I. Dem Gerichtshof der Europäischen Union
werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 63 der Richtlinie 2006/112/EG
des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem unter Berücksichtigung der dem
Steuerpflichtigen zukommenden Aufgabe als Steuereinnehmer für
den Fiskus einschränkend dahingehend auszulegen, dass der
für die Leistung zu vereinnahmende Betrag
a) fällig ist oder
b) zumindest unbedingt geschuldet wird?
2. Bei Verneinung der ersten Frage: Ist der
Steuerpflichtige verpflichtet, die für die Leistung
geschuldete Steuer für einen Zeitraum von zwei Jahren
vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine
Leistung (teilweise) erst zwei Jahre nach Entstehung des
Steuertatbestands erhalten kann?
3. Bei Bejahung der zweiten Frage: Sind die
Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der ihnen nach Artikel
90 Absatz 2 der Richtlinie 2006/ 112/EG des Rates vom 28.11.2006
über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem zustehenden
Befugnisse berechtigt, bereits für den Besteuerungszeitraum
der Steuerentstehung von einer Berichtigung nach Artikel 90 Absatz
1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem auszugehen, wenn der
Steuerpflichtige den zu vereinnahmenden Betrag mangels
Fälligkeit erst zwei Jahre nach Eintritt des Steuertatbestands
vereinnahmen kann?
II. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung
des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgesetzt.
1
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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) war im Streitjahr 2012 als Spielervermittlerin im
bezahlten Fußball tätig. Sie versteuerte ihre
Umsätze nach vereinbarten Entgelten gemäß § 13
Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Im
Rahmen ihrer Tätigkeit erhielt sie bei erfolgreicher
Vermittlung von Profifußballspielern (Spieler)
Provisionszahlungen von den aufnehmenden Fußballvereinen. Der
Vergütungsanspruch für die Vermittlung setzte dem Grunde
nach voraus, dass der Spieler beim neuen Verein einen
Arbeitsvertrag unterschrieb und die DFL-GmbH als Lizenzgeber dem
Spieler eine Spielerlaubnis erteilte. Die Provisionszahlungen waren
in Raten verteilt auf die Laufzeit des Arbeitsvertrages zu leisten,
wobei die Fälligkeit und das Bestehen der einzelnen
Ratenansprüche unter der Bedingung des Bestehens des
Arbeitsvertrages zwischen Verein und Spieler standen.
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2
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Im Anschluss an eine
Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt - FA - ) davon aus, dass die Klägerin ihre im
Streitjahr erbrachten Vermittlungsleistungen auch insoweit bereits
im Streitjahr zu versteuern habe, als sie Entgeltbestandteile
für diese Vermittlungen vertragsgemäß erst im Jahr
2015 beanspruchen konnte. Das FA erließ am 15.7.2015 einen
nach § 164 Absatz 2 der Abgabenordnung geänderten
Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr 2012, in dem es die
anteiligen Provisionsforderungen aus der Vermittlung der Spieler A
(31.500 EUR), B (12.500 EUR) und C (13.500 EUR), die erst im Jahr
2015 fällig waren, bereits im Streitjahr der Umsatzsteuer
unterwarf.
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3
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Der von der Klägerin für den
Spieler A vermittelte Arbeitsvertrag hatte eine Laufzeit von drei
Jahren über drei Spielzeiten (2012/2013, 2013/2014 und
2014/2015) bis zum 30.6.2015. Für jede Spielzeit war ein
„festes Honorar“ zu zwei Terminen, jeweils zum 1.
September und zum 1. März einer Spielzeit zu zahlen.
Voraussetzung für den Vergütungsanspruch war, dass zum
jeweiligen Zeitpunkt der Lizenzspielervertrag unverändert
fortbestand. Im Streitfall zu entscheiden ist über die
steuerrechtliche Beurteilung des zum 1.3.2015 entstandenen
Vergütungsbestandteils in Höhe von 31.500 EUR.
