Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts München vom 27.02.2018 - 2 K 33/16 =
SIS 18 07 21 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
München zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
1
|
I. Streitig ist, ob bei Erlass der
angefochtenen Umsatzsteuerbescheide bereits
Festsetzungsverjährung eingetreten war.
|
|
|
2
|
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betrieb in den
Besteuerungszeiträumen 2004 bis 2007 (Streitjahre) eine ...
Klinik, bis sie aufgrund Ausgliederungs- und Übernahmevertrags
vom 22.08.2007 ihr gesamtes Vermögen gegen Gewährung
einer Kommanditbeteiligung an der A GmbH & Co. KG (KG) auf diese
übertrug. Beide Gesellschaften gehören der sog. X-Gruppe
an.
|
|
|
3
|
Ihre Umsatzsteuererklärungen für
die Streitjahre, die Steuerfestsetzungen unter Vorbehalt der
Nachprüfung gleichstanden, hatte die Klägerin jeweils im
zweiten nach dem jeweiligen Besteuerungszeitraum folgenden
Kalenderjahr beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA
- ) abgegeben.
|
|
|
4
|
Mit Schreiben vom 24.06.2009 informierte
das FA im Vorfeld einer geplanten Umsatzsteuerprüfung bei der
KG u.a. darüber, dass es davon ausgehe, dass diese als
Rechtsnachfolgerin der Klägerin anzusehen sei. Am 04.12.2009
ordnete es unter Verwendung der Steuernummer der Klägerin eine
Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 der Abgabenordnung
(AO) „bei der Firma A GmbH & Co. KG als RNF der B GmbH“
an. Diese - der damaligen steuerlichen Vertreterin aller
Gesellschaften und Einzelpersonen der X-Gruppe bekannt gegebene -
Prüfungsanordnung erging „an Sie als
Empfangsbevollmächtigten mit Wirkung für und gegen alle
Feststellungsbeteiligten (§ 183 Abs. 1 AO)“. Die
Außenprüfung sollte sich u.a. auf die
Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer der Zeiträume
2003 bis 2006 erstrecken.
|
|
|
5
|
Im Einspruchsverfahren gegen die
Prüfungsanordnung mit der Begründung, die Frist zwischen
der Bekanntgabe der Anordnung und dem Beginn der Prüfung sei
zu kurz bemessen, erklärte die steuerliche Vertreterin unter
Bezugnahme auf die vom FA verwendete Adressatenbezeichnung, sie
gehe davon aus, dass es sich um eine einheitliche Prüfung bei
allen Gesellschaften und Einzelpersonen der X-Gruppe handele. Mit
Schreiben vom 30.07.2010 erklärte sie die Rücknahme des
Einspruchs. Das FA nahm mit Bescheid vom 09.08.2010 die
Prüfungsanordnung für den Zeitraum 2003
zurück.
|
|
|
6
|
Am 16.08.2010 erließ das FA unter
derselben Adressatenbezeichnung und Verwendung der Steuernummer der
Klägerin eine „geänderte
Prüfungsanordnung“, nunmehr betreffend die
Zeiträume 2004 bis 2007.
|
|
|
7
|
Im Rahmen der Außenprüfung
wurden der steuerlichen Vertreterin u.a. Fragen/vorläufige
Feststellungen übermittelt, die als zur
„Betriebsprüfung bei B GmbH“ gehörend
gekennzeichnet waren. Auch die Antworten der Mitarbeiter der
steuerlichen Vertreterin mit Bezug zur Steuernummer der
Klägerin und zur Auftragsbuchnummer der betreffenden
Außenprüfung erfolgten mit Hinweis auf die
Klägerin.
|
|
|
8
|
In seinem Bericht vom 29.11.2013
„über die Außenprüfung bei der Firma B
GmbH“ stellte der Prüfer zur Umsatzsteuer der
Streitjahre fest, dass die Klägerin trotz Ausführung auch
steuerfreier Umsätze keine Vorsteueraufteilung vorgenommen
hatte. Die gebotene Aufteilung führte zu Mehrsteuern von ...
