Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 12.04.2016 - 6
K 2703/15 = SIS 16 20 89 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, deren
Anteilseignerin die Stadt A ist. Gegenstand des Unternehmens sind
Versorgungsbetriebe und Bäder.
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Am 27.07.2010 beschloss die
Gesellschafterversammlung der Klägerin eine Ausschüttung
aus der Kapitalrücklage in Höhe von 5 Mio. EUR und zahlte
diesen Betrag am 28.07.2010 an A aus. Ein ausschüttbarer
Gewinn der Klägerin im Sinne der Verwendungsrechnung nach
§ 27 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 des
Körperschaftsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden
Fassung (KStG) zum 31.12.2009 war nicht vorhanden.
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Für die Ausschüttung wurde
seitens der Klägerin wegen der aus ihrer Sicht vorliegenden
Einlagenrückgewähr i.S. des § 27 KStG i.V.m. §
20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes in der im
Streitjahr 2010 anzuwendenden Fassung (EStG) weder die
Kapitalertragsteuer noch der Solidaritätszuschlag einbehalten
und abgeführt. Die Klägerin reichte auch keine
Kapitalertragsteueranmeldung für die Ausschüttung beim
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) ein.
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Zwar ergab sich aus den mit der
Feststellungserklärung zum Einlagekonto für das Jahr 2010
(Streitjahr) beim FA eingereichten Unterlagen, insbesondere den
Bilanzerläuterungen, dass eine Ausschüttung der
Klägerin an A im Streitjahr erfolgt sein musste. Die am
12.12.2011 beim FA eingegangene Erklärung zur gesonderten
Feststellung des steuerlichen Einlagekontos sowie die mit der
Körperschaftsteuererklärung für 2010 eingereichte
Anlage WA enthielten aber keine Hinweise auf die
Ausschüttung.
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Der Bescheid über die gesonderte
Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2010 nach
§ 27 Abs. 2 Satz 1 KStG erging am 10.02.2012, ohne eine
Ausschüttung der Klägerin im Streitjahr zu
berücksichtigen. Das Einlagekonto der Klägerin wurde im
Vergleich zur gesonderten Feststellung auf den 31.12.2009 in
unveränderter Höhe ausgewiesen. Eine Bescheinigung
über die Ausschüttung nach § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG
hatte die Klägerin der A bis zur Bekanntgabe des gesonderten
Feststellungsbescheids über das Einlagekonto für das
Streitjahr nicht erteilt.
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In einem Betriebsprüfungsbericht vom
10.04.2013 wurde zur Kapitalertragsteuer für das Streitjahr
festgestellt, dass die Ausschüttung aus der
Kapitalrücklage wie eine „Entnahme“
zu betrachten sei, da ein ausschüttbarer Gewinn der
Klägerin nicht vorhanden gewesen sei. Da bis zum Tag der
Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids zum 31.12.2010
die Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG nicht erteilt worden
sei, gelte die Einlagenrückgewähr gemäß §
27 Abs. 5 Satz 2 KStG in Höhe von 0 EUR als bescheinigt. Das
steuerliche Einlagekonto der Klägerin zum 31.12.2010 sei
danach gemäß § 27 Abs. 5 Satz 1 KStG zu Recht ohne
Berücksichtigung einer Minderung durch die Ausschüttung
gesondert festgestellt worden. Für die Ausschüttung seien
Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag
nachzuerheben.
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Entsprechend erließ das FA am
15.11.2013 gegenüber der Klägerin nach § 167 Abs. 1
Satz 1 der Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG
einen als „Nachforderungsbescheid“
über Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag
bezeichneten Bescheid (im Folgenden: Nacherhebungsbescheid), da die
Klägerin für die Ausschüttung über 5 Mio. EUR
vom 27.07.2010 weder der Verpflichtung nachgekommen sei, die
Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen noch die
Kapitalertragsteuer angemeldet habe. Die Kapitalertragsteuer sei
gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 43 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1, § 43a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 44a Abs. 8 Satz
1 Nr. 2 EStG in Höhe von drei Fünfteln des Steuerabzugs
zu erheben. Das FA nahm die Klägerin über 750.000 EUR
Kapitalertragsteuer und 41.250 EUR Solidaritätszuschlag in
Anspruch.
