Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Sächsischen Finanzgerichts vom 2.8.2017 - 1 K 664/14
aufgehoben und die gesonderte Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 02.04.2014 dahingehend geändert,
dass der verbleibende Verlust auf 187.625 EUR festgestellt
wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der
Beklagte zu 5/6 und der Kläger zu 1/6 zu tragen.
1
|
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) erzielte im Streitjahr 2007 Einkünfte aus
Gewerbebetrieb, die er durch Betriebsvermögensvergleich
ermittelte. Er erklärte einen Verlust aus Gewerbebetrieb in
Höhe von 40.371 EUR. Dabei hatte er eine zugeflossene
Investitionszulage von 326.075,27 EUR vom Bilanzgewinn abgezogen,
nicht abziehbare Betriebsausgaben in Höhe von 1.343,90 EUR
hinzugerechnet. Der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen
nach § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) legte er
hingegen einen Gewinn unter Ansatz der Investitionszulage zugrunde.
Folglich erklärte er für das Streitjahr keine nicht
abziehbaren Schuldzinsen.
|
|
|
2
|
Im Rahmen einer Außenprüfung
ließ der Prüfer des Beklagten und Revisionsklägers
(Finanzamt - FA - ) die im Bilanzgewinn, nicht aber im steuerlichen
Gewinn enthaltene Investitionszulage bei der Berechnung der
Über- und Unterentnahmen unberücksichtigt und errechnete
deshalb nicht abziehbare Schuldzinsen von 24.583,62 EUR. Das FA
stellte den verbleibenden Verlustvortrag des Klägers -
ausgehend von einem Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von
18.802 EUR (Verlust nach Außenprüfung von ./. 43.385 EUR
zzgl. 24.583,62 EUR) - auf 182.504 EUR fest.
|
|
|
3
|
Der Kläger erhob nach erfolglosem
Vorverfahren Klage und verlangte, den verbleibenden Verlustvortrag
auf 188.626 EUR festzustellen. Er berechnete nun - weiterhin unter
der Annahme, dass die Investitionszulage im Rahmen des § 4
Abs. 4a EStG gewinnerhöhend anzusetzen sei - nicht abziehbare
Schuldzinsen von 18.461,58 EUR, also 6.121,42 EUR weniger als das
FA.
|
|
|
4
|
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht
(FG) entschied, dass bei der Berechnung der nicht abziehbaren
Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG die Investitionszulage
berücksichtigt werden müsse. Der Gewinn nach § 4
Abs. 4a EStG entspreche dem allgemeinen Gewinnbegriff in § 4
Abs. 1 EStG. Die Gewinnerhöhung infolge der Vereinnahmung der
Investitionszulage sei zwar aufgrund der in § 12 des
Investitionszulagengesetzes 2007 (InvZulG 2007) geregelten
Steuerbefreiung außerbilanziell zu korrigieren; dies gelte
allerdings nicht für den Gewinn nach § 4 Abs. 1
EStG.
|
|
|
5
|
Eine Kürzung des maßgeblichen
Gewinns um die erhaltene Investitionszulage würde dem Sinn und
Zweck des § 4 Abs. 4a EStG widersprechen. Die Norm knüpfe
mit den Begriffen „Entnahme“, „Gewinn“ und
„Einlage“ ebenso wie mit der Regelung zur Verrechnung
dieser Größen und zur periodenübergreifenden
Fortschreibung an die Entwicklung des Eigenkapitals an. Das
bilanzielle Eigenkapital bilde bei § 4 Abs. 4a EStG die Grenze
dessen, was der Betriebsinhaber dem Betrieb an Mitteln entziehen
dürfe. § 4 Abs. 4a EStG schränke den
Schuldzinsenabzug nur ein, wenn der Steuerpflichtige mehr entnehme,
als ihm hierfür als Eigenkapital zur Verfügung stehe. Die
Investitionszulage sei ein (steuerfreier) Teil des Gewinns und
erhöhe das entnahmefähige Eigenkapital.