EUR (2004), ... EUR (2005), ... EUR (2006) und ... EUR (2007). In
der Schlussbesprechung vom 02.07.2013 wurde hinsichtlich aller
Prüfungsfeststellungen Einvernehmen erzielt. Die
Prüfungsfeststellungen wertete das FA mit
Änderungsbescheiden vom 18.03.2014 aus.
|
|
|
9
|
Die Einsprüche, mit denen die nunmehr
durch die Prozessbevollmächtigte vertretene Klägerin
Festsetzungsverjährung geltend machte, wies das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 07.12.2015 als unbegründet
zurück. Das Finanzgericht (FG) München wies die Klage mit
Urteil vom 27.02.2018 - 2 K 33/16 (EFG 2018, 1018 = SIS 18 07 21)
ab.
|
|
|
10
|
Mit der Revision macht die Klägerin im
Wesentlichen geltend, bei Erlass der angefochtenen Steuerbescheide
sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten gewesen. Eine
Prüfungsanordnung für sie, die Klägerin, fehle von
Beginn an, da die Prüfungsanordnung vom 04.12.2009 bzw.
16.08.2010 an die KG adressiert gewesen sei. Hilfsweise sei die
nicht an den Inhaltsadressaten gerichtete Prüfungsanordnung
nichtig. Für den Fall, dass nicht von deren Nichtigkeit
auszugehen sei, sei sie nicht auslegungsfähig, weil eindeutig
an die KG als Inhaltsadressatin gerichtet. Soweit das FG die
Prüfungsanordnung für mehrdeutig und auslegungsfähig
halte, berücksichtige es unzulässigerweise Handlungen
nach Ergehen der fehlerhaften Prüfungsanordnung; insbesondere
könne ihr Mitwirken an der Außenprüfung nicht zu
ihren Lasten gehen. Schließlich sei ihr Berufen auf die
Nichtigkeit der Prüfungsanordnung entgegen der Auffassung des
FG nicht nach Treu und Glauben ausgeschlossen.
|
|
|
11
|
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil,
die Einspruchsentscheidung vom 07.12.2015 und die
Umsatzsteuerbescheide für 2004 bis 2007 vom 18.03.2014
aufzuheben.
|
|
|
12
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise den Rechtsstreit
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen.
|
|
|
13
|
Es verteidigt die Vorentscheidung. Das FG
habe die Prüfungsanordnung zu Recht nicht als nichtig, sondern
als auslegungsfähig angesehen. Dies beruhe auf den vom FG
getroffenen tatsächlichen Feststellungen und der
Gesamtwürdigung der tatsächlichen Umstände des
Einzelfalls, was im Revisionsverfahren nur daraufhin
überprüft werden könne, ob das FG die gesetzlichen
Auslegungsregeln beachtet und nicht gegen Denk- und
Erfahrungssätze verstoßen habe. Ein solcher
Verstoß liege hier nicht vor. Die Adressierung der
Prüfungsanordnung sei, soweit sie die KG als
„Rechtsnachfolgerin“ in Bezug genommen habe, unter
einem zivilrechtlichen Gesichtspunkt der „teilweisen
Gesamtrechtsnachfolge“ bzw.
„Sonderrechtsnachfolge“, den das FG hervorgehoben habe,
zutreffend gewesen. Aus dieser Dualität der zivil- und
steuerrechtlichen Beurteilung ergebe sich über die vom FG
angeführten Punkte hinaus ein weiteres Element einer
Unsicherheit und damit Auslegungsfähigkeit des
Verwaltungsakts. Aus den bereits bei Bekanntgabe der
Prüfungsanordnung erkennbaren Umständen zur Bestimmung
des Inhaltsadressaten habe das FG zutreffend geschlossen, dass der
Klägerin „klar“ gewesen sei, Adressatin der
Prüfungsanordnung zu sein. Der Inhaltsadressat müsse
nicht zwingend für einen Dritten aus dem Bescheid selbst oder
aus beigefügten Unterlagen erkennbar sein; entscheidend sei
vielmehr, ob der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der den
Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt
werden kann, was das FG hier zutreffend bejaht habe.
