Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 20.8.2014 11 K
4018/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
1
|
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) verkaufte mit notariell
beurkundetem Vertrag vom 11.1.2008 eine Teilfläche aus einem
ihr gehörenden Grundstück für einen Kaufpreis von
82.500 EUR an die Eheleute ... (Erwerber). Diese sollten im
Innenverhältnis die Grunderwerbsteuer und die aufgrund der
Grundstücksteilung anfallenden Kosten tragen und
außerdem die Maklercourtage an die F GmbH zahlen, die sie mit
der Vermittlung des Kaufvertrags beauftragt hatten. Zudem wurde
vereinbart, dass auf dem Grundstück unentgeltlich ein
Wegerecht in der Form einer Grunddienstbarkeit zugunsten des
jeweiligen Eigentümers der anderen Teilfläche des
Grundstücks, die die Klägerin ebenfalls verkaufte,
eingetragen werden solle. Ferner vereinbarten die Klägerin und
die D GmbH, mit der sie einen Erwerberbenennungsvertrag geschlossen
hatte, dass die D GmbH von dem Kaufpreis vorab 5.000 EUR erhalten
solle.
|
|
|
2
|
Die Erwerber hatten bereits am 9.1.2008 mit
der G KG einen schriftlichen Bauvertrag über die Errichtung
eines Hauses für einen Werklohn von 204.200 EUR brutto
geschlossen. Das zu bebauende Grundstück sollte „vom
Bauherrn benannt“ werden.
|
|
|
3
|
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) nahm an, das erworbene Grundstück sei in
bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen, und setzte
demgemäß gegen die Erwerber mit Bescheiden vom 3.11.2008
jeweils ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 143.350 EUR (50
% des Kaufpreises und der Baukosten) Grunderwerbsteuer in Höhe
von 6.450 EUR fest. Die Erwerber entrichteten hierauf lediglich je
1.856 EUR.
|
|
|
4
|
Mit den Einspruchsentscheidungen vom
23.5.2011 erhöhte das FA die Steuer jeweils ausgehend von
einer Bemessungsgrundlage von 160.572,23 EUR auf 7.225 EUR.
Zugleich wies es darauf hin, dass die gewährte Aussetzung der
Vollziehung (AdV) in Höhe von jeweils 4.594 EUR mit Ablauf
eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidungen
ende.
|
|
|
5
|
Nachdem die Erwerber dem FA mit Schreiben
ihrer Bevollmächtigten vom 30.5.2011 mitgeteilt hatten, sie
wollten mit ihren Gläubigern eine einvernehmliche Einigung
über bestehende Schulden erarbeiten, kam das FA zu dem
Ergebnis, eine Beitreibung der Steuer bei den Erwerbern verspreche
keine Aussicht auf Erfolg, und setzte nach vorherigem Hinweis mit
zwei Bescheiden vom 5.3.2012 gegen die Klägerin
Grunderwerbsteuer in Höhe von jeweils 5.369 EUR (7.225 EUR
abzüglich des gezahlten Betrags von 1.856 EUR) fest. Als
Bemessungsgrundlage berücksichtigte das FA jeweils die
Hälfte des Kaufpreises für das Grundstück (82.500
EUR), der Baukosten (204.200 EUR), der geschätzten
Baunebenkosten (30.000 EUR), der Teilungs- und Vermessungskosten
(1.444,45 EUR) und des Werts des Wegerechts (3.000 EUR). Zur
Begründung der Steuerfestsetzung gegen die Klägerin
führte das FA in dem Hinweisschreiben und in der Anlage zu den
Steuerbescheiden aus, die Erwerber hätten die
Grunderwerbsteuer nicht vollständig entrichtet. Die Angabe im
Hinweisschreiben, weitere Vollstreckungsmaßnahmen gegen die
Erwerber seien ergebnislos verlaufen, wiederholte das FA in den
Steuerbescheiden nicht.
|
|
|
6
|
Mit der Einspruchsentscheidung
berücksichtigte das FA die geschätzten Baunebenkosten
nicht mehr bei der Bemessungsgrundlage der Steuer und setzte diese
demgemäß auf jeweils 4.694 EUR herab. Die Entscheidung,
die insoweit entstandene, noch nicht entrichtete Steuer gegen die
Klägerin festzusetzen, weise keinen Ermessensfehler auf.
Aufgrund der Vorbereitungsmaßnahmen für ein
Insolvenzverfahren und der Zwangsversteigerung des Grundstücks
habe die Inanspruchnahme der Erwerber keine Erfolgsaussichten mehr
gehabt.
|
|
|
7
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
der Begründung ab, das Grundstück sei in bebautem Zustand
Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen. Die
Veräußererseite sei zur Errichtung des Einfamilienhauses
verpflichtet gewesen. Die G KG habe zur Veräußererseite
gehört. Die Klägerin, die D GmbH, die F GmbH und die G KG
hätten aufgrund von Absprachen bei der Veräußerung
zusammengearbeitet und auf den Abschluss sowohl des
Grundstückskaufvertrags als auch des Bauvertrags hingewirkt.
