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Abweichende Steuerfestsetzung bei außergewöhnlichen Belastungen

Abweichende Steuerfestsetzung bei außergewöhnlichen Belastungen: 1. Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG sind grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem der Steuerpflichtige sie geleistet hat. - 2. Eine abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Sie kommt nicht bereits dann in Betracht, wenn sich Aufwendungen im Veranlagungszeitraum der Verausgabung nicht in vollem Umfang steuermindernd ausgewirkt haben. - Urt.; BFH 12.7.2017, VI R 36/15; SIS 17 14 29

Kapitel:
Privatbereich > Außergewöhnliche Belastungen (allgemeine)
Fundstellen
  1. BFH 12.07.2017, VI R 36/15 (ECLI:DE:BFH:2017:B.120717.VIR36.15.0)
    BStBl 2017 II S. 979
    NJW 2017 S. 3325

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 4.10.2017
    -/- in NWB 34/2017 S. 2562
    S. Geserich in BFH/PR 11/2017 S. 350
    B. Kaminski in Stbg 1/2018 S. M 8
    J. Schiffers in DStZ 18/2017 S. 665
Normen
[EStG] § 33
[AO 1977] § 163
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Baden-Württemberg, 23.04.2015, SIS 15 20 16, Außergewöhnliche Belastung, Behinderter, Umbau, Aufwendungen, Verteilung, Sachliche Unbilligkeit, Jahresprinzip, Abschnittsbesteuerung
  • nach: BVerfG, 12.06.2018, SIS 18 12 23, Außergewöhnliche Belastung, Zufluss, abweichende Steuerfestsetzung, Billigkeit, Verausgabung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Nürnberg 6.9.2023, SIS 23 18 70, Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung wegen eines krankheitsbedingten Umbau des Wohnhauses: 1. Ziel de...
  • FG Hamburg 15.6.2023, SIS 23 18 60, Keine Ausnahme vom Abflussprinzip für Kirchensteuern, die aufgrund einer rückwirkenden Besteuerung nach §...
  • FG Rheinland-Pfalz 26.8.2021, SIS 21 15 72, Geringes Vermögen im Rahmen des § 33 a EStG auch im Jahr 2019 nur bis 15.500 EUR: Die erforderliche Bedür...
  • FG Düsseldorf 25.3.2021, SIS 21 09 51, Grunderwerbsteuer, Vertrauensschutz bei Rechtsprechungsänderung, mittelbare Anteilsvereinigung bei Zwisch...
  • Sächsisches FG 9.12.2020, SIS 21 11 51, Wert der Renovierungs- und Umbaumaßnahmen als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 3 EStG bei Teilnahme an ei...
  • FG Nürnberg 27.10.2020, SIS 21 07 58, Vorsteuerabzug aus widerrufenen Gutschriften, Wirksamkeit von Widerrufserklärungen: 1. Aus einer Gutschri...
  • BFH 16.1.2020, SIS 20 05 29, Keine Bindungswirkung einer für die Gewinnfeststellung getroffenen Billigkeitsentscheidung für nachfolgen...
  • BFH 9.5.2019, SIS 19 10 23, Absehen von der Aktivierung des Feldinventars als Billigkeitsmaßnahme: 1. Die bloße Nichtaktivierung des ...
  • BFH 11.7.2018, SIS 18 14 48, Keine Billigkeitsmaßnahme wegen behaupteter Verfassungswidrigkeit der Mindestbesteuerung: 1. Eine für den...
  • FG Berlin-Brandenburg 4.7.2018, SIS 18 13 22, Kosten für nachträglichen Anschluss eines Hauses an öffentliches Trink- und Schmutzwassernetz nicht als a...
  • FG Düsseldorf 22.6.2018, SIS 22 09 76, Abweichende Zinsfestsetzung auf Umsatzsteuernachforderungen aus Billigkeitsgründen, Liquiditätsvorteil be...
  • FG des Saarlandes 30.8.2017, SIS 18 01 72, Vorsteuerabzug des geschäftsführenden Gesellschafters einer (neuen) Steuerberatungsgesellschaft nach Über...

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 23.4.2015 3 K 1750/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

 

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die im Jahr 2004 geborene Tochter der Kläger ist schwer- und mehrfachbehindert. Sie wird im Elternhaus gepflegt und betreut.

