Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 28.07.2021 - 3 K
1589/20 = SIS 21 13 68
aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
Nürnberg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
1
|
I. Streitig ist der Kindergeldanspruch
eines Wanderarbeitnehmers für den Zeitraum März bis April
2019.
|
|
|
2
|
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist rumänischer Staatsangehöriger und war
im Zeitraum vom ...03.2019 bis ...05.2019 in der Bundesrepublik
Deutschland (Deutschland) als Arbeitnehmer beschäftigt. Er ist
der Vater eines im November 2007 geborenen Sohnes (A).
|
|
|
3
|
Mit Schreiben vom 22.11.2019, bei der
Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) eingegangen am
25.11.2019, beantragten die Prozessbevollmächtigten des
Klägers Kindergeld für A. Mit Schriftsatz vom 09.09.2020
legten die Prozessbevollmächtigten eine Geburtsurkunde des
Kindes, eine Heiratsurkunde der Eltern (beides in rumänischer
Sprache), das teils ausgefüllte Formblatt E 411, eine
Familienstandsbescheinigung in rumänischer und deutscher
Sprache vom ...11.2019 (Kind und beide Eltern wohnen in
„…, Romania“), einen Ausdruck der
deutschen elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für 2019 mit
der Angabe eines Beschäftigungszeitraums vom ...03. bis
...05., einen förmlichen Antrag auf deutsches Kindergeld und
einen Einkommensteuerbescheid des Finanzamts für 2019 vom
31.08.2020 vor, bei dem in den Erläuterungen ausgeführt
wird, dass eine Veranlagung nach § 1 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) durchgeführt wurde.
|
|
|
4
|
Mit Bescheid vom 05.11.2020 setzte die
Familienkasse Kindergeld für März bis Mai 2019 in
Höhe eines Unterschiedsbetrages zwischen dem gesetzlichen
Kindergeld und der rumänischen Familienleistung zugunsten des
Klägers fest. Im selben Bescheid verfügte die
Familienkasse unter der Überschrift „Berechnung des
zustehenden Unterschiedsbetrages an
Kindergeld“, dass sich eine Nachzahlung des
Kindergelds für den Zeitraum Mai 2019 in Höhe von
… EUR ergebe. Eine Berechnung der Festsetzung für
März und April 2019 wurde nicht vorgenommen. Die Entscheidung
wurde damit begründet, dass eine Auszahlung nach § 70
Abs. 1 Satz 2 EStG nur sechs Monate rückwirkend vor
Antragstellung möglich sei. Der Anspruch auf Kindergeld nach
§ 62 EStG bleibe von dieser Auszahlungsbeschränkung
unberührt.
|
|
|
5
|
Den dagegen gerichteten Einspruch wies die
Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 08.12.2020 als
unbegründet zurück.
|
|
|
6
|
Im sich anschließenden Klageverfahren
erließ die Familienkasse unter dem 14.07.2021 einen
geänderten Bescheid. Darin setzte sie wiederum für
März bis April 2019 Kindergeld in Höhe eines
Unterschiedsbetrages zwischen dem gesetzlichen Kindergeld und der
rumänischen Familienleistung zugunsten des Klägers
für dessen Sohn fest. Sie änderte jedoch die Anlage
„Berechnung des zustehenden Unterschiedsbetrages an
Kindergeld“ dahin, dass unter Anrechnung von
… RON (… EUR) für März 2019 und …
RON (… EUR) für April 2019, Kindergeld in Höhe von
… EUR für März 2019 und … EUR für
April 2019 berechnet wurde. Die Auszahlung von Kindergeld für
die Monate März bis April 2019 wurde weiterhin
abgelehnt.
|
|
|
7
|
Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen
gerichtete Klage als unbegründet ab.
|
|
|
8
|
Mit der hiergegen gerichteten Revision
rügt der Kläger die Verletzung materiellen
Rechts.
|
|
|
9
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß,
|
|
das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Bescheid vom 05.11.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom
08.12.2020 und des Änderungsbescheids vom 14.07.2021
dahingehend abzuändern, dass an die Klägerin ein
Differenzkindergeld für März 2019 in Höhe von
… EUR und für April 2019 in Höhe von … EUR
auszuzahlen ist,
|
|
|
|
hilfsweise,
|
|
eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der
Europäischen Union zu der Frage einzuholen, ob § 70 Abs.