Zum Erwerb des Grundstücks sei nur zugelassen worden, wer
zuvor einen Gebäudeerrichtungsvertrag mit der G KG, der
Bauträgerin, abgeschlossen habe. Die Verknüpfung der von
den verschiedenen Personen unterbreiteten Angebote auf der
Veräußererseite zum Erwerb des Grundstücks sowie
des Einfamilienhauses sei über die Unternehmensgruppe F GmbH/G
KG erfolgt. Die G KG habe nicht nur als Bauunternehmen den
Bauvertrag mit den Erwerbern abgeschlossen. Vielmehr habe sie die
Erwerber über die F GmbH erstmals auf das Grundstück
aufmerksam gemacht und sich damit nicht wie eine reine
Bauunternehmung auf die Errichtung des Gebäudes
beschränkt. Vielmehr habe sie auch dafür gesorgt, dass
die Erwerber das für die Bebauung notwendige Grundstück
hätten erwerben können. Die F GmbH sei mit der G KG eng
verbunden und sorge als Makler dafür, dass die G KG
Gebäude und Grundstück zusammen anbieten könne.
Beide Unternehmen arbeiteten mit übereinstimmendem Interesse
zielgerichtet zusammen. Das erforderliche Zusammenwirken aller auf
der Veräußererseite Beteiligten folge daraus, dass die
Klägerin das Grundstück der D GmbH und diese es der F
GmbH an die Hand gegeben habe. Damit habe die G KG den Erwerbern
den Zugang zu dem Grundstück über die F GmbH
eröffnen können, um das von ihr angebotene
Einfamilienhaus darauf errichten zu können. Dies habe die
Klägerin durch die Beauftragung der D GmbH akzeptiert.
Unerheblich sei, ob die Klägerin die verschiedenen
vertraglichen Vereinbarungen auf Seiten der G KG gekannt habe; denn
sie habe das Grundstück der D GmbH zur freien Vermarktung an
die Hand gegeben und im Grundstückskaufvertrag die Zahlung der
vereinbarten Provision an diese veranlasst. Für die Erwerber
sei die Einbeziehung des Grundstückskaufvertrags in ein auf
die Verschaffung des Grundstücks in bebautem Zustand
gerichtetes Vertragsgeflecht erkennbar gewesen.
|
|
|
8
|
Das FA habe die Klägerin zu Recht als
Gesamtschuldnerin der gesamten noch nicht entrichteten
Grunderwerbsteuer in Anspruch genommen. Ein Ermessensfehler i.S.
des § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liege nicht vor. Da
die noch nicht entrichtete Steuer von den Erwerbern nicht mehr zu
erlangen gewesen sei, sei eine Ermessensentscheidung mangels
Auswahlmöglichkeit entfallen. Das FA sei zur Geltendmachung
des Steueranspruchs gegen die Klägerin verpflichtet gewesen.
Die Klägerin habe die wirtschaftliche Situation der Erwerber
gekannt. Sie habe das FA im Verwaltungsverfahren darauf aufmerksam
gemacht, dass das Grundstück inzwischen versteigert worden
sei.
|
|
|
9
|
Das FA habe den Steueranspruch
gegenüber der Klägerin auch nicht verwirkt. Die
Klägerin könne insoweit nicht mit Erfolg einwenden, das
FA habe eine rechtzeitige Inanspruchnahme der Erwerber unterlassen.
Selbst wenn das FA mögliche Vollstreckungsmaßnahmen
gegen die Erwerber unterlassen haben sollte, sei nicht ersichtlich,
dass eine vorsätzliche oder besonders grobe Pflichtverletzung
des zuständigen Mitarbeiters vorliege. Zudem habe die
Klägerin nicht vorgetragen und es sei auch nicht ersichtlich,
dass sie eine Vermögensdisposition getroffen habe oder
aufgrund einer verzögerten Vollstreckung durch das FA an einer
Durchsetzung ihres eigenen Ausgleichsanspruchs gegen die Erwerber
gehindert gewesen sei. Das FA habe zudem keine
Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt.
|
|
|
10
|
Mit der Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1
Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Bemessungsgrundlage
der Grunderwerbsteuer sei nur der Kaufpreis für das
Grundstück. Das Grundstück sei nicht in bebautem Zustand
Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen. Die vom FG angenommene
Verbindung zwischen der D GmbH einerseits und der F GmbH und der G
KG andererseits habe es nicht gegeben. Zudem schulde der
Veräußerer nach § 13 Nr. 1 GrEStG auch in
Fällen des einheitlichen Erwerbsgegenstands „bebautes
Grundstück“ nur die auf den Kaufpreis für das
tatsächlich unbebaute Grundstück entfallende
Grunderwerbsteuer, wenn nicht er selbst, sondern ein Dritter zur
Gebäudeerrichtung verpflichtet sei. Darüber hinaus sei
die Steuerfestsetzung gegen sie, die Klägerin,
ermessensfehlerhaft. Das FA habe gegen die Erwerber keine
Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen. Es habe auch keine
Ermittlungen zur Vermögenslage der Erwerber angestellt,
nachdem diese nach den Einspruchsentscheidungen vom 23.5.2011 und
der damit einhergehenden Beendigung der den Erwerbern
gewährten teilweisen AdV dem FA ihre ungünstigen
Vermögensverhältnisse mitgeteilt hätten. Zudem macht
die Klägerin Verfahrensmängel geltend.
