Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 14.03.2019 - 9 K
9069/18 = SIS 19 12 70 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt eine Apotheke.
Neben Erlösen, die sie über die GmbH
(Rezeptabrechnungsstelle) abrechnete, überwiesen Kunden
Beträge auf ihr Bankkonto. Darüber hinaus erzielte die
Klägerin Bareinnahmen aus Rezeptzuzahlungen und dem freien
Verkauf von Waren.
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Im Rahmen einer 2017 begonnenen
Außenprüfung für die Jahre 2013 bis 2015
führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
- ) eine Verprobung der Rohgewinnsätze für die Freiwahl-
und Sichtwahlartikel durch. Dabei stellte die Prüferin
Differenzen für die Jahre 2014 und 2015 fest, die u.a. aus den
von ihr lediglich geschätzten Werten für die Aufteilung
der Umsätze aus den Kassenrezepten
(verschreibungspflichtig/nicht verschreibungspflichtig)
herrühren könnten. Das FA forderte die Klägerin
deshalb zur Vorlage der Daten der Rezeptabrechnungsstelle für
jedes einzelne Rezept in digitaler Form auf. Da die Klägerin
dieser Aufforderung nicht nachgekommen war, wiederholte das FA
seine Aufforderung und kündigte an, die einzelnen Rezepte
unmittelbar bei der Rezeptabrechnungsstelle anzufordern, wenn die
Klägerin die Unterlagen nicht vorlege. Auch dieser
wiederholten Aufforderung ist die Klägerin nicht
nachgekommen.
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Sie stellte beim Finanzgericht (FG) einen
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Feststellung
der Unzulässigkeit des angekündigten Auskunftsersuchens
an die Rezeptabrechnungsstelle. Diesen verwarf das FG als
unzulässig. Das beabsichtigte Auskunftsersuchen an die
Rezeptabrechnungsstelle stelle einen Verwaltungsakt dar, gegen den
sich die Klägerin durch Einlegung eines Einspruchs wenden
könne, so dass sie des einstweiligen Rechtsschutzes
gemäß § 114 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht
bedürfe. Auch könne das FG keine Untersagungsanordnung
aussprechen, da dies eine endgültige Regelung
darstelle.
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Die Klägerin erhob daraufhin
Sprungklage „wegen Androhung eines Auskunftsersuchens bei
einem Dritten“. Weil das FA seine Zustimmung hierzu
verweigert hatte, wurde die Sprungklage als Einspruch behandelt.
Das FA verwarf diesen als unzulässig, da kein Verwaltungsakt
vorliege. Die hiergegen erhobene Klage wegen des
„beabsichtigten Auskunftsersuchens“ sah das FG zwar als
zulässig an, da es sich um eine vorbeugende Unterlassungsklage
handele. Die Klage sei aber unbegründet (EFG 2019, 1430 = SIS 19 12 70).
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Während des Revisionsverfahrens hat
das FA das angekündigte Auskunftsersuchen an die
Rezeptabrechnungsstelle versandt; diese hat dem FA zwischenzeitlich
einen Datenträger übermittelt.
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Die Klägerin macht im Rahmen des
Revisionsverfahrens die Verletzung materiellen Rechts und
Verfahrensmängel geltend. Aufgrund der zwischenzeitlich
eingeholten Auskünfte sei die Klage auf eine
Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen. Dies müsse auch
bei einer vorbeugenden Unterlassungsklage möglich sein, da
ansonsten das FA, obwohl das FG die Revision zugelassen habe, eine
endgültige gerichtliche Entscheidung verhindern könne.
Das Feststellungsinteresse ergebe sich bereits aus der
Qualifikation des Gewerbebetriebs der Klägerin als
Großbetrieb und der damit verbundenen Prüfungsdichte.
Das Auskunftsersuchen sei, da die Buchführung nur
unwesentliche Mängel aufweise, ebenso wie die Schätzung
unzulässig gewesen. Die Differenzen seien allein Folge eines
fehlerhaften Aufbaus der Kalkulation, der falschen Würdigung
der Dateien und der mangelnden Kenntnisse des FA bezüglich der
für Apotheken geltenden Abrechnungsvorschriften. Unstreitig
seien sämtliche von der Rezeptabrechnungsstelle an die
Klägerin geflossene Zahlungen in der Buchführung erfasst
worden. Darüber hinaus komme der vom FA begehrten Aufteilung
nach rezeptpflichtigen und nicht rezeptpflichtigen Medikamenten
keine Relevanz für die Besteuerungsgrundlagen der
Klägerin zu. Auch lasse sich die vom FA errechnete Differenz
durch das beabsichtigte Auskunftsersuchen nicht beseitigen. Dies
habe sich im Übrigen im weiteren Verlauf der Prüfung nach
der Übermittlung des Datenträgers durch die
Rezeptabrechnungsstelle bestätigt.
