Erbauseinandersetzung, Anschaffungskosten: Wird eine Erbengemeinschaft vor dem in der Teilungsanordnung festgelegten Termin durch Realteilung aufgelöst und übernimmt ein Miterbe Schulden, die auf einem für einen anderen Miterben bestimmten Grundstück lasten, so bildet eine solche Schuldübernahme Anschaffungskosten, wenn sie eine Gegenleistung dafür ist, dass der übernehmende Miterbe den ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt zugedachten Grundbesitz vorzeitig aus dem Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft in sein eigenes Vermögen überführen kann. - Urt.; BFH 19.12.2006, IX R 44/04; SIS 07 11 18
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Der Vater des Klägers hatte durch ein 1986
errichtetes Testament den Kläger, die Beigeladene und eine
weitere Tochter (X) gemeinsam als Erben eingesetzt. Die
Erbengemeinschaft sollte bis zum 31.12.1996 bestehen bleiben und
dann so geteilt werden, dass die drei Erben verschiedene näher
bezeichnete Grundstücke erhielten. Bis zur Auflösung der
Erbengemeinschaft sollte der Kläger den gesamten Besitz in
Absprache mit den beiden Töchtern verwalten. Der
Überschuss sollte unter den drei Erben aufgeteilt
werden.
Im Jahr 1987 verstarb der Vater des
Klägers. X schied im Jahr 1989 gegen eine Abfindung aus der
Erbengemeinschaft aus. Nachdem es in der Folgezeit zwischen dem
Kläger und der Beigeladenen zu erheblichen persönlichen
Differenzen gekommen war, lösten sie im Januar 1992 durch
einen notariellen Erbauseinandersetzungsvertrag die
Erbengemeinschaft rückwirkend zum 31.12.1990 auf. Die
Beigeladene erhielt, wie im Testament vorgesehen, das Hotel,
übernahm von den darauf lastenden Verbindlichkeiten jedoch nur
einen Teilbetrag von 160.000 DM. Die restlichen Verbindlichkeiten
(293.456 DM) übernahm der Kläger. Er erhielt den
übrigen im Testament genannten Grundbesitz
einschließlich der darauf lastenden
Verbindlichkeiten.
Der Kläger beantragte vergeblich, den
Betrag der für die Beigeladene übernommenen
Verbindlichkeiten in Höhe von 293.456 DM als Werbungskosten
bei seinen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung
abzuziehen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
- ) berücksichtigte den Betrag im Einkommensteuerbescheid
zunächst als Anschaffungskosten der auf den Kläger
übergegangenen Grundstücke. Im Einspruchsbescheid machte
das FA hingegen die gewährte Absetzung für Abnutzung
(AfA) rückgängig und ließ den Betrag
unberücksichtigt.
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen
erhobene Klage ab (vgl. SIS 05 06 37). Die Übernahme der
Verbindlichkeiten stehe in keinem Zusammenhang mit den
Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung,
sondern berühre die Vermögensebene und sei daher
steuerrechtlich nicht relevant. Der Kläger und die Beigeladene
hätten lediglich die gegenständliche Auseinandersetzung,
die nach dem Testament erst nach dem 31.12.1996 erfolgen sollte,
zeitlich vorgezogen. Sie hätten die vom Erblasser festgelegte
Erbquote dabei aber nicht verändert, sondern lediglich die
durch die vorgezogene Auseinandersetzung bedingten
Veränderungen ausgeglichen.
Dagegen wenden sich die Kläger mit der
Revision. Sie rügen die Verletzung formellen Rechts sowie die
unrichtige Anwendung von § 9 des Einkommensteuergesetzes
(EStG).
Die Kläger beantragen, die
Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1992 vom
31.8.1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9.5.1997 dahin
abzuändern, dass die Einkommensteuer unter
Berücksichtigung weiterer Werbungskosten bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von 293.456 DM
festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Es macht sich die Argumentation der
Vorentscheidung zu Eigen.