Ähnliche Vergütungsbedingungen bestanden in Bezug auf
die Vermittlung der Spieler B und C.
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4
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Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Der
Klage zum Finanzgericht (FG) gab das FG statt. Das Urteil ist in
EFG 2016, 1925 = SIS 16 22 64 veröffentlicht.
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5
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II. 1. Rechtlicher Rahmen
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6
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a) Unionsrecht
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7
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Artikel 1 Absatz 2 Unterabschnitt 1 der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) regelt:
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“(2) Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und
Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den
vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und
Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der
Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale
Verbrauchsteuer anzuwenden ist. ...“
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8
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Artikel 63 MwStSystRL bestimmt:
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“Steuertatbestand und Steueranspruch treten
zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen
bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird.“
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9
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Artikel 65 MwStSystRL ordnet an:
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“Werden Anzahlungen geleistet, bevor die
Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung
erbracht ist, entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der
Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag.“
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10
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Artikel 66 MwStSystRL regelt:
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“Abweichend von den Artikeln 63, 64 und
65 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der
Steueranspruch für bestimmte Umsätze oder Gruppen von
Steuerpflichtigen zu einem der folgenden Zeitpunkte entsteht:
...
b) spätestens bei der Vereinnahmung des Preises;
...“
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11
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Artikel 90 MwStSystRL regelt:
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“(1) Im Falle der Annullierung, der
Rückgängigmachung, der Auflösung, der
vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des
Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die
Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten
festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert. (2) Die
Mitgliedstaaten können im Falle der vollständigen oder
teilweisen Nichtbezahlung von Absatz 1 abweichen.“
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12
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Artikel 20 der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union (EUGrdRCh) bestimmt:
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“Alle Personen sind vor dem Gesetz
gleich.“
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13
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b) Nationales Recht
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§ 13 Absatz 1 Nummer 1 UStG ordnet
an:
„Die Steuer entsteht
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1. für Lieferungen und sonstige
Leistungen
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a)
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bei der Berechnung der Steuer nach
vereinbarten Entgelten (§ 16 Absatz 1 Satz 1) mit Ablauf des
Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt
worden sind. Das gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor,
wenn für bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren
Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird. Wird das Entgelt
oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung oder die
Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die
Steuer mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt
oder das Teilentgelt vereinnahmt worden ist,
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b)
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bei der Berechnung der Steuer nach
vereinnahmten Entgelten (§ 20) mit Ablauf des
Voranmeldungszeitraums, in dem die Entgelte vereinnahmt worden
sind,“
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§ 17 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Nummer
1 UStG regeln:
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“(1) Hat sich die Bemessungsgrundlage
für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1
Absatz 1 Nummer 1 geändert, hat der Unternehmer, der diesen
Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten
Steuerbetrag zu berichtigen.
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(2) Absatz 1 gilt sinngemäß,
wenn
1. das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige
Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen
innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird
das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und
Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen;“
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§ 20 Satz 1 UStG bestimmt:
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“Das Finanzamt kann auf Antrag
gestatten, dass ein Unternehmer,
1. dessen Gesamtumsatz (§ 19 Absatz 3) im vorangegangenen
Kalenderjahr nicht mehr als 500.000 Euro betragen hat, oder
2. der von der Verpflichtung, Bücher zu führen und auf
Grund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig
Abschlüsse zu machen, nach § 148 der Abgabenordnung
befreit ist, oder
3. soweit er Umsätze aus einer Tätigkeit als
Angehöriger eines freien Berufs im Sinne des § 18 Absatz
1 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes ausführt,
die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Absatz
1 Satz 1), sondern nach den vereinnahmten Entgelten
berechnet.“
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2. Zur ersten Vorlagefrage
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a) Gegenstand der Vorlagefrage
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19
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Mit der ersten Frage soll geklärt werden,
ob Artikel 63 MwStSystRL unter Berücksichtigung der dem
Steuerpflichtigen zukommenden Aufgabe als Steuereinnehmer des
Fiskus einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass der
für die Leistung zu vereinnahmende Betrag unbedingt geschuldet
wird oder weitergehend sogar fällig ist.
