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Insolvenzbedingter Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen

Insolvenzbedingter Ausfall einer privaten Darlehensforderung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen: Von einem endgültigen Ausfall einer privaten Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist jedenfalls dann auszugehen, wenn über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet wurde und der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigt hat. - Urt.; BFH 1.7.2021, VIII R 28/18; SIS 21 15 91

Kapitel:
Privatbereich > Kapitaleinkünfte
Fundstellen
  1. BFH 01.07.2021, VIII R 28/18 (ECLI:DE:BFH:2021:U.010721.VIIIR28.18.0)
    BStBl 2021 II S. 911
    DStR 2021 S. 2338

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 8.11.2021
    J.H. in StuB 20/2021 S. 827
    M. Jachmann-Michel in DStR 40/2021 S. 2338
    Jachmann-Michel in StBB 11/2021 S. 6
    K.K. in kösdi 11/2021 S. 22469
    K. Korn in NWB 41/2021 S. 3018
    F. Werth in BFH/PR 1/2022 S. 10
    -/- in GmbH-Stpr 3/2022 S. 82
Normen
[EStG] § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, § 20 Abs. 2 Satz 2, § 20 Abs. 4
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Düsseldorf, 18.07.2018, SIS 18 15 14, Kapitalforderung, Verlust, Zeitpunkt, Masseunzulänglichkeit, Anzeige
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Baden-Württemberg 28.11.2023, SIS 24 01 96, Wirtschaftliches und zivilrechtliches Eigentum beim Container-Leasing: 1. Der Erwerber kann an Containern...
  • FG Köln 22.8.2023, SIS 24 00 06, Anwendung des § 32 d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG auf einen Verlust aus Kapitalvermögen gem. § 20 EStG, de...
  • BFH 20.6.2023, SIS 23 13 61, Berücksichtigung des Verlusts aus einer stehen gelassenen Gesellschafterbürgschaft nach § 20 Abs. 2 des E...
  • FG Düsseldorf 19.1.2023, SIS 23 15 98, Berücksichtigung als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bei Ausfall eines Gesellschafterdarle...
  • BMF 7.6.2022, SIS 22 10 34, Ertragsteuerrechtliche Behandlung von Gesellschafterdarlehen (§ 17 Absatz 2 a EStG), Bürgschaftsregress- ...
  • BMF 19.5.2022, SIS 22 08 12, Einzelfragen zur Abgeltungsteuer, Neuveröffentlichung des BMF-Schreibens: Das Bundesfinanzministerium hat...
  • FG Düsseldorf 11.11.2021, SIS 22 01 23, Insolvenz einer Kapitalgesellschaft, Verlust aus Kapitalvermögen, Abgrenzung zum Auflösungsverlust aus Be...
Anmerkung Vors. RiinBFH Prof. Dr. Jachmann-Michel

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 18.07.2018 - 7 K 3302/17 E = SIS 18 15 14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2012) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger gewährte einem Dritten mit Vertrag vom 11.08.2010 ab dem 12.08.2010 ein mit 5 % zu verzinsendes Darlehen in Höhe von insgesamt 24.274,34 EUR. Seit dem 01.08.2011 erfolgten die vereinbarten Rückzahlungen nicht mehr. Über das Vermögen des Darlehensnehmers wurde am ...2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger meldete die noch offene Darlehensforderung in Höhe von 19.338,66 EUR zur Insolvenztabelle an. Am ...2012 zeigte der Insolvenzverwalter gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 der Insolvenzordnung (InsO) an. Während des Insolvenzverfahrens dauerte die Masseunzulänglichkeit fort und es ergab sich keine an die Insolvenzgläubiger zu verteilende Masse. Am ...2016 wurde das Insolvenzverfahren mangels Masse eingestellt.

 

 

2

Mit der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger den Ausfall der Darlehensforderung als Verlust bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) setzte die Einkommensteuer mit Bescheid vom 14.11.2013 ohne Berücksichtigung dieses Verlusts fest.

 

 

3

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Düsseldorf im ersten Rechtszug mit Urteil vom 11.03.2015 - 7 K 3661/14 E ab. Auf die Revision der Kläger hob der Bundesfinanzhof (BFH) die Vorentscheidung mit Urteil vom 24.10.2017 - VIII R 13/15 (BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831 = SIS 17 22 45) auf und verwies den Rechtsstreit an das FG zurück.

 

 

4

Die Klage hatte im zweiten Rechtszug Erfolg. Das FG entschied mit seinem in EFG 2018, 1645 = SIS 18 15 14 veröffentlichten Urteil, dass der Verlust des Klägers im Streitjahr gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) zu berücksichtigen sei.