|
|
|
14
|
Der Grundsatz von Treu und Glauben
könne nicht einseitig zulasten der Verwaltung wirken. Dies
wäre jedoch der Fall, wenn eine Nichtigkeit der
Prüfungsanordnung bedingt, dass diese nicht die Rechtsfolge
der Ablaufhemmung zeitigen könne, und jegliches Verhalten des
Steuerpflichtigen unbeachtlich sein müsse.
|
|
|
15
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
16
|
Zu Unrecht hat das FG erkannt, dass der Ablauf
der Festsetzungsfrist für das jeweilige Streitjahr dadurch
gehemmt gewesen sei, dass vor deren Ablauf mit einer
Außenprüfung begonnen wurde. Ferner ist die
Klägerin entgegen der Auffassung des FG nicht nach den
Grundsätzen von Treu und Glauben daran gehindert, den Ablauf
der regulären Festsetzungsfrist geltend zu machen. Die
tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO)
reichen jedoch nicht aus, um den Streitfall abschließend zu
entscheiden; das FG hat es ausdrücklich - auf der Grundlage
seiner Rechtsauffassung zu Recht - offengelassen, ob aufgrund
Steuerhinterziehung eine verlängerte Festsetzungsfrist
gilt.
|
|
|
17
|
1. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist der
Erlass eines Steuerbescheides nicht mehr zulässig, wenn die
Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese Frist begann für das
Streitjahr 2004 infolge der Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen
Steuererklärung im Jahre 2006 mit Ablauf des 31.12.2006,
für die übrigen Streitjahre entsprechend mit Ablauf des
31.12.2007, des 31.12.2008 bzw. des 31.12.2009 (§ 170 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 AO). Die reguläre Festsetzungsfrist endete
gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO jeweils nach
vier Jahren mit Ablauf des 31.12.2010, des 31.12.2011, des
31.12.2012 bzw. des 31.12.2013, sofern ihr Ablauf nicht nach §
171 Abs. 4 Satz 1 AO durch den Beginn der Außenprüfung,
die sich auf die steuerlichen Verhältnisse der Streitjahre
erstreckte, gehemmt wurde.
|
|
|
18
|
2. Im Streitfall ist der Ablauf der jeweiligen
Festsetzungsfrist nicht gemäß § 171 Abs. 4 AO
dadurch gehemmt worden, dass vor Fristablauf mit einer
Außenprüfung begonnen wurde. Zwar hat das FA für
die Streitjahre Prüfungsanordnungen erlassen, doch sind diese
gegenüber der Klägerin nicht wirksam geworden. Eine
Außenprüfung, die aufgrund einer unwirksamen
Prüfungsanordnung durchgeführt wird, kann den Ablauf der
Festsetzungsfrist nicht hemmen (ständige Rechtsprechung; vgl.
z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.04.1993 - X R
112/91, BFHE 171, 15, BStBl II 1993, 649 = SIS 93 17 04, unter
B.II.1.c bb, Rz 37; vom 13.10.2016 - IV R 20/14, BFH/NV 2017, 475 =
SIS 17 03 59, Rz 39).
|
|
|
19
|
a) Eine Ablaufhemmung durch eine
Außenprüfung setzt u.a. voraus, dass eine förmliche
Prüfungsanordnung erlassen wurde (ständige
Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteile vom 06.07.1999 - VIII R
17/97, BFHE 189, 302, BStBl II 2000, 306 = SIS 99 21 33, unter
II.3.c, Rz 21; vom 26.04.2017 - I R 76/15, BFHE 258, 210, BStBl II
2017, 1159 = SIS 17 15 91, Rz 21). Das FA hat am 04.12.2009 eine
Prüfungsanordnung zu den Zeiträumen 2003 bis 2006 und,
nachdem es am 09.08.2010 die Prüfungsanordnung für den
Zeitraum 2003 zurückgenommen hatte, am 16.08.2010 eine
„geänderte Prüfungsanordnung“ zu den
Zeiträumen 2004 bis 2007 erlassen.