1 Satz 2 EStG mit dem europäischen Recht vereinbar
ist.
|
|
|
10
|
Die Familienkasse beantragt,
|
|
die Revision zurückzuweisen.
|
|
|
11
|
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Das FG ist auf
der Basis der getroffenen Feststellungen zu Unrecht davon
ausgegangen, dass der Kläger aufgrund des Eingreifens der
Ausschlussfrist des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG keinen Anspruch
auf Auszahlung des Differenzkindergelds in Höhe von …
EUR für März 2019 und in Höhe von … EUR
für April 2019 hat.
|
|
|
12
|
1. Zu Recht hat das FG angenommen, dass sich
der Kläger mit seiner Anfechtungsklage i.S. des § 40 Abs.
1 Alternative 1 FGO gegen eine Abrechnungsentscheidung der
Familienkasse i.S. des § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO)
gewandt hat.
|
|
|
13
|
Insoweit kann offenbleiben, ob es sich bereits
bei dem unter der Überschrift
„Nachzahlung“ im Bescheid vom
05.11.2020 enthaltenen Abrechnungsteil um einen förmlichen
Abrechnungsbescheid i.S. des § 218 Abs. 2 AO handelt
(ablehnend etwa FG Münster vom 26.09.2019 - 8 K 2081/18 Kg,
juris = SIS 19 17 77, Rz 28, unter Hinweis auf das Fehlen einer
Streitigkeit). Denn jedenfalls regelte die Familienkasse mit diesem
Bescheid, der dem Bescheid beigefügten Anlage und der
Begründung des Bescheides gegenüber dem Kläger den
Zeitraum, für den nach ihrer Auffassung ein
Auszahlungsanspruch bestand. Die Familienkasse setzte zwar
Differenzkindergeld für den Zeitraum März bis Mai 2019
fest, einen Auszahlungsanspruch erkannte sie aber unter Hinweis auf
§ 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nur für den Monat Mai 2019 an.
Durch den nur gegen die unterbliebene Auszahlung gerichteten
Einspruch entstand auch eine Streitigkeit zwischen der
Familienkasse und dem Kläger, über welche die
Familienkasse durch die Einspruchsentscheidung vom 08.12.2020 und
den nach § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des
finanzgerichtlichen Verfahrens gewordenen Änderungsbescheid
vom 14.07.2021 entschieden hat. Unerheblich ist dabei, dass die
Familienkasse ihre Entscheidungen nicht ausdrücklich als
Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO
bezeichnete (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 07.08.1990 -
VII R 120/89, BFH/NV 1991, 569, unter II.2.a). Denn aus der
Begründung aller drei Bescheide ergibt sich, dass die
Familienkasse jeweils (auch) über den Auszahlungsanspruch
entschieden hat.
|
|
|
14
|
2. Zu Unrecht hat das FG aber angenommen, dass
für die Monate März und April 2019 die Voraussetzungen
der in § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG vorgesehenen
Auszahlungsbeschränkung erfüllt sind. Die zur Stellung
eines Familienleistungsantrags im Heimatland (Republik
Rumänien - Rumänien - ) getroffenen Feststellungen tragen
nicht die Schlussfolgerung, dass dort kein
berücksichtigungsfähiger Antrag vorliegen kann. Dies
stellt einen materiellen Fehler der Entscheidung dar (z.B.
Senatsurteil vom 22.02.2017 - III R 20/15, BFHE 257, 274, BStBl II
2017, 913 = SIS 17 09 92, Rz 19, m.w.N.).
|
|
|
15
|
a) Nach § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F.
des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und
Sozialleistungsmissbrauch (SozialMissbrG) vom 11.07.2019 (BGBl I
2019, 1066, BStBl I 2019, 814 = SIS 19 12 32) erfolgt die
Auszahlung von festgesetztem Kindergeld rückwirkend nur
für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der
Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Die Vorschrift ist nach
§ 52 Abs. 50 EStG i.d.F. des SozialMissbrG auf nach dem
18.07.2019 eingehende Kindergeldanträge anzuwenden.
|
|
|
16
|
Insofern ist das FG zwar zu Recht davon
ausgegangen, dass der vom Kläger gestellte und am 25.11.2019
bei der Familienkasse eingegangene Antrag die Sechsmonatsfrist
für die Monate März und April 2019 nicht wahrt. Das FG
hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob im Heimatland
des Klägers (Rumänien) vom Kläger oder einer anderen
berechtigten Person ein diese Frist wahrender Antrag gestellt
wurde.
|
|
|
17
|
b) Das europäische Recht zur
Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit sieht ein
umfassendes Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung vor.
|
|
|
18
|
aa) Nach Art. 68 Abs. 3 der Verordnung (EG)
Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
(Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU - 2004 Nr. L 166, S.