|
|
|
11
|
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung und die Grunderwerbsteuerbescheide vom 5.3.2012 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.1.2013
aufzuheben.
|
|
|
12
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
13
|
Das Grundstück sei in bebautem Zustand
Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen. Die Klägerin schulde
auch die auf das Haus entfallende Grunderwerbsteuer. Die
Verzögerungen bei der Entscheidung über den Einspruch der
Erwerber hätten nicht auf Nachlässigkeiten beim FA
beruht, sondern auf Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsermittlung
und einem anderweitigen Rechtsstreit.
|
|
|
14
|
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat
zutreffend angenommen, dass die Grunderwerbsteuerbescheide vom
5.3.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
rechtmäßig sind.
|
|
|
15
|
1. Das FA hat die Baukosten für das Haus
der Erwerber zu Recht in die Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer einbezogen. Das von den Erwerbern gekaufte
Grundstück war als einheitlicher Erwerbsgegenstand in bebautem
Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs.
|
|
|
16
|
a) Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer
ist gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG die Gegenleistung. Bei
einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom
Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach
gehören alle Leistungen des Erwerbers zur
grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung (Bemessungsgrundlage),
die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um
das Grundstück zu erwerben (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 8.3.2017 II R 38/14, BFHE 257, 368 = SIS 17 08 57, Rz 26,
m.w.N.).
|
|
|
17
|
b) Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach
dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer
anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das
den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft
bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit
diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest
objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim
Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem
Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche
Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Ob ein
objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem
Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht,
ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln
(BFH-Urteil in BFHE 257, 368 = SIS 17 08 57, Rz 27, m.w.N.). Dabei
ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses des
Grundstückskaufvertrags abzustellen (BFH-Urteil vom 25.1.2017
II R 19/15, BFHE 257, 358, BStBl II 2017, 655 = SIS 17 06 24, Rz
17).
|
|
|
18
|
c) Ein objektiv sachlicher Zusammenhang
zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren zur Annahme
eines einheitlichen Erwerbsgegenstands führenden
Vereinbarungen liegt u.a. vor, wenn der Erwerber beim Abschluss des
Grundstückskaufvertrags gegenüber der
Veräußererseite in seiner Entscheidung über das
„Ob“ und „Wie“ der
Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass
er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand
erhalten werde. Eine derartige Einschränkung der sonst
für einen Grundstückserwerber bestehenden
Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus
faktischen Zwängen ergeben (BFH-Urteil in BFHE 257, 368 = SIS 17 08 57, Rz 34, m.w.N.). Sie liegt insbesondere vor, wenn der
Bauvertrag bereits vor dem Abschluss oder Wirksamwerden des
Kaufvertrags geschlossen wurde (BFH-Urteile vom 27.10.1999 II R
17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34 = SIS 99 23 16; vom
2.3.2006 II R 39/04, BFH/NV 2006, 1880 = SIS 06 38 80, und vom
2.3.2006 II R 47/04, BFH/NV 2006, 1509 = SIS 06 30 93;
BFH-Beschluss vom 2.4.2009 II B 157/08, BFH/NV 2009, 1146 = SIS 09 19 30).
|
|
|
19
|
d) Auf der Veräußererseite
können mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass
sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des
Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes
zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend
ist insoweit, dass (auch) der den
Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag
in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter
Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem
Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in
bebautem Zustand zu verschaffen. Dies ist regelmäßig
anzunehmen, wenn die auf der Veräußererseite
auftretenden Personen personell, wirtschaftlich oder
gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von (nicht
notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl
des Grundstückskaufvertrags als auch der Verträge, die
der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteil in
BFHE 257, 368 = SIS 17 08 57, Rz 39, m.w.N.).
|
|
|
20
|
Anhaltspunkte für Abreden der
Veräußererseite können z.B. ein gemeinsamer
Vermarktungsprospekt oder ein gemeinsamer Internetauftritt des
Grundstücksveräußerers und des Bauunternehmens bzw.
der für sie handelnden Personen sein. Eine Abrede kann auch
anzunehmen sein, wenn der Grundstücksveräußerer dem
Erwerber Bauunternehmen benennt, die bereits Interesse an der
Bebauung des zu veräußernden Grundstücks oder bei
einem größeren Baugebiet der zu veräußernden
Grundstücke bekundet haben und/oder den baurechtlichen
Vorschriften entsprechende Haustypen für das Grundstück
anbieten können. Nicht ausreichend ist insoweit der allgemeine
Hinweis auf in der näheren Umgebung tätige
Bauunternehmen, die noch nicht mit der möglichen Bebauung der
zur Veräußerung bestimmten Grundstücke befasst
waren (BFH-Urteile vom 6.7.2016 II R 5/15, BFHE 254, 77, BStBl II
2016, 895 = SIS 16 19 23, Rz 14, und vom 6.7.2016 II R 4/15, BFH/NV
2016, 1584 = SIS 16 21 64, Rz 14).