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Das Einspruchs- und Klageverfahren richtete
sich gegen den Bescheid zur gesonderten Feststellung des
Einlagekontos auf den 31.12.2010 und den Nacherhebungsbescheid vom
15.11.2013 zur Kapitalertragsteuer und zum
Solidaritätszuschlag. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg ist
in EFG 2016, 1944 = SIS 16 20 89 mitgeteilt.
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In dem zunächst beim I. Senat des
Bundesfinanzhofs (BFH) unter dem Aktenzeichen I R 30/16
geführten Revisionsverfahren verfolgte die Klägerin ihr
Begehren hinsichtlich der Entscheidung des FG über die
gesonderte Feststellung des Einlagekontos auf den 31.12.2010 und
hinsichtlich des Nacherhebungsbescheids weiter. Mit Beschluss vom
18.04.2018 hat der I. Senat des BFH das Verfahren wegen des
Nacherhebungsbescheids abgetrennt und an den zuständigen
erkennenden Senat verwiesen.
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Mit Beschluss vom 11.07.2018 - I R 30/16
(BFHE 262, 347, BStBl II 2019, 283 = SIS 18 18 62) gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) wies der I. Senat des
BFH die Revision wegen des Bescheids zur gesonderten Feststellung
des Einlagekontos zum 31.12.2010 als unbegründet zurück.
Das FG habe die gesonderte Feststellung des Einlagekontos zum
31.12.2010 durch das FA zu Recht nicht beanstandet. Da die
Klägerin der A bis zum Tag der Bekanntgabe des Bescheids
über die gesonderte Feststellung des Einlagekontos vom
10.02.2012 keine Bescheinigung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG
erteilt habe, sei für die Ausschüttung des Jahres 2010
nach § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG von einer bescheinigten Minderung
des Einlagekontos in Höhe von 0 EUR auszugehen und dies sei
der gesonderten Feststellung des Einlagekontos zum 31.12.2010
gemäß § 27 Abs. 5 Satz 1 KStG zugrunde zu legen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die
Begründung des Beschlusses in BFHE 262, 347, BStBl II 2019,
283 = SIS 18 18 62 Bezug.
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Zu dem hier streitgegenständlichen
Nacherhebungsbescheid rügt die Klägerin die Verletzung
von Bundesrecht.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des FG Baden-Württemberg
vom 12.04.2016 - 6 K 2703/15, den Nacherhebungsbescheid vom
15.11.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 26.08.2015
aufzuheben, soweit sie den Nacherhebungsbescheid betrifft.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
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Das FG hat es zu Recht nicht beanstandet, dass
das FA die Klägerin im Wege des Nacherhebungsbescheids in
Anspruch genommen hat. Die Klägerin war ab dem 28.07.2010
verpflichtet, für die Ausschüttung an A
Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einzubehalten,
abzuführen und anzumelden. Dem ist sie nicht nachgekommen (s.
unter II.1.). Sie kann sich nicht gemäß § 44 Abs. 5
Satz 1 Halbsatz 2 EStG exkulpieren (s. unter II.2.).
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1. Die Klägerin war nach § 45a Abs.
1 Satz 1, § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 5, Abs. 2 und Abs. 5
i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 20 Abs. 1 Nr. 1
EStG verpflichtet, für die am 27.07.2010 beschlossene
Ausschüttung am 28.07.2010 Kapitalertragsteuer und
Solidaritätszuschlag einzubehalten, abzuführen und
anzumelden.
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a) Bei der Ausschüttung der Klägerin
vom 27.07.2010 über 5 Mio. EUR handelt es sich um eine
Gewinnausschüttung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1
Satz 1 EStG, die gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG dem Kapitalertragsteuerabzug unterliegt.