1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung
(VO Nr. 883/2004) gilt für den Fall, dass beim
zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen
Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln des
Art. 68 Abs. 1 und 2 der VO Nr. 883/2004 nachrangig sind, ein
Antrag auf Familienleistungen gestellt wird, ein besonderes
Verfahren. Der betreffende Träger leitet den Antrag
unverzüglich an den zuständigen Träger des
Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten,
teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der
Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die
vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls
den Unterschiedsbetrag aus. Der zuständige Träger des
Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten,
bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden
wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten
Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger,
der vorrangig zuständig ist. Diese Regelung wird durch die
Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten
für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004
über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
(ABlEU 2005 Nr. L 117, S. 1) in der für den Streitzeitraum
geltenden Fassung (VO Nr. 987/2009) zum einen dahingehend
ergänzt, dass im Falle der unterbliebenen Antragstellung durch
einen berechtigten Elternteil auch der von dem anderen Elternteil,
einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder
Institution, die als Vormund des Kindes oder der Kinder handelt,
gestellter Antrag zu berücksichtigen ist (Art. 60 Abs. 1 Satz
2 der VO Nr. 987/2009). Zum anderen ergibt sich aus Art. 60 Abs. 2
Satz 3 der VO Nr. 987/2009, dass die Antragsgleichstellung nicht
nur für den Fall des Antragseingangs beim nachrangig
verpflichteten Leistungsträger, sondern auch für den Fall
des Antragseingangs beim vorrangig zuständigen
Leistungsträger gilt. Denn auch für Zwecke der Zahlung
eines bloßen Unterschiedsbetrages soll der Antrag an den
nachrangig zuständigen Leistungsträger weitergeleitet
werden. Zudem ergibt sich auch aus Art. 81 der VO Nr. 883/2004,
dass Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe, die
gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats
innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Behörde, einem
Träger oder einem Gericht dieses Mitgliedstaats einzureichen
sind, innerhalb der gleichen Frist bei einer entsprechenden
Behörde, einem entsprechenden Träger oder einem
entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedstaats eingereicht
werden können. In diesem Fall übermitteln die in Anspruch
genommenen Behörden, Träger oder Gerichte diese
Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe entweder
unmittelbar oder durch Einschaltung der zuständigen
Behörden der beteiligten Mitgliedstaaten unverzüglich der
zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger
oder dem zuständigen Gericht des ersten Mitgliedstaats. Der
Tag, an dem diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe
bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht des
zweiten Mitgliedstaats eingegangen sind, gilt als Tag des Eingangs
bei der zuständigen Behörde, dem zuständigen
Träger oder dem zuständigen Gericht. Somit ist das
„Prinzip der europaweiten
Antragstellung“ zu beachten (Senatsurteil
vom 09.12.2020 - III R 73/18, BFHE 271, 508, BStBl II 2022, 178 =
SIS 21 06 73, Rz 16).
|
|
|
19
|
bb) Zweck dieser Regelungen ist es, den
Wanderarbeitnehmern und den ihnen Gleichgestellten die Teilnahme am
zwischenstaatlichen Verwaltungsverfahren zu erleichtern. Statt sich
direkt an die für sie zuständige ausländische
Einrichtung zu wenden, können sie ihr Anliegen an die
entsprechende Stelle ihres Wohnstaats richten, ohne einen
Rechtsverlust aufgrund langer Postwege, Unkenntnis über den
Verwaltungsaufbau im ausländischen Staat und ähnlicher
rechtlicher und praktischer Schwierigkeiten befürchten zu
müssen (Pabst/ Otting in: jurisPK-SGB I, Aufl. 2021, Art. 81
VO (EG) 883/2004 Rz 8, m.w.N.). Zudem wird aus der den beteiligten
Trägern auferlegten Pflicht zur unverzüglichen
Antragsweiterleitung deutlich, dass die genannten Vorschriften auf
eine zeitnahe Durchführung des Koordinierungsverfahrens
abzielen.
|
|
|
20
|
c) aa) Insoweit ist das FG zwar unter
Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 09.09.2020 - III R 37/19
(BFH/NV 2021, 449 = SIS 21 01 97, Rz 19) zu Recht davon
ausgegangen, dass ein mutmaßlich bei Geburt des Kindes
(November 2007) in Rumänien gestellter Antrag schon deshalb
nicht unter diese Antragsgleichstellung fallen kann, weil die VO
Nr. 883/2004 erst am 01.05.2010 in Kraft getreten ist.
|
|
|
21
|
bb) Es fehlen jedoch Feststellungen dazu, ob
nach Inkrafttreten der VO Nr. 883/2004 vom Kläger oder einer
anderen berechtigten Person - insbesondere von der Kindsmutter, die
im Kindergeldantrag (Bl. 8 der Kindergeldakte) als die
Bezugsberechtigte für die rumänischen Familienleistungen
angegeben wurde - bis zum Ablauf der hier streitigen
Sechsmonatsfrist ein Antrag auf Familienleistungen für die
streitigen Monate März bis April 2019 gestellt wurde.