|
|
|
20
|
Regelungscharakter kommt dabei lediglich der
Anordnung vom 04.12.2009 zu den Zeiträumen 2004 bis 2006 sowie
der Anordnung vom 16.08.2010 zu dem Zeitraum 2007 zu. Denn es sind
keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das FA seine
Ermessensentscheidung (zur Prüfungsanordnung allgemein vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 15.06.2016 - III R 8/15, BFHE 254, 203, BStBl
II 2017, 25 = SIS 16 21 05, Rz 15 ff.) vom 04.12.2009, die
steuerlichen Verhältnisse der Zeiträume 2004 bis 2006 zu
prüfen, nochmals einer inhaltlichen Prüfung unterzogen
und für diese Zeiträume am 16.08.2010 eine neue Regelung
erlassen hätte. Vielmehr stellt sich die
„geänderte Prüfungsanordnung“ insoweit
als bloß wiederholende Verfügung dar, die keine neue
Regelung mit unmittelbarer Rechtserheblichkeit traf (vgl. z.B.
allgemein BFH-Urteile vom 06.08.1996 - VII R 77/95, BFHE 181, 107,
BStBl II 1997, 79 = SIS 96 22 90, unter 2.b, Rz 27; vom 12.03.2015
- III R 14/14, BFHE 249, 292, BStBl II 2015, 850 = SIS 15 13 70, Rz
39). Lediglich für den Zeitraum 2007 hat das FA am 16.08.2010
(erstmals) eine Regelung erlassen.
|
|
|
21
|
b) Diese der vormaligen steuerlichen
Vertreterin bekannt gegebenen Prüfungsanordnungen vom
04.12.2009 und vom 16.08.2010 sind der Klägerin gegenüber
nicht wirksam geworden, weil sie das FA nicht dieser gegenüber
als Inhaltsadressatin, sondern gegenüber der KG erlassen hat.
Dies ergibt sich aus der Anordnung einer Außenprüfung
nach § 193 Abs. 1 AO „bei der Firma A GmbH & Co. KG
als RNF der B GmbH“.
|
|
|
22
|
aa) Mit der KG hat das FA nicht den
zutreffenden Inhaltsadressaten herangezogen. Denn wie sich aus der
Bezeichnung der KG als (vermeintlicher) Rechtsnachfolgerin der
Klägerin, der Angabe der Steuernummer der Klägerin sowie
aus der Anordnung der Außenprüfung u.a. zur
Körperschaftsteuer ergibt, sollten nicht die steuerlichen
Verhältnisse der KG, sondern diejenigen der Klägerin
geprüft werden. Da aufgrund erfolgter Ausgliederung nach
§ 123 Abs. 3 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) weder die
Klägerin als übertragende Rechtsträgerin
untergegangen noch eine Gesamtrechtsnachfolge eingetreten war (vgl.
hierzu z.B. BFH-Urteil vom 07.08.2002 - I R 99/00, BFHE 199, 489,
BStBl II 2003, 835 = SIS 03 07 21, unter II.1., Rz 17 f.),
wären die Prüfungsanordnungen an die Steuerschuldnerin,
die Klägerin, und nicht wie geschehen an die KG zu richten
gewesen (vgl. allgemein BFH-Urteil vom 13.10.2005 - IV R 55/04,
BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404 = SIS 06 08 87, unter I.2., Rz
16).
|
|
|
23
|
Hiervon geht auch die Finanzverwaltung aus. Da
in Fällen einer Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG) keine
Gesamtrechtsnachfolge i.S. des § 45 Abs. 1 AO vorliegt (so
auch Tz. 2 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung - AEAO - zu
§ 45 AO), ist eine Prüfungsanordnung, die sich auf
Zeiträume bis zur Ausgliederung bezieht, stets an den
ausgliedernden Rechtsträger - im Streitfall die Klägerin
- zu richten (Tz. 9.3 AEAO zu § 197 AO).