|
|
|
21
|
Eine Abrede auf der Veräußererseite
muss für den Erwerber nicht erkennbar sein. Es ist vielmehr
ausreichend, wenn sie anhand äußerer Merkmale objektiv
festgestellt werden kann. Ob eine Abrede auf der
Veräußererseite vorliegt, ist nach den Umständen
des Einzelfalls zu ermitteln (BFH-Urteile in BFHE 254, 77, BStBl II
2016, 895 = SIS 16 19 23, Rz 14, und in BFH/NV 2016, 1584 = SIS 16 21 64, Rz 14).
|
|
|
22
|
Ein aktives Verhalten des
Grundstückseigentümers ist dabei nicht erforderlich. Es
genügt vielmehr, wenn der Eigentümer das Grundstück
dem Bauunternehmer, der die Bebauung angeboten hat, lediglich
„an die Hand“ gegeben, d.h. zur Vermarktung
überlassen hat. Dabei kann für den Eigentümer ein
als Mittelsperson eingeschalteter Dritter gehandelt haben. Die
Abgabe eines auf den Kauf des Grundstücks und dessen Bebauung
gerichteten Angebots des Bauunternehmers ist kaum denkbar, ohne
dass dem eine Abstimmung mit dem Grundstückseigentümer
persönlich oder mit einer für diesen handelnden Person
zugrunde liegt oder das Grundstück dem Bauunternehmer vom
Eigentümer anderweitig „an die Hand“
gegeben worden ist (BFH-Urteile vom 21.9.2005 II R 49/04, BFHE 211,
530, BStBl II 2006, 269 = SIS 06 11 09, und vom 26.2.2014 II R
54/12, BFH/NV 2014, 1403 = SIS 14 21 38, Rz 12, m.w.N.). Dies
genügt für das Vorliegen eines einheitlichen
Erwerbsgegenstands „bebautes Grundstück“.
Dem steht es nicht entgegen, wenn der Eigentümer im
Übrigen passiv ist (BFH-Urteile in BFHE 211, 530, BStBl II
2006, 269 = SIS 06 11 09, und in BFH/NV 2014, 1403 = SIS 14 21 38,
Rz 12). Abreden zwischen der für den Eigentümer
handelnden Person und dem Bauunternehmer müssen dem
Eigentümer persönlich auch nicht bekannt gewesen sein. Es
kommt auch nicht darauf an, durch wen der Erwerber zuerst auf das
Grundstück aufmerksam gemacht wurde.
|
|
|
23
|
Die Feststellungslast (objektive Beweislast)
für die Tatsachen, die die Einbeziehung der
Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der
Grunderwerbsteuer rechtfertigen, trägt das Finanzamt
(BFH-Urteile in BFHE 254, 77, BStBl II 2016, 895 = SIS 16 19 23, Rz
14, und in BFH/NV 2016, 1584 = SIS 16 21 64, Rz 14).
|
|
|
24
|
e) Das FG ist nach diesen Grundsätzen
aufgrund der von ihm getroffenen Tatsachenfeststellungen zutreffend
zu dem Ergebnis gelangt, dass das Grundstück in bebautem
Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen ist.
|
|
|
25
|
aa) Die Erwerber waren beim Abschluss des
Grundstückskaufvertrags in ihrer Entscheidung über das
„Ob“ und „Wie“ der
Baumaßnahme nicht mehr frei; denn sie hatten den Bauvertrag
bereits zuvor abgeschlossen. Es stand deshalb fest, dass sie das
Grundstück nur in bebautem Zustand erhalten werden. Die G KG
gehörte zur Veräußererseite. Es ist kaum denkbar
und geht auch aus dem Vorbringen der Klägerin nicht
substantiiert hervor, dass die Erwerber bereits vor Abschluss des
Grundstückskaufvertrags von der G KG ein Angebot zur Bebauung
des Grundstücks erhalten haben könnten, ohne dass das
Grundstück der G KG „an die Hand“ gegeben
worden war. Dabei genügt ein entsprechendes Tätigwerden
der D GmbH, die die Klägerin mit der Vermarktung des
Grundstücks beauftragt hatte, und der F GmbH als
Mittelspersonen. Dieses Tätigwerden der Mittelspersonen ist
der Klägerin als Veräußerin zuzurechnen, auch wenn
sie sich selbst passiv verhalten hat, lediglich an einer
Veräußerung des Grundstücks interessiert war und
das Tätigwerden für sie nicht erkennbar gewesen sein
sollte.
|
|
|
26
|
bb) An die vom FG getroffenen
Tatsachenfeststellungen ist der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO
gebunden. Zulässige und begründete Revisionsgründe
sind insoweit nicht vorgebracht. Die Feststellungen sind
möglich. Sie verstoßen weder gegen Denkgesetze noch
gegen allgemeine Erfahrungssätze und sind auch nicht
erfolgreich mit einer Verfahrensrüge angegriffen worden. Eine
weitergehende Prüfung der Tatsachenfeststellungen ist
revisionsrechtlich nicht zulässig (vgl. z.B. BFH-Urteil vom
22.6.2016 V R 32/15, BFH/NV 2016, 1554 = SIS 16 21 50, Rz 23,
m.w.N.).