|
|
|
22
|
Im Streitfall kann nicht ausgeschlossen
werden, dass ein solcher Antrag gestellt wurde. Denn nach den von
der Europäischen Kommission zur Verfügung gestellten
Informationen zu den Familienleistungen in den EU-Mitgliedstaaten
ist die in Rumänien vorgesehene Familienbeihilfe (alocatie
pentru sustinerea familiei) u.a. von dem Schulbesuch des Kindes,
von der im Verhalten erzielten Note und dem Durchschnittseinkommen
pro Familienmitglied abhängig
(https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1126&intPageId=4749&langId=de).
Dies legt nahe, dass auch in Rumänien schon während der
Minderjährigkeit des A mehrere Anträge erfolgt sein
können (z.B. bei Schulwechsel des A, bei
Wieder-/Erfüllung der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen). Ein
entsprechender Antrag könnte deshalb mit einem innerhalb der
Ausschlussfrist liegenden Eingangsdatum bei dem rumänischen
Träger auch von der deutschen Familienkasse zu
berücksichtigen sein.
|
|
|
23
|
Hat der Kläger oder eine berechtigte
Person - wie im vorliegenden Fall - im anderen Mitgliedstaat
laufend Familienleistungen für das betreffende Kind bezogen,
wäre es aus Sicht des Senats für die Annahme eines
Antrags auch ausreichend, dass der Kläger oder ein anderer
Berechtigter gegenüber dem zuständigen Träger
seines Heimatlandes innerhalb der Sechsmonatsfrist den durch die in
Deutschland ausgeübte Tätigkeit entstandenen
grenzüberschreitenden Sachverhalt angezeigt und hierdurch die
Durchführung des Koordinierungsverfahrens für die Monate
März bis April 2019 ermöglicht hätte.
|
|
|
24
|
cc) Soweit das FG darüber hinaus darauf
abgestellt hat, dass ein etwaiger Antrag mangels Zusammentreffens
von Leistungsansprüchen auch nicht weiterzuleiten gewesen sei,
kann dies für den Streitzeitraum schon deshalb nicht
zutreffen, weil der Kläger insoweit erklärt hat, dass
Familienleistungen für A in Rumänien erbracht wurden.
Ebenso hat die Familienkasse eine Anrechnung dieser Leistungen
vorgenommen. Zudem kommt es für die Frage der Rechtzeitigkeit
des Antrags nicht darauf an, ob der Träger in Rumänien
Kenntnis von einem Zusammentreffen von
Familienleistungsansprüchen hatte und daher zur Weiterleitung
des Antrags verpflichtet gewesen wäre. Sofern ein Antrag
rechtzeitig gestellt worden wäre, wäre er nach dem
Prinzip der europaweiten Antragsgleichstellung auch zu
berücksichtigen. Gleichwohl liegt es freilich im Interesse des
Anspruchsberechtigten, von sich aus zumindest einem der beteiligten
Träger zeitnah und nach den jeweils anzuwendenden nationalen
Rechtsordnungen rechtzeitig den grenzüberschreitenden
Sachverhalt anzuzeigen, um die Koordinierung zu ermöglichen
und Rechtsverluste in dem einen oder dem anderen Mitgliedstaat zu
vermeiden.
|
|
|
25
|
3. Da somit schon unklar ist, ob der
Kläger durch die Anwendung der Ausschlussfrist des § 70
Abs. 1 Satz 2 EStG überhaupt einen Rechtsnachteil erlitten hat
oder ein solcher durch die insbesondere für Wanderarbeitnehmer
geschaffenen - und für reine Inlandsfälle nicht geltenden
- Vereinfachungsregelungen des europäischen
Koordinierungsrechts vermieden wird, ist die Frage, ob der
Kläger in verfassungs- und europarechtswidriger Weise
diskriminiert wird, im Revisionsverfahren nicht
entscheidungserheblich.
|
|
|
26
|
4. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird
im zweiten Rechtsgang durch Auskunftsersuchen gegenüber dem
zuständigen Träger in Rumänien aufzuklären
haben, ob eine berechtigte Person während der Ausschlussfrist
einen Familienleistungsanspruch für A im Heimatland
Rumänien geltend gemacht hat. Im Falle der Nichterweislichkeit
eines entsprechenden Antrags oder einer entsprechenden Mitteilung
trägt der Kläger die Feststellungslast (objektive
Beweislast) für diesen ihm günstigen Umstand.
|
|
|
27
|
5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.
|