

5

Hiergegen haben die Kläger wegen Einkommen- und Umsatzsteuer der Streitjahre jeweils Revision eingelegt, die beim VIII. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) unter dem Aktenzeichen VIII R 33/18 geführt wurde. Mit Beschluss vom 13.12.2021 - VIII R 33/18 wurden das Verfahren der Klägerin wegen Umsatzsteuer 2008 und das des Klägers wegen Umsatzsteuer 2008 bis 2010 abgetrennt und an den erkennenden Senat verwiesen, wo sie das Aktenzeichen XI R 3/22 erhielten.

 

 

6

Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,

 

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 01.10.2015 die Umsatzsteuerbescheide vom 15.04.2014 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2008 um 58,95 EUR, die Umsatzsteuer 2009 um 133,32 EUR und die Umsatzsteuer 2010 um 120,99 EUR niedriger festgesetzt wird.

 

 

8

Die Klägerin beantragt,

 

unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung vom 01.10.2015 den Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 01.04.2014 dahingehend zu ändern, dass die Steuer auf 3.137,95 EUR festgesetzt wird.

 

 

9

Das FA beantragt,

 

die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

10

II. Die Revisionen sind unbegründet; sie sind daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen betreffend Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von Kleidung nicht abziehbar sind.

 

 

11

1. Nicht abziehbar sind nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG Vorsteuerbeträge, die auf Aufwendungen entfallen, für die das Abzugsverbot des § 12 Nr. 1 EStG gilt. Nach dem durch die Verweisung des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG in Bezug genommenen § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG erfasst das Abzugsverbot Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

 

 

12

Bei den Aufwendungen der Kläger handelt es sich um derartige Aufwendungen i.S. des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. Denn nach dem zwischen den Beteiligten zur Einkommensteuer ergangenen BFH-Urteil vom 16.03.2022 - VIII R 33/18 (BFHE 276, 120, BStBl II 2022, 614 = SIS 22 10 05, Rz 12 bis 23) sind Aufwendungen für bürgerliche Kleidung als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG grundsätzlich nicht abziehbar. Anderes gilt nur für „typische Berufskleidung“, die nicht auch zu privaten Anlässen getragen werden kann. Letzteres ist im Streitfall zu verneinen, wobei der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses BFH-Urteil verweist.

 

 

13

Der hieran geäußerten Kritik (vgl. Strahl, Neue Wirtschafts-Briefe 2022, 1823), wonach Aufwendungen für bürgerliche Kleidung nur dann vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen sind, wenn sie nach den Vorschriften über das steuerliche Existenzminimum zu berücksichtigen seien (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.09.2009 - GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672 = SIS 10 00 37, unter C.III.4.a), zumal schwarze Anzüge außerhalb einer beruflichen Tätigkeit kaum getragen würden, ist nicht zu folgen. Denn unter Berücksichtigung der vom Großen Senat des BFH vorgenommenen Wertungen ist davon auszugehen, dass der Begriff der typischen Berufskleidung nur Kleidungsstücke umfasst, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet sind, woran es fehlt, wenn ihre Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt (zutreffend Schiffers, DStZ 2022, 496, 497; vgl. auch Kanzler, FR 2022, 844).

 

 

14

2. Der Senat kann offenlassen, ob das Abzugsverbot des § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG unionsrechtskonform ist (vgl. hierzu FG München vom 23.02.2006 - 14 K 3585/03, EFG 2006, 1018 = SIS 06 24 19; Oelmaier in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 15 Rz 639; Heinrichshofen in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 15 Abs. 1a Rz 162). In Betracht kommt dabei, dass das Abzugsverbot entweder gegen die sog. Stillhalteklausel des Art. 176 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) verstößt, wonach bis zum Inkrafttreten der Bestimmungen i.S. des Art. 176 Abs. 1 MwStSystRL die Mitgliedstaaten (nur) alle Ausschlüsse des Vorsteuerabzugs beibehalten können, die (bereits) am 01.01.1979 vorgesehen waren, oder dass die Nichtabziehbarkeit der Vorsteuerbeträge Art. 176 Abs. 1 Satz 2 MwStSystRL entspricht, wonach in jedem Fall diejenigen Ausgaben vom Recht auf Vorsteuerabzug ausgeschlossen werden, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben (wie Luxusausgaben, Ausgaben für Vergnügungen und Repräsentationsaufwendungen).