Die Beigeladene beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Sie unterstützt die
Vorentscheidung.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF)
ist gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) dem Revisionsverfahren beigetreten. Es ist der Auffassung, im
Streitfall handele es sich um eine überproportionale
Übernahme von Schulden durch einen Miterben zur Angleichung
der Erbteile, welche nach dem Beschluss des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5.7.1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl
II 1990, 837 = SIS 90 21 12) kein Anschaffungsvorgang sei. Auf
welche Motive die überproportionale Übernahme von
Schulden durch einen Miterben zurückzuführen ist - im
Streitfall komme hier das zeitliche Vorziehen der
Erbauseinandersetzung in Betracht -, sei ertragsteuerrechtlich ohne
Bedeutung. Entscheidend sei allein, dass - worauf das FG zutreffend
hingewiesen habe - der Kläger und die Beigeladene die vom
Erblasser festgesetzte Erbquote nicht verändert und auch
tatsächlich den Nachlass entsprechend der vom Erblasser
bestimmten Quote aufgeteilt hätten. Deshalb könne die
Schuldübernahme keine zu Anschaffungskosten führende
Gegenleistung dafür sein, dass der Kläger über den
ihm nach der Teilungsanordnung zugedachten Grundbesitz schon zu
einem früheren Zeitpunkt als ursprünglich vorgesehen habe
verfügen können, zumal er aufgrund der Teilungsanordnung
ohnehin einen unbedingten schuldrechtlichen Anspruch auf die
spätere Übertragung des Grundbesitzes gehabt
habe.
Das BMF hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet. Nach
§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO sind die Vorentscheidung und die
Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben. Die strittigen
Aufwendungen des Klägers sind bei der Ermittlung seiner
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als
Anschaffungskosten der auf ihn bei der Erbauseinandersetzung
übergegangenen Grundstücke zu berücksichtigen.
1. Welche Aufwendungen zu den
Anschaffungskosten zählen, bestimmt sich, soweit § 6 Abs.
1a EStG nicht eingreift, für die Gewinneinkünfte und
Überschusseinkünfte, mithin auch für die
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, nach § 255 des
Handelsgesetzbuchs - HGB - (z.B. BFH-Urteil vom 11.1.2005 IX R
15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477 = SIS 05 21 69, m.w.N.).
Anschaffungskosten sind danach die Aufwendungen, die geleistet
werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in
einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten
und nachträglichen Anschaffungskosten. Sie sind, wenn sie
durch die Erzielung von Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung veranlasst sind, im Rahmen der AfA zu
berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7
EStG).
a) Besteht - wie im Streitfall - eine
Erbengemeinschaft, so können Aufwendungen eines Miterben
Anschaffungskosten sein, wenn er z.B. die Erbanteile aller
übrigen Miterben erwirbt. Wird das Gemeinschaftsvermögen
hingegen im Wege der Auseinandersetzung unter die Miterben
verteilt, so liegt in der Erfüllung des erbrechtlichen
Auseinandersetzungsanspruchs kein Anschaffungsgeschäft.
Vielmehr führt dann der übernehmende Miterbe die
Anschaffungs- und Herstellungskosten des Rechtsvorgängers
fort. Wie sich das dem Miterben entsprechend seiner Erbquote
zugeteilte Nachlassvermögen zusammensetzt, hat keine
Bedeutung. Die wertmäßige Angleichung kann auch dadurch
bewirkt werden, dass der Miterbe Verbindlichkeiten der
Erbengemeinschaft übernimmt; ob dabei sein rechnerischer
Anteil an den Verbindlichkeiten überschritten wird, ist
ebenfalls ohne Belang.
Soweit der Wert des Erlangten den Wert seines
Erbanteils übersteigt, muss der begünstigte Erbe
Ausgleichszahlungen leisten; sie bilden für ihn
Anschaffungskosten (Beschluss des Großen Senats des BFH in
BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837 = SIS 90 21 12 unter C. II. 2.
a).
b) Wird eine Erbengemeinschaft vor dem vom
Erblasser in der Teilungsanordnung festgelegten Termin durch
Realteilung aufgelöst und übernimmt ein Miterbe Schulden,
die auf einem für einen anderen Miterben bestimmten
Grundstück lasten, so bildet eine solche Schuldübernahme
Anschaffungskosten, wenn sie eine Gegenleistung dafür ist,
dass der übernehmende Miterbe den ihm nach der
Teilungsanordnung erst zu einem späteren Zeitpunkt zugedachten
Grundbesitz vorzeitig aus dem Gesamthandsvermögen der
Erbengemeinschaft in sein eigenes Vermögen
überführen und darüber unbeschränkt
verfügen kann. Auch dann erbringt der übernehmende
Miterbe Anschaffungskosten, nämlich Aufwendungen, um den
Grundbesitz i.S. von § 255 Abs. 1 HGB (zu diesem Zeitpunkt) zu
erwerben (vgl. BFH-Urteile vom 28.11.1991 XI R 2/87, BFHE 166, 263,
BStBl II 1992, 381 = SIS 92 06 06; vom 21.7.1992 IX R 72/90, BFHE
169, 317, BStBl II 1993, 486 = SIS 93 03 08). Dass er aufgrund der
Teilungsanordnung einen schuldrechtlichen Anspruch auf
Übertragung des Grundbesitzes zu einem späteren Zeitpunkt
hatte, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Dieser Umstand kann
sich lediglich auf die Höhe der Anschaffungskosten auswirken:
Insoweit kommen als preisbildende Faktoren unter anderem die dem
anderen Miterben entgehenden Einkünfte in Betracht, die dieser
ohne die vorzeitige Auseinandersetzung in der Zeit bis zur
planmäßigen Auflösung der Erbengemeinschaft aus der
gemeinschaftlichen Vermietung der im Nachlass vorhandenen
Immobilien erzielt hätte.
