Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts München vom 10.10.2018 - 3 K 1983/17
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
München zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, lieferte im
Streitjahr 2007 drei PKW (zwei Fahrzeuge der Marke Volvo und einen
Mercedes) in das übrige Gemeinschaftsgebiet. Nach
schriftlichen Kaufverträgen war Käufer jeweils die Firma
N, eine GmbH nach dem Recht der Slowakischen Republik, mit Sitz in
X in der Slowakischen Republik. Der Klägerin lagen ein
Handelsregisterauszug der Firma N vor wie auch eine bestätigte
Abfrage der Umsatzsteueridentifikationsnummer (USt-IdNr.) der Firma
N. Geschäftsführer der Firma N war der in Ungarn
ansässige A.MN. Auf ihrem Briefpapier gab die Firma N eine
Telefon- und eine Telefaxnummer mit jeweils ungarischer Vorwahl an.
Die Klägerin nahm für die drei Fahrzeuglieferungen die
Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nach
§ 6a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch.
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Im Rahmen einer Außenprüfung kam
der Prüfer unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer
multilateralen Prüfung der deutschen, österreichischen,
ungarischen und slowakischen Finanzbehörden zu dem Ergebnis,
dass es sich bei der Firma N um eine Scheinfirma gehandelt habe.
Sie habe zur Durchschleusung der Fahrzeuge gedient. Trotz der ihr
erteilten USt-IdNr. habe es sich um ein Scheinunternehmen
gehandelt. Am Sitzort der Firma N sei nur ein Buchhaltungsbüro
tätig gewesen, das die Post entgegengenommen habe. Es habe
aber keinen Lagerplatz für Fahrzeuge gegeben. Die slowakische
Finanzbehörde habe die Unternehmereigenschaft am 31.10.2008
rechtskräftig versagt. Es habe an der erforderlichen
wirtschaftlichen, aktiven Geschäftstätigkeit im
Gründungsstaat gefehlt. Im Anschluss hieran ging der Beklagte
und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) davon aus, dass diese
Lieferungen steuerpflichtig seien. Einspruch und Klage zum
Finanzgericht (FG) hatten keinen Erfolg.
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Nach dem in EFG 2019, 383 = SIS 19 03 62
veröffentlichten Urteil des FG lag aufgrund einer
Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) keine
Festsetzungsverjährung vor. Die Lieferungen seien zudem nicht
nach § 6a UStG steuerfrei. Im Streitfall lägen zwar für alle drei
Fahrzeuge die für die Steuerfreiheit nach § 6a UStG
erforderlichen Belege zur Dokumentation einer Beförderung
durch den Abnehmer (Abhollieferung) gemäß § 17a
Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) durch
die Firma N vor. Tatsächlich seien die Fahrzeuge aber
durch einen beauftragten selbständigen Spediteur
befördert worden; es habe sich nicht um eine Abhol-, sondern
um eine Versendungslieferung gehandelt. Das FG ging somit von einer
Steuerpflicht aufgrund eines fehlenden Belegnachweises nach §
10 Abs. 1 UStDV aus, obwohl der vom FG einvernommene Zeuge D
ausgesagt hatte, dass er die Fahrzeuge zum angegebenen
Bestimmungsort in der Slowakischen Republik befördert
habe.
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Zudem ging das FG von einem fehlenden
Buchnachweis aus, da es sich bei der Firma N um eine Scheinfirma
gehandelt habe, so dass sich aus der Aufzeichnung der USt-IdNr.
dieser Firma nicht deren Unternehmereigenschaft ergeben habe. Diese
Feststellungen würden durch die Zeugenaussage des D nicht in
Frage gestellt. Denn der Zeuge habe keinen Hinweis auf
Geschäftsräume oder Ähnliches dieser Firma gesehen.
Die Versagung der Steuerfreiheit aufgrund eines Scheinsitzes der
Abnehmerfirma werde nicht durch die neue Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) zur „Briefkastenadresse“ bei der
Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ausgeschlossen. Diese
Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug sei jedenfalls dann nicht auf die
Adresse und den Sitz des Unternehmens des Empfängers einer
innergemeinschaftlichen Lieferung übertragbar, wenn es sich
bei diesem - wie im Streitfall - um ein Scheinunternehmen gehandelt
habe.