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Gerügt wird auch ein Verstoß des
FG gegen dessen Sachaufklärungspflicht gemäß §
76 Abs. 1 FGO, da die benannten Zeugen nicht zu dem von der
Klägerin bezeichneten Thema vernommen worden seien.
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Die Klägerin beantragt,
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das angefochtene Urteil aufzuheben und
festzustellen, dass die Androhung eines Auskunftsersuchens bei der
Rezeptabrechnungsstelle rechtswidrig war.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Da das FA das entsprechende
Auskunftsersuchen inzwischen an die Rezeptabrechnungsstelle
gestellt habe, sei die vorbeugende Unterlassungsklage
unzulässig geworden. Durch diese Einholung des angedrohten
Auskunftsersuchens habe sich das Klageverfahren erledigt. Da die
Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1
Satz 4 FGO auf Verwaltungsakte beschränkt sei, komme sie bei
der vorliegenden Unterlassungsklage nicht in Frage.
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Das FA sei im Übrigen gemäß
§ 93 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) berechtigt gewesen, ein
schriftliches Auskunftsersuchen an die Rezeptabrechnungsstelle zu
richten. Da die Rohgewinne I und II in allen Prüfungsjahren
unterhalb der veröffentlichten Richtsätze gelegen
hätten und von Jahr zu Jahr gesunken seien, sei ein Anlass
für Ermittlungen der Prüferin vorhanden gewesen. Erst
durch die Verprobung der Rohgewinnaufschlagsätze für die
Freiwahl- und Sichtwahlartikel anhand der angeforderten Rezeptdaten
lasse sich nachprüfen, ob deren Umsätze vollständig
erfasst worden seien.
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Das FA sei auch nicht erst bei
feststehenden Buchführungsmängeln zur Einholung der
Auskünfte bei Dritten berechtigt. Es genüge vielmehr,
wenn aufgrund konkreter Umstände oder allgemeiner Erfahrungen
ein Auskunftsersuchen angezeigt sei.
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II. Die zulässige Revision der
Klägerin ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen
(§ 126 Abs. 2 FGO).
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1. Die Revision ist zulässig. Zwar hat
sich die zulässigerweise erhobene vorbeugende
Unterlassungsklage (unter a) während des Revisionsverfahrens
durch das zwischenzeitlich tatsächlich umgesetzte Ersuchen
erledigt. Dies führt allerdings nicht zum Wegfall des
Rechtsschutzbedürfnisses und damit zur Unzulässigkeit der
Revision. Vielmehr ist die Klägerin berechtigt, ihr
Klagebegehren, die Rechtswidrigkeit der Androhung des
Auskunftsersuchens feststellen zu lassen, im Wege einer allgemeinen
Feststellungsklage gemäß § 41 Abs. 1 FGO
weiterzuverfolgen (unten b).
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a) Die bloße Androhung des
Auskunftsersuchens als Vorbereitungshandlung ist - anders als das
(nachfolgende) Auskunftsersuchen gemäß § 93 Abs. 1
Satz 3 AO (vgl. zur Eigenschaft als Verwaltungsakt insoweit nur
Senatsurteil vom 29.07.2015 - X R 4/14, BFHE 251, 112, BStBl II
2016, 135 = SIS 15 28 17, Rz 26, m.w.N.) - schon mangels
Erzwingbarkeit der Maßnahme nach den Vorschriften der
§§ 328 ff. AO (vgl. nur Senatsurteil vom 16.11.2011 - X R
18/09, BFHE 235, 452, BStBl II 2012, 129 = SIS 11 39 69, Rz 18,
m.w.N.) kein Verwaltungsakt. Daher konnte die Klägerin nur im
Wege einer vorbeugenden Unterlassungsklage als Unterfall der
allgemeinen Leistungsklage gerichtlichen Rechtsschutz erlangen. Sie
konnte weder darauf verwiesen werden, gegen das Auskunftsersuchen
oder gegen die Steuerbescheide, die Erkenntnisse des
Auskunftsersuchens beinhalten, vorzugehen (so aber FG
Düsseldorf, Urteil vom 25.04.2007 - 7 K 4756/06, EFG 2007,
1536 = SIS 08 03 23, für den Fall einer Klage gegen einen
durchgeführten Kontenabruf nach § 93 Abs. 7 AO), noch war
die vorbeugende Unterlassungsklage wegen doppelter
Rechtshängigkeit unzulässig. Da das FA der vorher
erhobenen Sprungklage, die den identischen Streitgegenstand
umfasste, nicht zugestimmt hatte, endete die Rechtshängigkeit
der Sprungklage und verlor vor der Erhebung der Unterlassungsklage
ihren Charakter als Klage (vgl. hierzu auch Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 08.11.2016 - I R 1/15, BFHE 256, 195,
BStBl II 2017, 720 = SIS 17 03 76, Rz 12).