|
|
|
24
|
bb) Fehler in der Bezeichnung des
Steuerschuldners - bzw. der Person, die die Außenprüfung
zu dulden hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 211, 387, BStBl II 2006, 404
= SIS 06 08 87, unter I.2., Rz 16) - können nicht durch
Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden, auch nicht
dadurch, dass sich der Empfänger als Adressat angesehen hat
(vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21.10.1985 -
GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230 = SIS 86 06 17, unter
C.I.1., Rz 35; BFH-Urteil vom 25.01.2006 - I R 52/05, BFH/NV 2006,
1243 = SIS 06 25 50, unter II.1.b cc, Rz 15). Denn die objektive
Richtigkeit oder Unrichtigkeit eines Bescheides kann nicht vom
Verhalten der Beteiligten abhängig sein (vgl. Beschluss des
Großen Senats des BFH in BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230 =
SIS 86 06 17, unter C.II.1., Rz 39).
|
|
|
25
|
cc) Die Prüfungsanordnungen vom
04.12.2009 und vom 16.08.2010 können entgegen der
Rechtsauffassung des FG auch nicht dahingehend ausgelegt werden,
dass sie sich gegen die Klägerin als Inhaltsadressatin
richteten.
|
|
|
26
|
(1) Eine Bindung des erkennenden Senats an die
Auslegung des FG nach § 118 Abs. 2 FGO besteht nicht. Die
Frage, welchen Inhalt ein Verwaltungsakt hat, ist vom
Revisionsgericht in eigener Zuständigkeit zu beantworten (vgl.
z.B. BFH-Urteile vom 25.09.1990 - IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II
1991, 120 = SIS 91 02 35, unter B.III.1.a, Rz 18; in BFH/NV 2017,
475 = SIS 17 03 59, Rz 50; vom 21.06.2017 - V R 3/17, BFHE 259,
140, BStBl II 2018, 372 = SIS 17 20 08, Rz 18).
|
|
|
27
|
(2) Die Angabe des Inhaltsadressaten ist
konstituierender Bestandteil eines jeden Verwaltungsakts. In diesem
muss gemäß § 119 Abs. 1 AO hinreichend bestimmt
sein, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll. Der
Inhaltsadressat ist genügend bestimmt, wenn Zweifel durch
Auslegung behoben werden können (vgl. BFH-Urteil in BFHE 162,
4, BStBl II 1991, 120 = SIS 91 02 35, unter B.III.1.a, Rz 18). Bei
der Auslegung eines Verwaltungsakts ist - der in § 133 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) niedergelegten Regel
entsprechend - der erklärte Wille der Behörde zu erfassen
und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften
(vgl. z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 1243 = SIS 06 25 50, unter
II.1.b bb, Rz 13; in BFHE 259, 140, BStBl II 2018, 372 = SIS 17 20 08, Rz 18). Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein seinem Ausspruch
nach eindeutig an einen bestimmten Adressaten gerichteter Bescheid
insofern einer Auslegung zugänglich wäre (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 15.04.2010 - IV R 67/07, BFH/NV 2010, 1606 = SIS 10 26 28, Rz 23 f.; in BFH/NV 2017, 475 = SIS 17 03 59, Rz 49).
|
|
|
28
|
(3) Auch wenn die Prüfungsanordnungen vom
04.12.2009 und vom 16.08.2010 - ebenfalls fehlerhaft -
„mit Wirkung für und gegen alle
Feststellungsbeteiligten (§ 183 Abs. 1 AO)“
ergingen, was auf die steuerlichen Verhältnisse der KG als
beabsichtigten Prüfungsgegenstand hindeuten könnte, war
der Wille des FA erkennbar, die steuerlichen Verhältnisse der
Klägerin in den Zeiträumen 2004 bis 2007 einer
Außenprüfung zu unterziehen. In der - rechtlich
unzutreffenden und in Widerspruch zu Tz. 9.3 AEAO zu § 197 AO
stehenden - Annahme, aufgrund vollzogener Ausgliederung nach §
123 Abs. 3 Nr. 1 UmwG seien Bescheide an den übernehmenden
Rechtsträger zu richten, hat das FA die
Prüfungsanordnungen - erkennbar - willentlich an die KG als
(vermeintliche) Rechtsnachfolgerin der Klägerin adressiert.
