Die Revision des Klägers gegen das Urteil
des Finanzgerichts Düsseldorf vom 04.10.2018 - 11 K 1921/16 E
= SIS 18 20 03 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Streitig ist u.a. die Wirksamkeit eines
nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber dem
Insolvenzverwalter bekannt gegebenen
Einkommensteuerbescheids.
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen
des Herrn … (W). W war im Streitjahr 2014
Alleingesellschafter und Geschäftsführer der …
GmbH (M GmbH), die wiederum Alleingesellschafterin der …
GmbH (K GmbH) war. Die Beteiligung an der K GmbH hatte die M GmbH
zum einen über Gesellschafterdarlehen von W, die dieser
seinerseits über persönlich aufgenommene Darlehen bei der
X-Bank refinanziert hatte, sowie zum anderen durch die Einlage der
still beteiligten Z-Beteiligungsgesellschaft mbH finanziert;
für die Rückzahlung der Einlage hatten W und die K GmbH
gemeinsam eine Garantieverpflichtung übernommen.
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Im Dezember 2014 meldete die K GmbH
Insolvenz an; das Insolvenzverfahren wurde im Februar 2015
eröffnet. Die im Dezember 2014 beantragte Eröffnung des
Insolvenzverfahrens für die M GmbH wurde durch Beschluss im
Februar 2015 mangels Masse abgelehnt.
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Die X-Bank nahm W mit Schreiben vom
29.12.2014 für die Refinanzierungsdarlehen in Höhe von
1.148.485 EUR in Anspruch. Über das Vermögen des W wurde
sodann aufgrund seines Antrags von Januar 2015 im April 2015 das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als
Insolvenzverwalter bestellt. Schließlich nahm die
Z-Beteiligungsgesellschaft mbH mit Schreiben vom 05.05.2015 W
aufgrund der Garantieerklärung in Höhe von 274.239,58 EUR
in Anspruch.
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Im August 2015 reichte der Kläger eine
von ihm selbst sowie von W und dessen Ehefrau unterschriebene
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beim
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) ein. Das FA
setzte die Einkommensteuer für 2014 mit Bescheid vom
23.12.2015 erklärungsgemäß in Höhe von 28.942
EUR fest. Unter Berücksichtigung einbehaltener Lohnsteuer
sowie Kapitalertragsteuer ergab sich ein Erstattungsbetrag in
Höhe von 2.454 EUR. Das FA gab den Bescheid u.a. dem
Kläger bekannt. Der vom Kläger eingelegte Einspruch blieb
erfolglos. Die anschließende Klage wies das Finanzgericht
(FG) mit dem in EFG 2018, 2055 = SIS 18 20 03 veröffentlichten Urteil als unbegründet
ab.
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Hiergegen wendet sich der Kläger mit
der Revision. Nach seiner Auffassung dürfe das FA nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich keine
Bescheide mehr erlassen. Gleichwohl erlassene Bescheide seien
nichtig. Dies gelte für sämtliche Steuerfestsetzungen,
ungeachtet der Frage, ob sich nach Anrechnung von
Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen eine Zahllast ergebe
oder nicht. Zudem sei der Verlust aus der Beteiligung an der M GmbH
bereits im Streitjahr 2014 zu berücksichtigen. Die
Gesellschaft sei mit Beschluss von Dezember 2014 aufgelöst
worden; zu diesem Zeitpunkt sei sie bereits vermögenslos
gewesen.
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Der Kläger beantragt,
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das FG-Urteil, den Einkommensteuerbescheid
vom 23.12.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 30.05.2016
aufzuheben,
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hilfsweise, das FG-Urteil aufzuheben und
den Einkommensteuerbescheid vom 23.12.2015 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 30.05.2016 dahingehend abzuändern,
dass die Einkommensteuer auf 0 EUR festgesetzt wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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Das FA hält den
Einkommensteuerbescheid für wirksam. Auf der Grundlage
formloser Mitteilungen könnten keine Steuererstattungen
vorgenommen werden. Der Berücksichtigung eines
Auflösungsverlusts nach § 17 Abs. 4 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) stehe entgegen, dass das
angefochtene Urteil keine Feststellungen zu dem vom Kläger
behaupteten Auflösungsbeschluss von Dezember 2014 enthalte;
unabhängig davon hätten weder die Höhe des
zugeteilten bzw. zurückgezahlten Vermögens auf der Ebene
der M GmbH noch die Höhe der nachträglichen
Anschaffungskosten des Gesellschafters im Streitjahr festgestanden.