|
|
|
6
|
Mit seiner Revision vertritt das FA die
Auffassung, das FG sei im Streitfall von einem unrichtigen
Gewinnbegriff des § 4 Abs. 1 EStG ausgegangen. Die
Investitionszulage stelle zwar handelsrechtlich eine
Betriebseinnahme dar, müsse allerdings bereits für die
Steuerbilanz außerbilanziell abgezogen werden und gehöre
somit nicht zum Gewinn i.S. des § 4 Abs. 1 EStG, der auch
für die Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach
§ 4 Abs. 4a EStG gelte.
|
|
|
7
|
Der Gewinn nach § 4 Abs. 4a EStG
könne auch deshalb nicht um die Investitionszulage erhöht
werden, weil sie nach § 12 InvZulG 2007 nicht zu den
Einkünften nach dem EStG gehöre, die Besteuerung
insgesamt nicht berühre und nicht steuerbar sei.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt sinngemäß, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|
|
|
9
|
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
II. Die Revision ist - aus anderen als den
geltend gemachten Gründen - begründet. Das angefochtene
Urteil ist aufzuheben und die gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2007 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2014 dahingehend zu
ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag auf 187.625 EUR
festgestellt wird; im Übrigen ist die Klage abzuweisen (§
126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
11
|
Die gewährte Investitionszulage ist beim
Gewinn nach § 4 Abs. 4a EStG - wie das FG zu Recht erkannt hat
- zu berücksichtigen (dazu unten 1.). Demgegenüber
dürfen nicht abziehbare Betriebsausgaben i.S. des § 4
Abs. 5 Satz 1 EStG beim Gewinn nach § 4 Abs. 4a EStG (noch)
nicht hinzugerechnet werden (dazu unten 2.). Infolgedessen und
aufgrund der neueren Senatsrechtsprechung zur Berücksichtigung
von überperiodischen Verlusten im Rahmen des § 4 Abs. 4a
EStG ergeben sich im Streitfall nicht abziehbare Schuldzinsen in
Höhe von 19.462,92 EUR (dazu unten 3.).
|
|
|
12
|
1. Der Gewinnbegriff in § 4 Abs. 4a EStG
entspricht dem allgemeinen Gewinnbegriff in § 4 Abs. 1 EStG.
Er beinhaltet die Investitionszulage (unten a). § 12 InvZulG
2007 erfordert lediglich eine außerbilanzielle Kürzung
des Gewinns um die Investitionszulage (unten b). Da für den
Gewinnbegriff des § 4 Abs. 4a EStG der bilanzielle Gewinn nach
§ 4 Abs. 1 EStG maßgeblich ist, wirken sich
außerbilanzielle Kürzungen auf § 4 Abs. 4a EStG
nicht aus. Diese Vorgehensweise entspricht auch dem Sinn und Zweck
des § 4 Abs. 4a EStG (unten c).
|
|
|
13
|
Soweit - wie hier - bereits der Bilanzgewinn
um die Investitionszulage gekürzt worden ist, ist diese
für Zwecke der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen
nach § 4 Abs. 4a EStG dem Gewinn wieder hinzuzurechnen.
|
|
|
14
|
a) Der Gewinn in § 4 Abs. 4a EStG ist
mangels einer besonderen Bestimmung in dieser Vorschrift i.S. des
allgemeinen Gewinnbegriffs in § 4 Abs. 1 EStG auszulegen
(Senatsurteile vom 07.03.2006 - X R 44/04, BFHE 212, 501, BStBl II
2006, 588 = SIS 06 24 74, unter II.3., m.w.N., und vom 22.02.2012 -
X R 12/09, BFH/NV 2012, 1418 = SIS 12 21 44). Bei dem Gewinn nach
§ 4 Abs. 1 EStG handelt es sich um das Ergebnis des
(innerbilanziellen) Betriebsvermögensvergleichs; darin ist die
zugeflossene Investitionszulage noch
(betriebsvermögenserhöhend) enthalten (vgl. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.09.2015 - I R 20/13, BFH/NV 2016,
586 = SIS 16 05 17, und vom 03.08.2017 - IV R 12/14, BFHE 259, 104,
BStBl II 2018, 20 = SIS 17 20 07).