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aa) Die Ausschüttung vom 27.07.2010 ist
nicht als Einlagenrückgewähr gemäß § 20
Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu qualifizieren. Nach dieser Regelung
gehören die Bezüge nicht zu den Einnahmen i.S. des §
20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, soweit sie aus Ausschüttungen
einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem
steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG als verwendet
gelten. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG knüpft
tatbestandlich an die im Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG
ausgewiesenen Bestände des steuerlichen Einlagekontos an. Die
Verwendungsrechnung (§ 27 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 KStG),
welche sich aus der gesonderten Feststellung des steuerlichen
Einlagekontos für die Leistungen der Körperschaft ergibt,
ist auch auf der Ebene der Gesellschafter zu beachten. Die
materiell-rechtliche Bindung des Gesellschafters (Anteilsinhabers)
an die gesonderte Feststellung bewirkt, dass er sich nicht mit
Erfolg darauf berufen kann, das Einlagekonto sei im Bescheid
über die gesonderte Feststellung des steuerlichen
Einlagekontos unzutreffend ausgewiesen (BFH-Urteil vom 28.01.2015 -
I R 70/13, BFHE 249, 118, BStBl II 2017, 101 = SIS 15 11 11, Rz 11;
BFH-Beschluss in BFHE 262, 347, BStBl II 2019, 283 = SIS 18 18 62,
Rz 20 ff.).
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bb) Im gesonderten Feststellungsbescheid
über das Einlagekonto zum 31.12.2010 wurde festgestellt, dass
das Einlagekonto für die Ausschüttung vom 27.07.2010
nicht verwendet wurde. Aufgrund des zwischen den Beteiligten
geführten Verfahrens wegen der gesonderten Feststellung des
Einlagekontos auf den 31.12.2010 steht nach dem BFH-Beschluss in
BFHE 262, 347, BStBl II 2019, 283 = SIS 18 18 62 für den Senat
und die Beteiligten bindend fest (§ 110 FGO), dass der
gesonderte Feststellungsbescheid über das Einlagekonto zum
31.12.2010 mit diesem Inhalt rechtmäßig ist. Es kommt
schon aus diesem Grund nicht darauf an, ob der Klägerin - wie
in der mündlichen Verhandlung von ihr geltend gemacht - in
Anlehnung an die BFH-Urteile vom 10.04.2019 - I R 15/16 (BFHE 265,
56, BStBl II 2022, 266 = SIS 19 13 25) und vom 04.05.2021 - VIII R
14/20 (BFHE 273, 206 = SIS 21 16 50) im vorliegenden Verfahren
gegen den Nacherhebungsbescheid der individuelle Nachweis einer
Einlagenrückgewähr zu gestatten sein könnte. Die
Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG sind nicht
erfüllt. Die Ausschüttung an A ist danach ein
(kapitalertrag)steuerpflichtiger Kapitalertrag gemäß
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG.
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b) Wegen der nicht erteilten Bescheinigung
gemäß § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG galt die
Einlagenrückgewähr für die Ausschüttung an A
mit der Bekanntgabe des gesonderten Feststellungsbescheids zum
Einlagekonto auf den 31.12.2010 gemäß § 27 Abs. 5
Satz 2 KStG in Höhe von 0 EUR als bescheinigt. Diese Fiktion
wurde gemäß § 27 Abs. 5 Satz 1 KStG der gesonderten
Feststellung des Einlagekontos zugrunde gelegt und das Einlagekonto
zum 31.12.2010 danach zutreffend ohne eine Minderung wegen der
Ausschüttung an A, zum Stand am 31.12.2009, in
unveränderter Höhe festgestellt. Die Fiktion der
Nichtverwendung des Einlagekontos für die Ausschüttung
der Klägerin an A gemäß § 27 Abs. 5 Satz 2
KStG überlagert die materiell-rechtliche Prüfung der
Einlagenrückgewähr anhand der Verwendungsrechnung i.S.
des § 27 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 KStG (s. zu einer im
Abflusszeitpunkt nicht erkannten verdeckten Gewinnausschüttung
BFH-Beschluss vom 19.01.2021 - I B 3/20, BFH/NV 2021, 648 = SIS 21 05 31, Rz 13). Damit ist der (kapitalertrag)steuerpflichtige
Kapitalertrag gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m.
