Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19.11.2021 - 7 K
169/21 = SIS 22 11 34 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 19.11.2021 - 7 K
169/21 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Der Kläger, Revisionskläger
und Revisionsbeklagte (Kläger) veranstaltete Musik-Festivals.
Er engagierte Künstler und Produktionsgesellschaften, deren
Gagen dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) unterlagen. Als
Vergütungsschuldner war der Kläger für die Steuer
einbehaltungs-, anmeldungs- und abführungspflichtig. Die
Steueranmeldungen reichte er zunächst beim Finanzamt …
(FA A) ein, ab dem Jahr 2014 beim Bundeszentralamt für Steuern
(BZSt).
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Am 15.09.2015 ordnete das für die
Besteuerung des Klägers zuständige Wohnsitzfinanzamt -
der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (FA) -
eine Lohnsteuer-Außenprüfung an. Die Anordnung
erstreckte sich auf den Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 EStG
für die Jahre 2012 bis 2014. Am 30.05.2016 erließ das FA
eine weitere Anordnung für eine
Lohnsteuer-Außenprüfung, die ebenfalls die
Durchführung des Steuerabzugs gemäß § 50a Abs.
1 EStG umfasste, und zwar für das Jahr 2015.
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Gegen die Prüfungsanordnungen legte
der Kläger keinen Einspruch ein.
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Im Rahmen beider Prüfungen
erließ das FA A gegen den Kläger einen Haftungsbescheid
wegen nicht ordnungsgemäß einbehaltener und
abgeführter Steuern gemäß § 50a Abs. 1 EStG
für die Jahre 2012 und 2013. Mit einem weiteren Bescheid erhob
das BZSt vom Kläger rückständige Steuern für
die Jahre 2014 und 2015 nach. Gegen beide Bescheide sind seit dem
Jahr 2018 Klagen vor dem Niedersächsischen Finanzgericht - FG
- (Haftungsbescheid) und dem Finanzgericht Köln
(Nacherhebungsbescheid) anhängig. In beiden Verfahren
führt der Kläger an, die Prüfungsanordnungen seien
von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden
und deshalb nichtig. Die Nichtigkeit führe zu einem
Verwertungsverbot hinsichtlich der
Prüfungsfeststellungen.
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Im Jahr 2021 erhob der Kläger die
vorliegende Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen die
Prüfungsanordnungen. Das FG gab der Klage, die es für
zulässig hielt, teilweise statt (EFG 2022, 1004 = SIS 22 11 34). Es entschied, für die Jahre 2014 und 2015 sei das BZSt
für eine Außenprüfung über die
Durchführung des Steuerabzugs nach § 50a Abs. 1 EStG
sachlich zuständig gewesen; insoweit seien beide
Prüfungsanordnungen nichtig. Für die Jahre 2012 und 2013
sei zwar nicht das beklagte FA, sondern das FA A zuständig
gewesen. Dieser Zuständigkeitsmangel lasse aber insoweit die
Wirksamkeit der Prüfungsanordnung vom 15.09.2015
unberührt, da beide Finanzämter verbandsmäßig
auf derselben Verwaltungsstufe stünden.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung von § 41 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Kläger habe kein berechtigtes Interesse an der
Feststellung einer Nichtigkeit.
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Das FA beantragt,
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das angefochtene Urteil insoweit
aufzuheben, als der Klage stattgegeben wurde und die Klage
insgesamt abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision des FA
zurückzuweisen.
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Der Kläger meint, er habe wegen des
von ihm erstrebten Verwertungsverbots ein berechtigtes Interesse an
der Feststellung der Nichtigkeit der Prüfungsanordnungen. Bei
einer inzidenten Prüfung der Nichtigkeit in den beiden gegen
den Haftungs- und den Nacherhebungsbescheid geführten
Klageverfahren drohten divergierende Entscheidungen. Eine
vorgreifliche Nichtigkeitsfeststellung sei
prozessökonomisch.
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Mit seiner eigenen Revision führt der
Kläger an, das FG habe Bundesrecht verletzt, als es die
Prüfungsanordnung vom 15.09.2015 nicht auch für die Jahre
2012 und 2013 als nichtig gewertet habe.
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Der Kläger beantragt,
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das angefochtene Urteil insoweit
aufzuheben, als der Klage nicht stattgegeben wurde und der Klage
insgesamt stattzugeben.
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Das FA beantragt,
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die Revision des Klägers
zurückzuweisen.
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Das FA hat an der mündlichen
Verhandlung aufgrund antragsgemäßer Gestattung des
Senatsvorsitzenden mittels Videoverhandlung teilgenommen. Auf
Antrag des Klägers hat der Senat in der mündlichen
Verhandlung die Öffentlichkeit gemäß § 52 Abs.