|
|
|
15
|
Eine Kürzung um die Investitionszulage
sieht der Wortlaut in § 4 Abs. 1 EStG nicht vor. Danach ist
der Gewinn nur um den Wert der Einlagen, also um privat veranlasste
Wertzuführungen, zu vermindern. Investitionszulagen werden
gewährt, um begünstigte Investitionen i.S. des § 2
InvZulG 2007 zu fördern, so dass es sich nicht um privat,
sondern um betrieblich veranlasste Wertzuführungen handelt und
eine Minderung nicht vorgenommen werden kann.
|
|
|
16
|
Der Gewinn des § 4 Abs. 1 EStG
unterscheidet sich insoweit vom steuerlichen Gewinn i.S. des §
2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG, der unter Anwendung sämtlicher
Vorschriften der §§ 4 bis 7k und 13a EStG zu ermitteln
ist. Die Vorschrift des § 60 Abs. 2 der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV)
bestätigt, dass der Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG (vgl.
§ 60 Abs. 1 EStDV) den steuerlichen Vorschriften -
außerbilanziell bzw. auf einer zweiten Stufe - anzupassen
ist, wenn die Bilanz Ansätze oder Beträge enthält,
die diesen Vorschriften nicht entsprechen.
|
|
|
17
|
b) Es ist bereits höchstrichterlich
geklärt (BFH-Urteil in BFHE 259, 104, BStBl II 2018, 20 = SIS 17 20 07), dass § 12 InvZulG 2007 dieser Vorgehensweise nicht
entgegensteht und danach die Investitionszulage (erst) in der
zweiten Stufe der Gewinnermittlung zu kürzen ist.
|
|
|
18
|
Zwar gehört die Investitionszulage nicht
zu den Einkünften des Einkommensteuergesetzes (§ 12 Satz
1 InvZulG 2007) und mindert nicht die steuerlichen Anschaffungs-
und Herstellungskosten (§ 12 Satz 2 InvZulG 2007). Hieraus
lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die Gewährung der
Investitionszulage überhaupt keine einkommensteuerrechtlichen
Auswirkungen haben darf; insbesondere ergibt sich nicht, dass die
Investitionszulage nicht Bestandteil des steuerbilanziellen
Betriebsvermögens ist.
|
|
|
19
|
Die Formulierungen in § 12 Satz 1 und
Satz 2 InvZulG 2007 wollen eine teilweise Rückzahlung der
Investitionszulage als Subvention aufgrund der Besteuerung des
durch die Zulage entstandenen Gewinns vermeiden (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 259, 104, BStBl II 2018, 20 = SIS 17 20 07, Rz 17;
Heß/Martin, Investitionszulagengesetz, § 13 Rz 11). Die
durch die Gewährung der Investitionszulage eingetretene
Betriebsvermögensmehrung soll demnach zu keinem steuerbaren
Gewinn führen. Aber auch wenn die Investitionszulage als
Bestandteil des steuerbilanziellen Betriebsvermögens behandelt
wird, kann eine teilweise Rückzahlung der Subvention im Rahmen
der Besteuerung dadurch vermieden werden, dass in der zweiten Stufe
der Gewinnermittlung der durch ihre Bilanzierung zunächst
entstandene Gewinn durch eine entsprechende außerbilanzielle
Kürzung wieder neutralisiert wird.
|
|
|
20
|
c) Da für den Gewinnbegriff des § 4
Abs. 4a EStG der bilanzielle Gewinnbegriff nach § 4 Abs. 1
EStG maßgeblich ist, wirken sich außerbilanzielle
Gewinnkorrekturen (hier: Kürzung um die Investitionszulage)
nicht aus. Dies entspricht auch dem Gesetzeszweck des § 4 Abs.