Im Übrigen könne aufgrund der zwischenzeitlich erteilten
Restschuldbefreiung kein Verlust nach § 17 EStG
berücksichtigt werden, da W für die Verbindlichkeiten
nicht mehr einzustehen habe; dies sei nach Maßgabe des auch
im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 17 EStG Geltung
beanspruchenden Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.12.2016 -
X R 4/15 (BFHE 256, 392, BStBl II 2017, 786 = SIS 16 28 60)
rückwirkend zum Gewinnermittlungsstichtag zu
berücksichtigen.
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Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist dem Rechtsstreit beigetreten. Es entspreche der Auffassung der
Finanzverwaltung, dass ein Steuerbescheid auch nach Eröffnung
des Insolvenzverfahrens ohne Antrag des Insolvenzverwalters
erlassen werden könne, wenn sich - auch bei positiver
Steuerfestsetzung nach Berücksichtigung geleisteter
(Voraus-)Zahlungen und/oder von anzurechnenden
Steuerabzugsbeträgen - ein Erstattungsbetrag ergebe und der
Bescheid nicht abstrakt geeignet sei, sich auf anzumeldende
Steuerforderungen auszuwirken. Eine derartige abstrakte Eignung
ergebe sich nicht bereits aus dem Umstand, dass durch eine
(denkbare) spätere Änderung - etwa im Fall einer
rechtswidrig überhöhten Steueranrechnung - eine
anzumeldende Insolvenzforderung entstehen könne. Denn auch
diese Änderung unterliege den insolvenzrechtlichen
Einschränkungen mit der Folge, dass die Insolvenzforderung im
Wege der Anmeldung zur Tabelle geltend zu machen sei.
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Das BMF hat keinen Antrag gestellt.
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II. Die Revision ist hinsichtlich des Haupt-
und Hilfsantrags unbegründet und daher zurückzuweisen
(§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der
Kläger war zur Erhebung der Klage befugt (dazu unter 1.). Das
FG hat zutreffend entschieden, dass das FA den angefochtenen
Einkommensteuerbescheid erlassen durfte (dazu unter 2.). Der
Bescheid ist auch materiell rechtmäßig (dazu unter
3.).
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1. Der Kläger war als Insolvenzverwalter
über das Vermögen des W zur Erhebung der Klage befugt
(§ 40 Abs. 2 FGO). Die Verfügungsbefugnis des
Insolvenzverwalters (§ 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung - InsO -
) umfasst auch die Wahrnehmung der Interessen der Insolvenzmasse
gegenüber dem FA (vgl. BFH-Urteil vom 10.12.2008 - I R 41/07,
BFH/NV 2009, 719 = SIS 09 12 32, m.w.N.).
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2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nicht nichtig ist.
Das FA war nicht aufgrund von § 251 Abs. 2 der Abgabenordnung
(AO) i.V.m. § 87 InsO gehindert, den Einkommensteuerbescheid
zu erlassen. Der Hauptantrag ist daher unbegründet.
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a) Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein
Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders
schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger
Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände
offenkundig ist. Gemäß § 87 InsO, der über die
Verweisung in § 251 Abs. 2 Satz 1 AO auch für das
Besteuerungsverfahren (d.h. das gesamte Festsetzungs- und
Erhebungsverfahren, s. BFH-Urteil vom 17.12.1998 - VII R 47/98,
BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423 = SIS 99 09 29, zur
Konkursordnung) zu beachten ist, können die
Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nur nach den Vorschriften
über das Insolvenzverfahren verfolgen. Daraus hat der BFH in
ständiger Rechtsprechung abgeleitet, dass Steuerbescheide nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr ergehen
dürfen, wenn darin Insolvenzforderungen festgesetzt werden
(vgl. BFH-Urteile vom 24.08.2004 - VIII R 14/02, BFHE 207, 10,
BStBl II 2005, 246 = SIS 05 01 83, zur Rechtslage nach der
Konkursordnung; vom 10.12.2008 - I R 41/07, BFH/NV 2009, 719 = SIS 09 12 32; vom 13.05.2009 - XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II
2010, 11 = SIS 09 25 61). Ebenso dürfen nach Eröffnung
des Insolvenzverfahrens keine Bescheide mehr erlassen werden, in
denen Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe
der zur Tabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen
könnten (vgl. BFH-Urteile vom 02.07.1997 - I R 11/97, BFHE
183, 365, BStBl II 1998, 428 = SIS 98 02 74, und in BFHE 225, 278,
BStBl II 2010, 11 = SIS 09 25 61).