 

 

5

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.

 

 

6

Das FA beantragt,

 

das Urteil des FG Düsseldorf vom 18.07.2018 - 7 K 3302/17 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

7

Die Kläger beantragen,

 

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

 

8

II. Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

 

 

9

Das FG hat zutreffend entschieden, dass der streitbefangene Forderungsausfall im Streitjahr gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 EStG zu berücksichtigen ist.

 

 

10

1. Wie der Senat mit Urteil in BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831 = SIS 17 22 45 entschieden hat, führt der endgültige Ausfall einer privaten Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 EStG (vgl. auch BFH-Urteile vom 17.11.2020 - VIII R 20/18, BFHE 271, 233 = SIS 21 03 47, Rz 34 f., und vom 27.10.2020 - IX R 5/20, BFHE 271, 359 = SIS 21 09 34, Rz 29, und Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 03.06.2021 - IV C 1 - S 2252/19/10003:002, BStBl I 2021, 723 = SIS 21 09 40, Tz 60). Zwar fehlt es bei einem Forderungsausfall an dem eine Veräußerung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG kennzeichnenden Rechtsträgerwechsel. Aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung einer Kapitalforderung in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG folgt jedoch, dass auch eine endgültig ausbleibende Rückzahlung zu einem Verlust i.S. des § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG führen kann (BFH-Urteil in BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831 = SIS 17 22 45, Rz 15). Wirtschaftlich betrachtet macht es keinen Unterschied, ob der Steuerpflichtige die Forderung noch kurz vor dem Ausfall zu Null veräußert, oder ob er sie - weil er keinen Käufer findet oder auf eine Quote hofft - behält. In beiden Fällen erleidet der Steuerpflichtige eine Einbuße seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die die gleiche steuerliche Berücksichtigung finden muss (BFH-Urteil in BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831 = SIS 17 22 45, Rz 17). Wie die Veräußerung ist die Rückzahlung ein Tatbestand der Endbesteuerung. Ein steuerbarer Verlust aufgrund eines Forderungsausfalls liegt daher grundsätzlich erst dann vor, wenn endgültig feststeht, dass (über bereits gezahlte Beträge hinaus) keine (weiteren) Rückzahlungen (mehr) erfolgen werden. Ausnahmsweise kann der Verlust allerdings schon zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sein, wenn bei objektiver Betrachtung bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Rückzahlungen auf die Forderung zu rechnen ist und ausreichende objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Forderung vorliegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 271, 359 = SIS 21 09 34, Rz 37, 40; vgl. auch Hahne, BB 2018, 99, 100; s.a. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen, BT-Drucks. 19/15876, S. 61, zu § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG). Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus. Etwas anderes gilt, wenn die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt wird (BFH-Urteil vom 12.12.2000 - VIII R 22/92, BFHE 194, 108, BStBl II 2001, 385 = SIS 01 05 18; BFH-Beschluss vom 27.11.1995 - VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406) oder aus anderen Gründen feststeht, dass nicht mehr mit einer wesentlichen Änderung des Verlusts nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Insolvenzschuldners zu rechnen ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831 = SIS 17 22 45, und vom 27.11.2001 - VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731 = SIS 02 06 22).

 

 

11

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG den endgültigen Forderungsausfall für den Kläger als Insolvenzgläubiger bereits vor Abschluss des Insolvenzverfahrens in dem Zeitpunkt angenommen hat, in dem der Insolvenzverwalter gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO die Masseunzulänglichkeit gegenüber dem Insolvenzgericht angezeigt hat.

 

 