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Die Voraussetzungen für einen
Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG lägen nicht
vor. Es fehle bereits an einem Belegnachweis in der erforderlichen
Art. Zudem sei die Klägerin nicht gutgläubig gewesen. Die
Klägerin sei vor Abwicklung der Lieferungen von den in Ungarn
ansässigen ihr bekannten Herren B und C gefragt worden,
„ob sie für den genannten Dr. S drei Autos besorgen
könnte“. Die Klägerin habe dies zugesagt und auf
die weitere Frage der Herren B und C, ob der Kauf über eine
slowakische Firma abgewickelt werden könne,
geäußert, „dass ihr dies nichts ausmache, sofern
sämtliche erforderlichen Bestätigungen und Nachweise
vorliegen würden“. Die Klägerin habe gewusst, dass
die Firma N nur „zwischengeschaltet“ werden sollte. Auf
einem Schreiben der Klägerin vom 22.02.2007 an Herrn B finde
sich ein ausdrücklich so bezeichnetes „Angebot“
für den hier streitigen Volvo mit dem handschriftlichen
Zusatz: „Herr B hat am 23.2.07 telefonisch bestellt“.
Die Bestellung sei erkennbar nicht durch die Firma N erfolgt. Auf
einem Auszug eines Bankkontos der Klägerin bei der E-Bank vom
16.4.2007 (zehn Tage vor Abholung des Mercedes) über einen
Geldeingang finde sich der handschriftliche Vermerk „B
Anzahlung“, obwohl hier laut Belegnachweis eine Bestellung
dieses Fahrzeugs der slowakischen Firma N vom 01.02.2007 vorgelegen
habe. Aus einer „Info an die Buchhaltung“ der
Klägerin vom 08.05.2007 über den Verkauf des Mercedes
sowie den Volvo sei ersichtlich gewesen, dass von den insgesamt
sechs Teilzahlungen für die zwei Kfz nur eine als Barzahlung
der N erfasst worden sei. Die übrigen Zahlungen seien durch
die genannten ungarischen Beteiligten sowie (unbar) durch eine im
Übrigen bei den streitgegenständlichen Lieferungen
unbekannte „M Limited“ erfolgt. Der Kaufpreis sei durch
Dritte und nicht durch die Firma N bezahlt worden. Dies sei
ungewöhnlich, da die Käuferin N damit noch vor Lieferung
der Ware ihren Abnehmer aus dem angeblichen Folgegeschäft
offengelegt habe.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit
der Revision. Es sei Festsetzungsverjährung eingetreten. Die
Voraussetzungen für die Steuerfreiheit als
innergemeinschaftliche Lieferung lägen vor. Der Belegnachweis
für eine Beförderung durch den Abnehmer liege vor.
Für sie sei zunächst nicht erkennbar gewesen, dass es
sich bei dem Abholer nicht um einen Beauftragten der Firma N
gehandelt habe. Die Beweiserhebung habe eindeutig eine
Beförderung zum Sitzort der Firma N ergeben. An den Nachweis,
dass ein Ausnahmefall i.S. des § 10 Abs. 2 UStDV vorliege,
seien keine hohen Anforderungen zu stellen. Dass es sich bei der
Firma N um eine Scheinfirma gehandelt habe, habe das FA nicht
belegt. Das FG habe insoweit die Zeugenaussage widerrechtlich
gewürdigt. Die ungarischen Autohändler hätten die
Lieferungen nur vermittelt und angebahnt. Es lägen
schriftliche Kaufverträge und der übersetzte
Gesellschaftsvertrag der Firma N mit Handelsregisterauszug vor.
Diese sei Unternehmer gewesen, eine spätere Aberkennung sei
ohne Bedeutung. Der BFH erkenne in seiner neueren Rechtsprechung
Briefkastenanschriften an. Ihr sei zumindest Vertrauensschutz zu
gewähren. Sie habe zwar gewusst, dass die Firma N
zwischengeschaltet gewesen sei. Der Zwischenhandel mit PKW sei aber
üblich. Die internen Vermerke ihrer Mitarbeiter seien nur
laienhaft und daher rechtlich unzutreffend angefertigt worden. Auf
Teilzahlungen anderer Personen als der Firma N komme es nicht
an.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom
21.5.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.7.2017 die
Umsatzsteuer 2007 um ... EUR herabzusetzen.