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b) Aufgrund des zwischenzeitlich vollzogenen
Auskunftsersuchens des FA hat sich die vorbeugende
Unterlassungsklage der Klägerin zwar erledigt, sie kann ihr
Begehren aber als Feststellungsklage weiterverfolgen.
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aa) Anders als eine Anfechtungs- oder
Verpflichtungsklage ist die Unterlassungsklage als Unterfall einer
Leistungsklage nach ihrer Erledigung nicht in eine
Fortsetzungsfeststellungsklage umstellbar. Denn die
Fortsetzungsfeststellungsklage ist ein Unterfall der
Anfechtungsklage (BFH-Urteil vom 02.06.1987 - VIII R 192/83, BFH/NV
1988, 104, unter I.2.a, m.w.N.), der analog auf den Fall der
Verpflichtungsklage ausgedehnt wird (BFH-Urteil vom 12.06.1996 - II
R 71/94, BFH/NV 1996, 873, unter II.1., m.w.N.). In beiden
Fällen verlangt die Fortsetzungsfeststellungsklage somit das
Vorliegen eines Verwaltungsakts, der bei der Androhung eines
Auskunftsersuchens gerade (noch) nicht gegeben ist (vgl. oben unter
II.1.a). Auch ist das zwischenzeitlich durchgeführte
Auskunftsersuchen und damit der (nachfolgende) Verwaltungsakt (vgl.
hierzu nur Senatsurteil in BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135 = SIS 15 28 17, Rz 26) in einem separaten Verwaltungsverfahren erlassen
worden. Er kann schon deshalb nicht Gegenstand des
streitgegenständlichen Klageverfahrens nach § 68 Satz 1
i.V.m. § 127 FGO werden.
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bb) Vorliegend ist die vorbeugende
Unterlassungsklage jedoch in eine Feststellungsklage
gemäß § 41 Abs. 1 FGO übergegangen. Denn das
Klageinteresse ist so zu verstehen, dass die Klägerin stets
(auch) die Feststellung begehrte, die Rechtmäßigkeit
eines vom FA geplanten Auskunftsersuchens im Hinblick auf ihr
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und ihr Recht auf
Wahrung des Steuergeheimnisses nachträglich gerichtlich
überprüfen zu lassen. Die Feststellungsklage scheitert
nicht daran, dass die Klägerin ihr Prozessziel auf anderem Weg
schneller, einfacher und billiger erreichen kann (vgl. hierzu
BFH-Urteil vom 10.02.1987 - VII R 77/84, BFHE 149, 387, BStBl II
1987, 545 = SIS 87 12 51, unter B.I.2., m.w.N.). Eine solche
Möglichkeit ist hier gerade nicht (mehr) gegeben. Weder muss
sich die Klägerin auf eine neue Fortsetzungsfeststellungsklage
gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO in Bezug auf das
Auskunftsersuchen verweisen lassen noch kann es relevant sein, dass
sie bereits im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die
Androhung des Auskunftsersuchens vorgegangen ist.
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(1) Der Übergang von einer Leistungsklage
zur Feststellungsklage stellt keine nach § 123 Abs. 1 Satz 1
FGO im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar,
da es sich lediglich um eine Einschränkung der allgemeinen
Leistungsklage handelt (vgl. BFH-Urteil vom 18.01.2012 - II R
49/10, BFHE 235, 151, BStBl II 2012, 168 = SIS 12 03 20, Rz 16,
m.w.N.).