12

a) Nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht anzuzeigen, wenn zwar die Mittel zur Begleichung der Kosten des Insolvenzverfahrens i.S. des § 54 InsO vorhanden sind, die Insolvenzmasse jedoch nicht ausreicht, um die fälligen sonstigen Masseverbindlichkeiten zu erfüllen. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit bewirkt ohne weitere Prüfung durch das Insolvenzgericht, dass die Befriedigung der Massegläubiger sich ab diesem Zeitpunkt nach der Rangordnung des § 209 Abs. 1 InsO richtet. Zugleich ändert sich die Zielrichtung des Insolvenzverfahrens. Der Insolvenzverwalter bleibt zwar gemäß § 208 Abs. 3 InsO zur Verwaltung und Verwertung der Masse verpflichtet. Das Insolvenzverfahren wird jedoch fortan mit dem Ziel fortgesetzt, die noch vorhandene Restmasse geordnet im Interesse der Befriedigung der Massegläubiger zu verwerten. Es dient ab diesem Zeitpunkt nicht mehr den Interessen der Insolvenzgläubiger, die keine Befriedigung ihrer Ansprüche mehr zu erwarten haben, da die Insolvenzmasse bereits mit Blick auf die sonstigen Masseverbindlichkeiten zahlungsunfähig und damit unzulänglich ist (vgl. MüKoInsO/Hefermehl, 4. Aufl., § 208 Rz 44; Jungmann in Schmidt, InsO, 19. Aufl., § 208 Rz 2). Im Zeitpunkt der angezeigten Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO steht deshalb mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass auf die Forderungen der Insolvenzgläubiger keine Zahlungen mehr erfolgen werden und damit nicht mehr mit einer wesentlichen Änderung des eingetretenen Verlusts gerechnet werden kann. Hieraus hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise gefolgert, dass im Streitfall ausreichende objektive Anhaltspunkte für eine Uneinbringlichkeit der Forderung des Klägers vorliegen.

 

 

13

b) Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht daraus, dass nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit grundsätzlich die Möglichkeit besteht, im Falle der Massebesserung wieder in das „normale“ Insolvenzverfahren zurückzukehren (vgl. hierzu: Jungmann in Schmidt, a.a.O., § 208 Rz 34 ff.; MüKoInsO/Hefermehl, a.a.O., § 208 Rz 53 ff.). Denn dies ändert nichts daran, dass im Zeitpunkt der nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO angezeigten Masseunzulänglichkeit die Insolvenzmasse objektiv nicht ausreichend ist, um alle Massegläubiger voll zu befriedigen, so dass eine auch nur anteilige Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht mehr zu erwarten ist. Reicht nämlich die Masse schon zur Befriedigung sämtlicher Masseverbindlichkeiten nicht aus, können die Insolvenzgläubiger grundsätzlich nicht mehr mit einer (anteiligen) Befriedigung ihrer Forderungen rechnen. Stellt sich vor der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 211 InsO heraus, dass die angezeigte Masseunzulänglichkeit nicht von Dauer ist und die Insolvenzmasse wieder ausreichend wird, um sämtliche Massegläubiger vollständig und die Insolvenzgläubiger anteilig zu befriedigen, liegt ein rückwirkendes Ereignis vor, das die Höhe des Rückzahlungsgewinns bzw. -verlusts eines Insolvenzgläubigers beeinflusst und nach Maßgabe des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung auf den Veranlagungszeitraum des geltend gemachten Forderungsausfalls zurück zu beziehen ist. Insoweit gelten die bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns bzw. -verlusts geltenden Grundsätze auch im Rahmen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG entsprechend (vgl. BFH-Urteile vom 16.06.2015 - IX R 30/14, BFHE 250, 305, BStBl II 2017, 94 = SIS 15 23 31, und vom 21.12.1993 - VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648 = SIS 94 15 51). Denn aus der Gleichstellung der Rückzahlung mit dem Tatbestand der Veräußerung in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG folgt, dass die Fälle der Veräußerung und Rückzahlung im Rahmen der Gewinnermittlung gemäß § 20 Abs. 4 EStG gleich zu behandeln sind (BFH-Urteil in BFHE 259, 535, BStBl II 2020, 831 = SIS 17 22 45, Rz 14; vgl. auch BT-Drucks. 16/4841, S. 57).

 

 

14

c) Das FG ist im Ergebnis auch zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei der ausgefallenen Darlehensforderung des Klägers nicht um eine sonstige Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 InsO handelt, die nach der Anzeige der Masseunzulänglichkeit nach § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO noch Aussicht auf Befriedigung nach Maßgabe des sich aus § 209 Abs. 1 InsO ergebenden Rangverhältnisses hatte.

 

 

15

aa) Insbesondere erfüllt die Darlehensforderung des Klägers nicht die Voraussetzungen einer sonstigen Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 1 i.V.m. § 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO. Danach zählen zu den Masseverbindlichkeiten zwar auch Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen, die - wie im Streitfall - bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners abgeschlossen waren, soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird. Allerdings ist die Anwendung der Vorschrift auf solche gegenseitigen Verträge beschränkt, die im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung von beiden Vertragspartnern noch nicht oder nicht vollständig erfüllt sind. In einem solchen Fall steht dem Insolvenzverwalter nach § 103 Abs. 1 InsO das Wahlrecht zu, anstelle des Schuldners den Vertrag zu erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil zu verlangen. Entscheidet er sich für die Erfüllung des Vertrages, hat der Vertragspartner die nach dem Vertrag geschuldete Leistung zur Insolvenzmasse zu bewirken; dessen Anspruch auf die Gegenleistung des Schuldners wird von da ab zur Masseschuld nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alternative 1 InsO (vgl. MüKoInsO/Hefermehl, a.a.O., § 55 Rz 121).