4a EStG.
|
|
|
21
|
aa) Mit dem Steuerbereinigungsgesetz 1999
entschied sich der Gesetzgeber für eine an der
Kapitalentwicklung orientierte Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG
(vgl. Seiler in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Ea
76; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 596 f.). § 4 Abs. 4a
EStG schränkt den Schuldzinsenabzug dementsprechend ein, wenn
und soweit die Entnahmen die Summe von Gewinn und Einlagen in
diesem Wirtschaftsjahr (§ 4 Abs. 4a Sätze 1 und 2 EStG)
und in den Vorjahren (§ 4 Abs. 4a Satz 3 EStG)
übersteigen. Das Gesetz unterstellt bei Vorliegen von
Überentnahmen nach § 4 Abs. 4a EStG eine private
Veranlassung und stuft infolgedessen die Zinsen als nicht abziehbar
ein (Senatsurteil vom 21.09.2005 - X R 47/03, BFHE 211, 227, BStBl
II 2006, 504 = SIS 06 01 73).
|
|
|
22
|
bb) Die Investitionszulage erhöht als
Zuschuss in das Betriebsvermögen im entsprechenden
Wirtschaftsjahr den Buchwert des Unternehmens und wirkt sich
folglich positiv auf die Kapitalentwicklung des Unternehmens aus.
Würde man in Höhe der Investitionszulage eine
außerbilanzielle Kürzung für den Gewinnbegriff nach
§ 4 Abs. 4a EStG vornehmen, würde diese positive
Kapitalentwicklung neutralisiert. Damit würde (bei Vorliegen
der anderen Voraussetzungen) fälschlicherweise unterstellt,
dass trotz positiver Kapitalentwicklung Überentnahmen
vorliegen und eine private Veranlassung gegeben ist. Es käme
zu einem dem Zweck des Gesetzes nicht entsprechenden
Schuldzinsenabzug.
|
|
|
23
|
cc) Bei Neutralisierung der Kapitalentwicklung
wäre damit - dauerhaft - die Entnahme von (gegebenenfalls
über mehrere Jahre hinweg angesammelten) Beträgen, die
auf gewährten Investitionszulagen beruhen, nicht möglich,
ohne dass dies die für den Steuerpflichtigen nachteilige
Rechtsfolge nach § 4 Abs. 4a EStG auslösen würde.
Dies bezweckt § 4 Abs. 4a EStG nicht. Dem steht auch § 52
Abs. 6 Satz 5 EStG nicht entgegen. Demnach kann es zwar in diesen
Fällen dazu kommen, dass der Steuerpflichtige dauerhaft
positives Kapital aus den Wirtschaftsjahren vor 1999 nicht ohne die
nachteilige Rechtsfolge nach § 4 Abs. 4a EStG entnehmen kann,
jedoch ist dieses Ergebnis der praktischen Umsetzung im Rahmen der
Neuregelung geschuldet.
|
|
|
24
|
dd) Im Übrigen sieht auch das InvZulG
2007 nicht vor, dass Investitionszulagen dauerhaft im
Betriebsvermögen verbleiben müssten bzw. die Entnahme von
gewährten Investitionszulagen eine nachteilige Rechtsfolge
auslösen sollte. Vielmehr bezweckt § 12 InvZulG 2007,
dass die Subvention aufgrund der Besteuerung des durch die
Investitionszulage entstandenen Gewinns nicht teilweise
zurückgezahlt wird. Genau dies wäre aber mittelbar der
Fall, wenn es insoweit zu nicht abziehbaren Schuldzinsen nach
§ 4 Abs. 4a EStG käme.
|
|
|
25
|
2. Überträgt man die unter 1.
für außerbilanzielle Kürzungen (hier
Investitionszulagen) aufgestellten Grundsätze auf die
Behandlung von nicht abziehbaren Betriebsausgaben bei der
Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG, muss deren
außerbilanzielle Korrektur - auch wenn sich die Hinzurechnung
von nicht abziehbaren Betriebsausgaben im Rahmen des § 4 Abs.