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG - entgegen der Auffassung der
Klägerin - nicht erst bei Bekanntgabe des gesonderten
Feststellungsbescheids zum Einlagekonto, sondern bereits im
Zeitpunkt der Ausschüttung vorhanden.
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Dem Gesetz ist kein Anhaltspunkt dafür zu
entnehmen, dass die Fiktion der Einlagenrückgewähr in
Höhe von 0 EUR für eine Leistung der Kapitalgesellschaft
gemäß § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG und die damit
einhergehende Überlagerung der Verwendungsrechnung in §
27 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 KStG erst ab der - nach dem
Ausschüttungszeitpunkt liegenden - Bekanntgabe des gesonderten
Feststellungsbescheids Wirkung entfalten sollen. Anders als die
Klägerin meint, spricht nichts für eine solche Auslegung
des Gesetzes. Die von der Klägerin vertretene Auslegung
hätte vielmehr zur Folge, dass die den
Kapitalertragsteuerabzug für offene Gewinnausschüttungen
bestimmenden Regelungen, die an den Zufluss anknüpfen (vgl.
§ 44 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 EStG zur Entstehung der
Kapitalertragsteuer und § 44 Abs. 1 Satz 3 EStG für die
Einbehaltungs- und Abführungspflicht sowie § 45a Abs. 1
i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 5 Halbsatz 2 EStG für die
Anmeldepflicht), ins Leere gingen. Denn in dem nach Meinung der
Klägerin maßgeblichen Zeitpunkt des Entstehens eines
steuerpflichtigen Kapitalertrags (der Bekanntgabe des
Feststellungsbescheids) findet kein Zufluss mehr statt. Aus der
Gesamtkonzeption der Regelungen in § 27 Abs. 5 Satz 2, Abs. 1
KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 44 Abs. 1 Satz 2 und § 44
Abs. 2 Satz 2 EStG ergibt sich vielmehr, dass bei Eingreifen der
Fiktion bereits ab dem Zeitpunkt der Leistung von einem
steuerpflichtigen Kapitalertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1
i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auszugehen ist (vgl. auch
Gosch/Bauschatz KStG, 4. Aufl., § 27 Rz 102, 105; Brandis/
Heuermann/Oellerich, § 27 KStG Rz 61, 63; Berninghaus in
Herrmann/Heuer/ Raupach, § 27 KStG Rz 119, 123; Kleinmanns,
eKommentar, § 27 KStG Rz 66, 67, Aktualisierung vom
01.01.2022).
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c) Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2
EStG entsteht die Kapitalertragsteuer für
Gewinnausschüttungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m.
§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in dem Zeitpunkt, in dem der
Kapitalertrag dem Gläubiger zufließt. § 44 Abs. 2
EStG enthält insoweit Sonderregelungen zum Zuflusszeitpunkt,
die auch gelten, wenn Gewinnanteile - wie im Streitfall - an einen
beherrschenden Gesellschafter ausgeschüttet werden
(BFH-Urteile vom 17.11.1998 - VIII R 24/98, BFHE 187, 292, BStBl II
1999, 223 = SIS 99 06 01, unter 1.b; vom 08.07.1998 - I R 57/97,
BFHE 186, 374, BStBl II 1998, 672 = SIS 98 19 87, unter II.2.d).
Die Kapitalerträge fließen dem Gläubiger an dem Tag
zu, der im Beschluss als Tag der Auszahlung bestimmt worden ist
(§ 44 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ist die Ausschüttung nur
festgesetzt, ohne dass über den Zeitpunkt der Auszahlung ein
Beschluss gefasst worden ist, so gilt als Zeitpunkt des
Zufließens der Tag nach der Beschlussfassung (§ 44 Abs.