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b) Vielmehr ist der Steuergläubiger
gehalten, Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach
Maßgabe des Insolvenzrechts zur Tabelle anzumelden
(§§ 38, 174 Abs. 1 Satz 1 InsO; § 251 Abs. 3 AO), um
an der gemeinschaftlichen Befriedigung im Insolvenzverfahren
teilzunehmen. Ein förmlicher Steuerbescheid über einen
Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist unwirksam
(vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 719 = SIS 09 12 32, m.w.N.). Dabei
kommt es nicht darauf an, ob sich der Steuerbescheid
tatsächlich auf anzumeldende Steuerforderungen auswirkt.
Entscheidend ist, ob er abstrakt geeignet ist, sich auf
möglicherweise als Insolvenzforderungen anzumeldende
Steueransprüche auszuwirken (vgl. BFH-Urteil vom 18.12.2002 -
I R 33/01, BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630 = SIS 03 23 23).
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c) Eine solche abstrakte Eignung fehlt
grundsätzlich Steuerbescheiden, mit denen die Steuer auf 0 EUR
festgesetzt wird (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 719 = SIS 09 12 32; die Neufassung von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG
erfolgte erst durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 08.12.2010,
BGBl I 2010, 1768). Mangels Steuerschuld fehlt es an einem
Vermögensanspruch gegen die Insolvenzmasse, der zur Tabelle
anzumelden wäre (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 719 = SIS 09 12 32, unter II.2.b). Zudem ist eine Steuerfestsetzung auf 0 EUR nicht
zugleich mit der Feststellung des Ausschlusses eines
Erstattungsanspruchs verbunden; denn ein Erstattungsanspruch kann
sich allein auf der Grundlage eines Abrechnungsverfahrens ergeben
(BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 719 = SIS 09 12 32, unter II.3.b
bb).
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d) Ebenso ausgenommen sind
Umsatzsteuerbescheide, mit denen eine negative Steuer festgesetzt
wird und aus denen sich keine Zahllast ergibt (BFH-Urteile in BFHE
225, 278, BStBl II 2010, 11 = SIS 09 25 61; vom 11.12.2013 - XI R
22/11, BFHE 244, 209, BStBl II 2014, 332 = SIS 14 04 57, Rz 21).
Denn damit hat das FA keine Insolvenzforderung, die nach § 87
InsO nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren
verfolgt werden kann, sondern einen Erstattungsbetrag festgesetzt,
der nicht zur Tabelle anzumelden war. Wenn auch nach Abrechnung
keine Zahllast besteht, kann sich aus dem Bescheid unter keinen
Umständen eine zur Tabelle anzumeldende Forderung ergeben
(BFH-Urteil in BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11 = SIS 09 25 61).
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e) Umstritten ist dies hingegen für
Steuerbescheide, sofern eine positive Steuer festgesetzt wird und
sich - wie im Streitfall - eine Steuererstattung nur unter
Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen ergibt.
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aa) Überwiegend wird vertreten, dass
Steuerbescheide auch dann wirksam sind, wenn die Steuerfestsetzung
unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen zu einem
Erstattungs- oder Vergütungsanspruch führt (z.B. Debus/
Hackl, Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht - EWiR - 2019, 151;
Dickhöfer, EFG 2018, 2057; Koenig/Klüger, Abgabenordnung,
4. Aufl., § 251 Rz 42; Jatzke in Hübschmann/Hepp/Spitaler
- HHSp -, § 251 AO Rz 171:
„Steuerentlastungsbescheide“;
Neumann in Gosch, AO § 251 Rz 50 f.; Witfeld, Neue Zeitschrift
für Insolvenz- und Sanierungsrecht - NZI - 2019, 184).