4a EStG gewinnerhöhend und damit für den
Steuerpflichtigen günstig auswirken würde -
unterbleiben.
|
|
|
26
|
Soweit - wie hier - der Bilanzgewinn bereits
um die nicht abziehbaren Betriebsausgaben erhöht worden ist,
ist er zur Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach
§ 4 Abs. 4a EStG zu mindern. Da andererseits die
Investitionszulage hier - wie dargestellt - wieder hinzugerechnet
wird, liegt im Ergebnis eine mit § 121 Satz 1 i.V.m. § 96
Abs. 1 Satz 2 FGO vereinbare Saldierung vor (vgl. BFH-Beschluss vom
19.11.2013 - XI B 9/13, BFH/NV 2014, 373 = SIS 14 04 14).
|
|
|
27
|
a) Bislang ist die Streitfrage, ob der Gewinn
im Rahmen von § 4 Abs. 4a EStG mit oder ohne Hinzurechnung von
nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG
anzusetzen ist, ungeklärt (gegen eine Hinzurechnung u.a.
Schmidt/Loschelder, EStG, 38. Aufl., § 4 Rz 525; Schallmoser
in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 4 EStG Anm. 1062; Seiler
in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Ea 80; Wendt, FR
2000, 417, 424; a.A.: Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen
- BMF - vom 02.11.2018, BStBl I 2018, 1207 = SIS 18 17 30 Tz 8;
Blümich/Wied, § 4 EStG, Rz 618; Watrin in
Frotscher/Geurts, EStG, § 4 Rz 635; Paus, FR 2000, 957, 961;
Ley, Neue Wirtschaftsbriefe für Steuer- und Wirtschaftsrecht
Fach 3, 11167, 11172 (27/2000)).
|
|
|
28
|
b) Aus den nachfolgenden Erwägungen ist
der Gewinn i.S. des § 4 Abs. 4a EStG ohne Hinzurechnung von
nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG
anzusetzen.
|
|
|
29
|
aa) Für den Gewinn des § 4 Abs. 4a
EStG ist entsprechend der Ausführungen zur Investitionszulage
der bilanzielle Gewinnbegriff nach § 4 Abs. 1 EStG
maßgeblich. Nicht abziehbare Betriebsausgaben sind
Bestandteil des für die Steuerbilanz maßgeblichen
Betriebsvermögensvergleichs. Dass der Gesetzgeber diese
Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG im Rahmen der
Besteuerung nicht zum Abzug zulässt, ändert ihre
Einordnung als Betriebsausgaben nicht (vgl. Wendt, FR 2000, 417,
424).
|
|
|
30
|
Bei nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach
§ 4 Abs. 5 Satz 1 EStG handelt es sich auch nicht um
Entnahmen. Dies zeigt bereits die gesetzliche Regelung in § 4
Abs. 5 Satz 1 EStG, die nicht auf § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG
verweist, sondern anordnet, dass diese Betriebsausgaben den Gewinn
nicht mindern dürfen. § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG erfordert
lediglich eine außerbilanzielle Hinzurechnung von nicht
abziehbaren Betriebsausgaben.
|
|
|
31
|
bb) Das Unterbleiben der
außerbilanziellen Hinzurechnung nicht abziehbarer
Betriebsausgaben entspricht dem vom Gesetzgeber mit § 4 Abs.
4a EStG verfolgten Zweck.
|
|
|
32
|
(1) Betriebsausgaben führen
buchmäßig zu einer negativen Kapitalentwicklung im
Unternehmen. Würden nicht abziehbare Betriebsausgaben nach
§ 4 Abs. 5 Satz 1 EStG vor einer Anwendung des § 4 Abs.