 

 

16

bb) Ein solcher Fall eines bei Insolvenzeröffnung abgeschlossenen, aber beidseits noch nicht erfüllten Schuldverhältnisses liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger bereits vor Insolvenzeröffnung die Darlehensvaluta an den Darlehensnehmer ausgezahlt und seine vertragliche Verpflichtung daher vollständig erfüllt. Er besaß deshalb einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens i.S. des § 38 InsO, der für die Dauer der Masseunzulänglichkeit i.S. des § 208 InsO von einer Teilnahme an der Verwertung der Restmasse ausgeschlossen war.

 

 

17

d) Im Streitfall hat das FG die steuerliche Anerkennung des aufgrund des Forderungsausfalls eingetretenen Verlusts gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 EStG im Ergebnis zu Recht auch nicht wegen einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht versagt. Das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht ist auch bei Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG grundsätzlich zu prüfen und für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil vom 14.05.2014 - VIII R 37/12, BFH/NV 2014, 1883 = SIS 14 29 95). Die Einkünfteerzielungsabsicht wird jedoch aufgrund der mit der Abgeltungsteuer eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen (widerleglich) vermutet (vgl. hierzu: BFH-Urteile vom 14.03.2017 - VIII R 38/15, BFHE 258, 240, BStBl II 2017, 1040 = SIS 17 14 55, und in BFH/NV 2014, 1883 = SIS 14 29 95). Relevante Anhaltspunkte dafür, dass diese Vermutung widerlegt sein könnte, sind im Streitfall nicht gegeben. Insbesondere ist nach den Feststellungen des FG nicht erkennbar, dass der Kläger bereits bei Gewährung des Darlehens mit einer Rückzahlung des hingegebenen Kapitals nicht mehr rechnen konnte. Allein der spätere Ausfall des Rückzahlungsanspruchs ist ebenfalls nicht geeignet, die Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht zu widerlegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 258, 240, BStBl II 2017, 1040 = SIS 17 14 55).

 

 

18

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

 

 

19

4. Die Entscheidung ergeht nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 90 Abs. 2 FGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

 

Anmerkung Vors. RiinBFH Prof. Dr. Jachmann-Michel

Mit der Besprechungsentscheidung bestätigt der VIII. Senat des BFH seine Rechtsprechung, die mit Einführung der Abgeltungsteuer intendierte Steuerbarkeit auch des Vermögensstamms im Rahmen von § 20 EStG nicht nur für Gewinne, sondern auch für Verluste anzuerkennen (vgl. insbesondere BFH v. 24.10.2017, VIII R 13/15, BStBl 2020 II S. 831 = SIS 17 22 45; v. 6.8.2019, VIII R 18/16, BStBl 2020 II S. 833 = SIS 19 16 60; v. 16.6.2020, VIII R 1/17, BStBl 2021 II S. 144 = SIS 20 17 30). Für die Berücksichtigung des Verlusts aus dem Ausfall einer privaten Kapitalforderung muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine (weiteren) Zahlungen mehr leisten wird. Bei insolvenzfreier Auflösung einer Kapitalgesellschaft als Forderungsschuldnerin kann davon regelmäßig erst bei Abschluss der Liquidation ausgegangen werden, sofern sich nicht aus besonderen Umständen ausnahmsweise etwas anderes ergibt. Dies konkretisiert die Besprechungsentscheidung hinsichtlich der Anzeige der Masseunzulänglichkeit.

 

Diese Grundsätze zur Verwirklichung des Rückzahlungstatbestands bei Ausfall einer privaten sonstigen Kapitalforderung sind jedoch nicht auf den insolvenzbedingten Untergang von Aktien übertragbar (dazu BFH v. 17.11.2020, VIII R 20/18, BStBl 2021 II S. 378; DStR 2021 S. 599 = SIS 21 03 47). Von einer "Veräußerung" der Aktien i.d.S. ist auszugehen, wenn die AG bei Vermögenslosigkeit gemäß § 394 Abs. 1 Satz 2 FamFG im Register gelöscht wird und das Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs erlischt. Bei einer (früheren) Ausbuchung der Aktien aus dem Depot des Steuerpflichtigen durch die Depotbank wird der Tatbestand schon zu diesem Zeitpunkt verwirklicht.