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20
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b) Auslegung des Unionsrechts
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21
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aa) Wortlaut
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22
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Dem Wortlaut des Artikels 63 MwStSystRL ist
eine derartige Einschränkung nicht zu entnehmen. Danach kommt
es nur darauf an, dass die Lieferung von Gegenständen bewirkt
oder die Dienstleistung erbracht wird. Zwar muss es sich, damit der
Anwendungsbereich der Richtlinie nach Artikel 2 Absatz 1 MwStSystRL
eröffnet ist, um eine gegen Entgelt erbrachte Lieferung oder
Dienstleistung handeln. Die Vereinnahmbarkeit dieses Entgelts ist
nach dem Wortlaut von Artikel 63 MwStSystRL indes ohne
Bedeutung.
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23
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bb) Steuereinnehmer
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24
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Gleichwohl erscheint es aus Sicht des
erkennenden Senats zweifelhaft, ob eine derart unbedingte
Entstehung des Steueranspruchs gerechtfertigt ist. Denn der
Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat
ausdrücklich entschieden, dass „auf dem Gebiet der
Mehrwertsteuer die Steuerpflichtigen als Steuereinnehmer für
Rechnung des Staates tätig werden“ und dabei
Regelungen der Richtlinie als gerechtfertigt angesehen, nach denen
vermieden werden soll, „daß sich in ihren
Händen im Laufe eines Steuerzeitraums erhebliche Mengen
öffentlicher Gelder ansammeln“ (EuGH-Urteil Balocchi
vom 20.10.1993 C-10/92, EU:C:1993:846, Randziffer 25). Der EuGH hat
diese Funktion als „Steuereinnehmer für Rechnung des
Staates und im Interesse der Staatskasse“ dahingehend
erläutert, dass die Steuerpflichtigen „die
Mehrwertsteuer [schulden], obwohl diese als Verbrauchsteuer
letztlich vom Endverbraucher getragen wird“ (EuGH-Urteil
Netto Supermarkt vom 21.2.2008 C-271/06, EU:C:2008:105, Randziffer
21). Dem folgen auch Generalanwälte in aktuellen
Schlussanträgen (vergleiche zum Beispiel Schlussanträge
der Generalanwältin Kokott vom 8.6.2017 in der Rechtssache
C-246/16, Di Maura, EU:C:2017:440, Randziffer 21).
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25
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Die dem Steuerpflichtigen so zugedachte
Aufgabe des Steuereinnehmers lässt es nach Auffassung des
erkennenden Senats als fragwürdig erscheinen, ob der
Steuerpflichtige die von ihm bereits für den Zeitraum der
Leistungserbringung geschuldete Steuer über einen Zeitraum von
mehreren Jahren vorzufinanzieren hat, da er einzelne Teile der ihm
zustehenden Vergütung wie zum Beispiel im Streitfall aufgrund
einer von einem Bedingungseintritt abhängigen Entstehung eines
Vergütungsanspruchs erst nach über zwei Jahren
beanspruchen und vereinnahmen kann.
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26
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cc) Folgen für Ratenverkauf
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27
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Die Bejahung der Frage 1 Buchstabe a kann von
Bedeutung für die in Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe b
MwStSystRL genannten Ratenverkäufe sein. Diese zeichnen sich
dadurch aus, dass die Gegenleistung für die Lieferung in
mehreren Raten und damit zu unterschiedlichen
Fälligkeitszeitpunkten geschuldet wird.
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28
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Für eine Bejahung der Frage 1 Buchstabe b
gilt dies nicht. Der insoweit maßgebliche Bedingungseintritt
unterscheidet sich von der Befristung bei einem Ratenverkauf
dadurch, dass die Bedingung anders als eine Befristung von einem
ungewissen Ereignis abhängt. Dieses ungewisse Ereignis ist im
Streitfall in der fortbestehenden Vertragsbeziehung zwischen
Spieler und Verein zu sehen.