4a EStG hinzugerechnet, würde diese negative
Kapitalentwicklung neutralisiert. Die Berechnung nach § 4 Abs.
4a EStG würde einen höheren Gewinn ausweisen als
buchmäßig gegeben. Der Steuerpflichtige könnte
demzufolge mehr als den nach Buchwerten ermittelten Gewinn
entnehmen, ohne die nachteilige Rechtsfolge des § 4 Abs. 4a
EStG auszulösen. Dies würde der an der Kapitalentwicklung
orientierten Neufassung des § 4 Abs. 4a EStG widersprechen und
wäre mit dem Gesetzeszweck nicht vereinbar (vgl.
HHR/Schallmoser, § 4 EStG Rz 1062).
|
|
|
33
|
(2) Bei einer solchen Neutralisierung
käme es im Übrigen zu einem widersprüchlichen
Ergebnis. Einerseits begründet der Gesetzgeber die
Nichtabziehbarkeit einzelner Aufwendungen nach § 4 Abs. 5 Satz
1 EStG damit, dass diese „typischerweise die allgemeine
Lebensführung berühren“, andererseits
würde im Falle einer betragsmäßigen Hinzurechnung
bei dem Gewinnbegriff nach § 4 Abs. 4a EStG die Annahme der
Überentnahme und damit die Unterstellung einer privaten
Veranlassung aufgenommener Schulden verhindert. Die Anordnung der
Nichtabziehbarkeit nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG hätte
für den Steuerpflichtigen einen positiven Effekt, der so nicht
gewollt sein kann (insoweit ähnlich, aber zu einem anderen
Ergebnis kommend Paus, FR 2000, 957, 963; Watrin in
Frotscher/Geurts, EStG, § 4 Rz 635).
|
|
|
34
|
c) Aus den tatsächlichen Feststellungen
des FG, an die das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO
gebunden ist, geht hervor, dass - unzutreffend - für die
Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG die nicht abziehbaren
Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG in Höhe von
1.343,90 EUR außerbilanziell zum Gewinn hinzugerechnet worden
sind.
|
|
|
35
|
aa) Tatsächliche Feststellungen
können auch (mittelbar) durch die zulässige Bezugnahme
auf Unterlagen - vgl. § 105 Abs. 3 Satz 2 FGO - getroffen
werden (vgl. BFH-Urteile vom 05.03.1968 - II R 36/67, BFHE 92, 416,
BStBl II 1968, 610 = SIS 68 04 19, und vom 07.12.2017 - IV R 23/14,
BFHE 260, 312, BStBl II 2018, 444 = SIS 17 25 98, Rz 31). Hiervon
hat das FG u.a. mit den ergänzenden, genau bezeichneten und
abgegrenzten Verweisen auf die letzte Seite des Jahresabschlusses
und auf den Bericht über die Außenprüfung vom
16.02.2012 Gebrauch gemacht.
|
|
|
36
|
bb) Daraus lässt sich entnehmen, dass der
Kläger Bewirtungskosten von 15,86 EUR sowie Aufwendungen
für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte von
1.328,04 EUR als nicht abziehbare Betriebsausgaben ausweist. Bei
der Ermittlung des steuerlichen Gewinns (vgl. Anlage 4 des Berichts
über die Außenprüfung vom 16.02.2012) wurde
dementsprechend eine außerbilanzielle Hinzurechnung in
Höhe von 1.343,90 EUR vorgenommen. Infolgedessen gelangte das
FA zu einem Verlust von 43.385 EUR (vor Berücksichtigung der
nicht abziehbaren Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG), den es
der Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG zugrunde legte. Für
Zwecke der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nach
§ 4 Abs. 4a EStG ist der Gewinn aber wieder um 1.343,90 EUR zu
mindern.