Derartige „Erstattungsbescheide“
seien vor dem Hintergrund der Schutzbedürfnisse im
Insolvenzverfahren nicht geeignet, die Gläubigerinteressen zu
beinträchtigen. Dies entspricht auch der Auffassung der
Finanzverwaltung (s. Abschn. 60 Abs. 2 Satz 3 der
Vollstreckungsanweisung; Anwendungserlass zur Abgabenordnung zu
§ 251 Nr. 4.3.1 Abs. 3).
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bb) Demgegenüber sollen nach anderer
Ansicht auch
„Erstattungsbescheide“ unwirksam
sein (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 719 = SIS 09 12 32, in einem
obiter dictum mit Verweis auf Welzel, DStZ 1999, 559 f.; Klein/
Rüsken, AO, 15. Aufl., § 155 Rz 20f; Roth,
Insolvenzsteuerrecht, 3. Aufl., Rz 3.187). Andernfalls könne
bei einem späteren Streit über die Höhe der
Anrechnung eine durch diesen - ggf. zwischenzeitlich
bestandskräftigen - Steuerbescheid titulierte
Insolvenzforderung entstehen (Welzel, DStZ 1999, 559 f.).
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f) Die Vorinstanz hat unter den besonderen
Umständen des Streitfalls zu Recht erkannt, dass
Steuerbescheide, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
ergehen, wirksam sind, wenn sich unter Berücksichtigung von
Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt. Es
werden auch keine Besteuerungsgrundlagen festgestellt, die die
Höhe von Steuerforderungen beeinflussen, die zur Tabelle
anzumelden sind.
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aa) Im Streitfall fehlt es bereits - auch nach
Ansicht des Klägers - an einer zur Tabelle anzumeldenden
Insolvenzforderung i.S. von § 174 Abs. 1 InsO. Aus Sicht des
Insolvenzrechts ist insofern allein der nach Saldierung von
festgesetzter Steuer und Anrechnungsbeträgen bestehende
Steueranspruch zu beurteilen (vgl. Witfeld, NZI 2019, 184; Kahlert
in Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2.
Aufl., Rz 8.77/8.78; Mohlitz in Bork/Hölzle, Handbuch
Insolvenzrecht, Kap. 23, Steuerrecht in der Insolvenz, Rz 36; Farr,
Die Besteuerung in der Insolvenz, 2005, Rz 297; a.A. Frotscher in
Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 5. Aufl., § 122,
Einkommensteuer im Insolvenzverfahren, Rz 39).
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Geht der Einkommensteuererstattungsanspruch -
wie hier - auf die vom Arbeitslohn des Schuldners einbehaltene
Lohnsteuer zurück, wird der Rechtsgrund für den Anspruch
bereits mit der Abführung der Lohnsteuer gelegt (vgl.
Beschluss des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 12.01.2006 - IX ZB
239/04, Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und
Sanierungsrecht - ZInsO - 2006, 139 = SIS 06 12 89, unter III.3.; BGH-Urteil vom 13.01.2022 - IX ZR 64/21,
Zeitschrift für Wirtschaftsrecht - ZIP - 2022, 332 =
SIS 22 03 08, Rz 10). Der
Erstattungsanspruch steht dann lediglich unter der aufschiebenden
Bedingung, dass am Jahresende die geschuldete Einkommensteuer
geringer ist als die Summe der Anrechnungsbeträge, so dass
sich gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 37 Abs.
2 AO ein Erstattungsanspruch ergibt (BGH-Beschluss in ZInsO 2006,
139 = SIS 06 12 89, unter III.3.;
BGH-Urteil in ZIP 2022, 332 = SIS 22 03 08, Rz 10). Dementsprechend sind die anrechenbaren
Steuerabzugsbeträge - ebenso wie die Einkommensteuer für
den Veranlagungszeitraum vor der Insolvenzeröffnung (vgl. dazu
BFH-Urteile vom 22.05.1979 - VIII R 58/77, BFHE 128, 146, BStBl II
1979, 639 = SIS 79 03 24; vom 09.02.1993 - VII R 12/92, BFHE 170,
300, BStBl II 1994, 207 = SIS 93 20 85; BGH-Beschluss in ZInsO
2006, 139 = SIS 06 12 89, unter
III.3.) - dem Vermögensbereich der Insolvenzforderung
zuzuordnen. Daher ist für die Frage, ob eine (konkret)
anzumeldende Insolvenzforderung besteht, auf den Saldo aus der
festgesetzten Steuer und der durch Steuerabzug erhobenen
Einkommensteuer abzustellen. Ergibt sich aus dem Bescheid keine
Zahllast und dementsprechend auch kein Leistungsgebot (vgl.