|
|
|
27
|
cc) Die Rüge der Klägerin, das FG
habe den Sachverhalt entgegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht
hinreichend aufgeklärt, ist unzulässig. Ihre
Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 120
Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO. Soweit die Revision darauf
gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren
verletzt sei, muss die Revisionsbegründung nach dieser
Vorschrift die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben.
|
|
|
28
|
Da die Verletzung der
Sachaufklärungspflicht ein verzichtbarer Verfahrensmangel ist
(§ 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 der Zivilprozessordnung -
ZPO - ), hätte die Klägerin zur schlüssigen
Rüge eines solchen Mangels vortragen müssen, dass sie den
Fehler in der mündlichen Verhandlung vor dem FG, in der sie
durch einen Rechtsanwalt sach- und fachkundig vertreten war,
gerügt habe oder weshalb ihr eine solche Rüge nicht
möglich gewesen sei (z.B. BFH-Urteil vom 13.11.2014 III R
38/12, HFR 2015, 584, Rz 31; BFH-Beschluss vom 12.5.2016 III B
5/16, BFH/NV 2016, 1292 = SIS 16 16 70, Rz 4, m.w.N.). Dies ist
nicht geschehen.
|
|
|
29
|
Die schlüssige Darlegung der Verletzung
der Sachaufklärungspflicht durch das FG erfordert darüber
hinaus Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln
noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG eine
Aufklärung unter Berücksichtigung seines - insoweit
maßgeblichen - Rechtsstandpunktes hätte aufdrängen
müssen. Weiter ist darzulegen, welches Ergebnis die
Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu
einer für den Rechtsmittelführer günstigeren
Entscheidung hätte führen können
(BFH-Beschlüsse vom 25.10.2016 VIII B 50/16, BFH/NV 2017, 57 =
SIS 16 25 80, Rz 2, und vom 2.3.2017 XI B 81/16, BFH/NV 2017, 748 =
SIS 17 08 02, Rz 28, jeweils m.w.N.). Derartige substantiierte
Ausführungen hat die Klägerin nicht gemacht.
|
|
|
30
|
Mit der Rüge, das FG habe den ihm
vorliegenden Akteninhalt fehlerhaft gewürdigt, macht die
Klägerin keinen Verfahrensverstoß, sondern einen aus
ihrer Sicht gegebenen materiell-rechtlichen Fehler geltend
(BFH-Beschluss in BFH/NV 2017, 748 = SIS 17 08 02, Rz 34,
m.w.N.).
|
|
|
31
|
2. Die Ansicht des FG, die Klägerin
schulde nicht nur die auf das unbebaute Grundstück entfallende
Grunderwerbsteuer, ist ebenfalls zutreffend. Der
Veräußerer schuldet die Grunderwerbsteuer
gemäß § 13 Nr. 1 GrEStG auch dann in voller
Höhe, wenn das beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags
tatsächlich unbebaute Grundstück in bebautem Zustand
Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist.
|
|
|
32
|
a) Nach § 13 Nr. 1 GrEStG sind
Steuerschuldner regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang
als Vertragsteile beteiligten Personen. Sie sind Gesamtschuldner
nach § 44 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO). Soweit nichts
anderes bestimmt ist, schuldet jeder der Gesamtschuldner nach
§ 44 Abs. 1 Satz 2 AO die gesamte Leistung. Die Annahme,
Veräußerer und Erwerber könnten materiell-rechtlich
Grunderwerbsteuer in unterschiedlicher Höhe schulden, ist mit
dieser Vorschrift nicht vereinbar. Sie lässt eine derartige
Unterscheidung nicht zu.
|
|
|
33
|
b) Dies gilt auch in den Fällen des
einheitlichen Erwerbsvorgangs, bei denen nicht der
Veräußerer, sondern ein Dritter zivilrechtlich zur
Gebäudeerrichtung verpflichtet ist (Viskorf in Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, 18. Aufl., § 13 Rz 13; Pahlke,
Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 13 Rz 6;
Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 13
Rz 6; Weilbach, Grunderwerbsteuergesetz, § 13 Rz 6; Bruschke,
UVR 2003, 168, 170; a.A. Gottwald/Behrens, Grunderwerbsteuer, 5.
Aufl., Rz 891).
|
|
|
34
|
Dies ist sachlich gerechtfertigt. Das beim
Abschluss des Grundstückskaufvertrags tatsächlich
unbebaute Grundstück kann nur dann in bebautem Zustand
Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein, wenn der Dritte beim Abschluss
oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags zur
Veräußererseite gehört (BFH-Urteile in BFHE 254,
77, BStBl II 2016, 895 = SIS 16 19 23, Rz 15; in BFH/NV 2016, 1584
= SIS 16 21 64, Rz 15, und in BFHE 257, 368 = SIS 17 08 57, Rz 40).