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(2) Die Feststellungsklage ist
gemäß § 41 Abs. 1 FGO zulässig. Es besteht
weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Gerade
mittels einer Feststellungsklage kann die Feststellung des
Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder
der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der
Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung
hat. Um die Feststellung des Bestehens eines
Rechtsverhältnisses in diesem Sinn geht es auch, wenn - wie
hier - die Rechtswidrigkeit von Verwaltungshandeln, das keinen
Verwaltungsakt darstellt (§ 118 Satz 1 AO), gegenüber dem
Betroffenen festgestellt werden soll (vgl. nur BFH-Urteil vom
29.04.2008 - I R 79/07, BFH/NV 2008, 1807 = SIS 08 37 90, unter
II.1.).
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(3) Der Zulässigkeit der
Feststellungsklage steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht
entgegen.
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(a) Hiernach kann zwar die Feststellung des
Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nicht
begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch
Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte
verfolgen können. § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO ist aber ebenso
wie die vergleichbare Regelung des § 43 Abs. 2 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ihrem Zweck entsprechend
einschränkend auszulegen und anzuwenden (Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 29.04.1997 - 1 C 2/95, NJW
1997, 2534, unter 4., m.w.N., zu § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
Droht keine Umgehung der für Anfechtungs- und
Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und
Vorverfahren, steht § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO der
Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in
denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet. Kann die zwischen
den Beteiligten streitige Frage sachgerecht und dem
Rechtsschutzinteresse des Rechtsmittelführers voll Rechnung
tragend durch das Feststellungsurteil geklärt werden,
verbietet es sich, diesen auf eine (neue)
Fortsetzungsfeststellungsklage zu verweisen.
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(b) Vorliegend werden die besonderen
Sachentscheidungsvoraussetzungen, die für Anfechtungs- und
Verpflichtungsklagen gelten, durch die Umstellung der als
allgemeine Leistungsklage (in Form der vorbeugenden
Unterlassungsklage) erhobenen Klage in eine allgemeine
Feststellungsklage nicht unterlaufen. Denn auch die
Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage ist weder von
einer Klagefrist noch von der Durchführung eines Vorverfahrens
abhängig.
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Die materiell-rechtliche Rechtsfrage - die
Rechtswidrigkeit des (angedrohten) Auskunftsersuchens - ist zudem
dieselbe, welche die Klägerin sowohl mit ihrer vorbeugenden
Unterlassungsklage als auch mit der daraus erwachsenen
Feststellungsklage klären will.
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(4) Ebenso ist das erforderliche
Feststellungsinteresse und damit ein Rechtsschutzinteresse der
Klägerin vorliegend gegeben. Zum einen besteht neben der
Wiederholungsgefahr ein Rehabilitationsinteresse. Darüber
hinaus ist es prozessökonomisch wenig verständlich, warum
die maßgebliche Rechtsfrage nicht im bereits anhängigen
und aufwändig betriebenen Verfahren geklärt werden soll.
Wie im Fall einer Fortsetzungsfeststellungsklage gilt, dass
„eine Partei nicht ohne Not um die Früchte des
bisherigen Prozesses gebracht werden darf, insbesondere dann nicht,
wenn das Verfahren unter entsprechendem Aufwand einen bestimmten
Stand erreicht hat und sich mit der Erledigung des
ursprünglichen Antrages die Frage stellt, ob dieser Aufwand
nutzlos gewesen sein soll und der Kläger der (häufig
nicht auf sein Verhalten zurückgehenden) Erledigung wegen in
diesem Verfahren leer ausgehen muss“ (so schon
BVerwG-Urteil vom 18.04.1986 - 8 C 84/84 - Buchholz 310 § 161
VwGO Nr. 69 S. 9 (13 f.) unter Hinweis auf das BVerwG-Urteil vom
28.04.1967 - IV C 163.65 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 36 S.
64 (66)).
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Gerade im vorliegenden Fall, in dem allein das
FA durch Schaffung vollendeter Tatsachen trotz einer noch nicht
rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung die
nachträgliche Unzulässigkeit der Klage und damit das
Hinausdrängen der Klägerin aus dem schon seit
längerer Zeit betriebenen Verfahren bewirken würde, muss
sichergestellt sein, dass das Verfahren beendet werden kann. Dies
ist aufgrund des Feststellungsantrags als
„Minus“ zum Leistungsantrag möglich.
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(5) Das Feststellungsinteresse bzw. das
Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin ist im Streitfall
nicht deswegen zu verneinen, weil sie bereits im Wege des
einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Androhung des
Auskunftsersuchens vorgegangen ist und das FG diesen Weg
rechtsfehlerhaft als nicht eröffnet angesehen hat.