|
|
|
37
|
3. Die Sache ist spruchreif. Nach den
Berechnungen des Senats ist der verbleibende Verlustvortrag des
Klägers zur Einkommensteuer zum 31.12.2007 in Höhe von
187.625 EUR festzustellen. Dieser Betrag ergibt sich wie folgt:
|
|
|
38
|
a) Bei der Berechnung der nicht abziehbaren
Schuldzinsen muss der Gewinn (hier: Verlust in Höhe von 43.385
EUR) um die Investitionszulage in Höhe von 326.075,27 EUR
erhöht und um die nicht abziehbaren Betriebsausgaben in
Höhe von 1.343,90 EUR gemindert werden. Infolgedessen ist ein
Gewinn von 281.346 EUR zu berücksichtigen.
|
|
|
39
|
b) Überperiodische Verluste aus
vergangenen Jahren müssen daneben im Rahmen der Berechnung der
nicht abziehbaren Schuldzinsen im Streitjahr 2007 aufgrund der
neueren Senatsrechtsprechung (Urteil vom 14.03.2018 - X R 17/16,
BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744 = SIS 18 09 87, und Anschluss
durch BFH-Urteil vom 06.12.2018 - IV R
15/17, BFH/NV 2019, 526 = SIS 19 05 45, Rz 40; vgl. hierzu BMF-Schreiben in BStBl I 2018, 1207 = SIS 18 17 30, Tz 15) - uneingeschränkt - berücksichtigt
werden.
|
|
|
40
|
aa) Wie im Senatsurteil in BFHE 261, 273,
BStBl II 2018, 744 = SIS 18 09 87 (Rz 19, 26, 29) dargelegt, sind
die kumulierten Überentnahmen unter Berücksichtigung
angefallener Verluste in den Wirtschaftsjahren nach dem 31.12.1998
bis zum Streitjahr die Ausgangsgröße für die
Berechnung nach § 4 Abs. 4a EStG. Demzufolge ergeben sich
unter Zugrundelegung eines zu berücksichtigenden Gewinns von
281.346 EUR im Streitjahr 2007 und aus der im angefochtenen
FG-Urteil in Bezug genommenen Anlage 9 des Berichts über die
Außenprüfung vom 16.02.2012 für das Jahr 2007
kumulierte Überentnahmen von 324.382 EUR. Dabei betrugen die
Überentnahmen bei uneingeschränkter Berücksichtigung
der Verluste in den einzelnen Jahren ab 2004 186.773 EUR (2004),
128.572 EUR (2005), 188.350 EUR (2006) und ./. 179.313 EUR
(2007).
|
|
|
41
|
bb) Eine auf einer teleologischen Auslegung
beruhende Begrenzung dieser Ausgangsgröße in Höhe
von 324.382 EUR auf den kumulierten Entnahmeüberschuss (vgl.
Senatsurteil in BFHE 261, 273, BStBl II 2018, 744 = SIS 18 09 87,
Rz 27) ist im Streitfall nicht vorzunehmen, da dieser im Jahr 2007
mit 440.853 EUR die Ausgangsgröße übersteigt. In
den einzelnen Jahren betrug der Entnahmeüberschuss (also ohne
Berücksichtigung der Gewinne bzw. Verluste) 217.929 EUR
(2004), 31.349 EUR (2005), 89.541 EUR (2006) und 102.034 EUR
(2007).
|
|
|
42
|
c) Ausgehend von kumulierten
Überentnahmen von 324.382 EUR betragen die nicht abziehbaren
Schuldzinsen 19.462,92 EUR.
|
|
|
43
|
d) Daraus errechnet sich - ausgehend von dem
unstreitigen Verlust vor Berücksichtigung der nicht
abziehbaren Schuldzinsen in Höhe von 43.385 EUR - ein Verlust
aus Gewerbebetrieb in Höhe von 23.923 EUR. Demzufolge ist der
verbleibende Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31.12.2007 auf
187.625 EUR zu erhöhen.
|
|
|
44
|
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136
Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der
Beklagte zu 5/6 und der Kläger zu 1/6 zu tragen.
|
|
|