Dies setzt ein entsprechendes Verhalten des Veräußerers
voraus. Zumindest muss er selbst oder eine für ihn handelnde
Person das Grundstück dem Dritten „an die
Hand“ gegeben haben. Aufgrund dieses Verhaltens ist die
durch die Bebauung herbeigeführte tatsächliche
Veränderung des Grundstücks seiner Sphäre
zuzurechnen. Der Einbeziehung der Bauerrichtungskosten in die
Bemessungsgrundlage der gegenüber dem Veräußerer
festgesetzten Grunderwerbsteuer steht es deshalb nicht entgegen,
wenn für diesen die Einheitlichkeit des aus Grundstücks-
und Bauvertrag bestehenden Vertragswerks - etwa aufgrund des
Tätigwerdens des von ihm beauftragten Maklers - objektiv nicht
erkennbar war (Weilbach, a.a.O., § 13 Rz 6).
|
|
|
35
|
Eine Aufteilung der Grunderwerbsteuer auf der
Veräußererseite auf den bisherigen Eigentümer und
den Dritten, der zur Bebauung des Grundstücks verpflichtet
ist, scheidet aus. Ein solcher Dritter ist nicht am Erwerbsvorgang
als Vertragsteil beteiligt i.S. des § 13 Nr. 1 GrEStG, und
zwar auch dann nicht, wenn aufgrund objektiv sachlichen
Zusammenhangs zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem
Abschluss des Gebäudeerrichtungsvertrags als Gegenstand des
Erwerbs das bebaute Grundstück anzusehen ist (BFH-Urteile in
BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34 = SIS 99 23 16, unter II.1.b, und
vom 27.10.1999 II R 20/99, BFH/NV 2000, 349 = SIS 00 52 70, unter
II.1.b).
|
|
|
36
|
3. Zu Recht wurden auch die von der
Klägerin übernommenen, aufgrund der
Grundstücksteilung anfallenden Kosten, insbesondere die
Vermessungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer
einbezogen. Es handelt sich dabei um eine sonstige Leistung i.S.
des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Nach § 448 Abs. 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs trägt der Verkäufer die
Kosten der Übergabe der Sache. Zu diesen Kosten gehören
auch die Vermessungskosten (Palandt/Weidenkaff, Bürgerliches
Gesetzbuch, 76. Aufl., § 448 Rz 7). Übernimmt der
Käufer die Kosten der Übergabe der Sache, so
übernimmt er Leistungen, die gesetzlich dem Verkäufer
obliegen, und erbringt somit eine zusätzliche Gegenleistung
(BFH-Urteile vom 21.11.1974 II R 61/71, BFHE 114, 507, BStBl II
1975, 362 = SIS 75 02 13, und vom 23.8.1995 II R 93/92, BFH/NV
1996, 354).
|
|
|
37
|
Eine sonstige Leistung i.S. des § 9 Abs.
1 Nr. 1 GrEStG ist auch die von den Erwerbern unentgeltlich
erteilte Zustimmung zur Belastung des von ihnen erworbenen
Grundstücks mit dem Wegerecht.
|
|
|
38
|
4. Die Entscheidung des FA, die von den
Erwerbern noch nicht entrichtete Grunderwerbsteuer gegen die
Klägerin festzusetzen, ist nicht ermessensfehlerhaft.
|
|
|
39
|
a) Die Entscheidung, gegen welchen der
Gesamtschuldner das Finanzamt die Grunderwerbsteuer festsetzt, ist
nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO) zu treffen
und gemäß § 102 Satz 1 FGO gerichtlich nur
eingeschränkt überprüfbar. Es entspricht
pflichtgemäßem Ermessensgebrauch, dass das Finanzamt
zunächst denjenigen zur Grunderwerbsteuer heranzieht, der im
Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat, und den
anderen Vertragsteil erst dann, wenn die Steuer von jenem nicht zu
erlangen ist (BFH-Urteil vom 26.6.1996 II R 31/93, BFH/NV 1997, 2 =
SIS 96 24 32). Verspricht die Durchsetzung des Steueranspruchs
gegen den zunächst in Anspruch zu nehmenden oder genommenen
Gesamtschuldner infolge dessen wirtschaftlicher Situation keinen
Erfolg, entspricht es aufgrund der Verpflichtung des Finanzamts zur
Geltendmachung des nach dem Gesetz entstandenen Steueranspruchs
(§ 85 AO) pflichtgemäßer Ermessensausübung,
die Steuer gegen den anderen Gesamtschuldner festzusetzen
(BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 2 = SIS 96 24 32).
|
|
|
40
|
Ebenso wie bei der Inanspruchnahme des
Haftungsschuldners auf Zahlung gemäß § 219 Satz 1
AO genügt es dabei, wenn anzunehmen ist, dass die
Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Gesamtschuldners,
der im Kaufvertrag die Grunderwerbsteuer übernommen hat,
aussichtslos sein würde. Es ist danach ausreichend, dass die
Finanzbehörde zu der Annahme gelangt, eine Vollstreckung werde
ohne Erfolg sein. Eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit
der Erfolglosigkeit von Vollstreckungsversuchen braucht nicht
vorzuliegen. Ebenso wenig bedarf es des Nachweises der
Aussichtslosigkeit der Vollstreckung, etwa durch erfolglose
Vollstreckungsversuche (BFH-Beschluss vom 24.4.2008 VII B 262/07,
BFH/NV 2008, 1448 = SIS 08 31 58).