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29
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c) Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage
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30
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aa) Nationales Recht
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31
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Im Streitfall hat die Klägerin ihre
Vermittlungsleistungen bereits mit Abschluss der
Arbeitsverträge der spielberechtigten Fußballspieler
ausgeführt. Es liegt keine Leistung der Klägerin vor, die
erst als mit dem Ende des Arbeitsvertrages erbracht anzusehen ist.
Daher liegen im Streitfall grundsätzlich die Voraussetzungen
für eine Besteuerung bereits aufgrund der Leistungserbringung
vor.
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32
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Dabei setzt im nationalen Recht § 13
Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a UStG die unionsrechtlichen Vorgaben
aus Artikel 63 MwStSystRL um. Die dort vorgesehene Besteuerung nach
vereinbarten Entgelten wird im Allgemeinen als Sollbesteuerung
bezeichnet, da der Unternehmer seine Leistungen für den
Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung besteuern soll.
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33
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Der erkennende Senat hat diese Vorschrift
bislang unabhängig davon angewendet, ob der für die
erbrachte Leistung bestehende Vergütungsanspruch fällig
oder rechtlich entstanden ist. Danach hätte die Klägerin
die Vermittlungsleistungen bereits in vollem Umfang für das
Streitjahr zu versteuern. Die Steuer entsteht auch insoweit bereits
mit der Leistungserbringung im Streitjahr, als die Klägerin
die Vergütung hierfür erst nach über zwei Jahren
vereinnahmen kann.
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34
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Wäre Artikel 63 MwStSystRL in der Weise
auszulegen, dass der Steueranspruch nur insoweit mit der
Leistungserbringung eintritt, als dem Steuerpflichtigen zu diesem
Zeitpunkt ein fälliger (Vorlagefrage 1 Buchstabe a) oder aber
zumindest unbedingt entstandener (Vorlagefrage 1 Buchstabe b)
Vergütungsanspruch zusteht, wäre dies auch bei der dann
gebotenen einschränkenden Auslegung von § 13 Absatz 1
Nummer 1 Buchstabe a UStG zu beachten.
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35
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bb) Folgen bei späterer
Vereinnahmung
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36
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Die spätere Vereinnahmung der
Vergütung (im Streitfall nach über zwei Jahren)
würde bei Bejahung der Vorlagefrage 1 zu einer
Steuerentstehung in entsprechender Anwendung von Artikel 65
MwStSystRL (§ 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a Satz 4 UStG)
führen. Begründet danach die Zahlung vor der
Leistungserbringung die Entstehung des Steueranspruchs, gilt dies
erst recht für eine Zahlung nach der Leistungserbringung,
soweit der Steueranspruch nicht bereits aufgrund der
Leistungserbringung entstanden ist.
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37
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3. Zur zweiten Vorlagefrage
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38
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a) Gegenstand der Vorlagefrage
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39
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Mit der zweiten Vorlagefrage soll für den
Fall der Verneinung der ersten Frage geklärt werden, ob der
Steuerpflichtige verpflichtet ist, die für die Leistung
geschuldete Steuer für einen Zeitraum von über zwei
Jahren vorzufinanzieren, wenn er die Vergütung für seine
Leistung (teilweise) erst nach über zwei Jahren nach der
Entstehung des Steuertatbestands erhalten kann.
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40
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Die zweite Vorlagefrage ist nur für den
Fall zu beantworten, dass eine den Wortlaut einschränkende
Auslegung des Artikels 63 MwStSystRL aus sich selbst heraus nicht
möglich ist. Es stellt sich dann aus Sicht des erkennenden
Senats die Frage, ob eine den Steuerpflichtigen treffende Pflicht
zur Vorfinanzierung der Steuer mit übergeordneten
Besteuerungs- und Rechtsprinzipien des Unionsrechts, die auch bei
der Auslegung des nationalen Rechts von Bedeutung sind, vereinbar
ist.