 

 

15

Denn die Kläger haben sich nicht auf die Bestimmungen der MwStSystRL berufen. Dies wäre jedenfalls nach den Verhältnissen des Streitfalls erforderlich gewesen, da im Trennungs- und Verweisungsbeschluss vom 13.12.2021 - VIII R 33/18 ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 1a Satz 1 UStG i.V.m. § 12 Nr. 1 EStG zumindest in Teilen des Schrifttums für unionsrechtswidrig gehalten wird. Bei dieser Sachlage ist es dem Senat verwehrt, eine Berufung der Kläger auf das für sie unter Umständen günstigere Unionsrecht zu unterstellen (zum Berufungsrecht vgl. z.B. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union - EuGH - Becker vom 19.01.1982 - C 8/81, EU:C:1982:7 = SIS 82 04 19, Rz 49; BFH-Urteile vom 19.02.2004 - V R 39/02, BFHE 205, 329, BStBl II 2004, 672 = SIS 04 22 08, Rz 45; vom 10.02.2005 - V R 76/03, BFHE 208, 507, BStBl II 2005, 509 = SIS 05 17 28, Rz 46; vom 11.10.2007 - V R 69/06, BFHE 219, 287 = SIS 08 05 57, Rz 34; vom 20.03.2014 - V R 25/11, BFHE 245, 286, BStBl II 2020, 821 = SIS 14 15 61, Rz 23; vom 17.03.2022 - XI R 23/21, BFH/NV 2022, 1016 = SIS 22 12 51, Rz 15).

 

 

16

3. Der Kläger ist auch nicht insoweit zum Vorsteuerabzug berechtigt, als er der Klägerin als seiner Arbeitnehmerin schwarze Kleidung zur Ausübung ihrer Tätigkeit überließ.

 

 

17

Soweit der Kläger Leistungen bezogen hat, um seiner Arbeitnehmerin neben dem Barlohn auch Sachlohn zuzuwenden, liegt kein tauschähnlicher Umsatz i.S. des § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG vor, bei dem die Arbeitsleistung der Klägerin durch Lohnzahlung und zusätzlich durch eine Sachzuwendung vergütet wurde. Denn es handelt sich vorliegend um einseitige Sachzuwendungen, die ohne Bezug zum Umfang der durch den Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung und unabhängig von dem hierfür bezogenen Lohn erfolgten, und die daher kein Entgelt für eine Arbeitsleistung sind (vgl. hierzu EuGH-Urteil Fillibeck vom 16.10.1997 - C-258/95, EU:C:1997:491 = SIS 97 23 47, Rz 16 f.; BFH-Urteile vom 09.12.2010 - V R 17/10, BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53 = SIS 11 06 15, Rz 34; vom 29.01.2014 - XI R 4/12, BFHE 244, 131 = SIS 14 10 52, Rz 51). Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist im Streitfall der für einen tauschähnlichen Umsatz erforderliche Bezug zur Arbeitsleistung der Klägerin (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2022 - V R 25/21, BFH/NV 2022, 1258 = SIS 22 16 32, Rz 18 und 27) auszuschließen.

 

 

18

Liegt somit eine unentgeltliche Abgabe der Bekleidung an die Klägerin vor, die der Kläger bereits beim Leistungsbezug beabsichtigte, handelt es sich um eine Verwendung i.S. von § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG für den privaten Bedarf seines Personals, die dem Vorsteuerabzug entgegensteht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 232, 243, BStBl II 2012, 53 = SIS 11 06 15, Rz 17, 20, 22; in BFHE 244, 131 = SIS 14 10 52, Rz 52). Die unternehmerischen Gründe des Klägers für die Überlassung wie auch sein eigenbetriebliches Interesse (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 06.06.2019 - V R 18/18, BFHE 265, 538, BStBl II 2020, 293 = SIS 19 15 05; vom 16.12.2020 - XI R 26/20 (XI R 28/17), BFHE 272, 240 = SIS 21 07 67, Rz 38) ändern daran nichts, weil der Vorteil der Klägerin nicht als nebensächlich oder untergeordnet erscheint.

 

 

19

4. Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten, das nach der Abgabe an den Senat erklärt wurde, ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).

 

 

20

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.