|
|
|
41
|
Die Ermessensausübung bedarf in einem
solchen Fall nach Maßgabe des § 121 Abs. 1 AO einer
Begründung, soweit diese zum Verständnis des
Steuerbescheids erforderlich und die Begründung nicht nach
§ 121 Abs. 2 AO entbehrlich ist. Die Begründung kann nach
Maßgabe von § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO und § 102
Satz 2 FGO im Einspruchsverfahren und bis zum Abschluss der
Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens nachgeholt
werden.
|
|
|
42
|
Ist die Steuer von demjenigen der
Gesamtschuldner, der sie nach den getroffenen Vereinbarungen zu
tragen hat, aus Rechtsgründen, etwa wegen
Festsetzungsverjährung, nicht mehr zu erlangen, so
entfällt mangels einer Auswahlmöglichkeit eine
Ausübung des Ermessens bei der Auswahl des in Anspruch zu
Nehmenden (BFH-Urteil vom 1.7.2008 II R 2/07, BFHE 222, 68, BStBl
II 2008, 897 = SIS 08 37 70).
|
|
|
43
|
b) Die Ermessensentscheidung des FA, die von
den Erwerbern noch nicht entrichtete Grunderwerbsteuer gegen die
Klägerin festzusetzen, ist danach nicht zu beanstanden. Das FA
war aufgrund der gegebenen Umstände zu der Annahme gelangt,
eine Vollstreckung dieser Steuerschuld gegen die Erwerber werde
ohne Erfolg sein. Das FA hat die Ermessensentscheidung in den
angefochtenen Steuerbescheiden und der Einspruchsentscheidung
hinreichend begründet. Daraus ging deutlich die Annahme des FA
hervor, die Vollstreckung gegen die Erwerber werde erfolglos sein.
Erfolglos gebliebene Vollstreckungsversuche bei den Erwerbern waren
nicht erforderlich. Die Angabe im Hinweisschreiben, weitere
Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Erwerber seien ergebnislos
verlaufen, wiederholte das FA in den Steuerbescheiden nicht. Nach
den vom FG getroffenen Feststellungen hat die Klägerin zudem
die wirtschaftliche Situation der Erwerber gekannt.
|
|
|
44
|
c) Ein Ermessensfehlgebrauch lässt sich
auch nicht aus den von der Klägerin angeführten
BFH-Urteilen vom 21.12.1961 II 33/58 U (BFHE 74, 425, BStBl III
1962, 160 = SIS 62 01 01) und vom 16.5.1962 II 67/61 U (BFHE 75,
128, BStBl III 1962, 315 = SIS 62 02 06) herleiten. Anders als in
dem Fall, der dem BFH-Urteil in BFHE 74, 425, BStBl III 1962, 160 =
SIS 62 01 01 zugrunde lag, hat das FA den Erwerbern die
Unbedenklichkeitsbescheinigung (§ 22 GrEStG) nicht erteilt und
es ihnen somit auch nicht ermöglicht, das erworbene
Grundstück zu veräußern.
|
|
|
45
|
Nach dem BFH-Urteil in BFHE 75, 128, BStBl III
1962, 315 = SIS 62 02 06 stellt die Inanspruchnahme des
Veräußerers eines Grundstücks als Gesamtschuldner
in aller Regel einen Verstoß gegen die für die
Ausübung des Ermessens maßgebenden Grundsätze von
Recht und Billigkeit dar, wenn das Finanzamt die Einziehung der
zunächst entsprechend der Regelung im
Grundstückskaufvertrag nur vom Erwerber geforderten
Grunderwerbsteuer schuldhaft verzögert hat und dieser
inzwischen zahlungsunfähig geworden ist. Zur Begründung
verwies der BFH auf § 8 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der
seinerzeit geltenden Grunderwerbsteuer-Durchführungsverordnung
(GrEStDV). Danach war in den Fällen des § 15 Nr. 1 GrEStG
a.F. (jetzt § 13 Nr. 1 GrEStG) ein einheitlicher
Steuerbescheid zu erteilen, der sich an den Erwerber und den
Veräußerer als Gesamtschuldner richtete, und war der
Steuerbescheid jedem Gesamtschuldner bekanntzugeben. Allerdings
durfte das Finanzamt nach § 8 Abs. 2 Satz 3 GrEStDV in
Abweichung von dieser Regel den Steuerbescheid nach seinem Ermessen
auch nur einem Gesamtschuldner bekannt geben. Wenn aber dieser
Gesamtschuldner am Fälligkeitstag keine Zahlung leistete,
musste das Finanzamt darauf bedacht sein, den Bescheid
unverzüglich auch dem Veräußerer als
Gesamtschuldner zur Kenntnis zu bringen, um diesem die Durchsetzung
seines Rückgriffsrechts gegen den Erwerber zu
ermöglichen.