Witfeld, NZI 2019, 184), kann sich das FA mit der Festsetzung auch
nicht - entgegen der Vorgabe des § 87 InsO - einen
Vollstreckungstitel verschaffen.
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bb) Aus dem angefochtenen
Einkommensteuerbescheid ergibt sich unter Berücksichtigung der
Anrechnungsbeträge eine Steuererstattung. Einem derartigen
Bescheid fehlt die abstrakte Eignung, sich auf anzumeldende
Steuerforderungen auszuwirken. Denn damit hat das FA keine
Insolvenzforderung festgesetzt, die nach § 87 InsO nur nach
den Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgt werden
kann; der Erstattungsbetrag ist nicht zur Tabelle anzumelden. Das
FA ist nicht Insolvenzgläubiger i.S. des § 87 InsO. Da
sich auch nach Abrechnung keine Zahllast ergibt, kann sich aus dem
Bescheid im Streitfall - wie der Kläger in der mündlichen
Verhandlung bestätigt hat - unter keinen Umständen eine
zur Tabelle anzumeldende Forderung ergeben. Ebenso wenig hat der im
Streitfall in Rede stehende Einkommensteuerbescheid Auswirkungen
auf Folgebescheide; auch eine Verlustfeststellung nach § 10d
Abs. 4 EStG erfolgt nicht. Es ist nicht erkennbar, wieso die
Insolvenzmasse insofern schutzbedürftig sein soll. Derartige
Steuerbescheide sind in Anbetracht der Schutzbedürfnisse im
Insolvenzverfahren folglich nicht geeignet, die
Gläubigerinteressen zu beinträchtigen (vgl. Jatzke in
HHSp, § 251 AO Rz 171; Neumann in Gosch, AO § 251 Rz 50
f.). Der Vorrang des Insolvenzrechts greift schon tatbestandlich
nicht ein, so dass auf die allgemeinen Regelungen der AO
zurückgegriffen werden kann (vgl. Debus/Hackl, EWiR 2019, 151,
152).
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cc) Anders als der Kläger meint, wird die
Rechtsstellung des Insolvenzverwalters durch dieses Ergebnis nicht
eingeschränkt. Begehrt er eine höhere Erstattung, kann er
diese im Einspruchs- bzw. Klageverfahren gegen die
Steuerfestsetzung geltend machen. Auch einem späteren Streit
über die Höhe der Anrechnung (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV
2009, 719 = SIS 09 12 32, unter II.2.a) lässt sich begegnen,
und zwar entweder - wie vom FG, von Teilen der Literatur (Witfeld,
NZI 2019, 184; Dickhöfer, EFG 2018, 2057, 2058) und auch vom
BMF vorgeschlagen - durch eine rückwirkende Änderung der
Steuerfestsetzung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO bzw. eine Erledigung auf andere Weise gemäß §
124 Abs. 2 AO (Entfallen der Befugnis, durch Verwaltungsakt zu
handeln) oder dadurch, dass bereits die Rücknahme (§ 130
AO) und der Widerruf (§ 131 AO) der Anrechnungsverfügung
aufgrund der vorrangigen Regelungen zur InsO gesperrt ist
(„Änderungssperre“). Eine
aus der Änderung der maßgebenden Berechnungsparameter
folgende Zahllast muss jedenfalls - wie dies auch das BMF zu Recht
erkannt hat - als Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle
angemeldet werden (vgl. Neumann in Gosch, AO § 251 Rz 51;
Witfeld, NZI 2019, 184). Hierüber braucht der Senat jedoch
mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zu befinden, da dem
angefochtenen Bescheid - wie dargelegt - die abstrakte Eignung
fehlt, sich auf anzumeldende Insolvenzforderungen auszuwirken.