2 FGO ausgeschlossen.
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II. 1. Der vom Kläger in der Sitzung am
11.03.2025 (nochmals) gestellte Antrag, den Termin zur - bereits
eröffneten - mündlichen Verhandlung aufzuheben und zu
späterer Zeit in beiderseitiger Präsenz der Beteiligten
mündlich zu verhandeln, war abzulehnen. Der Kläger hat
keine erheblichen Gründe vorgebracht, die eine
Terminsänderung gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m.
§ 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) gerechtfertigt
hätten. Insoweit wird auf das Schreiben des Senatsvorsitzenden
vom 10.03.2025, mit dem bereits ein entsprechender
Terminsverlegungsantrag des Klägers vom 06.03.2025 abgelehnt
wurde, Bezug genommen.
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2. Die ausschließlich mit technischen
und datenschutzrechtlichen Erwägungen begründeten
Einwendungen des Klägers gegen die auf § 155 Satz 1 FGO
i.V.m. § 128a Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 ZPO beruhende
Videozuschaltung des FA sind vorliegend unbeachtlich. Prozessuale
Verfahrensrechte des Klägers werden hierdurch - selbst wenn
die Einwendungen zuträfen - weder berührt noch
verletzt.
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III. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt im Umfang des stattgebenden Teils der Klage zur
Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und zur vollständigen
Klageabweisung gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO
(dazu unter 1.). Dies hat zur Folge, dass die Revision des
Klägers unbegründet und daher gemäß § 126
Abs. 2 FGO zurückzuweisen ist (unter 2.).
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1. Die angefochtene Entscheidung ist
aufzuheben, soweit das FG festgestellt hat, dass die Anordnung
für eine Außenprüfung betreffend den Steuerabzug
gemäß § 50a Abs. 1 EStG vom 30.05.2016 in
Gänze und die entsprechende Prüfungsanordnung vom
15.09.2015 hinsichtlich des Prüfungsjahres 2014 nichtig
sind.
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a) Das FG-Urteil leidet an dem Rechtsfehler,
die Feststellungsklage als zulässig anzusehen. Es fehlt an
einem für die Feststellung der Nichtigkeit der
Prüfungsanordnungen erforderlichen berechtigten Interesse im
Sinne von § 41 Abs. 1 FGO.
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aa) Durch die Rechtsprechung ist geklärt,
dass ein berechtigtes Interesse für eine Feststellungsklage
sowohl rechtlicher als auch wirtschaftlicher oder ideeller Art sein
kann. Die Feststellung muss geeignet sein, zu einer Verbesserung
der Rechtsposition des Klägers zu führen (Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.09.2022 - X R 7/21, BFHE 278, 254,
BStBl II 2023, 178 = SIS 22 21 67, Rz 32 sowie vom 29.07.2003 - VII
R 39/02, VII R 43/02, BFHE 202, 411, BStBl II 2003, 828 = SIS 03 42 97, unter 2.b, jeweils m.w.N.). Die Rechte des Klägers
müssen ohne gerichtliche Feststellung gefährdet sein. Ein
berechtigtes Interesse besteht dagegen nicht, wenn der Kläger
sein Prozessziel auf anderem Weg schneller, einfacher und billiger
erreichen kann (Senatsurteil vom 20.02.1990 - IX R 83/88, BFHE 160,
391, BStBl II 1990, 789 = SIS 90 18 44, unter 2.). Denn das
Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des
allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses (BFH-Urteil vom
10.02.1987 - VII R 77/84, BFHE 149, 387, BStBl II 1987, 545 = SIS 87 12 51, unter B.I.2., m.w.N.).
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bb) Beruft sich ein Kläger - wie hier -
ausschließlich auf die Nichtigkeit einer
Prüfungsanordnung und sind die Prüfungsfeststellungen
bereits in einem Bescheid ausgewertet, fehlt einer
Nichtigkeitsfeststellungsklage das berechtigte Interesse
(Senatsurteil vom 20.02.1990 - IX R 83/88, BFHE 160, 391, BStBl II
1990, 789 = SIS 90 18 44).
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Der erkennende Senat hat hierfür
prozessökonomische Gesichtspunkte angeführt und
verdeutlicht, dass es keines vorgelagerten gerichtlichen
Feststellungsausspruchs zur Nichtigkeit bedarf, wenn es Ziel des
Steuerpflichtigen ist, in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen einen
der Außenprüfung nachfolgenden Steuerbescheid ein
Verwertungsverbot der Prüfungsfeststellungen zu erreichen.
Anders als bei einer nur rechtswidrigen - aber wirksamen -
Prüfungsanordnung kann der Einwand der Nichtigkeit unmittelbar
im Verfahren gegen den Auswertungsbescheid geführt werden
(vgl. Senatsurteil vom 20.02.1990 - IX R 83/88, BFHE 160, 391,
BStBl II 1990, 789 = SIS 90 18 44, unter 2.; Krumm in Tipke/Kruse,
§ 41 FGO Rz 22). Eine Feststellungsklage ist demnach nur
zulässig, wenn sie benötigt wird und geeignet ist, ein
Verwertungsverbot auszulösen (Seer in Tipke/Kruse, § 196
AO Rz 43; Gosch in Gosch, AO § 196 Rz 182).