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41
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b) Proportionalität der Steuer
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42
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aa) Grundsatz der
Proportionalität
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43
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Nach Artikel 1 Absatz 2 Satz 1 MwStSystRL
beruht das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf dem Grundsatz, dass
auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der
Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden
Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine,
zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau
proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist. Die sich hieraus
ergebende Proportionalität der Mehrwertsteuer ist eines der
wesentlichen Merkmale der durch die Richtlinie harmonisierten
Steuer (vergleiche zum Beispiel EuGH-Urteil Metropol
Spielstätten vom 24.10.2013 C-440/12, EU:C:2013:687,
Randziffer 36).
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44
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bb) Bedeutung für die
Vorlagefrage
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45
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Aus dem Erfordernis einer zum Preis der
Gegenstände und Dienstleistungen „genau“
proportionalen Verbrauchsteuer könnte eine einschränkende
Auslegung von Artikel 63 MwStSystRL abzuleiten sein. Der
Steueranspruch für Leistungen entstünde dann nur in dem
Umfang, als der Anspruch auf die hierfür vereinbarte
Gegenleistung nach Maßgabe des Rechtsverhältnisses, das
der Leistung zugrunde liegt und Leistung und Entgelt durch
Begründung eines unmittelbaren Zusammenhangs miteinander
verbindet, bereits fällig im Sinne einer einklagbaren
Forderung oder zumindest unbedingt entstanden ist.
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46
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Der Grundsatz der Proportionalität
könnte anstelle einer Einschränkung von Artikel 63
MwStSystRL auch eine einschränkende Auslegung des Begriffs der
Steuerbemessungsgrundlage in Artikel 73 MwStSystRL rechtfertigen.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die
Steuerbemessungsgrundlage bei der Lieferung von Gegenständen
und Dienstleistungen nach Artikel 73 und Artikel 78 Buchstabe a
MwStSystRL alles umfasst, was den Wert der Gegenleistung bildet,
allerdings mit Ausnahme der Mehrwertsteuer. Danach könnte der
Teil der Gegenleistung, der von einem ungewissen in der Zukunft
liegenden Ereignis abhängt, nicht als Teil der Gegenleistung
im Zeitpunkt der Leistungserbringung anzusehen sein.
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47
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c) Gleichbehandlungsgrundsatz
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aa) Artikel 20 EUGrdRCh
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49
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Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz nach
Artikel 20 EUGrdRCh gehört zu den Grundprinzipien des
Unionsrechts. Er verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht
unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich
behandelt werden, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv
gerechtfertigt ist (EuGH-Urteile Ruckdeschel und Hansa-Lagerhaus
Ströh vom 19.10.1977 117/76 und 16/77, EU:C:1977:160,
Randziffer 7; Jetair und BTWE Travel4you vom 13.3.2014 C-599/12,
EU:C:2014:144, Randziffer 53; bpost vom 11.2.2015 C-340/13,
EU:C:2015:77, Randziffer 27). Im Mehrwertsteuerrecht kommt der
Grundsatz der Gleichbehandlung auch im Grundsatz der steuerlichen
Neutralität zum Ausdruck (EuGH-Urteile Zimmermann vom
15.11.2012 C-174/11, EU:C:2012:716, Randziffer 46 folgende).
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50
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Dies kann zum Beispiel für die Auslegung
von Artikel 90 MwStSystRL von Bedeutung sein (Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.6.2016 V R 42/15, BFHE 254, 264 =
SIS 16 17 29).