Zweifel an der eindeutigen Bezeichnung der KG als der falschen
Inhaltsadressatin bestehen nicht.
|
|
|
29
|
(4) Ist danach im Streitfall mangels
Mehrdeutigkeit für eine Auslegung kein Raum (vgl. z.B.
allgemein BFH-Urteile vom 22.06.1983 - I R 55/80, BFHE 139, 291,
BStBl II 1984, 63 = SIS 84 01 46, unter II.1., Rz 19; in BFHE 211,
387, BStBl II 2006, 404 = SIS 06 08 87, unter I.4., Rz 18), kann es
auf das vom FG angeführte weitere Verhalten der Beteiligten
nicht ankommen. Dass sich die Klägerin als Adressatin der
Prüfungsanordnung angesehen habe und an der
Außenprüfung mitgewirkt hat, ist - wie nachgelagerte
Umstände überhaupt - ohnehin unbeachtlich (vgl. Beschluss
des Großen Senats des BFH in BFHE 145, 110, BStBl II 1986,
230 = SIS 86 06 17, unter C.II.1., Rz 39; BFH-Urteile in BFHE 162,
4, BStBl II 1991, 120 = SIS 91 02 35, unter B.III.1.a, Rz 18; in
BFH/NV 2006, 1243 = SIS 06 25 50, unter II.1.b bb, Rz 13; vom
30.09.2015 - II R 31/13, BFHE 250, 505, BStBl II 2016, 637 = SIS 15 26 30, Rz 15).
|
|
|
30
|
c) Soweit nicht eine verlängerte
Verjährungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO) greift, sind
mithin die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis der
Streitjahre erloschen (§ 47 AO).
|
|
|
31
|
3. Entgegen der Rechtsauffassung des FG ist es
der Klägerin nicht verwehrt, sich auf den Ablauf der
Festsetzungsfrist zu berufen.
|
|
|
32
|
Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet
es, dass im Steuerrechtsverhältnis jeder auf die berechtigten
Belange des anderen Teiles angemessen Rücksicht nimmt und sich
zu seinem eigenen früheren Verhalten nicht in Widerspruch
setzt. Gleichwohl dürfen sich daraus keine Steuerrechtsfolgen
ergeben, ohne dass der Sachverhalt vorliegt, an den das Gesetz
diese Rechtsfolgen knüpft. Denn der Grundsatz von Treu und
Glauben bringt keine Steueransprüche zum Entstehen oder zum
Erlöschen, er kann allenfalls verhindern, dass - wie mit
BFH-Urteil vom 17.06.1992 - X R 47/88 (BFHE 169, 103, BStBl II
1993, 174 = SIS 93 04 68, unter 1.b, Rz 34 ff.) entschieden - eine
Forderung oder ein Recht geltend gemacht werden kann. Ist aber -
wie im Streitfall - Festsetzungsverjährung eingetreten, darf
die Geltung von Treu und Glauben nicht dazu führen, dass zu
Lasten des Steuerpflichtigen ein erloschener Anspruch des FA aus
dem Steuerschuldverhältnis wieder auflebt, unabhängig
davon, ob dem Steuerpflichtigen der Eintritt der Verjährung
vorwerfbar ist oder nicht (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 08.02.1996 - V
R 54/94, BFH/NV 1996, 733, unter II.2.b, Rz 17; vom 19.08.1999 -
III R 57/98, BFHE 191, 198, BStBl II 2000, 330 = SIS 00 09 37, Rz
12; vom 22.01.2013 - IX R 1/12, BFHE 239, 385, BStBl II 2013, 663 =
SIS 13 07 91, Rz 21).
|
|
|
33
|
4. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil war daher
aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem
Standpunkt aus konsequenterweise - nicht geprüft, ob im
Streitfall die verlängerte Festsetzungsfrist des § 169
Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 AO gilt (vgl. dazu den zwischen den
Beteiligten ergangenen Beschluss des FG München vom 24.03.2016
- 2 V 297/16, nicht veröffentlicht, unter II.2.c). Dies wird
es im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
|
|
|
34
|
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
|