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cc) An diesen Rechtsgrundsätzen hält
der Senat fest. Soweit das FG für seine abweichende Ansicht
auf das BFH-Urteil vom 09.11.1994 - XI R 33/93 (BFH/NV 1995, 621 =
SIS 95 09 84) Bezug nimmt, verkennt es, dass jene Entscheidung zu
einer Fallgestaltung erging, in der die Rechtswidrigkeit und eben
nicht die Nichtigkeit der Prüfungsanordnung in Frage stand.
Derselben rechtlichen Fehleinschätzung unterlag das FG
Nürnberg in seinem Urteil vom 14.01.2014 - 1 K 215/13, auf das
in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls Bezug genommen wird
(zutreffend Lutter, EFG 2022, 1009, 1010).
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dd) Die prozessuale Ausgangslage des
Klägers rechtfertigt keine Ausnahme. Eine Gefährdung
seiner Rechte ist trotz des Erlasses mehrerer Auswertungsbescheide
von unterschiedlichen Finanzbehörden nicht erkennbar. Der
Kläger kann sowohl im Haftungs- als auch im
Steuernachforderungsverfahren den Einwand der Nichtigkeit der
Prüfungsanordnungen unmittelbar geltend machen, um sein Ziel
eines Verwertungsverbots zu erreichen. Die Tatbestandswirkung einer
mangels Anfechtung bestandskräftig gewordenen
Prüfungsanordnung stünde dem Kläger im Fall deren
Nichtigkeit prozessual nicht im Wege. Ein vorgelagerter
Rechtsschutz auf Feststellung der Nichtigkeit ist somit auch dann
nicht erforderlich, wenn die Auswertungsbescheide von
unterschiedlichen Behörden erlassen wurden. Hieran ändert
auch die vom Kläger und der Vorinstanz benannte Gefahr
divergierender (gerichtlicher) Entscheidungen nichts. Eine solche
Unwägbarkeit genügt nicht, um dem Kläger die
Möglichkeit zu eröffnen, ein der Sache nach nicht
gebotenes zusätzliches gerichtliches Verfahren zu
eröffnen. Dass die Nichtigkeit einer Prüfungsanordnung
für die Frage der Rechtmäßigkeit eines daraufhin
ergangenen Steuerbescheids ein vorgreifliches Rechtsverhältnis
im Sinne von § 74 FGO ist, spielt keine Rolle. Denn nicht
jedes vorgreifliche Rechtsverhältnis vermittelt dem
Kläger das Recht, dessen Nichtigkeit gerichtlich feststellen
zu lassen.
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Der Senat verkennt nicht, dass im
Zivilprozessrecht die Möglichkeit besteht, das Bestehen oder
Nichtbestehen eines im Laufe des Prozesses streitig gewordenen und
entscheidungserheblichen Rechtsverhältnisses gerichtlich
feststellen zu lassen (Zwischenfeststellungsklage, § 256 Abs.
2 ZPO), um auf diese Weise auch ein für den Leistungsausspruch
maßgebliches präjudizielles Rechtsverhältnis in die
Rechtskraft einzubeziehen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl.,
§ 256 Rz 35). Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift
über § 155 Satz 1 FGO scheidet aber aus, da § 41 FGO
eine eigenständige und in sich geschlossene - die
Besonderheiten des steuerlichen Verfahrensrechts beachtende -
Regelung für Feststellungsklagen vorhält (vgl.
Gräber/Teller, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 41 Rz
44 ff.; von Beckerath in Gosch, FGO § 41 Rz 16; Krumm in
Tipke/Kruse, § 41 FGO Rz 31; Steinhauff in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 41 FGO Rz 89 f.;
offengelassen im BFH-Beschluss vom 27.03.1986 - I S 16/85, BFH/NV
1986, 632, unter 1.a).
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b) Fehlt es somit bereits an der
Zulässigkeit der Nichtigkeitsfeststellungsklage, bedarf es
keiner Entscheidung des Senats, ob beziehungsweise in welchem
Umfang die Prüfungsanordnungen nichtig sind.
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2. Die Unzulässigkeit der
Nichtigkeitsfeststellungsklage bedingt, dass der Kläger mit
seiner eigenen Revision nicht durchdringen kann.
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3. Eine Vorlage an das
Bundesverfassungsgericht ist ebenso ausgeschlossen wie ein
Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen
Union. Im Hinblick auf die Unzulässigkeit der
Feststellungsklage sind die vom Kläger aufgeworfenen
verfassungs- und unionsrechtlichen Fragestellungen nicht
entscheidungserheblich.
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4. Die Kostenentscheidungen beruhen auf §
135 Abs. 1 FGO (Revision des FA) und § 135 Abs. 2 FGO
(Revision des Klägers).
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