2. Nach diesen Maßstäben ist die
strittige Schuldübernahme des Klägers als
Anschaffungskosten der von ihm in der Erbauseinandersetzung
erworbenen Grundstücke zu beurteilen.
a) Der Kläger hat in Form der teilweisen
Übernahme von Schulden, die auf dem Grundbesitz der
Beigeladenen lasteten, eine Ausgleichsleistung dafür erbracht,
dass er entgegen der Teilungsanordnung um mehrere Jahre
verfrüht den ihm zugedachten Grundbesitz aus dem Nachlass
erwerben konnte.
Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit
Revisionsrügen angegriffen und daher nach § 118 Abs. 2
FGO für das Revisionsgericht bindend sind, haben der
Kläger und die Beigeladene im Jahr 1992 bei der vorgezogenen
Erbauseinandersetzung zwar den Grundbesitz entsprechend der
Teilungsanordnung verteilt, aber die durch die Vorverlegung des
Auseinandersetzungszeitpunkts bedingten Veränderungen
ausgeglichen. Ohne diese Ausgleichsleistungen in Form einer
zusätzlichen Schuldübernahme hätte der Kläger
die für ihn bestimmten Grundstücke zu diesem Zeitpunkt
nicht erwerben können, so dass die zusätzliche
Schuldübernahme die Voraussetzungen des § 255 Abs. 1 HGB
erfüllt.
b) Entgegen der Auffassung der Kläger
kommt ein vollständiger Abzug des strittigen Betrages als
Werbungskosten im Streitjahr nicht in Betracht. Auch wenn die
zusätzliche Schuldübernahme des Klägers im
wirtschaftlichen Ergebnis ganz oder teilweise die der Beigeladenen
entgehenden Mieteinkünfte ersetzen und dem Kläger
entsprechende Einkünfte verschaffen sollte, so beruht sie doch
in erster Linie auf dem vorzeitigen Erwerb der für den
Kläger bestimmten Grundstücke. Dieser Zusammenhang ist
sachnäher und führt zur Verteilung der Aufwendungen in
Form von AfA.
Handelt es sich aber bei dem zusätzlich
übernommenen Schuldbetrag um Anschaffungskosten der
Grundstücke des Klägers, so ist der gesetzliche
AfA-Verteilungszeitraum von 50 Jahren maßgebend. Für
einen kürzeren Verteilungszeitraum, wie ihn die Kläger in
der mündlichen Verhandlung begehrt haben, fehlt es an einer
Rechtsgrundlage.
3. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen
Rechtsauffassung beruht, sowie die Einspruchsentscheidung des FA
sind daher aufzuheben. Damit wird der ursprüngliche
Steuerbescheid vom 31.8.1994 wieder wirksam, in dem das FA den
strittigen Betrag von 293.456 DM bereits als Anschaffungskosten des
Klägers bei der Ermittlung seiner Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung berücksichtigt hatte. Die dort
vorgenommene schätzungsweise Aufteilung der Anschaffungskosten
auf Grund und Boden einerseits und auf die Gebäude
andererseits haben die Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht
bisher nicht beanstandet.
4. Die Beigeladene hat mit Schriftsatz vom
26.1.2007 ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vom
19.12.2006 noch einmal wiederholt und den verwirklichten
Sachverhalt sowie die Rechtslage aus ihrer Sicht dargestellt.
Hieraus ergibt sich kein Grund zur Wiedereröffnung der
mündlichen Verhandlung. Der Senat ist an die nicht mit
durchgreifenden Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen
des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Danach
wurde durch die Übernahme der Verbindlichkeiten lediglich die
durch die vorgezogene Erbauseinandersetzung bedingten
Veränderungen ausgeglichen. Die Ausführungen der
Beigeladenen enthalten hiervon abweichendes neues
tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht
berücksichtigt werden kann.