2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG). Im Streitfall sind die Beteiligten und
das FG auf dieser Grundlage übereinstimmend und zu Recht der
Auffassung, dass die Ausschüttung A am 28.07.2010 zugeflossen
ist. Mit dem Zufluss entstanden am 28.07.2010 die
Kapitalertragsteuer (und der Solidaritätszuschlag) für
die Ausschüttung an A und damit auch die Pflichten, die Steuer
einzubehalten, abzuführen (§ 44 Abs. 1 Satz 3 EStG) und
anzumelden (§ 45a Abs. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 5
Halbsatz 2 EStG).
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2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass das
FA die Klägerin für die Kapitalertragsteuer und den
Solidaritätszuschlag auf die Ausschüttung an A
gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO i.V.m.
§ 44 Abs. 5 EStG im Wege des Nacherhebungsbescheids in
Anspruch nehmen kann (s. unter II.2.a und b). Die Klägerin
kann sich nicht damit exkulpieren, ihre Anmeldepflicht weder
vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt zu haben (s.
unter II.2.c).
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a) § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO
begründet nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein
Wahlrecht der Finanzbehörde, den Entrichtungsschuldner der
Kapitalertragsteuer entweder durch Haftungsbescheid
gemäß § 44 Abs. 5 Satz 1 EStG oder durch
Steuerbescheid (Nacherhebungsbescheid) in Anspruch nehmen zu
können, wenn er seine Anmeldepflicht nicht erfüllt; die
Wahl des Verfahrens muss nicht begründet werden (ständige
Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 21.09.2017 - VIII R 59/14, BFHE
259, 411, BStBl II 2018, 163 = SIS 17 22 64, Rz 36, m.w.N.). Der
Erlass eines Nacherhebungsbescheids über Kapitalertragsteuer
und Solidaritätszuschlag ist zwar eine Steuerfestsetzung. Dies
ändert aber nichts daran, dass es sich materiell-rechtlich um
die Geltendmachung eines Haftungsanspruchs handelt. Die
Steuerfestsetzung gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1
Alternative 2 AO erfasst denjenigen, der die Steuer als
Entrichtungssteuerschuldner nicht angemeldet hat, gerade in seiner
Funktion als Haftungsschuldner (ständige Rechtsprechung, vgl.
BFH-Urteil vom 25.03.2021 - VIII R 1/18, BFHE 272, 469, BStBl II
2021, 655 = SIS 21 11 11, Rz 19, m.w.N.). Dies hat zur Folge, dass
auch im Fall des Nacherhebungsbescheids die tatbestandlichen
Erfordernisse des § 44 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG zur
Exkulpation zu beachten sind (ständige Rechtsprechung,
BFH-Urteile in BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163 = SIS 17 22 64, Rz
38, m.w.N., und vom 13.09.2000 - I R 61/99, BFHE 193, 286, BStBl II
2001, 67 = SIS 01 02 45, unter II.3.c).
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b) § 167 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 AO
verlangt für die Nacherhebung, dass der
Steuerentrichtungspflichtige seine Anmeldepflicht verletzt. Dies
ist hier der Fall. Die Anmeldepflicht der Klägerin nach §
45a Abs. 1 EStG für die Ausschüttung an A entstand am
28.07.2010 (s. unter II.1.b.cc). Bis zum Erlass des
Nacherhebungsbescheids am 15.11.2013 hat die Klägerin für
die Ausschüttung an A jedoch keine
Kapitalertragsteueranmeldung abgegeben.
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c) Unterbleiben der Einbehalt, die
Abführung und/oder die Anmeldung der Kapitalertragsteuer
für einen abzugspflichtigen Kapitalertrag, geht § 44 Abs.
5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG von einem schuldhaften Verhalten mit der
Möglichkeit zur Exkulpation (§ 44 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz
2 EStG) aus. Die Klägerin hat die gesetzliche
Verschuldensvermutung jedoch nicht widerlegt. Sie hat nicht i.S.
des § 44 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2 EStG nachgewiesen, dass sie
die Pflicht zur Anmeldung der Kapitalertragsteuer und des
Solidaritätszuschlags (sowie zu deren Einbehalt und
Abführung) für die Ausschüttung an A weder
vorsätzlich noch grob fahrlässig verletzt hat.