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(a) Besteht für einen Steuerpflichtigen
die Möglichkeit, eine vorbeugende Unterlassungsklage zu
erheben, wenn er von dem beabsichtigten Auskunftsersuchen nach
§ 93 Abs. 1 Satz 3 AO in Kenntnis gesetzt worden ist, ist
konsequenterweise der einstweilige Rechtsschutz nach § 114
FGO, und zwar auch vor Erhebung der Unterlassungsklage,
möglich. Denn mit einem solchen Antrag kann der Betroffene
erreichen, dass die Finanzbehörde vorläufig, und zwar bis
zur Entscheidung über die Hauptsache, an der Durchführung
des Auskunftsersuchens gehindert wird (ebenso, wenn auch im Fall
des Kontenabrufs nach § 93 Abs. 7 AO: Loose, EFG 2007, 1537.
Maidorn, NJW 2006, 3752, 3756; Cöster/Intemann, DStR 2005,
1249, 1250; v. Wedelstädt, AO-Steuer-Berater 2006, 118, 121).
Für einen derartigen Antrag nach § 114 FGO wird
regelmäßig ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen, da
ansonsten durch das Auskunftsersuchen möglicherweise
endgültig und unheilbar das Grundrecht des Steuerpflichtigen
auf informationelle Selbstbestimmung verletzt würde.
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(b) Die Klägerin hatte sich bereits vor
ihrer vorbeugenden Unterlassungsklage um einstweiligen Rechtsschutz
beim FG bemüht. Dass ihr Antrag gemäß § 114
FGO erfolglos blieb, kann indes nicht dazu führen, eine
spätere Feststellungsklage in Bezug auf die Hauptsache unter
prozessökonomischen Gründen als nicht mehr zulässig
anzusehen. Dies gilt unabhängig davon, ob das FG
rechtsfehlerhaft einen solchen Antrag nach § 114 FGO abgelehnt
oder die Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO nicht zugelassen
hat. Denn entscheidend ist, dass auch weiterhin - wie vorstehend
bereits dargelegt - ein Interesse der Klägerin an der
Feststellung der Rechtmäßigkeit des (vollzogenen)
Auskunftsersuchens nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO besteht.
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2. Die Revision ist unbegründet. Die
Androhung des Auskunftsersuchens war rechtmäßig.
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Zutreffend hat das FG bereits in seinem
Beschluss vom 08.01.2018 - 9 V 9166/17 erkannt, dass das streitige
Auskunftsersuchen unter Beachtung der vom Senat in seinem Urteil in
BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135 = SIS 15 28 17, Rz 38 ff.
dargelegten Grundsätze nicht rechtsfehlerhaft ist.
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a) Die Klägerin hatte dem FA im Rahmen
der Außenprüfung die angeforderten Daten der
Rezeptabrechnungsstelle für jedes einzelne Rezept vorzulegen.
Diese Daten sind für die Besteuerung erheblich, da sie aus
Sicht des FA erforderlich waren, um die Kalkulationsdifferenzen
aufzuklären.
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aa) Die Art und der Umfang der Ermittlungen
der Finanzbehörden richten sich gemäß § 88
Abs. 2 Satz 1 AO nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach
den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit,
Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit;
an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist
sie nicht gebunden.
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Aus diesem Grunde hindert die bloße
Behauptung der Klägerin, die Zahlungen der
Rezeptabrechnungsstelle seien vollständig erfasst, die
Finanzbehörde nicht, eine Kalkulation vorzunehmen und sich
(daneben) insbesondere sämtliche Zahlungen bescheinigen zu
lassen. Denn schon aufgrund des verfassungsrechtlich gebotenen
Verifikationsprinzips (Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
27.06.1991 - 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 = SIS 91 14 01, unter
C.I.2.) müssen die Finanzbehörden in der Lage sein,
Angaben des Steuerpflichtigen effektiv auf ihre Richtigkeit
überprüfen zu können (Senatsbeschluss vom 20.06.2011
- X B 234/10, BFH/NV 2011, 1829 = SIS 11 32 90, Rz 6). Der
Steuerpflichtige hat gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AO
die für die Kalkulation aus Sicht der Finanzbehörde
notwendigen Auskünfte zu erteilen. Diese Mitwirkungspflicht
des Steuerpflichtigen ergibt sich im Rahmen der
Außenprüfung aus § 200 Abs. 1 Satz 2 AO.