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51
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bb) Bedeutung für die
Vorlagefrage
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52
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(1) Vergleichbarkeit der
Sachverhalte
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53
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Im Hinblick auf die Aufgabe als
Steuereinnehmer (siehe oben II.2.b bb) sind
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die Steuerpflichtigen, bei denen der
Steueranspruch bereits mit der Leistungserbringung nach Artikel 63
MwStSystRL entsteht, und
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die Steuerpflichtigen, bei denen ein
Mitgliedstaat - wie die Bundesrepublik Deutschland durch § 13
Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b UStG in Verbindung mit § 20 UStG
- die gemäß Artikel 66 Buchstabe b MwStSystRL bestehende
Ermächtigung ausgeübt hat, die Entstehung des
Steueranspruchs für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen an
die Vereinnahmung des Preises zu knüpfen,
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in der gleichen Situation. Die
unterschiedlichen Bedingungen für die Entstehung des
Steueranspruchs (Leistungserbringung einerseits und
Preisvereinnahmung andererseits) ändern nichts an der Aufgabe,
die Erhebung einer indirekten Steuer zu übernehmen.
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54
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Dabei entspricht die Steuerentstehung nach
Artikel 66 Buchstabe b
MwStSystRL durch Preisvereinnahmung der Aufgabe des
Steuereinnehmers eher als die Steuerentstehung nach
Leistungserbringung gemäß Artikel 63 MwStSystRL. Denn
Artikel 66 Buchstabe b MwStSystRL vermeidet von vornherein, dass
für einen Steuereinnehmer die für seine Aufgabe
sachfremde Fallkonstellation auftreten kann, die Steuer - wie im
Streitfall nach Auffassung des FA - auch für Preisbestandteile
vorfinanzieren zu müssen, die er noch nicht vereinnahmt
hat.
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55
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Das Beispiel der Klägerin verdeutlicht
dies. Wäre sie berechtigt, die Steuer auf der Grundlage von
§ 13 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b UStG in Verbindung mit
§ 20 UStG (Istbesteuerung) und damit auf der Grundlage von
Artikel 66 Buchstabe b MwStSystRL zu berechnen, entstünde der
Steueranspruch für den Vergütungsanteil, den sie erst
nach über zwei Jahren vereinnahmt, erst mit der späteren
Vereinnahmung. Im Hinblick auf die für Artikel 63 MwStSystRL
wie auch bei Artikel 66 Buchstabe b MwStSystRL für die
Steuerpflichtige bestehende Aufgabe als Steuereinnehmerin erscheint
eine Ungleichbehandlung fragwürdig.
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56
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(2) Keine objektive Rechtfertigung einer
unterschiedlichen Behandlung
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57
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Die unterschiedliche Behandlung von
Steuerpflichtigen bei der Steuerentstehung nach Artikel 63
MwStSystRL einerseits und nach Artikel 66 Buchstabe b MwStSystRL
andererseits rechtfertigt sich nach Auffassung des erkennenden
Senats im Allgemeinen durch zwei Sachgründe.
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Zum einen besteht im Regelfall die berechtigte
Erwartung, dass der Steuerpflichtige die Vergütung, die er
für seine entgeltliche Leistung beansprucht, auch zeitnah
vereinnahmen kann (BFH-Urteil vom 22.7.2010 V R 4/09, BFHE 231,
260, BStBl II 2013, 590 = SIS 10 36 33, unter II.4.b dd).
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Zum anderen kann es als typisierende
Vereinfachung angesehen werden, dass Steuerpflichtige mit einer
ohnehin vorhandenen Forderungsbuchhaltung - ausgehend von der
bilanziellen Behandlung - die Steuer bei Leistungserbringung ohne
weiteren technischen Aufwand abführen (Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 20.3.2013 1 BvR 3063/10,
Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2013, 468 = SIS 13 24 81, unter
III.2.a bb (3)).
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58
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Derartige Überlegungen rechtfertigen es
aber nicht, Steuerpflichtige im Rahmen der Steuerentstehung nach
Leistungserbringung gemäß Artikel 63 MwStSystRL zu einer
mehrjährigen Vorfinanzierung der Steuer zu zwingen, wenn sie
Vergütungsanteile erst mehrere Jahre nach der
Leistungserbringung erlangen können.