 

 

2

Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger betrug im Jahr 2010 XXX.XXX EUR, im Jahr 2011 XXX.XXX EUR, im Jahr 2012 XXX.XXX EUR und im Jahr 2013 XXX.XXX EUR.

 

 

3

Im Jahr 2011 bauten die Kläger ihr Haus für insgesamt 165.981 EUR behindertengerecht um. Sie errichteten angrenzend an das Wohnzimmer im Erdgeschoss und das darüber liegende Schlafzimmer einen 2-geschossigen Anbau mit einer Fläche von insgesamt ca. 27 qm und einem integrierten Lastenaufzug. In den beiden Räumen des Anbaus befinden sich der Zugang zum Lastenaufzug, ein mobiler Lifter, Rollstühle und Therapiegeräte sowie Regale und Schränke zur Aufbewahrung sonstiger für die Pflege benötigter Gegenstände. Der im Obergeschoss an den Anbau angrenzende Raum dient als Pflegezimmer und ist mit einem Spezialbett sowie einer Spezialbadewanne ausgestattet. Die Pflegeversicherung erstattete einen Betrag in Höhe von 2.557 EUR. Die Kläger bezahlten sämtliche mit dem Umbau zusammenhängenden Rechnungen im Jahr 2011.

 

 

4

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2011 machten die Kläger Umbaukosten in Höhe von 60.000 EUR als außergewöhnliche Belastungen geltend und beantragten, den Restbetrag auf die folgenden beiden Veranlagungszeiträume zu verteilen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) führte die Einkommensteuerveranlagung erklärungsgemäß durch und setzte die Einkommensteuer für 2011 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung - AO - ) auf 10.329 EUR fest. Wegen der außergewöhnlichen Belastungen wurde eine abgekürzte Außenprüfung durchgeführt. Der Prüfer berücksichtigte die Aufwendungen für die Errichtung des Anbaus, des behindertengerechten Bades und des Lastenaufzugs als außergewöhnliche Belastungen. Die Aufwendungen für die Neuanlage von Terrasse und Garten in Höhe von 25.368 EUR erkannte er zu 1/3 als außergewöhnliche Belastungen an. Im Anschluss an die Außenprüfung erging ein Einkommensteueränderungsbescheid für 2011, in dem außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 149.069 EUR berücksichtigt wurden. Die Einkommensteuer wurde mit 0 EUR festgesetzt; der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Eine Verteilung der Aufwendungen auf mehrere Jahre lehnte das FA ab.

 

 

5

Gegen den Änderungsbescheid sowie die Ablehnung der Verteilung der Aufwendungen auf mehrere Jahre im Wege einer abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen legten die Kläger Einspruch ein. Am 12.4.2013 erging ein Teilabhilfebescheid, in dem weitere im Verlauf des Einspruchsverfahrens geltend gemachte Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen anerkannt und die bereits anerkannten Umbaukosten um die Erstattung in Höhe von 2.557 EUR auf 146.512 EUR vermindert wurden. Das Einspruchsverfahren wegen Einkommensteuer 2012 wurde bis zur Entscheidung über den Antrag auf abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen ausgesetzt. Mit Einspruchsentscheidung vom 30.4.2013 wies das FA den Einspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf abweichende Festsetzung der Einkommensteuer aus Billigkeitsgründen als unbegründet zurück.

 

 

6

Mit der Klage begehrten die Kläger, das FA zu verpflichten, die Einkommensteuer 2011, 2012 und 2013 aus Billigkeitsgründen in Höhe der Beträge festzusetzen, die sich bei gleichmäßiger Verteilung der Umbaukosten ergäben, hilfsweise, die Umbaukosten zu gleichen Teilen in den Jahren 2010 und 2011 als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in EFG 2015, 1207 = SIS 15 20 16 veröffentlichten Gründen als unbegründet ab.

 

 

7

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

 

 

8

Die Kläger beantragen,

 

das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 23.4.2015 3 K 1750/13 aufzuheben und das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 22.10.2012 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 30.4.2013 zu verpflichten, die Einkommensteuer für 2011, 2012 und 2013 in Höhe der Beträge festzusetzen, die sich ergeben, wenn die im Einkommensteuerbescheid 2011 berücksichtigten Umbaukosten zu gleichen Teilen in 2011 bis 2013 berücksichtigt werden;

 

hilfsweise, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 22.10.2012 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 30.4.2013 zu verpflichten, die außergewöhnlichen Belastungen in 2010 und 2011 zu berücksichtigen;

 

höchst hilfsweise, das FA zu verpflichten, über den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

 

 

9

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

10

II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Revision der Kläger ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die Voraussetzungen für eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO) zu Recht verneint.