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Das FA beantragt, die Klage
abzuweisen.
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Es liege keine Festsetzungsverjährung
vor. Die Lieferungen seien nicht steuerfrei. Der Beleg- und
Buchnachweis sei zwingend zu erbringen, fehle aber. Die
Prüfungsfeststellungen hätten Beweisqualität. Die
Beweiskraft des Buchnachweises sei entkräftet. Auf die Frage
der Briefkastenadresse komme es mangels Unternehmerstellung der
Firma N nicht an. Die Klägerin habe nicht mit der
erforderlichen Sorgfalt gehandelt.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an
das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die Steuerfreiheit der
innergemeinschaftlichen Lieferungen zu Unrecht verneint. Die Sache
ist nicht spruchreif, da das FG nicht geprüft hat, wer
Abnehmer der Lieferungen war und ob die den Lieferungen zugrunde
liegenden Vereinbarungen mit der Firma N als Scheingeschäft
unbeachtlich sind.
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1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind
gemäß § 6a UStG steuerfrei.
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a) Die Steuerfreiheit setzt voraus, dass
„der Unternehmer oder der Abnehmer … den Gegenstand
der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert
oder versendet“ hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG).
Der Abnehmer muss „ein Unternehmer [sein], der den
Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat
(§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG) oder „eine
juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den
Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben
hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UStG). Bei „der
Lieferung eines neuen Fahrzeuges [kann] auch jeder andere
Erwerber“ sein (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c
UStG). Zudem muss „der Erwerb des Gegenstands der
Lieferung … beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den
Vorschriften der Umsatzbesteuerung“ unterliegen (§
6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).
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b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit
auf Art. 138 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Danach
befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen,
die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre
Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber
innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden von
der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen
oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird,
der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des
Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände
handelt.
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2. Das FG ist zu Unrecht vom fehlenden
Nachweis einer Versendung in die Slowakische Republik und einer
widerlegten Unternehmereigenschaft des Abnehmers N ausgegangen.
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a) Die vom Unternehmer beizubringenden
Nachweise ergeben sich im nationalen Recht auf der Grundlage von
§ 6a Abs. 3 UStG nach §§ 17a ff. UStDV. Erforderlich
ist danach ein Beleg- und ein Buchnachweis.
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Die unionsrechtliche Grundlage hierfür
ergibt sich aus Art. 131 MwStSystRL. Danach wird die Steuerfreiheit
für die innergemeinschaftliche Lieferung nur „unter
den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur
Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser
Befreiung[en] sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung,
Steuerumgehung und Missbrauch festlegen“.
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b) Die Versendung in die Slowakische Republik
ist nachgewiesen. Steht aufgrund einer Beweiserhebung fest, dass
die gelieferten Fahrzeuge zum Bestimmungsort im übrigen
Gemeinschaftsgebiet versendet wurden, kann dies nicht durch die
Annahme eines fehlenden Belegnachweises in Abrede gestellt
werden.
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aa) Für den sog. Belegnachweis muss
„der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung
durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand
der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert
oder versendet hat“, was „sich aus den Belegen
eindeutig und leicht nachprüfbar“ zu ergeben hat
(§ 17a Abs. 1 UStDV). Dabei bestanden gemäß §
17a Abs. 2 und 4 UStDV unterschiedliche Belegregelungen für
die Fälle der Beförderung und der Versendung.
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bb) Im Streitfall ist das FG zu Unrecht davon
ausgegangen, dass die Versendung zum Bestimmungsort in die
Slowakische Republik nicht nachgewiesen ist. Zwar ist das FG bei
einem fehlenden Belegnachweis zur Versendung in das übrige
Gemeinschaftsgebiet nicht verpflichtet, eine Beweiserhebung
durchzuführen (BFH-Urteil vom 19.3.2015 - V R 14/14, BFHE 250,
248, BStBl II 2015, 912 = SIS 15 18 65). Hat das FG aber - wie im
Streitfall - eine Beweiserhebung durchgeführt, bei der sich
aus einer Zeugeneinvernahme eindeutig die Versendung zum
angegebenen Bestimmungsort ergibt, muss es dieses Beweisergebnis
seinem Urteil auch zugrunde legen. Anders ist es nur, wenn es die
Zeugenaussage als nicht glaubhaft ansieht.