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59
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d) Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage
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60
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aa) Berücksichtigung des Unionsrechts
bei der Auslegung des nationalen Rechts
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61
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Würden die Grundsätze der
Proportionalität und der Gleichbehandlung als
übergeordnete Rechtsgrundsätze die in Artikel 63
MwStSystRL vorgesehene Entstehung des Steueranspruchs mit der
Leistungserbringung einschränken, so dass die
Anspruchsentstehung einen rechtlich bestehenden und/oder
fälligen Vergütungsanspruch voraussetzt, wäre dies
im nationalen Recht bei einer dann einschränkenden Auslegung
von § 13 Absatz 1
Nummer 1 Buchstabe a UStG zu berücksichtigen.
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62
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Der Steueranspruch für die aus
Rechtsgründen erst später vereinnahmte Vergütung
entstünde dann wiederum erst mit der Vereinnahmung in
entsprechender Anwendung von Artikel 65 MwStSystRL und § 13
Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b Satz 4 UStG (siehe oben II.2.c
bb).
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63
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Zu berücksichtigen ist zudem, dass die
Klägerin die Voraussetzungen des nationalen Rechts für
die Istbesteuerung nicht erfüllt. Dies ist im Hinblick auf das
den Mitgliedstaaten durch Artikel 66 Buchstabe b MwStSystRL
unionsrechtlich eingeräumte Ermessen nicht zu beanstanden.
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64
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bb) Bedeutung des nationalen
Verfassungsrechts
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65
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Zu berücksichtigen ist, dass die den
Streitfall betreffenden Fragen in Bezug auf die Ungleichbehandlung
von Soll- und Istbesteuerung auch unter dem Gesichtspunkt des
nationalen Verfassungsrechts und dabei für Artikel 3 Absatz 1
des Grundgesetzes von Bedeutung sein können.
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66
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Grundlage hierfür ist das den
Mitgliedstaaten nach Artikel 66 Buchstabe b MwStSystRL
eingeräumte Ermessen und die Ausübung dieses Ermessens
durch den nationalen Gesetzgeber mit § 13 Absatz 1 Nr. 1
Buchstabe b UStG in Verbindung mit § 20 UStG. Übt das
nationale Recht einen durch das Unionsrecht zugebilligten
„Umsetzungsspielraum“ aus, nimmt das BVerfG
für sich in Anspruch, dass seine „Kontrolle ... nicht
zurückgenommen ist“ (BVerfG-Beschluss in UR 2013,
468, unter III.1.), so dass das nationale Recht trotz
unionsrechtlicher Harmonisierung den Bindungen des nationalen
Verfassungsrechts unterliegt.
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4. Zur dritten Vorlagefrage
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a) Gegenstand der Vorlagefrage
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Mit der dritten Frage, die für den Fall
der Bejahung der zweiten Frage gestellt wird, soll geklärt
werden, ob die Mitgliedstaaten berechtigt sind, bereits für
den Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung von einer
Berichtigung nach Artikel 90 Absatz 1 MwStSystRL auszugehen, wenn
der Steuerpflichtige den zu vereinnahmenden Betrag mangels
Fälligkeit erst nach über zwei Jahren nach Einritt des
Steuertatbestands vereinnahmen kann.
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b) Auslegung des Unionsrechts
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Nach Artikel 90 Absatz 1 MwStSystRL wird die
Steuerbemessungsgrundlage insbesondere im Fall der
vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung nach der
Bewirkung des Umsatzes unter den von den Mitgliedstaaten
festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.
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Auch insoweit stellt sich die Frage, inwieweit
die Aufgabe des Steuerpflichtigen als Steuereinnehmer (siehe oben
II.2.b bb) und die Proportionalität der Steuer (siehe oben
II.3.b) von Bedeutung sind. Ist der Steueranspruch für
Fälle der vorliegenden Art entstanden, ist zu entscheiden, ob
aus der dem Steuerpflichtigen zugedachten Aufgabe und dem Merkmal
der Proportionalität folgt, dass die Steuer, die sich aus
Vergütungsbestandteilen ergibt, die noch nicht fällig
sind oder deren Bestehen von einer erst später eintretenden
Bedingung abhängt, bereits für den Besteuerungszeitraum
der Entstehung des Steueranspruchs gemäß Artikel 90
Absatz 1 MwStSystRL vermindert werden können.