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Ein Interesse des Insolvenzverwalters, im
Rahmen seiner Amtsführung nicht mit steuerrechtlichen
Prüfungsobliegenheiten konfrontiert zu werden, wird durch
§ 251 Abs. 2 Satz 1 AO, § 87 InsO nicht geschützt;
es ist nicht spezifisch dem Insolvenzverfahren zuzuweisen
(BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 719 = SIS 09 12 32, unter II.3.c).
Entsprechendes gilt für die - vom Kläger geschilderten -
praktischen Schwierigkeiten, denen sich der Insolvenzverwalter bei
Anfechtung eines Steuerbescheids (im frühen Stadium eines
Insolvenzverfahrens) ausgesetzt sehen mag (dazu Roth, a.a.O., Rz
3.197: „Zugzwang, in kurzer Zeit prüfen zu
müssen, ob der Masse nicht ggf. (höhere)
Erstattungsansprüche zustehen“).
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dd) Der Grundsatz, dass verfahrensrechtliche
Regelungen klar und für den Rechtsanwender handhabbar sein und
nicht zu überflüssigen Streitigkeiten führen sollen
(s. BFH-Urteile in BFHE 201, 392, BStBl II 2003, 630 = SIS 03 23 23, unter II.2.c; in BFH/NV 2009, 719 = SIS 09 12 32, unter
II.3.a), steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Durch einen Blick
auf das Leistungsgebot (bzw. die Erstattungsverfügung) des
betreffenden Steuerbescheids (bzw. der Steuerberechnung) kann der
Rechtsanwender - vorbehaltlich einer eventuellen Auswirkung auf
Folgebescheide - leicht und rechtssicher beurteilen, ob ein Vorrang
des Insolvenzrechts besteht (Zahllast), der eine
Forderungsanmeldung zur Insolvenztabelle erfordert, oder eben nicht
(Erstattung auf der Grundlage eines Steuerbescheids).
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3. Der angefochtene Bescheid ist auch
materiell rechtmäßig. Das FG hat in revisionsrechtlich
nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass der vom Kläger
geltend gemachte Auflösungsverlust i.S. des § 17 Abs. 4
EStG im Streitjahr noch nicht entstanden und daher nicht zu
berücksichtigen war. Der Hilfsantrag ist somit ebenfalls
unbegründet.
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a) Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb
gehört auch der Gewinn oder Verlust aus der Auflösung
einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der
letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft zu mindestens 1
% beteiligt war (§ 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 17 Abs. 4
Satz 1 EStG).
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W war Alleingesellschafter der M GmbH, die mit
der Rechtskraft des Beschlusses von Februar 2015, durch den die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt
wurde, aufgelöst worden war (§ 60 Abs. 1 Nr. 5 des
Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter
Haftung).
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b) Die Ermittlung des Gewinns oder Verlusts
aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft erfordert eine
Stichtagsbewertung, die auf den Zeitpunkt der Entstehung des
Gewinns oder Verlusts vorzunehmen ist (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 13.10.2015 - IX R 41/14,
BFH/NV 2016, 385 = SIS 16 02 49; vom 13.03.2018 - IX R 38/16,
BFH/NV 2018, 721 = SIS 18 08 51; BFH-Urteil vom 21.09.1982 - VIII R
140/79, BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289 = SIS 83 07 21).
Maßgebend ist der Zeitpunkt, zu dem bei einer
Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach den
handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert worden ist
(z.B. BFH-Urteile vom 30.06.1983 - IV R 113/81, BFHE 138, 569,
BStBl II 1983, 640 = SIS 83 18 16; vom 02.10.1984 - VIII R 20/84,
BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428 = SIS 85 15 15). Ein Verlust ist
in dem Jahr zu erfassen, in dem mit einer wesentlichen
Änderung des bereits feststehenden Verlusts nicht mehr zu
rechnen ist (z.B. Senatsurteile vom 01.07.2014 - IX R 47/13, BFHE
246, 188, BStBl II 2014, 786 = SIS 14 21 90; in BFH/NV 2016, 385 =
SIS 16 02 49; vom 19.11.2019 - IX R 7/19, BFH/NV 2020, 675 = SIS 20 05 33, Rz 16).