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c) Der sich aus der USt-IdNr. der Firma N
ergebende Nachweis der Unternehmereigenschaft des Abnehmers kann
nicht durch die bloße Annahme einer Briefkastenanschrift
widerlegt werden.
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aa) Für den Buchnachweis muss
„der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die
Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers
buchmäßig nachweisen“. Dies musste
„eindeutig und leicht nachprüfbar aus der
Buchführung zu ersehen sein“ (§ 17c Abs. 1
UStDV).
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Die Klägerin hat im Streitfall den Erwerb
durch die Firma N als Unternehmer für ihr Unternehmen mit
Verpflichtung zur Erwerbsbesteuerung (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Buchst. a und Nr. 3 UStG) buchmäßig durch die
Aufzeichnung der USt-IdNr. der Firma N nachgewiesen.
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bb) Die bloße Annahme einer
Briefkastenanschrift ist zur Widerlegung des sich aus der USt-IdNr.
ergebenden Nachweises der Unternehmerstellung des Abnehmers nicht
geeignet.
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(1) Zum Erfordernis, in Rechnungen
„den vollständigen Namen und die vollständige
Anschrift des leistenden Unternehmers“ anzugeben (§
14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG), hat der BFH nach Vorabentscheidung
durch den Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - (Urteil
Geissel und Butin vom 15.11.2017 - C-374/16 und C-375/16,
EU:C:2017:867) entschieden, dass eine zum Vorsteuerabzug
berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftlichen
Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift
ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung
angegeben ist und dass jede Art von Anschrift und damit auch eine
Briefkastenanschrift ausreicht, sofern der Unternehmer unter dieser
Anschrift erreichbar ist (BFH-Urteil vom 21.06.2018 - V R 25/15,
BFHE 262, 248, BStBl II 2018, 809 = SIS 18 10 61, Leitsätze 1
und 2).
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Dabei folgt aus der Rechtsprechung zur
Anerkennung von Briefkastenanschriften als Rechnungsangabe auch,
dass die Angabe einer bloßen Briefkastenanschrift mit
postalischer Erreichbarkeit für sich allein nicht zur Annahme
einer fehlenden Unternehmereigenschaft berechtigt, wie der
erkennende Senat bereits entschieden hat (BFH-Urteil vom 21.6.2018
- V R 28/16, BFHE 262, 253, BStBl II 2018, 806 = SIS 18 10 62, Rz
31).
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(2) Dementsprechend rechtfertigt auch bei der
innergemeinschaftlichen Lieferung die bloße Angabe einer
Briefkastenanschrift nicht den Schluss auf eine fehlende
Unternehmereigenschaft des Abnehmers.
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Gegenteiliges ergibt sich entgegen dem Urteil
des FG auch nicht aus besonderen Identifizierungserfordernissen.
Zwar geht das FG insoweit zu Recht davon aus, dass der Person des
Abnehmers und seiner Identität für die Steuerfreiheit der
innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zukommt.
Hieraus folgt aber entgegen dem FG nicht, dass eine bloße
„Briefkastenadresse“ zur Identifizierung eines
Abnehmers nicht ausreichen kann. Denn dieses
Identifizierungserfordernis besteht ebenso beim Vorsteuerabzug und
wird dort nach der EuGH-Rechtsprechung (EuGH-Urteil Geissel und
Butin, EU:C:2017:867, Rz 43) durch die Angabe der USt-IdNr. des
Leistenden in der Rechnung ausgefüllt. Daher hat das FG zu
Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass dem
Identifizierungserfordernis im hier vorliegenden Zusammenhang durch
die Aufzeichnung der USt-IdNr. des Abnehmers nach § 17c Abs. 1
Satz 1 UStDV in Verbindung mit den Angaben zum Namen und der
Anschrift des Abnehmers (§ 17c Abs. 2 Nr. 1 UStDV) Rechnung
getragen wird.