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aa) Ob eine Ausschüttung als nicht
steuerbare Einlagenrückgewähr gemäß § 20
Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 27 KStG qualifiziert werden
darf, hängt neben dem Fehlen eines ausschüttbaren Gewinns
(§ 27 Abs. 1 Sätze 3 bis 5 KStG) davon ab, dass die
Kapitalgesellschaft die ihr in § 27 KStG auferlegten Pflichten
erfüllt. Erforderlich ist, dass sie die erforderliche
Bescheinigung der Verwendung des Einlagekontos gemäß
§ 27 Abs. 3 Satz 1 KStG rechtzeitig erteilt, um die Fiktion
des § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG zu vermeiden. Diese Pflicht ist
ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen (BFH-Urteil vom 11.02.2015 - I R 3/14, BFHE 249, 448, BStBl II
2015, 816 = SIS 15 14 95, Rz 21;
BFH-Beschluss in BFHE 262, 347, BStBl II 2019, 283 = SIS 18 18 62,
Rz 23 bis 25) und besteht - wie sich unmittelbar aus dem Wortlaut
des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG ergibt - ab dem Zeitpunkt der
Leistung der Kapitalgesellschaft. Wird die Bescheinigung nicht
erteilt, greift mit der Bekanntgabe des gesonderten
Feststellungsbescheids die Fiktion der Verwendung des Einlagekontos
für die Ausschüttung in Höhe von 0 EUR (§ 27
Abs. 5 Satz 2 KStG). Die Kapitalgesellschaft kann die Erteilung der
Steuerbescheinigung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG wegen der
Präklusionswirkung aus § 27 Abs. 5 Satz 3 KStG dann auch
nicht mehr nachholen (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 249,
448, BStBl II 2015, 816 = SIS 15 14 95, Rz 17 bis 22; BFH-Beschluss
in BFHE 262, 347, BStBl II 2019, 283 = SIS 18 18 62, Rz 18
ff.).
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bb) Die ausschüttende Kapitalgesellschaft
als Steuerentrichtungspflichtige treffen anknüpfend an diese
gesetzliche Regelungslage im Zusammenhang mit einer
Ausschüttung, die sie für Zwecke des
Kapitalertragsteuerabzugs als nicht steuerbare
Einlagenrückgewähr behandelt, nach dem
Ausschüttungszeitpunkt liegende Prüfungspflichten. Sie
muss im Blick haben, dass ab dem Zufluss der Ausschüttung eine
Einbehaltungs-, Abführungs- und Anmeldepflicht besteht, wenn
sie die erforderliche Bescheinigung gemäß § 27 Abs.
3 Satz 1 KStG nicht rechtzeitig erteilt. Nach der Rechtsprechung
des I. Senats des BFH, der sich der erkennende Senat
anschließt, muss sich die Kapitalgesellschaft daher
spätestens anlässlich der Erstellung der
Feststellungserklärung nach § 27 Abs. 2 Satz 4 KStG mit
dem Umfang ihrer Bescheinigungspflicht nach § 27 Abs. 3 und 4
KStG befassen, zumal in der Anlage WA zur
Feststellungserklärung nach den ausgestellten
Steuerbescheinigungen gefragt wird; sie muss im Zuge der Erstellung
der Erklärung prüfen, ob sie ihren Anteilseignern eine
notwendige Bescheinigung über die Verwendung des Einlagekontos
zu erteilen hat (BFH-Urteil in BFHE 249, 118, BStBl II 2017, 101 =
SIS 15 11 11, Rz 13). Diese Pflichten der ausschüttenden
Gesellschaft stehen auch nicht unter dem Vorbehalt, dass sie nur zu
erfüllen sind, wenn der Kapitalgesellschaft dies im Einzelfall
zumutbar oder erkennbar ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2021, 648 =
SIS 21 05 31, Rz 15). Bezogen auf ihre kapitalertragsteuerlichen
Pflichten hat die Kapitalgesellschaft anlässlich der
Erstellung der Feststellungserklärung zum Einlagekonto daher
zu prüfen, ob alle von ihr verfahrensrechtlich zu
erfüllenden Voraussetzungen für eine Behandlung der
Ausschüttung als Einlagenrückgewähr geschaffen
worden sind.