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Ein Auflösungsverlust steht fest, wenn
der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder
zurückgezahlten Vermögens einerseits (§ 17 Abs. 4
Satz 2 EStG) und die Liquidations- und Anschaffungskosten des
Gesellschafters andererseits (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG)
feststehen. Gleiches gilt, wenn sicher ist, dass eine Zuteilung
oder Zurückzahlung von Gesellschaftsvermögen an die
Gesellschafter ausscheidet und wenn die durch die Beteiligung
veranlassten Aufwendungen feststehen (z.B. Senatsurteile in BFHE
246, 188, BStBl II 2014, 786 = SIS 14 21 90; in BFH/NV 2016, 385 =
SIS 16 02 49). Die Frage ist ex ante zu beurteilen;
nachträgliche Ereignisse wie der tatsächliche Ausgang
eines Insolvenzverfahrens sind nicht zu berücksichtigen (z.B.
Senatsurteile vom 02.12.2014 - IX R 9/14, BFH/NV 2015, 666 = SIS 15 07 79; vom 10.05.2016 - IX R 16/15, BFH/NV 2016, 1681 = SIS 16 23 32; in BFH/NV 2020, 675 = SIS 20 05 33, Rz 17).
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Im Fall der Liquidation der Gesellschaft ist
eine Zuteilung oder Zurückzahlung von
Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter
regelmäßig erst dann ausgeschlossen, wenn die
Liquidation abgeschlossen ist (ständige Rechtsprechung, z.B.
Senatsurteile in BFH/NV 2016, 385 = SIS 16 02 49; in BFH/NV 2016,
1681 = SIS 16 23 32; Senatsbeschlüsse vom 20.01.2009 - IX B
179/08, BFH/NV 2009, 756 = SIS 09 12 55; vom 10.02.2009 - IX B
196/08, BFH/NV 2009, 761 = SIS 09 12 61; vom 03.12.2014 - IX B
90/14, BFH/NV 2015, 493 = SIS 15 05 41). Nur ausnahmsweise kann auf
einen früheren Zeitpunkt abgestellt werden, etwa wenn die
Eröffnung des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens mangels Masse
abgelehnt worden ist (BFH-Urteil vom 12.12.2000 - VIII R 22/92,
BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385 = SIS 01 05 18;
BFH-Beschlüsse vom 27.11.1995 - VIII B 16/95, BFH/NV 1996,
406; vom 04.10.2007 - VIII S 3/07 (PKH), BFH/NV 2008, 209 = SIS 08 07 62) oder wenn aus anderen Gründen feststeht, dass die
Gesellschaft bereits im Zeitpunkt eines Auflösungsbeschlusses
vermögenslos war (BFH-Urteil vom 04.11.1997 - VIII R 18/94,
BFHE 184, 374, BStBl II 1999, 344 = SIS 98 04 27). In diesen
Fällen kann die Möglichkeit einer Zuteilung oder
Zurückzahlung von Restvermögen an die Gesellschafter
ausgeschlossen werden (vgl. zum Ganzen Senatsurteile in BFH/NV
2018, 721 = SIS 18 08 51; in BFH/NV 2020, 675 = SIS 20 05 33, Rz
18).
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c) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu
Recht angenommen, dass der vom Kläger geltend gemachte Verlust
aus der Auflösung der M GmbH nicht im Streitjahr entstanden
ist.
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Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
wurde erst im Februar 2015 mangels Masse abgelehnt. Ein
Auflösungsverlust ist nicht bereits im Streitjahr (2014)
entstanden, da es schon an der zivilrechtlichen Auflösung der
M GmbH fehlt. Soweit der Kläger geltend macht, die M GmbH sei
im Dezember 2014 durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst
worden, handelt es sich um von den bindenden Feststellungen des FG
(§ 118 Abs. 2 FGO) abweichendes tatsächliches Vorbringen,
das im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden kann
(vgl. Senatsurteil vom 19.12.2006 - IX
R 44/04, BFHE 216, 255, BStBl II 2008, 216 = SIS 07 11 18; Gräber/Ratschow,
Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 118 Rz 36, m.w.N.). Auch in
dem am selben Tag gestellten Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der M GmbH ist nach
den Feststellungen des FG kein konkludenter
Auflösungsbeschluss zu sehen. Anders als der Kläger
meint, kommt es daher auf die Vermögenslosigkeit der M GmbH
nicht mehr an.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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