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bb) Das FA durfte im Streitfall im Rahmen
seiner Außenprüfung zu der Einschätzung gelangen,
die Auskünfte könnten zur Aufdeckung steuererheblicher
Tatsachen führen. Es reicht aus, dass steuerlich erhebliche
Tatsachen betroffen sind, die die finanzbehördlichen
Entscheidungen in einem steuerrechtlichen Verwaltungsverfahren
beeinflussen können (vgl. Schuster in Hübschmann/
Hepp/Spitaler, § 93 AO Rz 10). Die in diesem Sinne
erheblichen, mitzuteilenden „Tatsachen“
müssen lediglich im Rahmen einer Prognoseentscheidung der
Finanzbehörde möglich sein (BFH-Urteil vom 29.10.1986 -
VII R 82/85, BFHE 148, 108, BStBl II 1988, 359 = SIS 87 04 57,
unter II.3.a, ständige Rechtsprechung). Davon zu unterscheiden
sind Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Schätzung.
Sie lassen das Recht des FA, nach § 93 Abs. 1 Satz 3 AO
weitere Auskünfte auch bei Dritten einzuholen,
unberührt.
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cc) Vorliegend ergibt sich bereits aus den vom
FA im Rahmen der Prüfung festgestellten
Kalkulationsdifferenzen, dass die Daten zu den einzelnen Rezepten
einer weitergehenden Überprüfung bedurften. Soweit die
Klägerin behauptet, diese Daten hätten dem FA
während der Außenprüfung in anderer Form bereits
vorgelegen, ist sie - unabhängig davon, ob sich bereits
deshalb die Vorlage der angeforderten Rezeptdaten erübrigt
hätte - einen Nachweis für die Richtigkeit dieser
Behauptung schuldig geblieben.
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dd) Ein hinreichender Anlass für ein
solches Auskunftsersuchen liegt auch - anders als es die
Klägerin annimmt - nicht erst vor, wenn ein begründeter
Verdacht dafür besteht, dass steuerrechtliche
Unregelmäßigkeiten gegeben sind. Es genügt
vielmehr, wenn anhand konkreter Umstände - hier die
Ungenauigkeiten der Ergebnisse der bisherigen Verprobung, die auf
dem lediglich geschätzten Verhältnis zwischen rezept- und
nichtrezeptpflichtigen Medikamenten beruhte - ein Auskunftsersuchen
angezeigt ist. Abzustellen ist insoweit allein auf den Zeitpunkt
des Auskunftsersuchens. Sollte sich, wie von der Klägerin
lediglich behauptet, im weiteren Verfahren herausgestellt haben,
dass die Rezeptdaten die Ungenauigkeiten des Verprobungsergebnisses
nicht aufgeklärt hätten, ist dies deshalb im vorliegenden
Verfahren ohne Bedeutung.
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b) Da die Klägerin sich weigerte, dem FA
die geforderten Daten zur Verfügung zu stellen, obwohl sie
dazu gemäß § 93 Abs. 1 AO i.V.m. § 200 Abs. 1
Satz 2 AO verpflichtet gewesen ist, durfte sich das FA
gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AO an die
Rezeptabrechnungsstelle als Dritte wenden.
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aa) Die fehlende Mitwirkung der Klägerin
ist vom FG festgestellt worden. Da die Klägerin dies nicht mit
Verfahrensrügen angegriffen hat, ist der Senat
gemäß § 118 Abs. 2 FGO an diese Feststellung
gebunden.
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40
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bb) Wegen der fehlenden Mitwirkung der
Klägerin war das FA berechtigt, sich gemäß §
93 Abs. 1 Satz 3 AO an die Rezeptabrechnungsstelle als andere
Person zu wenden. Dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt
von demjenigen, der dem Senatsurteil vom 28.10.2020 - X R 37/18
(BFHE 271, 28, BFH/NV 2021, 365 = SIS 20 21 31) zugrunde lag. Dort
hatte sich das Finanzamt ohne vorherige Sachverhaltsaufklärung
beim Steuerpflichtigen unmittelbar an die andere Person gewandt. Ob
insoweit die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO
beachtet worden waren, hatte der Senat mangels geeigneter
Feststellungen des FG nicht überprüfen können.
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3. Die von der Klägerin erhobene
Verfahrensrüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht
gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO verletzt, da es die
von ihr benannten Zeugen nicht vernommen habe, hat der Senat
geprüft. Sie ist jedenfalls mangels Erheblichkeit einer
solchen Zeugeneinvernahme für die Beurteilung der Richtigkeit
des Auskunftsersuchens unbegründet. Der Senat sieht insoweit
von einer weitergehenden Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz
1 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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