 

 

11

1. Nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden (§ 163 Abs. 1 Satz 2 AO).

 

 

12

Die Entscheidung über einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO), bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden (Senatsurteil vom 7.11.2006 VI R 2/05, BFHE 215, 481, BStBl II 2007, 315 = SIS 07 03 21; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.10.2014 II R 4/14, BFHE 247, 170, BStBl II 2015, 237 = SIS 14 32 12; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 GrS 1/15, BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393 = SIS 16 28 03). Die Unbilligkeit kann sich aus persönlichen oder sachlichen Gründen ergeben (BFH-Urteil vom 23.7.2013 VIII R 17/10, BFHE 242, 134, BStBl II 2013, 820 = SIS 13 24 88; Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393 = SIS 16 28 03).

 

 

13

Dass ein Fall der persönlichen Unbilligkeit vorliegt, wurde von den Klägern weder geltend gemacht noch ist dies sonst ersichtlich.

 

 

14

2. Im Streitfall liegt auch keine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen vor.

 

 

15

a) Bei der Entscheidung über eine sachliche Billigkeitsmaßnahme ist auf den Einzelfall abzustellen. Sie ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Billigkeitsmaßnahmen dienen der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls, um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393 = SIS 16 28 03). Sachlich unbillig ist die Erhebung einer Steuer vor allem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwider läuft (BFH-Urteile vom 21.10.1987 X R 29/81, BFH/NV 1988, 546; vom 21.1.1992 VIII R 51/88, BFHE 168, 500, BStBl II 1993, 3 = SIS 92 20 35; vom 26.10.1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297 = SIS 95 08 57). Unbeachtet bleiben müssen hingegen grundsätzlich solche Erwägungen, die der gesetzliche Tatbestand typischerweise mit sich bringt (BFH-Urteile in BFH/NV 1988, 546; in BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297 = SIS 95 08 57). Auch dürfen Billigkeitsmaßnahmen nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen (BFH-Urteile in BFH/NV 1988, 546; in BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297 = SIS 95 08 57).

 

 

16

Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt keine Billigkeitsmaßnahme (BFH-Urteile vom 21.10.2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606 = SIS 10 08 45; in BFHE 242, 134, BStBl II 2013, 820 = SIS 13 24 88).

 

 

17

b) Bei Heranziehung dieser Grundsätze ist das FA ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht in Betracht kommt. Denn im Streitfall widerspricht die vorgenommene Besteuerung nicht den Wertungen des Gesetzes.

 

 

18

aa) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

 

 

19

Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29.9.1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418 = SIS 89 24 01).

 

 

20

bb) § 11 Abs. 2 EStG ist auch auf außergewöhnliche Belastungen anwendbar (Senatsurteil vom 30.7.1982 VI R 67/79, BFHE 136, 396, BStBl II 1982, 744 = SIS 82 21 01). Aufwendungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG sind danach grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem der Steuerpflichtige sie geleistet hat (BFH-Urteile vom 10.6.1988 III R 248/83, BFHE 154, 63, BStBl II 1988, 814 = SIS 88 18 02; vom 30.6.1999 III R 8/95, BFHE 189, 371, BStBl II 1999, 766 = SIS 99 20 04). Dies gilt unabhängig davon, ob sie aus eigenen oder fremden Mitteln bestritten werden (BFH-Urteile in BFHE 154, 63, BStBl II 1988, 814 = SIS 88 18 02; vom 7.2.2008 VI R 41/05, BFH/NV 2008, 1136 = SIS 08 24 71). Auch fremdfinanzierte Aufwendungen, die als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind, können nur im Jahr des tatsächlichen Abflusses, also der Verwendung der Darlehensmittel, berücksichtigt werden (BFH-Urteil in BFHE 154, 63, BStBl II 1988, 814 = SIS 88 18 02; Senatsurteil in BFH/NV 2008, 1136 = SIS 08 24 71).