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cc) Die Klägerin hat auf dieser Grundlage
nicht nachgewiesen, dass sie die Nichtanmeldung der
Kapitalertragsteuer und des Solidaritätszuschlags für die
Ausschüttung (sowie deren Abführung) weder
vorsätzlich noch grob fahrlässig unterlassen hat.
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So mag es im Ausschüttungszeitpunkt noch
nicht schuldhaft gewesen sein, dass die Klägerin ihre
Verpflichtungen zum Steuereinbehalt, zur Abführung und zur
Anmeldung der Kapitalertragsteuer für die Ausschüttung an
A verneint hat, weil zum 31.12.2009 kein ausschüttbarer Gewinn
vorhanden war und die Leistung unter den weiteren
(verfahrensrechtlichen) Voraussetzungen des § 27 KStG als
Einlagenrückgewähr und nicht steuerbarer Kapitalertrag
hätte qualifiziert werden können.
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Es ist aber weder vorgetragen noch vom FG
festgestellt noch anderweitig erkennbar, dass die Organe der
Klägerin bei Abgabe der Feststellungserklärung zum
Einlagekonto überprüft haben, ob ihre Beurteilung, es
liege wegen einer Einlagenrückgewähr kein
anmeldepflichtiger Kapitalertrag vor, noch Bestand haben konnte.
Aufgrund der unterbliebenen Prüfung ist der Klägerin ein
grob fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen. Auch später, als
der Bescheid zur gesonderten Feststellung des Einlagekontos auf den
31.12.2010 nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG am 10.02.2012 erging,
in dem das Einlagekonto in derselben Höhe wie zum 31.12.2009
festgestellt wurde, und als sie im Betriebsprüfungsbericht
ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Anmeldung der
Kapitalertragsteuer hingewiesen worden war, hätte sie ihre
kapitalertragsteuerliche Beurteilung im Ausschüttungszeitpunkt
überprüfen müssen.
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d) Auch im Übrigen ist der
Nacherhebungsbescheid nicht zu beanstanden.
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aa) Die Kapitalertragsteuer und der
Solidaritätszuschlag für die Ausschüttung an A sind
unter Berücksichtigung der gesetzlich vorgegebenen Reduzierung
auf drei Fünftel des Kapitalertrags in der zutreffenden
Höhe nacherhoben worden (§ 2 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 1
i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG, § 44a Abs. 8 Satz 1 Nr. 2
EStG). Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
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bb) Weder die Kapitalertragsteuerschuld noch
die Entrichtungsschuld der Klägerin waren im Zeitpunkt des
Erlasses des Nacherhebungsbescheids infolge der
Festsetzungsverjährung erloschen (§ 47 i.V.m. § 169
Abs. 1 Satz 1 AO). Die Kapitalertragsteuerschuld als der
Nacherhebung zugrunde liegende Primärschuld (s. BFH-Urteil in
BFHE 259, 411, BStBl II 2018, 163 = SIS 17 22 64, Rz 46, 47)
entstand wie die Entrichtungsschuld der Klägerin mit der
Ausschüttung am 28.07.2010 (s. unter II.1.b). Bis zum Erlass
des Nacherhebungsbescheids war auf beiden Ebenen auch keine
Festsetzungsverjährung eingetreten. Infolge der unterlassenen
Kapitalertragsteueranmeldung (§ 45a Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m.
§ 150 Abs. 1 Satz 3, § 168 Abs. 1 Satz 1 AO) begann die
Festsetzungsfrist zur Entrichtungsschuld und zur
Kapitalertragsteuerschuld aufgrund der Anlaufhemmung des § 170
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des 31.12.2013 (vgl. zur
Anwendung des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO BFH-Urteil in BFHE
259, 411, BStBl II 2018, 163 = SIS 17 22 64, Rz 49, 55). Der
Nacherhebungsbescheid erging bereits am 15.11.2013.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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