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Der erkennende Senat geht dabei davon aus,
dass eine derartige Auslegung mit dem Wortlaut von Artikel 90
Absatz 1 MwStSystRL durchaus vereinbar ist. Für eine
Unterscheidung danach, ob der Leistungsempfänger die Zahlung
nach dem Bezug der Leistung oder bereits bei Bezug der Leistung
verweigert, besteht keine Rechtfertigung. Daher kann auch dann von
einer teilweisen Nichtbezahlung auszugehen sein, wenn der
Steuerpflichtige Vergütungsbestandteile aufgrund einer noch
ausstehenden Fälligkeit oder einer Bedingung nicht
vereinnahmen kann.
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Dem steht die dort verwendete Präposition
„nach“ nicht entgegen. Denn dies bezieht sich
möglicherweise nur auf die Fälle der
Rückgängigmachung, der Auflösung oder des
Preisnachlasses, nicht aber auch auf den der Nichtbezahlung. Zum
anderen ist auch eine Auslegung dergestalt möglich, dass
abgesehen vom Fall der Vorauszahlung vor der Leistungserbringung
die Bezahlung stets erst bei oder nach der Leistungserbringung
erfolgt. Der mit Artikel 90 Absatz 1 MwStSystRL verfolgte Zweck der
Anpassung der Besteuerung an die tatsächlich vereinnahmte
Vergütung spricht dabei für eine weite Auslegung der
Präposition „nach“. Von Bedeutung
können dabei auch die den Mitgliedstaaten nach Artikel 90
Absatz 2 MwStSystRL eingeräumten Regelungsbefugnisse sein.
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c) Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage
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Die Entscheidungserheblichkeit der dritten
Vorlagefrage ergibt sich daraus, dass für den Fall einer
Bejahung des Steueranspruchs bereits mit der Leistungserbringung
über dessen Verminderung zu entscheiden ist.
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Im nationalen Recht folgt diese
Minderungsmöglichkeit aus dem Begriff der Uneinbringlichkeit
und der sich dann aus § 17 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Nummer
1 UStG ergebenden Berichtigung des Steueranspruchs.
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Dabei hat der erkennende Senat bereits in
seiner bisherigen Rechtsprechung die Möglichkeit einer
Minderung aufgrund von Vertragsbedingungen, die bereits der
Leistungserbringung zugrunde lagen, bejaht. So hat der Senat
entschieden, dass ein der Sollbesteuerung unterliegender
Unternehmer, der seinen Entgeltanspruch aufgrund eines
vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von
Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von
zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann, bereits
für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur
Steuerberichtigung berechtigt ist (BFH-Urteil vom 24.10.2013 V R
31/12, BFHE 243, 451, BStBl II 2015, 674 = SIS 14 01 48, Leitsatz).
Der erkennende Senat hat dies mit der Aufgabe des Steuerpflichtigen
als Steuereinnehmer (siehe oben II.2.b bb), der gebotenen
Gleichbehandlung zwischen Soll- und Istbesteuerung (siehe oben
II.3.c bb) und der möglichen, jetzt aber durch den EuGH zu
überprüfenden Auslegung von Artikel 90 MwStSystRL
begründet. Die Finanzverwaltung hat sich der bisherigen
Rechtsprechung des erkennenden Senats ausdrücklich
angeschlossen (Abschnitt 17.1 Absatz 5 Satz 3 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses).
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5. Zur Rechtsgrundlage der Vorlage
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Die Einleitung des Vorabentscheidungsersuchens
an den EuGH beruht auf Artikel 267 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union.
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6. Zur Verfahrensaussetzung
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Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 in Verbindung mit § 74 der
Finanzgerichtsordnung.
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