 

 

21

cc) Wirken sich außergewöhnliche Belastungen in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie geleistet werden, mangels eines hinreichenden Gesamtbetrags der Einkünfte nicht aus, sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, den restlichen Betrag in einen anderen Veranlagungszeitraum zu übertragen oder ähnlich der Regelung in § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) auf mehrere Veranlagungszeiträume zu verteilen. § 10d EStG gilt nur für Einkünfte, nicht aber für außergewöhnliche Belastungen oder Sonderausgaben. Ebenso fehlt eine § 7 EStG oder § 82b EStDV vergleichbare Regelung in § 33 EStG. Eine Gesetzeslücke, die eine analoge Anwendung des § 7 EStG, § 82b EStDV oder § 10d EStG nahelegen würde, liegt nicht vor (Senatsurteil vom 22.10.2009 VI R 7/09, BFHE 226, 536, BStBl II 2010, 280 = SIS 09 39 18, zu § 7 EStG). Aus der gesetzlichen Reihenfolge in § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach negative Einkünfte vorrangig vor den Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen in den vorangegangenen Veranlagungszeitraum rückgetragen werden, lässt sich im Gegenteil im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut in § 33 EStG der Grundsatz ableiten, dass derjenige, der keine positiven Einkünfte erzielt, auch keine privaten Aufwendungen abziehen kann, und zwar sowohl intra- als auch interperiodisch (Heuermann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10d A 41; vgl. a. Blümich/ Heger, § 33 EStG Rz 46; a.A. FG des Saarlandes, Urteil vom 6.8.2013 1 K 1308/12, EFG 2013, 1927 = SIS 13 29 76; FG Düsseldorf, Urteil vom 20.8.2014 4 K 718/13 E, EFG 2015, 2085 = SIS 16 03 51).

 

 

22

3. Im Streitfall hat sich nicht der gesamte Betrag, den die Kläger für den Umbau des Hauses aufgewendet haben, ausgewirkt, weil den Ausgaben im Jahr ihrer Verausgabung ein zu geringer Gesamtbetrag der Einkünfte gegenüberstand. Dies ist Folge der Entscheidung des Gesetzgebers für das in § 11 Abs. 2 EStG normierte Abflussprinzip in Verbindung mit dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung sowie dem Umstand, dass das Einkommensteuergesetz eine Verteilungsregel in andere Veranlagungszeiträume in einem solchen Fall nicht vorsieht.

 

 

23

Ein den gesetzlichen Wertungen widersprechendes Ergebnis ist darin nicht zu erblicken. Die Steuerunerheblichkeit von den Gesamtbetrag der Einkünfte überschreitenden außergewöhnlichen Belastungen ist vielmehr der einkommensteuerlichen Systematik, insbesondere der in § 2 EStG vorgegebenen Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, geschuldet und kann daher in der Regel eine hiervon abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nicht rechtfertigen.

 

 

24

4. Nach diesen Rechtsgrundsätzen ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Denn das FA hat mit seiner Entscheidung über eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen die gesetzlichen Grenzen des Ermessens weder überschritten noch hat es von dem ihm eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Es hat auch nicht angenommen, ihm stehe eine Ermessensbefugnis nicht zu (vgl. BFH-Urteile vom 17.9.1987 IV R 31/87, BFHE 151, 64, BStBl II 1988, 20 = SIS 87 23 06; in BFHE 242, 134, BStBl II 2013, 820 = SIS 13 24 88). Vielmehr hat das FA - ungeachtet der Vorgabe in R 33.4 der Einkommensteuer-Richtlinien 2012 - eine eigenständige Ermessensentscheidung getroffen und sich mit den einschlägigen Rechtsgrundlagen auseinandergesetzt. An Anhaltspunkten für das Vorliegen von atypischen Besonderheiten, die ausnahmsweise eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO; vgl. Senatsurteil in BFHE 226, 536, BStBl 2010, 280) rechtfertigen, fehlt es im Streitfall. Insbesondere stellt die Tatsache, dass die Aufwendungen durch einen Kredit finanziert wurden, keine Besonderheit dar, die eine Verteilung auf mehrere Jahre rechtfertigt. Vielmehr bleibt es auch bei kreditfinanzierten außergewöhnlichen Belastungen beim Abzug im Zeitpunkt der Verausgabung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 154, 63, BStBl II 1988, 814 = SIS 88 18 02).

 

 

25

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.