|
|
|
46
|
Das Urteil ist zu einer überholten
Rechtslage ergangen. Soweit die GrEStDV als Landesrecht
fortgegolten hatte, wurde sie durch § 25 GrEStG (BGBl I 1982,
1777) aufgehoben. Eine dem § 8 Abs. 2 Sätze 1 und 2
GrEStDV entsprechende Regel ist in dem seither geltenden
Grunderwerbsteuerrecht nicht mehr vorgesehen. Vielmehr entspricht
es nach der gegenwärtigen Rechtslage pflichtgemäßem
Ermessensgebrauch, dass das Finanzamt zunächst denjenigen zur
Grunderwerbsteuer heranzieht, der im Kaufvertrag die
Grunderwerbsteuer übernommen hat, und den anderen Vertragsteil
erst dann, wenn die Steuer von jenem nicht zu erlangen ist
(BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 2 = SIS 96 24 32). Maßgebend sind
nunmehr die allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung
von Steueransprüchen (vgl. unten II.5.).
|
|
|
47
|
d) Die Festsetzung der Steuer gegen die
Klägerin verstößt auch nicht gegen das
Übermaßverbot. Die gegen die Klägerin festgesetzte
Grunderwerbsteuer in Höhe von insgesamt 9.388 EUR beträgt
lediglich gut 11 % des Kaufpreises von 82.500 EUR.
|
|
|
48
|
5. Das FA hat das Recht, die Grunderwerbsteuer
gegen die Klägerin festzusetzen, auch nicht verwirkt.
|
|
|
49
|
a) Verwirkung ist ein Anwendungsfall des
Verbots widersprüchlichen Tuns, das Ausfluss des die gesamte
Rechtsordnung beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben ist.
Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben dem bloßen
Zeitmoment (zeitweilige Untätigkeit des Anspruchsberechtigten)
sowohl ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus,
demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf
vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden
(Vertrauenstatbestand), als auch, dass der Anspruchsverpflichtete
tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut
und sich hierauf eingerichtet hat (BFH-Urteil vom 21.2.2017 VIII R
45/13, BFHE 257, 256 = SIS 17 08 90, Rz 42).
|
|
|
50
|
Das Finanzamt verwirkt den Steueranspruch
demgemäß nicht schon, wenn es ihn über längere
Zeit hinweg nicht geltend macht. Vielmehr müssen weitere
Umstände hinzutreten, die die verspätete
Rechtsausübung durch die Behörde als Verstoß gegen
Treu und Glauben erscheinen lassen. Solche Umstände liegen nur
vor, wenn sich das Finanzamt über seine Untätigkeit
hinaus in einer Weise verhält, die auf eine Aufgabe des
Steueranspruchs schließen lässt (BFH-Urteil vom
24.10.2006 I R 90/05, BFH/NV 2007, 849 = SIS 07 61 30, unter
III.1.d, m.w.N.).
|
|
|
51
|
b) Diese Grundsätze gelten auch für
die Gesamtschuldner bei der Grunderwerbsteuer gemäß
§ 13 Nr. 1 GrEStG. Das Finanzamt kann innerhalb der
Verjährungsfrist grundsätzlich jeden, der nach dem GrEStG
Steuerschuldner ist, als Gesamtschuldner in Anspruch nehmen. Bis
zum Eintritt der Verjährung muss jeder Gesamtschuldner
grundsätzlich mit dieser Inanspruchnahme rechnen
(BFH-Beschlüsse vom 2.12.1987 II R 172/84, BFH/NV 1989, 455,
und vom 17.5.1990 II B 8/90, BFH/NV 1991, 481). Durch bloßen
Zeitablauf (innerhalb der Verjährung) und die vorherige
(erfolglose) Inanspruchnahme des Erwerbers wird der Anspruch gegen
den Veräußerer als Gesamtschuldner nicht verwirkt. Eine
Verwirkung des Anspruchs setzt vielmehr regelmäßig
voraus, dass das Finanzamt durch ein bestimmtes Verhalten im
Steuerschuldner das Vertrauen darauf geweckt hat, dass das Recht
nicht mehr ausgeübt werde (BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 481).
Ein solches Vertrauen ist insbesondere nicht gerechtfertigt,
solange das Finanzamt die Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht
erteilt hat und der Erwerber eines Grundstücks deshalb
gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GrEStG nicht in das
Grundbuch eingetragen wurde (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1989,
455). Eine Ausnahme hiervon könnte nur dann bestehen, wenn die
fehlgeschlagene Beitreibung der Steuerforderung gegen den
zunächst in Anspruch genommenen Erwerber auf einer
vorsätzlichen oder sonstigen besonders groben
Pflichtverletzung des Finanzamts beruht (BFH-Urteil vom 4.7.1979 II
R 74/77, BFHE 129, 201, BStBl II 1980, 126 = SIS 80 00 74;
BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 481).
|
|
|
52
|
c) Dass im Streitfall diese Voraussetzungen
für eine Verwirkung des Steueranspruchs des FA gegenüber
der Klägerin vorlägen, hat weder das FG festgestellt noch
geht dies aus dem Vorbringen der Klägerin substantiiert
hervor. Die Unbedenklichkeitsbescheinigung hatte das FA den
Erwerbern nicht erteilt. Eine vorsätzliche oder sonstige
besonders grobe Pflichtverletzung des FA ist nicht ersichtlich.
Während der Dauer der gewährten AdV war eine
Vollstreckung gegen die Erwerber gemäß § 251 Abs. 1
Satz 1 AO ausgeschlossen.
|
|
|
53
|
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|