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat
kann nicht über die Steuerfreiheit der drei Lieferungen
entscheiden, da unklar ist, wer nach dem der jeweiligen Lieferung
zugrunde liegenden Rechtsverhältnis Abnehmer war.
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a) Die Abnehmereigenschaft bestimmt sich bei
innergemeinschaftlichen Lieferungen - wie sonst auch - nach dem der
Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (BFH-Urteil vom
25.4.2013 - V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656 = SIS 13 17 46, unter II.2.c aa).
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Die zivilrechtlichen Vereinbarungen sind der
Abnehmerbestimmung allerdings nicht zugrunde zu legen, wenn es sich
bei diesen um Scheingeschäfte i.S. von § 41 AO handelt
(BFH-Urteil vom 11.8.2011 - V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012,
151 = SIS 11 30 80, unter II.2.b aa). Ein Scheingeschäft liegt
- wie sonst auch - bei der Abnehmerbestimmung von
innergemeinschaftlichen Lieferungen vor, wenn die Parteien eines
Rechtsgeschäftes einverständlich oder stillschweigend
davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht
zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem
Dritten eintreten sollen. Verdeckt das Scheingeschäft ein
anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO
das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung
maßgeblich (BFH-Urteil vom 17.2.2011 - V R 28/10, BFHE 233,
331 = SIS 11 22 57, unter II.2.b).
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b) Im Streitfall liegen zwar schriftliche
Kaufverträge mit der Firma N vor. Das FG ist jedoch nicht der
Frage nachgegangen, ob es sich hierbei um Scheingeschäfte im
vorstehenden Sinn gehandelt hat, die Lieferbeziehungen zu anderen
Abnehmern verdecken sollten.
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Für Scheingeschäfte zwischen der
Klägerin und der Firma N, die tatsächlich gewollte
Rechtsgeschäfte zwischen der Klägerin und Käufern in
Ungarn verdecken sollten, könnten dabei im Streitfall die
Umstände der Geschäftsanbahnung und der Kaufpreiszahlung
sprechen, aufgrund derer das FG die Unternehmerstellung der Firma N
und einen der Klägerin zu gewährenden Gutglaubensschutz
verneint hat. Im Hinblick darauf, dass sich z.B. auf dem Schreiben
der Klägerin an Herrn B vom 22.02.2007 ein ausdrücklich
so bezeichnetes „Angebot“ für den Volvo
sowie der handschriftliche Zusatz „Herr B hat am 23.2.07
telefonisch bestellt“ finden, liegt ein Vertragsschluss
zwischen der Klägerin und B und damit der Scheincharakter
einer „Weiterlieferung“ an die Firma N nahe. Das
FG hat diese Umstände nicht im Hinblick auf die sich hieraus
ergebenden Folgerungen für die Bestimmung der Person des
Abnehmers gewürdigt. Dem erkennenden Senat ist es verwehrt,
dies im Revisionsverfahren nachzuholen.
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c) Zur Frage der Festsetzungsverjährung
weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
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aa) Nach den Feststellungen des FG nahm der
Prüfer erste Prüfungshandlungen am 14.2.2008 vor, so dass
es gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO zu einer
Ablaufhemmung kam.
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bb) Wie das FG dabei entgegen der Auffassung
der Klägerin zutreffend entschieden hat, steht dem § 171
Abs. 4 Satz 2 AO nicht entgegen. Danach kommt es nicht zur
Ablaufhemmung, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach
ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus
Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu
vertreten hat.
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Dies konnte das FG schon im Hinblick auf die
vom Prüfer am 6.3.2008 gefertigte Aktennotiz verneinen. Damit
fehlt es bereits an einer Prüfungsunterbrechung unmittelbar
nach Prüfungsbeginn. Auf die Dauer der
Prüfungsunterbrechung kommt es dann nach der Rechtsprechung
des BFH nicht mehr an (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26.6.2014 - IV R
51/11, BFH/NV 2014, 1716 = SIS 14 27 02).
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4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
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